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Gericht: Landesarbeitsgericht Saarland
Urteil verkündet am 18.07.2001
Aktenzeichen: 2 Sa 26/01
Rechtsgebiete: KSchG 1969, KSchG, ArbGG
Vorschriften:
KSchG 1969 § 23 | |
KSchG § 23 Abs. 3 S. 2 | |
KSchG § 23 Abs. 1 S. 2 | |
ArbGG § 92 a Satz 1 | |
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1 | |
ArbGG § 92 Abs. 1 Satz 2 |
LANDESARBEITSGERICHT SAARLAND Im Namen des Volkes ! URTEIL
- 2 Sa 26/01 -
Verkündet am 18. Juli 2001
In dem Rechtsstreit
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Saarland auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2001
durch den Richter am Arbeitsgerichts Hossfeld als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Dr. Bungart und Breuer als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers und Berufungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 5.12.2000, 4 Ca 1139/2000, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten sich vorliegend über die Wirksamkeit zweier arbeitgeberseitig ausgesprochener Kündigungen, insbesondere über die Frage der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes unter Einbeziehung der in Frankreich beschäftigten Arbeitnehmer am Hauptsitz der Beklagten.
Der Kläger ist seit dem 15.4.1994 als Verkaufsdirektor für die Bundesrepublik Deutschland bei der Beklagten beschäftigt und erzielte einen Monatsverdienst von 13.500,-- DM brutto. Grundlage seiner Beschäftigung war der zwischen den Parteien am 16.5.1994 abgeschlossene Arbeitsvertrag (vgl. Bl. 13 - 24 d. A.). Unter § 9 Abs. 3 des Anstellungsvertrages (vgl. Bl. 21/22 d. A.) ist festgehalten, dass im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen gelten bezüglich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei eine Verlängerung der Kündigungsfrist aufgrund gesetzlicher oder sonstiger Bestimmungen, die zu Gunsten eines der Vertragspartner gilt, auch zu Gunsten der anderen Vertragspartei als vereinbart gilt. In Absatz 4 ist festgehalten, dass die Gesellschaft berechtigt ist, nach Ausspruch einer Kündigung den Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung seiner Bezüge zu beurlauben, wobei ein etwaiger Resturlaubsanspruch hierauf angerechnet wird.
In § 11 Abs. 4 des Anstellungsvertrages (vgl. Bl. 23/24 d. A.) ist als vertraglicher Erfüllungsort Saarbrücken festgelegt worden.
Der Dienstsitz des Klägers befand sich in einem Büro in V-F. Dort waren neben dem Kläger Herr M für den Bereich Vertrieb und Frau J für den übrigen Bürobereich eingesetzt. Bezüglich der letztgenannten Mitarbeiterin bestand Streit zwischen Frau J und der Beklagten bereits über die Frage der Arbeitnehmereigenschaft (vgl. Az. 2 (3) Ca 1128/2000 des Arbeitsgerichts Neunkirchen). Die Beklagte selbst beschäftigt in Frankreich über 250 Mitarbeiter.
Mit Kündigungsschreiben vom 12.7.2000, dem Kläger am 14.7.2000 zugegangen, hat die Beklagte bei Freistellung unter Urlaubsverrechnung das Arbeitsverhältnis des Klägers zum Ablauf des 30.9.2000 aufgekündigt (vgl. Bl. 7 d. A.).
Mit weiterem Kündigungsschreiben vom 28.9.2000, dem Kläger am 2.10.2000 zugegangen, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut diesmal fristlos und hilfsweise zum Ablauf des 30.11.2000 ordentlich aufgekündigt (vgl. Bl. 38 d. A.).
Der Kläger und Berufungskläger hat in erster Instanz vorgetragen, dass er der Ansicht sei, beide Kündigungen seien unwirksam.
1. Die Kündigung vom 12.7.2000 sei aus seiner Sicht sozial ungerechtfertigt, da er von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ausgehe. Das Kündigungsschutzgesetz sei deshalb anwendbar, weil im Arbeitsvertrag die Anwendbarkeit deutschen Rechtes vereinbart sei. So dürfe ein Arbeitnehmer nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB n. F. bei der Rechtswahl in Arbeitsverträgen nicht des Schutzes entzogen werden. Insoweit gelte das Prinzip der Privatautonomie für schuldrechtliche Verträge, wie es in Art. 27 Abs. 1 EGBGB n. F. gewährleistet werde. In § 11 Ziff. 6 des Anstellungsvertrages hätten die Parteien die Anwendbarkeit deutschen Rechtes vereinbart und damit sei auch das Kündigungsschutzgesetz und dessen Anwendbarkeit festgelegt (der Kläger meint mit seiner Darlegung Ziff. 4 des § 11, in dem als Erfüllungsort Saarbrücken festgelegt ist).
Insoweit gehe der Kläger davon aus, dass zwischen dem Filialbetrieb in F und dem Hauptsitz der Beklagten in V die Voraussetzungen für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes gegeben seien. Das Territorialprinzip habe hier keine Bedeutung für die Frage, ob bei einem einheitlichen Betrieb nur die im Inland tätigen Arbeitnehmer von einer Norm betroffen seien oder auch die im Ausland beschäftigten.
2. Die Kündigung vom 28.9.2000 sei unwirksam, da eine Treuepflichtverletzung des Klägers nicht gegeben sei, weil er bereits zum Zeitpunkt der Bewerbung bei der Beklagten die Ausübung einer Nebentätigkeit offengelegt habe. Die Beklagte habe von dieser Tätigkeit jederzeit Kenntnis gehabt. Der Kläger sei zwar Mitbetreiber der Firma E gewesen, aber diese Firma sei nicht als Konkurrent der Beklagten zu betrachten. Während die Beklagte den Handel mit Küchengeräten/Küchenmaschinen betreibe, sei die Firma E im Handel mit Großkücheneinrichtungen tätig, wobei sie lediglich als Wiederverkäufer den Verkauf von Küchengeräten und Küchenmaschinen der Beklagten betreibe.
In erster Instanz hat der Kläger und Berufungskläger beantragt,
1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 12.7.2000 - dem Kläger zugegangen am 14.7.2000 - nicht zum 30.9.2000 aufgelöst wird;
2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 28.9.2000 - dem Kläger zugegangen am 2.10.2000 - nicht aufgelöst worden ist;
3. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise und vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung vom 28.9.2000 - dem Kläger zugegangen am 2.10.2000 - nicht zum 30.11.2000 aufgelöst wird.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, dass aus ihrer Sicht das Arbeitsverhältnis jedenfalls wirksam beendet worden sei.
Die Kündigung vom 12.7.2000 sei als ordentliche Kündigung bereits deshalb wirksam, weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Diese ergebe sich daraus, dass in F neben dem Kläger nur maximal zwei weitere Mitarbeiter beschäftigt wären. Von einem gemeinsamen Betrieb des Büros in F mit dem Hauptbetrieb der Beklagten in Frankreich könne aus Sicht der Beklagten keine Rede sein. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG müssten schließlich im Inland erfüllt sein.
Die Kündigung vom 28.9.2000 sei ebenfalls wirksam, weil ein Verstoß gegen die Treuepflicht durch Auftreten des Klägers als Wettbewerber zu verzeichnen sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Geschäftsgegenstand der Beklagten der Vertrieb von Großkücheneinrichtungen und Maschinen sei. Gerade unter dem 23.8.2000 sei aber eine Bestellung der Firma Valeria GbR, die als Kunde bei der Beklagten unbekannt gewesen sei, aufgetaucht, wobei der Kläger erklärt habe, dass diese Firma schon öfter Bestellungen aufgegeben hätte. Auch am 23.6. sei eine Rechnung ausgestellt worden der E (vgl. Bl. 54 d. A.) unter der gleichen Adresse wie diejenige des Klägers.
Darüber hinaus seien Fehlbestände zu verzeichnen, die jedoch nie von der Beklagten an die Firma E verkauft worden seien.
Das klageabweisende Urteil der ersten Instanz vom 5.12.2000 (vgl. Bl. 81 - 94 d. A.) hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage der ersten Kündigung vom 12.7.2000 wirksam zum Ablauf des 30.9.2000 beendet worden ist. Tragende Gesichtspunkte dieser Entscheidung sind folgende:
Der Kläger habe keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes.
1. § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG sei nicht im Inland erfüllt, weil dort unstreitig nicht mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt seien.
2. Unerheblich sei, dass in Frankreich 250 Arbeitnehmer beschäftigt sind, da die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes eindeutig in Deutschland erfüllt werden müssten.
3. Von einem einheitlichen Betrieb zwischen dem Büro in V-F und dem Betrieb in V könne nicht gesprochen werden. Wegen des Territorialprinzips könne nämlich die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes nur maximal soweit gehen wie die Rechtssetzungsbefugnis der Gesetzgebungsorgane der Bundesrepublik Deutschland reiche.
4. EG-Recht gebiete auch nichts anderes, da der Titel III des EWG-Vertrages (Art. 48 ff.) Kündigungsschutzregeln nicht als gemeinschaftlich anzustrebendes Recht ansehe. § 23 Abs. 3 S. 2 KSchG sei aber eine Sonderregelung, die nur auf den Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland anwendbar sei.
5. Die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 28.9.2000 sei nicht mehr zu prüfen gewesen, da das Arbeitsverhältnis bereits auf der Basis der Kündigung vom 12.7.2000 mit Ablauf des 30.9.2000 geendet habe, die Kündigung vom 28.9.2000 den Kläger aber erst am 2.10. erreicht habe.
Der Berufungskläger und Kläger erster Instanz trägt nunmehr in der Berufung vor, dass das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen aus verschiedenen Gesichtspunkten fehlerhaft sei, da die Voraussetzungen des § 23 KSchG von ihm als erfüllt angesehen würden. Zum einen sei es zwar richtig, dass in Deutschland weniger als 5 Arbeitnehmer beschäftigt seien.
Zum anderen müsse aber aus Sicht des Klägers die Mitarbeiterzahl in Deutschland mit derjenigen in Frankreich zusammengerechnet werden. Nach § 11 Ziff. 4 des Anstellungsvertrages vom 16.5.1994 (vgl. Bl. 24 d. A.) werde die Anwendbarkeit deutschen Rechts mit seiner Erfüllungsortbestimmung vorgegeben. Über Art. 27 Abs. 1 EGBGB gelte damit auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts als vereinbart. Die Voraussetzungen für einen gemeinsamen Betrieb zwischen der Filiale in Deutschland und dem Hauptsitz der Beklagten in Frankreich sehe der Kläger und Berufungskläger als gegeben an. Sie stellen ansonsten nämlich einen Verstoß gegen Art. 3 GG aus seiner Sicht dar, wenn ohne sachlichen Grund deutsche Arbeitnehmer in einer Filiale eines europäischen Unternehmens in Deutschland einem anderen Recht unterliegen würden, als ein Arbeitnehmer in einem ausschließlich inländischen Betrieb. Der Kläger halte deshalb die Ansicht für falsch, wonach das Kündigungsschutzgesetz nur für Betriebe auf deutschem Boden Geltung haben solle.
Der Berufungskläger und Kläger erster Instanz beantragt,
1. unter Abänderung des am 5.12.2000 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Neunkirchen, Az. 4 Ca 1139/2000, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 12.7.2000 - dem Kläger zugegangen am 14.7.2000 - nicht zum 30.9.2000 aufgelöst wurde;
2. unter Abänderung des am 5.12.2000 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Neunkirchen, Az. 4 Ca 1139/2000, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 28.9.2000 - dem Kläger zugegangen am 2.10.2000 - nicht aufgelöst worden ist;
3. unter Abänderung des am 5.12.2000 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Neunkirchen, Az. 4 Ca 1139/2000, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise und vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung vom 28.9.2000 - dem Kläger zugegangen am 2.10.2000 - nicht zum 30.11.2000 aufgelöst wurde.
Die Berufungsbeklagte und Beklagte erster Instanz beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berufungsbeklagte trägt vor, dass sie das Urteil erster Instanz für zutreffend halte, da die Kündigung vom 12.7.2000 aus ihrer Sicht wirksam sei, weil die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für das Arbeitsverhältnis nicht zum Tragen komme. Selbst wenn man § 11 Ziff. 4 des Arbeitsvertrages als eine Rechtswahlklausel ansehen könne, was mit Blick auf Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB aus Sicht der Beklagten zweifelhaft sei, sei damit nicht automatisch bereits die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes im vorliegenden Fall zwingend. Vielmehr müssten die Voraussetzungen erst einmal vorliegen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nach den dort enthaltenen Regeln.
Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor, weil § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG eine eindeutig nationale Sonderbestimmung darstelle. Die Auffassung des Klägers führe vielmehr dazu, dass ein Eingriff in die Rechtssetzungshoheit eines EU-Mitgliedsstaates vorliegen würde. Bei Filialen in mehreren EU-Mitgliedsstaaten müsste dann daneben u. a. vielleicht auch englisches, niederländisches etc. Recht gelten.
Darüber hinaus sei aber die Kündigung vom 12.7.2000 auch deshalb wirksam, da sie betriebsbedingt begründet sei. Anfang Mai 2000 sei der Beschluss gefasst worden, das Büro in V zu schließen. Unter dem 20.7.2000 habe man den Mietvertrag über die Büroräume aufgekündigt (vgl. Bl. 124 d. A.). Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers sei nicht gegeben. Eine Auswahl sei ebenfalls nicht zu treffen gewesen, da der Kläger der alleinige Verkaufsdirektor gewesen sei, so dass es an einer Vergleichsperson gefehlt habe.
Hinsichtlich der fristlosen Kündigung vom 28.9.2000 beziehe sich die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand werden die gewechselten Schriftsätze nebst ihrer Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften erster und zweiter Instanz in Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I) Die zulässige Berufung ist unbegründet, da die Kündigung vom 12.7.2000, dem Kläger und Berufungskläger zugegangen am 14.7.2000, das Arbeitsverhältnis wirksam mit Ablauf des 30.9.2000 aufgelöst hat, weil die Bestimmungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht zur Anwendung gelangt sind auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien.
1. Zur Kündigung vom 12.7.2000:
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass allein bezogen auf das Büro der Beklagten in V-F die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes in eine Änderung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht zur Anwendung gelangen, da hier neben dem Kläger als Verkaufsdirektor für Deutschland lediglich Herr M in Bereich Vertrieb und Frau J (vgl. Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 1.2.2001, Az. 2(3) Ca 1128/2000) als Arbeitgeber tätig waren. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfordert aber die Beschäftigung von mehr als fünf Arbeitnehmern.
b) Für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gilt nach überwiegender Ansicht das Territorialprinzip mit der Folge, dass mehr als fünf Arbeitnehmer in der Regel beschäftigt sein müssen, allerdings im territorialen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, das heißt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (vgl. KR-Weigand, 5.Aufl. Neuwied/Berlin/Kriftel 1998, Rn. 26 zu § 23 KSchG; Isenhardt/Böck in Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl. Neuwied 2000, 6.3 D I 3 Rn. 395, jeweils m.w.N.; BAG vom 09.10.1997 - 2 AZR 64/97 in NZA 1998 S.141-143).
c) Eine Hinzurechnung der 250 Arbeitnehmer der Beklagten und Berufungsbeklagten in ihrem Betriebssitz in Frankreich (V) unter dem Gesichtspunkt, dass ein gemeinsamer Betrieb zwischen der "Filiale" in V-F und dem Betrieb in Frankreich bestehe, führt jedenfalls auch nicht zu dem vom Kläger und Berufungskläger gewünschten Ergebnis, nämlich der Anwendbarkeit des deutschen Kündigungsschutzgesetzes.
Wenn überhaupt eine solche gemeinsame Betriebsbildung anzunehmen wäre, dann würde jedenfalls der größere Teil mit 250 Arbeitnehmern in Frankreich, der kleinere Teil mit nur zwei bis drei Arbeitnehmern auf deutschem Boden seiner Bedeutung her an sich ziehen, so dass keineswegs deutsches Recht für die zwei bis drei Mitarbeiter in Deutschland anzuwenden wäre, sondern eher französisches Recht, welches auch für die 250 in Frankreich beschäftigten Mitarbeiter Geltung hat.
Dem Kläger und Berufungskläger ist zwar durchaus darin zu folgen, dass nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB die Privatautonomie eine Regelung, wie sie § 11 Ziff. 4 des Arbeitsvertrages hinsichtlich des Erfüllungsortes vorgenommen worden ist, auch nach europäischen Gesichtspunkten zulässig ist. Nicht zu folgen ist dem Kläger allerdings in seiner Rechtesansicht, dass mit Festlegung des Erfüllungsortes Saarbrücken aber auch die Geltung deutschen Rechts als vereinbart gilt mit Blick auf die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes für den Fall, dass zwischen der "Filiale" V-F und dem Betrieb in Frankreich die Voraussetzungen für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes zu bejahen seien. Würde man dieser Rechtsansicht Folge leisten, so käme es zu einem glatten Rechtsbruch. Mit dieser Regelung und ihrer Erklärung als zulässig, würde sich die deutsche Rechtsprechung in die Souveränität der französischen Republik einmischen. Es kann nämlich nicht angehen, auch wenn der Kläger und Berufungskläger aus seiner Sicht damit gut leben könnte, dass bei Annahme eines einheitlichen Betriebes für diesen einheitlichen Betrieb zwei unterschiedliche Kündigungsschutzrechte beinhaltende nationale Gesetzgebungen maßgeblich sein würden. Wollte man den Überlegungen des Klägers folgen, so müsste konsequenterweise das KSchG wie auch die Überlegungen zur Sozialauswahl nun mehr auch auf die in Frankreich tätigen Mitarbeiter, welche vermutlich überwiegend französische Staatsbürger sind, angewendet werden. Es müsste dann auch geprüft werden, ob der Kläger als Verkaufsdirektor für Deutschland in einem Betrieb der Beklagten und Berufungsbeklagten in Frankreich eingesetzt werden könnte, so dass erst bei Verneinung dieser Fragestellung vom Vorliegen betrieblicher Gründe auszugehen sein würde. Lägen nur solche betrieblichen Gründe vor, so müsste in einer zweiten Stufe nach vergleichbaren Mitarbeitern Ausschau gehalten werden, was im Endergebnis bedeutet, dass man den Kläger mit französischen Mitarbeitern in einem französischen Betriebsteil auf französischem Boden hinsichtlich der sozialen Gesichtspunkte einer Kündigungsentscheidung vergleichen müsste. Dies stellt einen weder gewollten noch zulässigen Eingriff in die Rechte der französischen Staatsbürger dar, die - obwohl sie bei Abschluss ihrer Arbeitsverträge von der Anwendbarkeit französischen Rechts ausgehen durften - , nun plötzlich damit rechnen müssten nach einer rein deutschen Kündigungsschutzvorschrift ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sich herausstellen würde, dass sie sozial stärker wären als der Kläger, sofern sie mit ihm vergleichbar wären (diese Vergleichbarkeit würde dann auch nach deutschem Recht festgeschrieben).
d) Unabhängig von dieser Überlegung stößt die Auffassung des Klägers und Berufungsbeklagten, wonach das Territorialprinzip die Frage nicht berühre, welches Recht zur Anwendung gelangen soll, in einem grenzübergreifend gebildeten gemeinsamen Betrieb, auf eine Reihe weiterer Gegenargumente.
aa) Oberster Grundsatz im Rahmen der Überlegungen, welches Recht zur Anwendung gelangen soll, sollte die Rechtsklarheit sein. Wollte man der Rechtsansicht des Klägers und Berufungsbeklagten folgend einen gemeinsamen Betrieb hier bejahen, so wäre nach den Regeln des EGBGB in Art. 27 und Art. 30 wohl noch eine Festlegung des anzuwendenden Rechtes darstellbar. Hätte aber die Beklagte und Berufungsbeklagte einige weitere 1-3-"Mann"-Filialen in anderen EU-Staaten, dann müsste der Kläger konsequenterweise, wollte er nicht einen Gedankenbruch vornehmen, nun hingehen und alle "Filialen" als Teile eines großen gemeinsamen Betriebes mit dem 250 Arbeitnehmer umfassenden Hauptbetrieb in Frankreich ansehen. Fragt sich nur, welche Gesetze aus welchem EU-Mitgliedsstaat nun für welche Mitarbeiter gelten sollen ? Hierfür fehlt es wohl derzeit noch an einer politischen Entscheidung der EU-Mitgliedsstaaten hinsichtlich einer Lösung, wie man die Rechtsansicht des Klägers umsetzen könnte, ohne gleich mehrere Souveränitätsverletzungen anderer EU-Mitgliedsstaaten vornehmen zu müssen.
bb) Auch gelten für Arbeitnehmer eines deutschen Hauptbetriebes in Filialbetrieben auf französischem Terrain keineswegs deutsche Kündigungsschutzgesetzregeln sondern selbstverständlich zunächst einmal französische arbeitsrechtliche Bestimmungen
cc) Die Regeln des EG-Gemeinschaftsrechtes gebieten keine andere Sicht als diejenige, dass das Territorialprinzip sehr wohl entscheidend ist für die Frage der Anwendbarkeit der Bestimmungen des KSchG. § 23 Abs. 1 S.2 KSchG ist eine nationale Sonderbestimmung, deren Geltungsbereich sich auf den örtlichen Rechtssetzungskreis des deutschen Gesetzgebers, damit also auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt (vgl. EuGH vom 30.11.1993 - Rs C 189/91 - in BB 1994 S.145 = AP 13 zu § 23 KSchG 1969; BAG vom 09.10.1997 aaO. unter Entscheidungsgründe II 2 b)
e) Unabhängig von dieser Vorfrage wäre aber auch nach den nicht bestrittenen Darstellungen der Beklagten und Berufungsbeklagten die Kündigung vom 12.07.2000 bei Bejahung der Anwendbarkeit des KSchG sozial gerechtfertigt.
Die unternehmerische Entscheidung, das Büro in F bei V zu schließen und in Verfolg dieser Maßnahme auch den Mietvertrag über die Räumlichkeiten zu kündigen, ist von den Gerichten für Arbeitssachen nur eingeschränkt i.S. einer Willkürkontrolle nachzuprüfen. Hier sind jedoch nach den Regeln der abgestuften Darlegungs- und Beweislast wie auch nach dem den Arbeitsgerichtsprozess beherrschenden Grundsatz der Parteimaxime ohne Hinweise seitens des Klägers und Berufungsklägers auf ein irgendwie geartetes willkürliches Verhalten der Beklagten nicht gemacht worden. Eigene Nachforschungen des Gerichtes verbieten sich ohnehin.
Es wäre auch Sache des Klägers gewesen, der ja unzweifelhaft Verkaufsdirektor für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland war, darzulegen, wie er sich die von der Beklagten übersehene Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung vorgestellt haben würde und vor allem zu erklären, worin ein möglicher Fehler bei einer evtl. vorzunehmenden sozialen Auswahl gelegen haben soll.
All dies hat der Kläger und Berufungskläger mit keinem Wort vorgetragen, sondern sich allein auf das (Schein-) Problem der Anwendbarkeit des KSchG konzentriert, so dass ausgehend von dem in sich schlüssigen Vortrag der Beklagten und Berufungsbeklagten - auch bei hypothetischer Anwendbarkeit des KSchG - die Kündigung als eine aus dringenden betrieblichen Gründen i.S.d. § 1 Abs.2 KSchG sozial gerechtfertigte Kündigung das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.09.2000 beendet haben würde.
2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es wegen der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30.09.2000 auf der Basis der Kündigung vom 12.07.2000 auf die Frage, inwieweit die fristlose Kündigung vom 28.09.2000 oder die hilfsweise erklärte fristgerechte Kündigung vom 28.09.2000 berechtigt und damit wirksam sein würden, deshalb nicht mehr ankommt, weil diese Kündigungserklärungen dem Kläger und Berufungskläger erst am 2.10.2000, also nach Ende des Arbeitsverhältnisses zugegangen sind. Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Kündigungserklärung setzt aber begrifflich das Bestehen des Rechtsverhältnisses, welches sie gestalten soll, voraus.
II) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO
III) Die Revision war nicht zuzulassen, da dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zukommt. Es ist hier nicht von einer anderen LAG-Entscheidung abgewichen worden ist. Die Entscheidung befindet sich im Übrigen in Einklang mit den Entscheidungen des BAG vom 09.10.1997 - 2 AZR 64/97 in NZA 1998 S. 141-143 sowie des EuGH vom 30.11.1993 - Rs C 189/91 - in BB 1994 S. 145 = AP Nr.13 zu § 23 KSchG 1969.
Ende der Entscheidung
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