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Gericht: Landesarbeitsgericht Saarland
Urteil verkündet am 22.11.2000
Aktenzeichen: 1 Sa 93/2000
Rechtsgebiete: BGB, BeschFG, BUrlG, MTV EH, EStG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 139
BGB § 612 II
BGB § 823 II
BeschFG § 2 I
BUrlG § 7 IV
MTV EH § 18
EStG § 40 a II
ZPO § 97 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 92 a Satz 1
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
ArbGG § 92 Abs. 1 Satz 2
Auch geringfügig beschäftigte Verkäuferinnen sind anteilig ihrer Arbeitszeit entsprechend den Vollzeitarbeitnehmerinnen nach dem allgemein verbindlichen Gehalts- und Lohntarifvertrag für den Saarländischen Einzelhandel zu entlohnen. Die Vereinbarung einer pauschalierten Urlaubsabgeltung (0,50 DM pro Arbeitsstunde) unter generellem Verzicht auf Urlaubsinanspruchnahme ist rechtsungültig (§ 7 IV BUrlG). Anstelle der nichtigen Lohnvereinbarung tritt gemäß § 612 II BGB die übliche Vergütung, hier der allgemein verbindliche Tariflohn. Sind Differenzlohnansprüche gemäß tariflicher Ausschlussklausel verfallen, können sie im Wege des Schadenersatzanspruches gemäß §§ 2 I BeschFG/823 II BGB geltend gemacht werden, sofern die Verfallregelung Ansprüche aus unerlaubter Handlung ausschließt.
LANDESARBEITSGERICHT SAARLAND Im Namen des Volkes ! URTEIL

- 1 Sa 93/2000 -

Verkündet am 22. Nov. 2000

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Saarland auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2000

durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Degel als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Schrecklinger und Linz als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 23.5.2000, Az. 2 Ca 1514/99, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen tariflichen Restlohnanspruch, der im Wege des Schadensersatzes geltend gemacht wird.

Die Klägerin war aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1.10.1996 (vgl. Bl. 5 d. A.) vom 1.10.1996 bis 8.12.1998 als Verkäuferin im N. der Beklagten in R. geringfügig beschäftigt. Als Vergütung war ein Stundenlohn von 9,-- DM netto, zusätzlich eine anteilige Sonderzahlung für Urlaubs- und Weihnachtsgeld von 0,50 DM netto, sowie für anteilig bezahlten Urlaub - der Klägerin wurde kein Urlaub in natura während des Arbeitsverhältnisses gewährt - von 0,50 DM netto, insgesamt somit 10,-- DM netto, vereinbart. Der Arbeitsvertrag war wie folgt überschrieben:

"Arbeitsvertrag für eine geringfügige Beschäftigung unter 590,-- DM pauschale Lohnsteuer".

Weiter heißt es:

"Die Arbeitszeit wird im Einzelnen vom jeweiligen Marktleiter/in bzw. Abteilungsleiter/in festgelegt.

Die Tätigkeit darf 15 Stunden pro Woche nicht überschreiten und gilt bis zu einem Höchstbetrag von 590,--DM als geringfügig entlohnte und damit versicherungsfreie Beschäftigung."

Die Klägerin ist der Ansicht, die getroffene Vergütungsabrede verstoße gegen das Verbot der Ungleichbehandlung von teilzeitbeschäftigten gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern (§ 2 I BeschFG). Als geringfügig beschäftigte Arbeitnehmerin der Beklagten hätte sie nicht die anteilige Vergütung der Vollzeitbeschäftigten erhalten. Im Gegensatz zu dem ihr gezahlten Stundenlohn stünde nach dem allgemein verbindlichen Tarifvertrag für den saarländischen Einzelhandel der Arbeitnehmerin im Zeitraum ihrer Beschäftigung ein Stundenlohn zwischen 13,15 und 14,40 DM brutto zu. Sie habe daher einen Anspruch auf den Differenzbetrag, den sie mit der Klage geltend macht (vgl. im Einzelnen S. 3 der Klageschrift, Bl. 3 d. A.).

Monatlich leistete die Klägerin vom 1.10.1996 bis 30.6.1997 59 Arbeitsstunden, ab Juli 1997 bis November 1998 jeweils 61 und im Dezember 17 Arbeitsstunden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 7.351,13 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen

und die hilfsweise eingelegte Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise im Falle einer Verurteilung im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 3.629,65 DM zu zahlen,

eine Verurteilung nur Zug um Zug gegen Übergabe folgender Unterlagen auszusprechen:

Lohnsteuerkarte, Sozialversicherungsnachweisheft jeweils für die Jahre 1996, 1997 und 1998.

Die Beklagte hat vorgetragen, man habe für die Klägerin pauschale Lohnsteuern in Höhe der Widerklageforderung an das Finanzamt abgeführt (vgl. S. 1 d. Klageerwiderung, Bl. 15 d. A.). Dies seien jeweils 20 % Lohnsteuern und davon 7 % Kirchensteuern und 7,5 % Solidaritätszuschlag, insgesamt also 22,9 % von den netto ausgezahlten Beträgen von monatlich 590,-- DM bis Juni 1997 und 610,-- DM ab Juli 1997.

Wenn die Argumentation der Klägerin richtig sein sollte und ihr der weiter geltend gemachte Lohn zustehe, seien die Zahlungen an das Finanzamt zu Unrecht erfolgt. Die Beklagte hätte dann einen Rückerstattungsanspruch der von ihr geleisteten Zahlungen an das Finanzamt, weshalb mit diesem Betrag hilfsweise die Aufrechnung erklärt werde.

Im Falle ihrer Verurteilung müssten Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, da die Klägerin nicht mehr den Status einer geringfügig Beschäftigten gehabt hätte.

Unter Berücksichtigung dieser Abzüge ergäbe sich ein Einkommen der Klägerin von knapp über 600,-- DM pro Monat, auch fielen Steuernachzahlungen an.

Schließlich stehe dem Klagebegehren auch die tarifliche Ausschlussfrist entgegen.

Durch Urteil vom 23.5.2000 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die Beklagte habe vorliegend keinen Rechtsgrund dafür darlegen können, wieso der Stundenlohn der geringfügig beschäftigten Klägerin unter dem der regulär beschäftigten Arbeitnehmer liege. Somit sei die Vergütungsvereinbarung nichtig. An ihre Stelle trete die anteilige Vergütung der Vollzeitkräfte (§§ 134, 612 II BGB).

Entgegen dem ersten Anschein sei der Vergleich beider Vergütungskategorien, nämlich Normallohn mit 630,-- DM Vergütung, sachlich korrekt, weil im letzteren Bereich nach der früheren Gesetzeslage keine Sozialabgaben zu entrichten waren, mit der Folge, dass Brutto- und Nettolohn einander entsprachen.

Die Erfüllungsansprüche der Klägerin seien gemäß § 18 MTV verfallen. An ihre Stelle würde entsprechende Schadenersatzansprüche treten.

Die Beklagte habe es nicht vermocht, ihre angebliche Gegenforderung schlüssig darzulegen. Abgesehen davon, dass bei einer eventuell höheren Besteuerung der klägerischen Bezüge für einen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Fiskus keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich seien, es käme im Gegenteil allenfalls eine Nachforderung in Betracht, sei nicht dargetan, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt eine derartige Forderung gegen die Klägerin geltend gemacht werden könnte. Zutreffend habe die Klägerin sich darauf berufen, dass der begehrte Schadenersatz nur in dem Jahr zu versteuern sei, in dem der Betrag zufließt.

Letztlich habe auch nicht auf die Zug um Zug-Verurteilung erkannt werden können. Die Klägerin habe hierzu erklärt, sie werde die erforderlichen Papiere gegebenenfalls vorlegen, sollte sie mit der Klage obsiegen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 23.5.2000 wurde der Beklagten und Berufungsklägerin am 5.6.2000 zugestellt. Ihre Berufungsschrift ging am 5.7.2000 beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründungsfrist wurde bis zum 25.8.2000 verlängert. Am 24.8.2000 ging die Berufungsbegründungsschrift ein.

Die Beklagte hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Wenn die Vergütungsabrede nichtig sei, stelle sich die Frage, ob dann nicht das ganze Rechtsgeschäft, also der komplette Vertrag nichtig ist mit der Folge, dass er so abzuwickeln wäre, damit das von den Parteien gewollte Ergebnis erzielt werde. Gewollt sei gewesen, dass die Klägerin nicht sozialversicherungspflichtig wird und auch keinerlei Steuerpflicht unterliegt. Bei einer Vergleichsberechnung würde sich ergeben, dass die Klägerin schlechter gestanden hätte als sie tatsächlich gestanden hat. Der Klägerin wären nämlich dann Sozialversicherungsbeiträge einzubehalten gewesen. Darüber hinaus hätte die Beklagte die Pauschalsteuer nicht abführen müssen, sodass insoweit auf den Widerklageantrag hätte erkannt werden müssen.

Schließlich sei auch die Ausschlussfrist des Tarifvertrages wirksam.

§ 2 I BeschFG sei keineswegs Schutzgesetz im Sinne von § 823 II BGB. Die Forderung der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich. Hätte die Beklagte sich während des Arbeitsverhältnisses auf den Tarifvertrag berufen, wäre die Beklagte entsprechend anders verfahren. Sie sei davon ausgegangen, dass die getroffene Vereinbarung rechtens sei. Man könne ihr daher auch keinen Schuldvorwurf machen.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 23.5.2000, Az. 2 Ca 1514/99, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Anstelle der nichtigen Vergütungsvereinbarung sei gemäß § 612 II BGB die übliche Vergütung, d. h. die anteilige Vergütung der Vollzeitkräfte zu zahlen.

Wäre die Klägerin tariflich vergütet worden, hätte sie weniger Arbeitsstunden leisten müssen, um in einem sozialversicherungsfreien Arbeitsverhältnis zu bleiben, was von den Parteien gewollt gewesen sei. Die mehr geleisteten Arbeitsstunden seien jedoch nicht mehr rückgängig zu machen und auch nicht mehr durch Freizeit auszugleichen, sodass sie zu vergüten seien.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme eine Nachberechnung der Sozialabgaben nicht mehr in Betracht.

Der von der Klägerin begehrte Schadenersatz sei allenfalls in dem Jahr zu versteuern, in dem er zufließt. Die gezahlten Pauschallohnsteuern könne die Beklagte daher nicht mehr zurückfordern. Die hilfsweise erklärte Aufrechnung gehe daher ins Leere.

Die Klageansprüche seien auf eine unerlaubte Handlung gestützt und unterlägen daher nicht der tariflichen Verfallklausel. Die Beklagte habe erkennen müssen, dass die schlechtere Bezahlung der Klägerin gegen § 2 I BeschFG verstößt.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Beklagte durch Urteil vom 23.5.2000 zur beantragten Zahlung an die Klägerin verpflichtet.

Die Parteien unterliegen dem damals allgemein verbindlichen Manteltarifvertrag für den saarländischen Einzelhandel vom 19.9.1996 (MTV EH) sowie dem Gehalts- und Lohntarifvertrag (GLTV EH). Hieraus ergab sich für die Beklagte die Verpflichtung, die Klägerin entsprechend den tariflichen Regelungen des § 2 GLTV EH zu entlohnen. Da die Klägerin lediglich teilzeitbeschäftigt war, war sie entsprechend des Volumens ihrer Arbeitszeit anteilig gegenüber den Vollzeitbeschäftigten zu vergüten.

Die Klägerin arbeitete von Oktober 1996 bis Juni 1997 monatlich 59 Stunden, ab Juli 1997 monatlich 61 Stunden. Die tarifliche monatliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten betrug damals 163 Arbeitsstunden (§ 7 Ziff. 1 MTV EH). Entsprechend war die Klägerin anteilig aufgrund des allgemein verbindlichen Tarifvertrages zu entlohnen.

Dies ergibt sich schon aus § 3 Ziff. 2 MTV EH und bedarf daher nicht des Rückgriffs auf Art. 3 I GG. Danach sind Teilzeitbeschäftigte anteilig an den tariflichen Leistungen zu beteiligen (vgl. BAG AP 2 zu § 2 BeschFG 1985 = BB 1989, 1127; BAG BB 1988, 2178). Sie dürfen nicht aufgrund ihres Teilzeitarbeitsverhältnissen von tariflichen Leistungen ausgeschlossen werden (vgl. LAG Schleswig-Holstein und LAG Frankfurt BB 1990, 2339).

Dies war hier jedoch der Fall. Mit der Klage wurde ein Stundenlohn von lediglich 9,-- DM netto vereinbart. Urlaubs- und Weihnachtsgeld wurde mit einem Stundenlohn von 0,50 DM netto pauschaliert. Darüber hinaus wurde der Klägerin anstatt Urlaub in natura und Urlaubsentgelt zu gewähren eine pauschalierte Urlaubsabgeltung von 0,50 DM netto gezahlt. Dies verstößt nicht nur gegen Tarifrecht, sondern auch gegen die gesetzlichen Normen des § 7 IV BUrlG.

Der Klägerin stand somit die geltend gemachte Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Stundenlohn (9,-- DM netto) und dem Tarifstundenlohn für ungelernte Beschäftigte, gestaffelt nach den in der Klageschrift aufgeführten Zeiträumen von unstreitig 13,15 DM bis 14,40 DM brutto zu.

Allerdings sind die Tarifansprüche gemäß § 18 MTV EH verfallen. Danach sind aus dem Tarifvertrag und dem Arbeitsverhältnis entstandene An­sprüche spätestens 6 Monate nach Fälligkeit geltend zu machen. Das Arbeitsverhältnis endete am 8.12.1998. Mit der Klage hat die Klägerin die Differenzbeträge zum ersten Mal geltend gemacht. Die Klage datiert vom 30.8.1999, ging am 15.9.1999 beim Arbeitsgericht ein und wurde am 27.9.1999 der Beklagten zugestellt. Die Zahlungsansprüche sind somit verfristet und daher verfallen.

Der Klägerin steht jedoch ein entsprechender Schadenersatzanspruch gemäß §§ 2 I BeschFG/823 II BGB zu. Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden, sind von der Verfallregelung des § 18 MTV EH ausgeschlossen.

Die geringere Vergütung der Klägerin gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern verstößt gegen das Verbot der unterschiedlichen Behandlung gemäß § 2 I BeschFG. Danach darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

Sachliche Gründe für die anteilige geringere Vergütung der Klägerin als geringfügig Beschäftigte hat die Beklagte jedoch nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.

Die Vergütungsvereinbarung ist daher gemäß § 134 BGB nichtig. Dies führt jedoch nicht zur Gesamtnichtigkeit der vertraglichen Vereinbarungen, wie die Beklagte dies meint, sondern nur der Rechtsunwirksamkeit der Vergütungsabrede, da gemäß ständiger Rechtsprechung § 139 BGB im Arbeitsrecht in der Regel keine Anwendung findet. Die Teilnichtigkeit hat hier nicht die Gesamtnichtigkeit zur Folge.

Anstelle der nichtigen Lohnvereinbarung tritt gemäß § 612 II BGB die übliche Vergütung. Dies ist hier die allgemeinverbindliche Tarifregelung.

Da diese Vergütungsansprüche kraft der Verfallklausel des § 18 MTV EH verfallen sind, treten an ihre Stelle Schadenersatzansprüche aus § 823 II i. V. m. § 2 I BeschFG. Die Beklagte beging mit der schlechteren Bezahlung eine unerlaubte Handlung, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. § 2 I BeschFG ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB (vgl. BAG U. v. 12.6.1996 NJW 1997, 962, 964). Ein Schaden besteht in der Höhe, in der die Erfüllungsansprüche der Klägerin aus § 612 II BGB verfallen sind.

Die Beklagte hätte auch erkennen müssen, dass die schlechtere Bezahlung der Klägerin gegen § 2 I BeschFG verstößt. Die Kenntnis dieser seit 1.5.1985 in Kraft getretenen Norm ist der Beklagten zuzurechnen. Somit hat die Beklagte der Klägerin die geltend gemachten Differenzbeträge zu erstatten.

Allerdings werden die Parteien zu beachten haben, dass die eingeklagten Lohndifferenzen sich aus dem vertraglich vereinbarten Nettolohn und dem tariflichen Bruttolohn ergeben.

Ob denen ein Rückerstattungsanspruch in Höhe der abgeführten Pauschallohnsteuern gegenübersteht, hatte das Berufungsgericht nicht mehr zu entscheiden. Die Berufung wandte sich lediglich gegen das Zahlungsbegehren der Klägerin. Die Abweisung der Widerklage wurde mit der Berufung nicht angegriffen. Die diesbezügliche arbeitsgerichtliche Entscheidung erwuchs daher in Rechtskraft.

Die Widerklage wäre allerdings nicht gerechtfertigt gewesen, da die Beklagte die von ihr gezahlten pauschalen Lohnsteuern zu Recht abgeführt hat. Bei geringfügig Beschäftigten mit einer geringfügigen Vergütung kann gemäß § 40 a II EStG unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte der Arbeitgeber die Lohnsteuern in einem Pauschsteuersatz vom Arbeitslohn erheben. Dies waren hier 22,9 % inklusive Kirchensteuern und Solidarzuschlag. Der Arbeitgeber hat gegenüber dem Finanzamt die Steuerschuld zu übernehmen (§§ 40 a V, 40 III EStG). Im Innenverhältnis kann er die Pauschalsteuer auf den Arbeitnehmer überwälzen, da dieser grundsätzlich Lohnsteuerschuldner ist.

Dies ist hier jedoch nicht erfolgt. Die Parteien haben im schriftlichen Arbeitsvertrag zwar nicht vereinbart, dass der Arbeitgeber die Pauschalsteuer übernimmt, doch ist durch die über 2jährige Praxis konkludent eine solche Vereinbarung erfolgt.

Somit standen sich ein Stundenlohn von 9,-- DM netto + 22,9 % Pauschalsteuern und der tarifliche Bruttolohn gegenüber.

Des Weiteren ist zu beachten, dass aufgrund des der Klägerin zustehenden höheren Tariflohnes sich auch eine Sozialversicherungspflichtigkeit ergibt. Der Arbeitnehmeranteil könnte bei der exakten Schadensberechnung ebenso zu berücksichtigen sein, wie eine neue Lohnsteuerberechnung.

Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben, da es nicht Aufgabe des Arbeitsgerichts ist, öffentlich-rechtliche Abzüge von Vergütungsansprüchen zu berechnen und festzusetzen, sondern Sache der Finanzverwaltung und der Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge. Die Arbeitsgerichte sind gehindert, einen Zahlungsanspruch im Urteil als "netto" zu bezeichnen, wenn nicht feststeht, dass auf diesen entfallende öffentliche Abgaben vom Arbeitgeber zu tragen sind (vgl. BAG AP Nr. 39 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Die eingeklagte Lohndifferenz ist somit lediglich als Bruttobetrag zu betrachten.

Den Parteien ist zwar bezüglich ihres Vortrages Recht zu geben, dass ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit Sozialversicherungsfreiheit und Pauschallohnbesteuerung gewollt war. Durch einen höheren tariflichen Vergütungsanspruch lagen die Voraussetzungen hierfür jedoch nicht vor. Um dies zu erreichen, hätte die Klägerin weniger Arbeitsstunden monatlich leisten müssen.

Nach allem war wie erfolgt zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Mangels Vorliegens der Voraussetzung des § 72 Abs. 2 ArbGG war die Revision nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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