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Gericht: Landesarbeitsgericht Saarland
Urteil verkündet am 07.03.2001
Aktenzeichen: 1 Sa 131/99
Rechtsgebiete: ZUrlG, MTL II, SchwbeschG, SchwbG 1986, BUrlG, BGB, ZPO, ArbGG
Vorschriften:
ZUrlG § 1 | |
ZUrlG § 1 II | |
ZUrlG § 1 Abs. 2 S. 1 | |
MTL II § 49 IV | |
SchwbeschG § 34 | |
SchwbG 1986 § 47 S. 1 | |
BUrlG § 5 II | |
BGB § 284 | |
BGB § 280 I | |
BGB § 286 I | |
BGB § 287 S. 2 | |
BGB § 249 S. 1 | |
ZPO § 92 Abs. 1 | |
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1 |
LANDESARBEITSGERICHT SAARLAND Im Namen des Volkes ! URTEIL
- 1 Sa 131/99 -
Verkündet am 7. März 2001
In dem Rechtsstreit
hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Saarland auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2001
durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Degel als Vorsitzenden
und die ehrenamtlichen Richter Dr. Bungart und Gerlich als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 30.9.1999, Az.: 1 (3) Ca 779/99, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass der Klägerin aufgrund des Bescheides des Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung vom 15.4.1997 ein jährlicher Zusatzurlaub in Höhe von 2,5 Arbeitstagen erstmals für das Jahr 1997 zusteht.
2. Aufgrund der unter Ziffer 1. getroffenen Feststellung wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem Jahr 1997 jährlich 2,5 Arbeitstage als Zusatzurlaub zu dem bereits bestehenden jährlichen Urlaubsanspruch zu gewähren.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 5/6, die Klägerin zu 1/6.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Gewährung von Zusatzurlaub für 'Leichtbehinderte' nach dem Saarländischen 'Gesetz Nr. 186 betreffend Regelung des Zusatzurlaubs für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft' (zukünftig: Zusatzurlaubsgesetz ZUrlG) vom 22.6.1950 (Amtsbl. 1950, S. 759 ff.) i. d. F. v. 30.6.1951 (Amtsbl. 1951, S. 979 ff.) und vom 23.6.1999 (Amtsbl. 1999, S. 1263).
Die Klägerin ist seit August 1978 bei der Beklagten beschäftigt. Gemäß Bescheid des zuständigen Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung des Saarlandes vom 15.7.1997 (Bl. 4 d. A.) wurde die Klägerin unter Bezugnahme auf das Zusatzurlaubsgesetz aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens Kriegs- und Unfallbeschädigten gleichgestellt (§ 3 der Durchführungsbestimmungen). Der Grad der MdE wurde auf 30 % festgesetzt. In dem Bescheid heißt es ferner: 'Sie haben somit Anspruch auf einen Zusatzurlaub von 3 Arbeitstagen (§ 1 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes). In der namentlichen Liste des anspruchsberechtigten Personenkreises werden Sie unter der Nr. 11725 geführt.'
Die Klägerin hat mehrfach den Zusatzurlaub gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Beklagte stellte zunächst eine Urlaubsgewährung bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Rechtsgültigkeit des Zusatzurlaubsgesetzes in einem anderen Rechtsstreit zurück. Am 27.5.1997 entschied das BAG - wie zuvor schon das LAG Saarland, U. v. 28.5.1996, Az. 3 Sa 12/96 = 2 Ca 90/95/ArbG Saarlouis) - dass das Gesetz weder wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist noch durch das Schwerbehindertengesetz verdrängt werde (Az. 9 AZR 84/96 in AP Nr. 3 zu § 1 ZUrlG = NZA 1998, 649 ff.).
Gegen die Entscheidung des BAG wurde Verfassungsbeschwerde erhoben. Mit Beschluss vom 12.3.1999 nahm das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung an (Bl. 28 - 30 d. A.). Die Verfassungsbeschwerde werfe weder Fragen grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf noch sei ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt. Die Anwendung und Auslegung von § 1 II ZUrlG durch die angegriffene Entscheidung verstoße weder gegen Art. 3 Abs. 1 noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die landesgesetzliche Regelung sei insbesondere nicht zu unbestimmt.
Weiter heißt es in dem Beschluss: 'Nicht geprüft hat die Kammer, ob das nur für die Privatwirtschaft geltende Gesetz gleichheitswidrig geworden ist, nachdem, wie von der Beschwerdeführerin dargelegt, die dem Saarländischen Zusatzurlaubsgesetz entsprechenden tarifvertraglichen oder tarifvertraglich in Bezug genommenen Regelungen für die im öffentlichen Dienst Beschäftigten mit Wirkung vom 1. Januar 1997 geändert worden sind und Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes Zusatzurlaub allenfalls noch im Rahmen tariflicher Nachwirkung zu gewähren ist. Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens war Zusatzurlaub zweier Behinderter für das Jahr 1995, also einem Zeitraum, in dem eine etwaige Ungleichbehandlung privater und öffentlicher Arbeitgeber noch nicht bestand.' Diesen Hinweis hat die Beklagte zum Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit des Zusatzurlaubs ab 1997 in Zweifel zu ziehen.
Die Urlaubsordnung für Beamte, Angestellte und Lohnempfänger des öffentlichen Dienstes vom 10.12.1948 gewährte allen Erwerbsbeschränkten ab einer MdE von 25 % den Zusatzurlaub (vgl. zuletzt Fassung v. 4.4.1995, § 12 II Ziff. 1 Urlaubsordnung).
Da der Gesetzgeber die in der Privatwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer den Beschäftigten im öffentlichen Dienst gleichstellen wollte, erließ er am 22.6.1950 das Zusatzurlaubsgesetz, allerdings nur für Kriegs- und Unfallbeschädigte. 1951 holte der saarländische Gesetzgeber die völlige Gleichstellung, d. h. mit allen Leichtbehinderten, nach.
Nachdem Mitte der 90er-Jahre über die Angemessenheit und Sinnhaftigkeit des Saarländischen Gesetzes über die Gewährung von Zusatzurlaub für Leichtbehinderte öffentlich gestritten wurde und die Rechtmäßigkeit des Gesetzes von den Gerichten überprüft wurde, wurde am 15.5.1996 durch Verordnung zur Änderung der Urlaubsverordnung für die saarländischen Beamten und Richter der Zusatzurlaub für die sogenannte Gruppe der Minderbeschädigten in der Beamten- und Richterschaft ersatzlos gestrichen (vgl. Amtsbl. v. 13.6.1996, S. 586).
Da in keiner Weise nachvollziehbar sei, weshalb Leichtbehinderte in der Privatwirtschaft einen Anspruch auf Zusatzurlaub hätten, im öffentlichen Dienst jedoch nicht, hält die Beklagte das ZUrlG für verfassungswidrig. Arbeitsbelastung und Urlaubsdauer seien in beiden Bereichen in etwa gleich.
Die Klägerin besteht dagegen auf der Gewährung eines Zusatzurlaubes von 3 Tagen pro Jahr ab 1997.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass der Klägerin aufgrund des Bescheides des Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung vom 15.4.1997 ein jährlicher Zusatzurlaub in Höhe von 3 Arbeitstagen erstmals für das Jahr 1997 zusteht;
2. aufgrund der unter Ziffer 1. getroffenen Feststellung die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem Jahre 1997 jährlich 3 weitere zusätzliche Urlaubstage zu dem bereits bestehenden jährlichen Urlaubsanspruch zu gewähren. festzustellen, dass der Klägerin aufgrund des Bescheides des Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung vom 15.4.1997 ein jährlicher Zusatzurlaub in Höhe von 3 Arbeitstagen erstmals für das Jahr 1997 zusteht;
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält das ZUrlG ab 1.1.1997 für gleichheitswidrig. Differenzierungskriterien, die eine unterschiedliche Behandlung erlauben würden, lägen nicht vor.
Schließlich komme noch ein weiteres Element der Verfassungswidrigkeit hinzu: Durch die Gesetzesänderung vom 23.6.1999 hat der Saarländische Landtag das ZUrlG (Gesetz Nr. 186) aufgehoben, allerdings unter Erlass einer Übergangsregelung, wonach Arbeitnehmer, die entsprechende Ansprüche bis zum Ende des Jahres 1999 besitzen oder bis dahin noch erwerben, diese auch über das Jahr 2000 hinaus behalten. Eine solche Übergangsregelung ist bei der Beseitigung der vergleichbaren Vorschriften der Bediensteten der öffentlichen Hand nicht vorgesehen.
Das Arbeitsgericht Saarbrücken gab der Klage in vollem Umfang durch Urteil vom 30.9.1999 statt.
Das Saarländische ZUrlG sei auch ab 1997 nicht verfassungswidrig. Es fehle bereits an einer Ungleichbehandlung der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft durch den Gesetzgeber. Dieser habe nämlich lediglich die Saarländische Urlaubsverordnung für Beamte und Richter verändert. Hierbei handele es sich um eine Regelung für eine Personengruppe mit einem öffentlich-rechtlichen Sonderstatus. Dass diese Regelung durch tarifvertragliche dynamische Verweisungen Gegenstand von tarifrechtlichen Normen geworden sei, die ihrerseits für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gelten, sei dem Gesetzgeber nicht zuzurechnen. Dies sei eine Folge der zwischen den Tarifvertragsparteien getroffenen Regelungen. Es sei diesen unbenommen, dynamische Verweisungen auf das jeweilige Beamtenrecht zu unterlassen. Die Ungleichbehandlung zwischen den Arbeitgebern der Privatwirtschaft und den Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes folge also aus einer gewissen Verhandlungsschwäche der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes.
Im Übrigen fehle es aber auch an einer sachlichen Ungleichbehandlung. Die Urlaubsregelung sei sowohl im Beamtenrecht wie im Arbeitsrecht der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes arbeitnehmerfreundlicher gestaltet als in der Privatwirtschaft. Von daher sei es selbst einem Gesetzgeber im Rahmen der ihm eingeräumten weiten Typisierungsspielräume gestattet, eine Unterscheidung zwischen den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes und denen der Privatwirtschaft vorzunehmen.
Schließlich seien auch die Schlussfolgerungen, die die Beklagte aus der angeblichen Ungleichbehandlung ziehe, falsch. Die Rechtsfolge der vermeintlichen Ungleichbehandlung bestehe nicht darin, dass die Arbeitgeber der Privatwirtschaft von der Gewährung von Zusatzurlaub freizustellen seien, sondern könne allenfalls darin bestehen, dass auch die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einen Anspruch auf Gewährung von Zusatzurlaub haben. Das Gleichheitsgebot sei hier zwar in seiner Qualität als objektives Recht verletzt, nicht aber als subjektives Recht. Es gebe kein subjektives Recht auf Willkür und es gebe auch kein subjektives Recht dort, wo die eigene Position nicht verbessert, sondern nur eine andere verschlechtert werden solle. Für eine Verfassungsbeschwerde bedürfe es der Verletzung eines subjektiven Rechts.
Das Gleichheitsgebot begründe nur eine Extension rechtmäßiger Rechtslagen, begründe hingegen nicht eine Ausweitung rechtswidriger Rechtslagen. In der Rechtsordnung als ungerecht empfundene Wertungswidersprüche seien de lege ferenda zu beseitigen, was vornehmste Aufgabe des Gesetzgebers sei, nicht aber die von Gerichten.
Das Gericht sei allerdings nicht der Frage nachgegangen, ob im Sinne des Gesetzes von 1950 3 Arbeitstage die Hälfte einer Arbeitswoche sind und in den heutigen Zeiten einer fünf Tagewoche nur noch 2,5 Arbeitstage Zusatzurlaub bedeuten. Da dieser Aspekt im bisherigen Verfahren im Hinblick auf die allein streitige Verfassungsmäßigkeit der Regelung nicht diskutiert worden sei, habe das erkennende Gericht diesen Aspekt bei seiner Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt.
Das Urteil des ersten Rechtszuges wurde der Beklagten und Berufungsklägerin am 15.11.1999 zugestellt. Die Berufungsschrift ging am 15.12.1999 ein. Die Berufungsbegründungsfrist wurde bis zum 15.3.2000 verlängert. Am 14.3.2000 ging die Berufungsbegründung beim Landesarbeitsgericht ein.
Die Beklagte führt aus, es sei kein vernünftiger Grund dafür erkennbar, Arbeitnehmer und Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft unterschiedlich zu behandeln. Ein Indiz für einen Gleichheitsverstoß liege schon dann vor, wenn eine von einem Gesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit ohne ausreichenden Grund verlassen werde. Der Gesetzgeber habe 1950 selbst ausdrücklich erklärt, dass gerade durch die Gewährung des Zusatzurlaubs auch an Beschäftigte der Privatwirtschaft der Gleichheitsgrundsatz verwirklicht werden sollte. Mit der Aufhebung eines der Gesetze habe er die vorher von ihm selbst erkannte und beanstandete Ungleichheit wieder hergestellt. Der Gesetzgeber habe bewusst den Dreh- und Angelpunkt, an dem die tariflichen Verweisungen hängen, aufgehoben, um für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu einer anderen Regelung zu kommen. Dies habe zu einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung geführt. Der ursprünglich vorhandene Spielraum für Typisierungen sei durch die erforderliche Systemgerechtigkeit eingeschränkt worden.
Für die Situation ab 1.1.2000 liege eine zusätzliche Ungleichbehandlung darin, dass Arbeitnehmer der Privatwirtschaft Bestandsschutz genießen, der Anspruch den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes jedoch seit 1.1.1997 verwehrt werde. Das Arbeitsgericht müsse eine Normenkontrolle einleiten, in der geprüft werde, wie es um die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestellt ist.
Die Beklagte habe nie behauptet, sie habe einen Anspruch darauf, nun ebenfalls vom Zusatzurlaub freigestellt zu werden. Die bestehende Ungleichbehandlung könne auf verschiedene Art und Weise behoben werden, was Sache des Gesetzgebers sei unter Beachtung der Verfassungsvorgabe. Die Ausführung des Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 12.3.1999 legitimierten geradezu zur Vorlage. Diese habe beim Bundesverfassungsgericht zu erfolgen. Eine Vorlagepflicht der Gerichte bestehe auch bei solchen vorkonstitutionellen Bestimmungen, die der an das Grundgesetz gebundene Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen habe. Diese müsse hier mindestens seit der Gesetzesänderung vom 23.6.1999 angenommen werden.
Schließlich arbeite der Kläger nur an 5 Tagen pro Woche. Da der Zusatzurlaub sich auf eine Arbeitswoche von 6 Tagen beziehe, sei er zu quoteln, weshalb nur ein Anspruch von maximal 2,5 Tagen pro Jahr bestehe.
Schließlich weist die Beklagte darauf hin, dass der Gesetzgeber schon 1950 es als verfassungswidrig angesehen habe, einen gleichen Personenkreis in der Privatwirtschaft anders zu behandeln als im öffentlichen Dienst. Er habe daher das Gesetz Nr. 186 geschaffen. Nachdem zum 1.4.1960 die Urlaubsverordnung für die saarländischen Beamten und Richter in Kraft trat, die nicht mehr für die Angestellten und Lohnempfänger des öffentlichen Dienstes galt (vgl. Amtsbl. 1960, S. 296 ff.), sei es wieder zu dem verfassungswidrigen Zustand der Ungleichbehandlung gekommen. Nur durch tarifvertragliche Verweisungen sei der frühere Zustand wieder hergestellt worden. Der Gesetzgeber könne sich seiner Verantwortung jedoch nicht dadurch entziehen, dass er sich zur Verwirklichung der Gleichbehandlung über einen langen Zeitraum bewusst des Werkzeuges der Tarifverträge bedient, statt selbst tätig zu werden. Die ab 1.1.2000 geltende Bestandsschutzregelung begünstige nur die Angestellten in der Privatwirtschaft, nicht jedoch die im öffentlichen Dienst. Damit würden auch die Lasten ausschließlich den Arbeitgebern der Privatwirtschaft aufgebürdet.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 30.9.1999, Az. 1 (3) Ca 779/99, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Durch die Streichung des Zusatzurlaubes für Beamte und Richter ab dem Jahre 1997 sei lediglich eine Personengruppe betroffen worden, die einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus hat. Die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes seien nicht dem Gesetzgeber zuzurechnen. Dies habe das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Es bestehe noch immer die Möglichkeit, einen Zusatzurlaub für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Rahmen tarifvertraglicher Nachwirkungen zu gewähren. Insoweit liege keine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft vor. Nicht wesentlich seien die Sachverhalte hier nur insoweit, als die 'Ungleichbehandlung' einzig und allein auf den tarifvertraglich dynamischen Verweisungen auf das Beamtenrecht beruhe. Art. 3 Abs. 1 GG verlange auf keinen Fall, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Eine Ungleichbehandlung zwischen den Arbeitgebern der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes folge hier allenfalls aus einer gewissen Verhandlungsschwäche der Gewerkschaften.
Im Hinblick auf die bessere Ausstattung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst mit Tarifansprüchen könne der Gesetzgeber auch eine Differenzierung vornehmen. Von einem selbst gesetzten Regelsystem dürfe der Gesetzgeber abweichen, wenn er dafür zureichende Gründe habe.
Die konkrete Normenkontrolle sei nur zulässig, wenn es auf die Gültigkeit des anzuwendenden Gesetzes bei der Entscheidung ankomme und das Vorlagegericht dieses Gesetz für verfassungswidrig hält. Davon sei es jedoch nicht ausgegangen.
Der Klägerin stehe auch ein Zusatzurlaub von 3 Tagen und nicht nur 2,5 Tagen pro Jahr zu. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.
Der Klägerin steht ab 1997 ein jährlicher Zusatzurlaub grundsätzlich gemäß dem Saarl. ZUrlG zu, allerdings nicht im Umfang von 3 Arbeitstagen, sondern lediglich 2,5 Arbeitstagen.
I. Bezüglich der Zulässigkeit der Klageanträge bestehen keine prozessualen Bedenken. Hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen.
II. Der begehrte Anspruch auf Gewährung von Zusatzurlaub steht der Klägerin als sogenannte 'Leichtbehinderte' ab 1997 dem Grunde nach zu.
Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 2 S. 1 ZUrlG, wonach Zusatzurlaub nicht nur den Kriegs- und Unfallbeschädigten zu gewähren ist, sondern allen Behinderten, denen ein Grad der Behinderung (früher: MdE) von mindestens 25 v. H. durch ein amtsärztliches Gutachten anerkannt wurde. Hinzu kommt die erfolgte förmliche Bescheidung vom 15.7.1997, in der u. a. die Klägerin den Kriegs- und Unfallbeschädigten gleichgestellt wurde und in die Liste des anspruchsberechtigten Personenkreises aufgenommen wurde (vgl. § 3 der Durchführungsbestimmungen).
Wie die mit dem Gesetz befassten Gerichte (vgl. Tatbestand) wiederholt festgestellt haben, ist das Gesetz - zumindest bis zum Jahr 1996 - nicht verfassungswidrig. Dies stellt auch die Beklagte nicht mehr in Frage. Sie ist jedoch der Ansicht, durch die Verordnung vom 15.5.1996, in der der Zusatzurlaub für saarländische Beamte und Richter gestrichen wurde, sei es nunmehr verfassungswidrig geworden. Es bedürfe daher einer Vorlage zum Bundesverfassungsgericht.
Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Die Klägerin ist Arbeitnehmerin der Privatwirtschaft, für die das ZUrlG 1950/1951 geschaffen wurde. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass von der Änderung der Urlaubsverordnung vom 15.5.1996 lediglich die Beamten und Richter unmittelbar erfasst wurden. Es handelt sich um eine Personengruppe, die keine Arbeitnehmer sind, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Land stehen und deshalb aufgrund ihres Sonderstatuses auch nicht mit Arbeitnehmern gleichzustellen sind (vgl. hierzu Jarass/Pieroth, GG-Komm., 5. A., Art. 3 Rn. 23).
Die Streichung hatte zwar insofern Auswirkungen auf die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, als die Rechtsnormen, auf die tarifvertraglich dynamisch verwiesen wurden, weggefallen sind. Dies gilt allerdings lediglich für die Angestellten (vgl. § 49 BAT), nicht jedoch die Arbeiter (vgl. § 49 IV MTL II). Es liegt nun an den Tarifvertragsparteien neue zu schaffen oder nicht.
Einen Eingriff in die Rechte der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nahm der Verordnungsgeber somit direkt nicht vor. Dieser erfolgte vielmehr schon zum 1.4.1960, als die neue Urlaubsverordnung nur noch für die saarländischen Beamten und Richter galt und nicht mehr wie gemäß der Urlaubsordnung vom 10.12.1948 auch für Angestellte und Lohnempfänger des öffentlichen Dienstes. Dies wirkte sich aufgrund geschaffener tarifvertraglicher Normen allerdings nicht praktisch aus. Die Norm des § 49 IV MTL II, wonach die Arbeiter der Länder mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 und weniger als 50 v. H. einen Zusatzurlaub von 3 Arbeitstagen erhalten, gilt übrigens heute noch.
Schon das erstinstanzliche Gericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Schlussfolgerung, die die Beklagte aus der vermeintlichen Ungleichbehandlung zog, nicht darin besteht, dass die Arbeitgeber der Privatwirtschaft von der Gewährung von Zusatzurlaub freizustellen sind, sondern allenfalls darin, dass auch die Arbeitnehmer - bzw. die Angestellten - des öffentlichen Dienstes einen Anspruch auf Gewährung von Zusatzurlaub haben.
Die Beklagte hat selbst eingeräumt, dass sie nicht deshalb einen Anspruch auf Befreiung von der Verpflichtung, Zusatzurlaub zu erteilen, hat, weil dies dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber indirekt für die Angestellten erlassen wurde. Wenn der Gesetzgeber den Bürgern - hier den Arbeitgebern - eine gerechtfertigte Belastung auferlegt und davon eine Gruppe ausnimmt, haben diese nicht das Recht, das auch sie in den Genuss einer Ausnahme kommen, und sei sie auch nicht ausreichend gerechtfertigt oder gar willkürlich (vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 11. A. § 11 IV 1 d). Schließlich wurde hier der Arbeitgeber nicht ausdrücklich belastet, sondern ist dies die Folge einer Begünstigung von Arbeitnehmern. Die belastete Personengruppe hat keinen Anspruch auf Beseitigung der Belastung, etwa dadurch, dass auch die Ausnahmegruppe belastet wird. Schließlich gibt es kein subjektives Recht auf Willkür. Es gibt auch kein subjektives Recht auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. Maunz/Dürig/Herzog, GG-Komm., Art. 3 Rn. 20 f., 164 f. m. w. N.). Es gibt deshalb auch kein Recht, wenn die eigene Position nicht verbessert wird, dass die eines anderen verschlechtert wird (vgl. Pierroth/Schlinck aaO.).
Der Arbeitgeber der Privatwirtschaft hat somit hier keinen Anspruch, ebenfalls von der Gewährung des Zusatzurlaubs befreit zu werden. Dies ergibt sich keineswegs aus dem Gleichheitsgebot. Weder hat der Betroffene ein Recht von der begünstigenden Willkür ebenfalls erfasst zu werden noch, dass diese gegenüber anderen beseitigt wird. Die Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, dass andere Arbeitgeber auch keinen Zusatzurlaub erteilen müssen. Ob die Ausnahme gerechtfertigt ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Frage kann daher dahingestellt bleiben, ob Angestellte im öffentlichen Dienst gegenüber den in der Privatwirtschaft 'wesentlich' gleichzusetzen sind. Wertungswidersprüche sind lediglich de lege ferenda zu beseitigen. Zwar wurde der Arbeitgeber der Privatwirtschaft ab 1.1.2000 ebenfalls zum Großteil entlastet, weil auch den Arbeitnehmern der Privatwirtschaft der Zusatzurlaub gestrichen wurde, jedoch wurde den bis dahin Berechtigten eine Besitzstandswahrung zugebilligt. Eine Teilbelastung blieb also.
Für die Klägerin als Arbeitnehmerin der Privatwirtschaft besteht hier jedenfalls nach dem Gesetz Nr. 186 ab 1997 ein Zusatzurlaubsanspruch. Ob der Gesetzgeber diesen den Angestellten des öffentlichen Dienstes - und nur diesen, nicht auch den Arbeitern - zu Recht oder zu Unrecht vorenthält, wie er dies gesetzlich seit langem tut, braucht hier nicht entschieden zu werden. Hier geht es um die subjektiven Ansprüche der Klägerin. Diese sind nicht durch einen Verfassungsverstoß gegen Art. 3 GG verletzt. Es gibt daher auch keinen Anlass für eine Vorlage beim Verfassungsgericht, bei welchem kann dahingestellt bleiben.
Dem Klagebegehren war daher dem Grunde nach stattzugeben.
III. Der Klägerin steht für das jeweilige Kalenderjahr jedoch nur ein Zusatzurlaub von 2,5 und nicht 3 Arbeitstagen zu.
Das Zusatzurlaubsgesetz spricht zwar von Arbeitstagen, doch sind Arbeitstage im Sinne dieser Vorschrift alle Werktage, d. h. alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Dies hat das erkennende Gericht schon in den Urteilen vom 14.11.1960, Az.: 2 Sa 206/89, 14.10.1992, Az.: 2 Sa 30/92, und 28.5.1996, Az.: 3 Sa 12/96, entschieden.
Bei Inkrafttreten des Zusatzurlaubsgesetzes wurde noch überwiegend an Samstagen gearbeitet. Daher haben die Urlaubsgesetze der Länder nach dem 2. Weltkrieg den Begriff Arbeitstage als Werktage verstanden. So sieht die Verfügung über das Urlaubswesen vom 18.11.1947 (Amtsbl. S. 704) in Art. 2 Abs. 1 für die Gesamtdauer des zu beanspruchenden Urlaubs 15 Tage oder 12 Arbeitstage vor.
Auch das SchwbG 1953 verstand die Arbeitstage als Werktage. Arbeitstage i. S. d. § 34 SchwbeschG i. d. F. v. 14.8.1961 waren demnach alle Tage, die nicht Sonntage oder gesetzlich anerkannte Feiertage waren (vgl. BAG AP Nr. 3 u. 7 zu § 37 SchwbeschG 1961).
Entsprechend regelt das BUrlG vom 8.1.1963 unter § 3 Abs. 2: 'Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind.' Dies gilt auch für die Fassung vom 19.12.1998. Auch § 47 S. 1 SchwbG 1986 sieht einen Zusatzurlaub von 1 Kalenderwoche vor, d. h. bei einer 5-Arbeitstage-Woche werden 5 Arbeitstage gewährt.
Auch für das ZUrlG muss daher davon ausgegangen werden, dass ein Zusatzurlaub von 6 Arbeitstagen 1 Kalenderwoche umfassen sollte, Arbeitstage also als Werktage zu verstehen sind. 3 Arbeitstage sind somit eine halbe Kalenderwoche, bei einer 5-Arbeitstage-Woche - wie im Fall der Klägerin - somit 2,5 Arbeitstage.
Da das Gesetz keine Regelung über Auf- und Abrundung von Urlaubstagen bei Bruchteilen vorsieht, wie etwa § 5 II BUrlG, sind die 2,5 Arbeitstage auch nicht auf 3 Arbeitstage aufzurunden.
Der Klägerin steht allerdings kein Urlaubsanspruch zu, sondern ein Ersatzurlaubsanspruch. Das Urlaubsjahr 1997 und die folgenden sind bereits abgelaufen. Der Urlaubsanspruch ist jedoch jeweils nur auf das Kalenderjahr befristet (§ 1 BUrlG). Dies gilt auch für den Zusatzurlaub. Da der Urlaubsanspruch nur im Kalenderjahr besteht, ist eine Erfüllung des Anspruchs außerhalb des Kalenderjahres ausgeschlossen. Ausnahmefälle liegen hier nicht vor. Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs ist somit unmöglich. Dies ist vom Arbeitgeber zu vertreten, da die Klägerin ihre Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hat. Der Klägerin steht daher ein Schadenersatzanspruch gemäß § 284, 286 I, 287 S. 2, 280 I, 249 S. 1 BGB zu. Der nach § 280 I BGB wegen Nichterfüllung zu erstattende Schaden ist nach § 249 S. 1 BGB durch Naturalherstellung zu erfüllen, d. h. er ist durch Gewährung von Arbeitsbefreiung in gleichem Umfang zu ersetzen. Da das Arbeitsverhältnis noch andauert, ist dies auch möglich. Der Ersatzurlaubsanspruch entspricht in seinem Umfang dem nicht erfüllten Urlaubsanspruch, das sind hier pro Jahr 2,5 Arbeitstage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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