Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Saarland
Urteil verkündet am 04.04.2001
Aktenzeichen: 1 Sa 153/2000
Rechtsgebiete: MTV, BMTV, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

MTV § 3
MTV § 20
BMTV § 12 II
BMTV § 12 III
ZPO § 97 I
ArbGG § 72 II
ArbGG § 92 a Satz 1
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
ArbGG § 92 Abs. 1 Satz 2
Der tarifliche Wochenlohn für Berufskraftfahrer im Güterfernverkehr des saarländisches Verkehrsgewerbes beinhaltet einen Pauschallohn, der eine wöchentliche Arbeitszeit nicht von, sondern bis zu 56,5 Stunden abgeltet. Nur die Überschreitung der tariflich zugelassenen Arbeit von 113 Stunden pro Doppelwoche, die gemäß § 12 II BMTV nur in dringenden Notfällen zulässig und zu leisten ist, begründet einen weiteren Vergütungsanspruch über den tariflichen Pauschallohn hinaus. Die in den Lohntabellen zum Ausdruck kommende Sichtweise und praktische Handhabung der Tarifvertragsparteien lässt auf einen entsprechenden übereinstimmenden Regelungswillen schließen.
LANDESARBEITSGERICHT SAARLAND Im Namen des Volkes ! URTEIL

- 1 Sa 153/2000 -

Verkündet am 4. April 2001

In dem Rechtsstreit

des Herrn K.

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Saarland auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2001

durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Degel als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Fritz und Kurtz als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarlouis vom 19.9.2000, Az. 1 Ca 1167/99, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Auslegung tariflicher Vergütungsregelungen für Berufskraftfahrer im Güterfernverkehr. Der Kläger macht in diesem Zusammenhang mit der Klage monatliche Differenzlöhne geltend.

Der Kläger ist seit 3.3.1997 bei der Beklagten als Berufskraftfahrer im Güterfernverkehr beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge für das Verkehrsgewerbe Anwendung.

Bis April 1999 erhielt der Kläger einen Monatslohn von 3.990,-- DM brutto. Seit Mai 1999 beträgt der Monatslohn 4.100,-- DM brutto.

Mit Schreiben der Gewerkschaft ÖTV vom 28.6.1999 (Bl. 5 d. A.) vertrat der Kläger die Auffassung, dass er den ihm zustehenden Tariflohn nicht erhalte und verlangte für die Monate März und April 1999 eine Nachzahlung in Höhe von jeweils 106,-- DM brutto und für Mai 1999 in Höhe von 123,-- DM brutto. Unter dem 16.11.1999 erhob er insoweit Zahlungsklage.

Im Gütetermin vom 8.12.1999 überreicht er den Schriftsatz vom 6.12.1999, mit dem er die Klage um jeweils 123,-- DM für den Zeitraum Juni bis Oktober 1999 erweiterte. Zugleich wurde das Verfahren im Gütetermin zum Ruhen gebracht.

Nachdem die DGB-Rechtschutz GmbH das Mandat niedergelegt hatte, nahm der Kläger das ruhende Verfahren wieder auf und erweitere die Klage abermals mit Schriftsatz eines neuen Prozessvertreters vom 31.5.2000, der der Beklagten am 6.6.2000 zugestellt wurde. Er erweiterte seine Restlohnforderung für den bereits streitgegenständlichen Zeitraum März 1999 bis Oktober 1999 und erstreckte die Lohnforderung nunmehr auf den Zeitraum bis einschließlich April 2000. Dabei ging er von einer anderen Rechtsauffassung aus, wie noch bei seiner ursprünglichen Klage und ersten Klageerweiterung. Dadurch kam er zu weitaus höheren monatlichen Lohndifferenzen, nämlich von 106,-- DM bzw. 123,-- DM auf fast monatlich 2.000,-- DM.

Der Kläger ist der Meinung, dass ihm für März und April 1999 über die gezahlten 3.990,-- DM brutto hinaus jeweils weitere 1.954,25 DM brutto, für die Monate Mai 1999 bis Juli 1999 und die Monate Dezember 1999 bis April 2000 über die gezahlten 4.100,-- DM brutto hinaus jeweils weitere 1.844,25 DM brutto und für den Zeitraum August bis November 1999 über die insgesamt gezahlten 16.720,-- DM brutto hinaus weitere 5.411,56 DM brutto zustehen (vgl. Bl. 22 - 33 d. A.).

Der Lohntarifvertrag für die Arbeitnehmer im Verkehrsgewerbe des Saarlandes bestimmt in § 2:

§ 2 (Lohngrundlagen):

1. An die gewerblichen Arbeitnehmer werden grundsätzlich Wochenlöhne gezahlt. Mit den Wochenlöhnen werden die Arbeitszeiten des § 3 des Manteltarifvertrages vom 25.5.1998 abgegolten.

Die Wochenlöhne sind Mindestlöhne, unter denen kein Arbeitnehmer entlohnt werden darf ...

2. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung können unter Zugrundelegung der Wochenlohnberechnung auch Monatslöhne bezahlt werden.

Unter § 3 (Wochenlöhne) heißt es:

1. Die Wochenlöhne betragen DM

...........

D) Güterfernverkehr

..........

2. Berufskraftfahrer 878,--

(ab 1.5.99: 905,--).'

§ 3 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer im Verkehrsgewerbe des Saarlandes lautet:

§ 3 (Arbeitszeit):

(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt für:

1. Angestellte

ab 1.5.1999 40 Stunden

2. Möbelpacker, Möbelträger und sonstige Arbeiter, mit Ausnahme der unter 3. genannten,

ab 1.5.1999 40 Stunden

3. Begleitleute, Kranführer, Lastkraftwagenfahrer und Möbelwagenfahrer in Speditionen, Lagerei, Möbeltransport

ab 1.5.1999 44 Stunden

(2) Abweichend von Absatz (1) wird die Arbeitszeit wie

folgt festgesetzt:

1. Omnibusverkehr

Omnibusfahrer

ab 1.5.1999 53 Stunden

2. Güternahverkehr

Kraftfahrer

ab 1.5.1994

einschließlich Arbeitsbereitschaft 46 Stunden

(3) ...

(4) ...

(5) Für das Fahrpersonal im Güter- und Möbelfernverkehr gilt der Bundesmanteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr - BMT Fernverkehr - in der jeweils gültigen Fassung.'

Der BMT-Fernverkehr enthält in diesem Zusammenhang folgende Regelungen:

§ 3 (Höchstzulässige Zeiten):

(1) Die Arbeitszeit kann im Hinblick auf die vorliegende Arbeitsbereitschaft nach Wahl des Betriebes entweder

a) in der Doppelwoche höchstens 113 Stunden

oder

b) im Kalendermonat höchstens 244 Stunden

betragen.

§ 12 (Mehrarbeit):

(1) Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, gesetzlich und tarifvertraglich zugelassene Arbeit im Rahmen der §§ 3 und 4 zu leisten.

(2) Eine Überschreitung der in den §§ 3 und 4 vereinbarten Arbeitszeit ist nur in dringenden Notfällen (§ 14 Ziffer 1 AZO) zulässig und zu leisten.

(3) Bei Besetzung des Fahrzeugs mit einem Fahrer beträgt der Zuschlag 25 % ab der 41. Wochenstunde. Bei der Besetzung des Fahrzeugs mit 2 Fahrern beträgt der Zuschlag 25 % ab der 51. Wochenstunde einschließlich der Kabinenzeit'

Der Kläger ist der Ansicht, dass der im Lohntarifvertrag angefochtene Wochenlohn als Mindestvergütung von 905,-- DM lediglich eine Vergütung für 40 Arbeitsstunden darstellt. Bei einer tatsächlichen Arbeitszeit pro Woche von 56,5 Stunden ergebe sich jedoch ein weiterer Vergütungsanspruch für 16,5 Stunden zuzüglich einem 25 %-Zuschuss, bezogen auf einen Stundenlohn von 22,63 DM. Der tarifliche Wochenlohn betrage somit mindestens 1.371,75 DM bzw. 5.944,25 DM monatlich.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 24.074,06 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus

1.954,25 DM seit dem 1. April 1999

1.954,25 DM seit dem 1. Mai 1999

1.844,25 DM seit dem 1. Juni 1999

1.844,25 DM seit dem 1. Juli 1999

1.844,25 DM seit dem 1. August 1999

5.411,56 DM seit dem 1. Dezember 1999

1.844,25 DM seit dem 1. Januar 2000

1.844,25 DM seit dem 1. Februar 2000

1.844,25 DM seit dem 1. März 2000

1.844,25 DM seit dem 1. April 2000

1.844,25 DM seit dem 1. Mai 2000

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Tariflohn lege eine wöchentliche Stundenbasis von 56,5 Stunden zugrunde zuzüglich eines Mehrarbeitszuschlages ab der 41. Stunde. Die vom Kläger zusätzlich geforderten Lohnansprüche seien unschlüssig. Im Übrigen seien die tariflichen Ausschlussfristen bis Januar 2000 nicht eingehalten.

Durch Urteil vom 19.9.2000 gab das Arbeitsgericht Saarlouis der Klage in Höhe von 843,94 DM brutto nebst 4 % Zinsen statt und wies die Klage im Übrigen als unbegründet ab. Die Berufung für die Beklagte wurde nicht zugelassen.

Das Arbeitsgericht folgte der Rechtsmeinung der Beklagten. Die Auslegung der Tarifverträge ergebe, dass mit dem in § 3 des Lohntarifvertrags genannten Wochenlohn eines Berufskraftfahrers im Güterfernverkehr 56,5 Wochenstunden abgegolten werden. Zu addieren seien lediglich noch Mehrarbeitszuschläge von 16,5 Stunden in Höhe von 25 %. Dies folge zum einen eindeutig aus den von den Tarifvertragsparteien herausgegebenen Lohntabellen.

Die in den Lohntabellen zum Ausdruck kommende Sichtweise und praktische Handhabung der Tarifvertragsparteien lasse auf einen entsprechenden übereinstimmenden Regelungswillen schließen.

Dieser ergebe sich aber auch klar aus dem Wortlaut der Tarifnormen und dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Dass in § 3 BMT-Fernverkehr nur von höchst zulässiger Arbeitszeit die Rede sei und nicht von regelmäßiger Arbeitszeit, ändere nichts an der Bezugnahme in § 2 V des Manteltarifvertrages Verkehrsgewerbe Saarland.

Soweit der Kläger für die Monate August bis November 1999 einen höheren als den Lohn für 56,5 Stunden pro Woche verlange, sei die Klage nicht schlüssig. Er hätte darlegen müssen, dass diese Mehrarbeit entweder von der Beklagten angeordnet oder betriebsnotwendig und von der Beklagten geduldet worden ist.

Für März und April 1999 ergäben die Tarifregelungen eine noch ausstehende Lohndifferenz von jeweils 105,95 DM, ab Mai 1999 von 123,21 DM brutto.

Der Kläger habe lediglich einen Restlohnanspruch noch für die Monate April und Mai, September und Oktober 1999 sowie Februar bis April 2000. Dies ergäben 843,94 DM brutto.

Im Übrigen sei der Restlohnanspruch nach § 20 MTV Verkehrsgewerbe Saarland verfallen.

Das erstinstanzliche Urteil wurde dem Berufungskläger am 18.10.2000 zugestellt. Seine Berufung ging am 28.11.2000 beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründung ging nach Verlängerung der Frist bis zum 22.1.2001 am 22.1.2001 beim Landesarbeitsgericht ein.

Mit dem Berufungsschriftsatz vom 28.11.2000, der am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht einging, beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Er trug vor, die Rechtsanwaltsfachangestellte H. habe nach Eingang des erstinstanzlichen Urteils am 18.10.2000 die Berufungsfrist mit Vorfrist berechnet und auf der Urteilsausfertigung als notiert vermerkt. Sie habe jedoch versehentlich den Termin nicht im Fristenkalender eingetragen. Dies sei ihr zum ersten Mal passiert. Beides versicherte Frau H. schriftlich an Eides statt.

Die Bürovorsteherin, Frau S., habe damals die Fristberechnung und -notierung überprüft. Das Unterlassen der Eintragung in den Fristenkalender sei ihr entgangen.

Erst am 24.11.2000 sei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers, Herrn Rechtsanwalt B., die Akte vorgelegt worden anlässlich einer parallelen Problematik, in der es ebenfalls um die Auslegung des Tarifvertrages Fernverkehr ging. In dieser Sache sollte Besprechungstermin am 25.11.2000 sein.

Der Beklagtenvertreter erklärt hierzu, wenn der Vortrag des Klägervertreters richtig sei, dass nach Urteilsverkündung schon vereinbart worden sei, gegen das Urteil Berufung einzulegen, hätte man die Berufungsfrist nicht voll ausschöpfen dürfen und gleich Berufung einlegen müssen.

Der Kläger akzeptiert die Entscheidung des Arbeitsgerichts bezüglich der Verfallfristen. Er macht daher lediglich noch im Berufungsverfahren die Vergütungsdifferenzen für die Monate April, Mai, September und Oktober 1999 sowie Februar bis April 2000 geltend.

Die Arbeitszeit für Fernfahrer sei im saarländischen Manteltarifvertrag nicht geregelt. Eine Verweisung auf den Bundesmanteltarifvertrag führe nicht weiter, da auch dort keine Regelungen über regelmäßige Arbeitszeiten vorhanden seien. Es bestehe somit eine tarifliche Regelungslücke. Die Auslegung des Arbeitsgerichts finde jedoch im Tarifrecht keine Stütze. § 12 BMT-Fernverkehr sehe ab der 41. Wochenstunde einen Zuschlag von 25 % vor. Dies heiße, dass nur die Grundarbeitszeit von 40 Wochenstunden mit dem Tariflohn abgegolten sein könnte. Die Lohntabellen der Tarifvertragsparteien berücksichtigten nicht die Auslegungsproblematik. Dem Kläger stehe somit monatlich ein Tariflohn von 6.187,-- DM zu, was zu einer Differenz für April von 2.197,-- DM führe und ab Mai von 2.278,58 DM.

Der Kläger beantragt,

1. wegen der versäumten Frist zur Einlegung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,

2. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Saarlouis, 1 Ca 1167/99, vom 19. Sept. 2000 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 15.868,48 DM nebst

4 % Zinsen aus

2.197,00 DM seit dem 1. Mai 1999,

2.278,58 DM seit dem 1. Juni 1999,

2.278,58 DM seit dem 1. Okt. 1999,

2.278,58 DM seit dem 1. Nov. 1999,

2.278,58 DM seit dem 1. März 2000,

2.278,58 DM seit dem 1. April 2000,

2.278,58 DM seit dem 1. Mai 2000

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Auslegung des Arbeitsgerichts sei die einzig richtige. Die Lohntabellen seien das Ergebnis der Tarifvereinbarungen.

Schließlich hätten die saarländischen Tarifvertragsparteien die Bundesregelungen für Fernfahrer übernehmen wollen. Gegenüber den Fahrern im Nahverkehr seien für Fernfahrer wöchentlich regelmäßig 3,5 Stunden mehr tariflich vorgesehen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war stattzugeben (vgl. § 233 ZPO). Die Wiedereinsetzung wurde form- und fristgemäß beantragt (vgl. §§ 234, 236 ZPO).

Sie ist auch begründet. Zwar hat eine Partei für das Verschulden ihres Anwalts grundsätzlich einzustehen, jedoch hat der Anwalt ein Verschulden seines geschulten, sorgfältig ausgewählten und überwachten Personals nicht zu vertreten. Der Klägervertreter durfte durchaus seiner Mitarbeiterin H. als Rechtsanwaltsfachangestellte die Tätigkeit überlassen, die Berufungsfrist mit Vorfrist zu berechnen und zu notieren. Das Versäumnis, die Fristen auch im Fristenkalender einzutragen, hat der Prozessvertreter nicht zu vertreten. Ihm ist kein Organisationsverschulden anzulasten. Die Mitarbeiterinnen H. und S. haben an Eides statt versichert, dass solche Fehler der Mitarbeiterin H. bisher noch nicht unterlaufen seien. Sie bearbeite die Fristenangelegenheiten immerhin seit mehr als 1 Jahr. Ihre Tätigkeit werde ständig von der Bürovorsteherin S. überwacht. Diesbezügliche Beanstandungen habe es noch nicht gegeben, so Frau S..

Die fehlende Eintragung im Fristenkalender ist somit dem Prozessvertreter nicht anzulasten (vgl. hierzu Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rn. 23 m. w. N.). Er darf sich in der Regel darauf verlassen, dass die Einhaltung der im Fristenkalender notierten Fristen von seinem Büropersonal überwacht wird. Schließlich ließ er auch Vorfristen notieren. Rechtsmittelfristen hat er grundsätzlich nicht persönlich zu prüfen und zu berechnen.

Schließlich ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Frist zur Einlegung der Berufung nicht voll ausgeschöpft werden durfte.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher in Verbindung mit der Hauptsache stattzugeben.

Die zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Die dabei zugrunde gelegte tarifliche Auslegung ist zutreffend.

Der vom Kläger in seiner Klageforderung zugrunde gelegten Berechnungsweise des Tariflohnes kann nicht gefolgt werden. Sie kann nicht aus den hier geltenden Tarifverträgen geschlossen werden.

§ 2 des Lohntarifvertrages für die Arbeitnehmer im Verkehrsgewerbe des Saarlandes (LTV) bestimmt, dass grundsätzlich an die gewerblichen Arbeitnehmer Wochenlöhne zu zahlen sind. Mit den Wochenlöhnen werden die Arbeitszeiten des § 3 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer im Verkehrsgewerbe des Saarlandes vom 25.5.1998 (MTV) abgegolten. Die Wochenlöhne sind Mindestlöhne, unter denen kein Arbeitnehmer entlohnt werden darf.

Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung können unter Zugrundelegung der Wochenlohnberechnung auch Monatslöhne bezahlt werden, so die Tarifbestimmungen.

Der tarifliche Wochenlohn betrug gemäß § 3 LTV bis 30.4.1999 für den Kläger als Berufskraftfahrer 878,-- DM, ab 1.5.1999 905,-- DM.

Welche 'regelmäßigen' wöchentlichen Arbeitszeiten damit abgegolten sind, bestimmt der MTV unter § 3 für alle Arbeitnehmer des Saarländischen Verkehrsgewerbes, insbesondere auch die Fahrer, nicht jedoch direkt für die Güterfernfahrer. Für sie wird auf den Bundesmanteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr (BMTV) in der jeweils geltenden Fassung verwiesen. Allerdings wird auf keine konkrete Norm des BMTV verwiesen. Der BMTV enthält auch keine Regelung über regelmäßige wöchentliche Arbeitszeiten, sondern lediglich solche über höchst zulässige Zeiten bzw. Gesamtzeiten (vgl. §§ 3, 4 BMTV).

§ 3 BMTV bestimmt, dass die Arbeitszeit im Hinblick auf die vorliegende Arbeitsbereitschaft nach Wahl des Betriebes entweder

a) in der Doppelwoche höchstens 113 Stunden

oder

b) im Kalendermonat höchstens 244 Stunden

betragen kann. Sind keine regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeiten bestimmt, kann sich der Wochenlohn nur pauschal auf die erbrachte Wochenarbeitsleistung beziehen, gleichgültig in welcher Höhe bis zur höchst zulässigen Grenze von 56,5 Stunden. Dies heißt, dass der Wochenlohn für Fernfahrer einen Pauschallohn beinhaltet, der eine wöchentliche Arbeitszeit nicht von, sondern bis zu 56,5 Stunden abgeltet.

Diese Regelung erscheint auch sinnvoll, da gerade bei Fernfahrern die Arbeitszeit aufgrund der weiten Fahrstrecken und nicht immer vorhersehbaren Straßen- und Verkehrsverhältnissen nicht exakt vorherbestimmbar ist und daher häufig sehr unterschiedlich ausfällt. Eine stets exakte Arbeitszeiterfassung wollten die Tarifvertragsparteien anscheinend entbehrlich machen.

Nur die Überschreitung der tariflich zugelassenen Arbeit von 113 Stunden pro Doppelwoche, die gemäß § 12 II BMTV nur in dringenden Notfällen zulässig und zu leisten ist, begründet einen weiteren Vergütungsanspruch über den tariflichen Pauschallohn hinaus.

Der vom Kläger für seine Argumentation herangezogene § 12 III BMTV vermag seine Rechtsmeinung nicht zu stützen. Er enthält ebenfalls keine Bestimmung über regelmäßige wöchentliche Arbeitszeiten von Fernfahrern. Trotz der Überschrift 'Mehrarbeit' wird in Absatz 3 keine echte Mehrarbeitsvergütung geregelt, sondern ein Erschwernis für Tätigkeiten im Fernverkehr bei längeren Arbeitszeiten. Ab der 51. Woche soll den Fahrern ein Zuschlag von 25 % gewährt werden, wenn das Fahrzeug mit 2 Fahrern besetzt ist, ab der 41. Woche, wenn es mit 1 Fahrer besetzt ist. Dies heißt keinesfalls, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden beträgt. Bei 2 Fahrern müsste sie dann nämlich 50 Stunden betragen. Es wäre nicht einsehbar, wenn bei einer 2-Fahrer-Besetzung erst ein Mehrarbeitszuschlag ab der 51. Stunde gezahlt wird, obwohl ab der 41. Stunde schon Mehrarbeit anfällt.

Dies haben auch die Tarifvertragsparteien bisher so gesehen. Beide haben in den von ihnen herausgegebenen Lohntabellen, des Landesverbandes Verkehrsgewerbe Saarland e.V. (LVS) und der Gewerkschaft ÖTV-Saar neben der Angabe der Pauschalwochenlöhne die Wochenarbeitszeit von 56,5 Stunden angegeben. Der LVS hat darüber hinaus klargestellt, dass in den ausgewiesenen Wochen- und Stundenlöhnen die Mehrarbeitszuschläge ab der 41. Woche noch nicht eingerechnet sind. Die ÖTV hat sie gleich in ihre Tabellen eingerechnet. Aber auch sie hat nur die 25 %-Zuschläge für 16,5 Stunden berücksichtigt und nicht etwa auch die 16,5 Arbeitsstunden selbst.

Diese übereinstimmende Handhabung lässt auf einen entsprechenden übereinstimmenden Regelungswillen schließen. Dies wurde vom LVS auch in seinen Stellungnahmen vom 20.7.2000 und 15.3.2001 (Bl. 161, 208, 209 d. A.) bestätigt. Auch der Kläger war ursprünglich, wie die ihn vertretende Gewerkschaft, dieser Ansicht. Nachdem er seine Meinung änderte und eine weitere Klageerweiterung anstrengte, legte die Gewerkschaft die Prozessvertretung nieder.

Schließlich ergibt sich die Richtigkeit der Handlungsweise auch klar - wie oben dargelegt - aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Gemäß dem Leitsatz der BAG-Entscheidung vom 12.9.1984 (AP 135 zu § 1 TVG - Auslegung) ist bei der Tarifauslegung über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Für die bei Zweifeln darüber hinaus mögliche Heranziehung weiterer Auslegungskriteren (Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages) gibt es keinen Zwang zu einer bestimmten Reihenfolge.

Die Berechnungsweise des Klägers würde auch das Verhältnis zu den Löhnen der übrigen Fahrer aus dem Gesamtrahmen sprengen. Es ist nicht einsehbar, warum Berufskraftfahrer im Güternahverkehr (bis 30.4.1999) für eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 46 Stunden 3.327,13 DM bzw. 3.479,83 DM (bei Lkws über 7,5 t) im Monat, solche im Speditionsnahverkehr für eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 44 Stunden 3.393,48 DM, im Güterfernverkehr jedoch anstatt 4.095,94 DM bei einer Arbeitszeit bis zu 56,5 Stunden (so die Beklagte) 6.187,-- DM nach der Berechnungsweise des Klägers bekommen sollen. Dies wäre fast der doppelte Lohn der anderen Fahrer.

Schließlich gilt zu beachten, dass laut § 3 MTV nur die Angestellten und sonstigen Arbeiter eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden haben, alle Fahrer dagegen eine erheblich höhere, die Speditionsfahrer 44 Stunden, die Fahrer im Güternahverkehr 46 Stunden und die Omnibusfahrer 53 Stunden. Weshalb gerade die Fernfahrer, die in der Regel weitaus unregelmäßigere und längere Arbeitszeiten haben, davon ausgenommen sein sollen, ist nicht plausibel. Aus § 12 III BMTV ist dies jedenfalls nicht ableitbar.

Nach allem war somit die Berufung durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwar als zulässig anzusehen, jedoch als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 I ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 II ArbGG liegen nicht vor. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Es besteht zwar Streit über die Auslegung eines Tarifvertrages. Dessen Geltungsbereich erstreckt sich jedoch nicht über den Bezirk des Landesarbeitsgerichts Saarland hinaus. Selbst wenn man eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejahen würde, kann der Rechtsstreit durch das Landesarbeitsgericht abschließend entschieden werden (vgl. hierzu Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 72 Rn. 16 m. w. N.).

Ende der Entscheidung

Zurück