Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Saarland
Urteil verkündet am 05.09.2001
Aktenzeichen: 2 Sa 36/01
Rechtsgebiete: BGB, EStG, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 670
EStG § 1 a
EStG § 39 c
EStG § 39 d
EStG § 39 c Abs. 1
EStG § 39 c Abs. 1 S. 2
EStG § 39d Abs. 3 Satz 4
ArbGG § 97 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 72 a Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
Stellt ein Finanzamt fest, dass ein in Frankreich seinen Wohnsitz habender, aber in Deutschland bei einem im Grenzgebiet ansässigen Arbeitgeber beschäftigter Arbeitnehmer die Voraussetzungen für die Anerkennung als Grenzgänger nach dem dt.-frz. Doppelbesteuerungsabkommen nicht erfüllt, so ist er aus dem Gesichtspunkt der Redlichkeit dem Arbeitgeber zur Erstattung der von diesem an das Finanzamt nachtentrichteten Lohnsteuern verpflichtet.
LANDESARBEITSGERICHT SAARLAND Im Namen des Volkes ! URTEIL

- 2 Sa 36/01 -

Verkündet am 05.09.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Saarland auf die mündliche Verhandlung vom 05. September 2001

durch den Richter am Arbeitsgericht Hossfeld als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richterinnen Mockenhaupt-Aubron und Linz als Beisitzerinnen

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Saarlouis vom 23.01.2001 - Aktenzeichen 1 Ca 155/00 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten vorliegend über das Bestehen eines Anspruchs der Beklagten und Berufungsbeklagten gegen den Kläger und Berufungskläger auf Erstattung von der Beklagten für den Kläger nachentrichteter Lohn­steuern wegen Nichtvorliegens der Grenzgängereigenschaft nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit der französischen Republik aus den Monaten Juli bis Dezember 1999.

Der am 19.12.1958 geborene Kläger wohnt im Grenzgebiet zu Deutsch­land in Frankreich. In der Zeit vom 01.07. bis 31.12.1999 war er als Kun­dendienstmitarbeiter im Außendienst bei der Beklagten tätig. Das Arbeits­verhältnis endete aufgrund eigener Kündigung. Sein Stundenverdienst belief sich auf 21,25 DM.

Für die Zeit von Juli bis September 1999 ist von seinem Monatsverdienst von der Beklagten Lohnsteuer zunächst nicht abgeführt worden, da die Auffas­sung bestand, der Kläger Grenzgänger sei mit der Folge, in Frank­reich der Einkommensbesteuerung zu unterliegen.

Für die Zeit Oktober bis Dezember 1999 erfolgte eine Versteuerung des Einkommens des Klägers gemäß der Lohnsteuerklasse III/3, ohne dass der Kläger jedoch eine Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 vorgelegt hätte.

In der Zeit vom 17. bis 31.12.1999 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.

Das Finanzamt Saarlouis hat mit Schreiben vom 20.06.2000 (Bl. 96 d.A.) bestätigt, dass der Kläger als Grenzgänger nicht der Besteuerung unterle­gen hätte, wenn er für 1999 den für Freistellungsbescheinigungen not­wendigen Vordruck 5011 vollständig ausgefüllt vorgelegt hätte.

Mit Schreiben vom 04.07.2000 hat das Finanzamt Saarlouis (vgl. Bl. 142/143 d.A.) einen Hinweis gegeben, dass der Vordruck 5011 für Frei­stellungsbescheinigungen nicht eingereicht worden sei. Ferner ist in die­sem Schreiben auf Artikel 13 Abs. 5 des deutsch-französischen Doppelbe­steuerungsabkommens aufmerksam gemacht worden, wonach keine Grenzgängereigenschaft besteht, wenn ein Arbeitnehmer an mehr als 45 Arbeitstagen im Kalenderjahr nicht täglich an seinem Wohnsitz in der Grenzzone zurückkehrt bzw. wenn er bei kürzerer Beschäftigung an mehr als 20 % der Arbeitstage nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt. Ferner wird in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass der Kläger der inländi­schen Lohnsteuer unterfalle, weil er bei der Firma Z. GmbH an insgesamt 60 Arbeitstagen und bei der Beklagten an insgesamt 14 Ar­beitstagen im Kalenderjahr 1999 außerhalb der Grenzzone eingesetzt war. Es wird auf die Versteuerungspflicht nach Lohnsteuerklasse VI gemäß § 39 d Abs. 3 S. 4 i.V.m. § 39 c Abs. 1 EStG aufmerksam gemacht.

Am 14.07.2000 hat die Beklagte und Berufungsbeklagte 8.688,92 DM als Lohnsteuerkorrektur an das Finanzamt Saarlouisauf dessen Anforderung hin gezahlt (vgl. Bl. 144 d.A.).

§ 39 c Einkommenssteuergesetz (EStG) in der bis zum 31.12.1999 gültigen Fassung lautet in Absatz 1

Solange der unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte schuldhaft nicht vorlegt, oder die Rückgabe der ihm ausgehändigten Lohnsteuerkarte schuldhaft verzögert, hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse VI zu ermitteln. Weist der Arbeitnehmer nach, dass er die Nichtvorlage oder verzögerte Rückgabe der Lohnsteuerkarte nicht zu vertreten hat, so hat der Arbeitgeber für die Lohnsteuerberechnung die ihm bekannten Familienverhältnisse des Arbeitnehmer zugrunde zu legen.

§ 39 d EStG in der bis 31.12.1999 geltenden Fassung lautet in seinem Absatz 3 wie folgt:

Der Arbeitnehmer hat die nach Absatz 1 erteilte Bescheinigung seinem Arbeitgeber vor Beginn des Kalenderjahres oder beim Eintritt in das Dienstverhältnis vorzulegen. Der Arbeitsgeber hat die Bescheinigung aufzubewahren. § 39 b Abs. 1 S. 3 und 4 gilt sinngemäß. Der Arbeitsgeber hat im Übrigen den Lohnsteuerabzug nach Maßgabe des § 39 b Abs. 2 - 7, des § 39 c Abs. 1 u. 2 und des § 41 c durchzuführen; dabei tritt die nach Abs. 1 erteilte Bescheinigung an die Stelle der Lohnsteuerkarte. Auf Verlangen des beschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder am Ende des Kalenderjahres eine Lohnsteuerbescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu erteilen; dabei sind die Vorschriften des § 41 b Abs. 1 S. 2 - 7 und Abs. 2 sinngemäß anzuwenden.

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und Grundsteuern (vgl. Bundesgesetzblatt 1961 Teil II Seite 389 ff.) lautet in Artikel 13 Abs. 5 wie folgt:

Abweichend von den Absätzen 1, 3 und 4 können Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von Personen, die im Grenzgebiet eines der Vertragsstaaten wohnen und im Grenzgebiet des anderen Staates arbeiten, nur in dem Staat besteuert werden, in dem sie ansässig sind. Für die Auslegung des Begriffs "Grenzgebiet" ist die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über Grenzgänger vom 10. Juli 1950 maßgebend.

Die Grenzgängerregelung (vgl. BStBl 1980 Teil I Seite 88) besagt folgendes

Artikel 13 Abs. 5 des deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens findet auf Arbeitnehmer Anwendung, die im Grenzgebiet des einen Staates ihre Tätigkeit ausüben und im Grenzgebiet des anderen Staates ihren Wohnsitz haben, zu dem sie grundsätzlich jeden Tag zurückkehren (Grenzgänger).

Kehrt ein Arbeitnehmer nicht täglich an seinen Wohnsitz zurück oder ist er ausnahmsweise an Arbeitsorten außerhalb der Grenzzone beschäftigt, so geht die Grenzgängereigenschaft nicht verloren,

sofern der Arbeitnehmer während des ganzen Kalenderjahres in der Grenzzone beschäftigt ist und in dieser Zeit höchstens 45 Arbeitstage nicht zum Wohnsitz zurückkehrt und/oder außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist

oder ......

Der Kläger und Berufungskläger hat in erster Instanz vorgetragen, dass er sich nicht verpflichtet sehe, auf die Widerklage der Beklagten hin für die Zeit Juli bis Dezember 1999 die von der Beklagten nachentrichteten Lohnsteuerbeträge in Höhe von 8.562,97 DM an diese zurückzuerstatten.

1. Der Kläger sei nämlich als Grenzgänger zu bewerten. Sein Arbeitsverhältnis sei gerade so ausgestaltet gewesen, dass er keineswegs an mehr als 45 Tagen außerhalb der Grenzzone zum Einsatz gelangt sei. Am 03.03.2000 habe er einen Antrag auf Behandlung als Grenzgänger überreicht für das Jahr 1999 (vgl. Bl. 35 - 40 d.A.). Am 20.06.2000 habe das Finanzamt ihm letztlich auch bescheinigt, dass er bei ordnungsgemäß ausgefülltem Vordruck die Freistellungsbescheinigung hätte erlangen können.

2. Eine Pflicht zur Nachentrichtung der Lohnsteuer sei aus der Sicht des Klägers nicht gegeben, da schon die Berechnung der Beklagten (vgl. Bl. 27 d.A.) unklar geblieben sei. Darüber hinaus seien ja auch die Monate Oktober bis Dezember 1999 von der Beklagten versteuert worden. Das im Gütetermin vom 08.03.2000 übergebene Formular 5011 sei bis heute von der Beklagten nicht ausgefüllt vorgelegt worden. Darüber hinaus sei dem Kläger nicht klar, wieso die Argumentation mit der Anzahl der Arbeitstage etwas zur Grenzgängereigenschaft aussagen solle.

3. Selbst wenn an das Finanzamt Saarlouisgeltend gemachte Beträge von der Beklagten abgeführt worden seien, fühle sich der Kläger für diese Nachentrichtung nicht verantwortlich. Der Kläger habe seiner Auffassung nach einen Anspruch auf Versteuerung nach Lohnsteuerklasse III/3. Der Familienstand sei der Beklagten letztlich bekannt gewesen. Es gebe keinen Anhaltspunkt für die Notwendigkeit einer Versteuerung nach Lohnsteuerklasse VI. Darüber hinaus habe der Kläger gerade wegen der Versteuerung in den Monaten Oktober bis Dezember 1999 (vgl. Bl. 164 - 166 d.A.) auf die Richtigkeit der Steuerermittlung vertrauen dürfen.

Der Kläger hat in erster Instanz neben der Abweisung der auf Rückzahlung von nachentrichteten Lohnsteuerbeträgen gerichteten Widerklage auch noch Lohnansprüche für Dezember sowie Spesenansprüche verfolgt.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.564,68 DM brutto nebst 11,5 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 16.01.2000 zu zahlen und ihm eine Lohnabrechnung für Dezember 1999 zu erteilen;

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 208,99 DM netto zu zahlen;

3. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte hat in erster Instanz beantragt,

1. die Klage abzuweisen;

2. widerklagend den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 8.623,02 DM nebst 4 % Zinsen seit 01.01.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, dass sie an das Finanzamt Saarbrücken 8.562,97 DM für die Monate Juli bis Dezember 1999 an Lohnteuern habe nachentrichten müssen, weil der Kläger kein Grenzgänger gewesen sei im Jahr 1999.

1. Die fehlende Grenzgängereigenschaft ergebe sich daraus, dass der Kläger an 65 Tagen für mehr als sechs Stunden bei der Firma Z. GmbH außerhalb der Grenzzone gearbeitet habe und hierbei sogar an 55 Tagen Übernachtungen angefallen seien. Darüber hinaus habe er an 18 Tagen für mehr als 6 Stunden bei der Beklagten Arbeiten außerhalb der Grenzzone erbracht, wobei an 11 Tagen eine Übernachtung angefallen sei. Von einer täglichen Rückkehr an den Wohnort könne nicht gesprochen werden.

2. Die Nachentrichtung der Lohnsteuer sei erfolgt. Am 04.07.2000 habe das Finanzamt Saarlouisgeschrieben, dass der Kläger nicht als Grenzgänger habe eingestuft werden können und insoweit eine entsprechende Versteuerung stattzufinden habe (vgl. Bl. 142/143 d.A.). Unter dem 14.07.2000 habe die Beklagte sodann 8.688,92 DM (vgl. Bl. 144 d.A.) nachgezahlt.

3. Die Höhe des Anspruches gegen den Kläger auf Nachentrichtung ergebe sich aus folgender Tabelle

So wurde abgerechnet So sollte abgerechnet werden

Mit Grenzgängerbescheinigung Abrechnung mit Steuerklasse III/3 rk Abrechnung mit Steuerklasse VI

Monat Lohn LSt SV Auszahlung LSt SV Auszahlung LSt

SV

Auszahlung Zu viel ausgezahlt

Juli 3.870,00 0,00 801,11 3.068,89

1.450,97 801,11 1.617,92 -1.450,97

Aug 4.795,85 0,00 992,75 3.803,10

1.925,43 992,75 1.877,67 -1.925,43

Sept 3.896,88 0,00 806,66 3.090,22

1.464,00 806,66 1.626,22 -1.464,00

Okt 4.300,01

297,76 890,10 3.112,15 1.664,97 890,10 1.744,94 -1.367,21

Nov 3.724,88

157,10 771,05 2.796,73 1.382,05 771,05 1.571,78 -1.224,95

Dez 3.354,00

80,10 694,29 2.579,61 1.210,51 694,29 1.449,20 -1.130,41

23.941,62 0,00 2.600,52 9.952,21 534,96 2.355,44 8.488,49 9.097,93 4.955,96 9.887,73 -8.562,97

Die Abrechnung habe insgesamt nach Lohnsteuerklasse VI erfolgen müssen, da eine Vorlage der Lohnsteuerkarte durch den Kläger für das Jahr 1999 nicht erfolgt sei.

Das Schlussurteil erster Instanz vom 23.01.2001 (vgl. Bl. 171 - 177 d.A.) stützt sich soweit es der Widerklage überwiegend stattgibt bezüglich der Rückforderung von nachentrichteten Steuerbeträgen auf folgende Gesichtspunkte. Als Anspruchsgrundlage komme § 670 BGB bei Annahme eines gesetzlichen Auftragsverhältnisses, § 426 Abs. 1 bei Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Redlichkeitspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber in Betracht. Voraussetzung für die Annahme der Grenzgängereigenschaft habe beim Kläger nicht vorgelegen, was von ihm letztlich auch nicht mehr im Termin bestritten worden sei wegen des Einsatzes außerhalb der sogenannten Grenzzone. Der Einwand des Klägers, die Versteuerung hätte nicht nach Steuerklasse VI sondern nur nach Steuerklasse III/3 erfolgen dürfen, wäre nur nach § 39 c Abs. 1 S. 2 EStG dann beachtlich gewesen, wenn der Kläger hätte nachweisen können, dass die Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 von ihm nicht zu vertreten gewesen sei. Dies sei aber nicht erfolgt, so dass er verpflichtet sei, den von der Beklagten errechneten Lohnsteuernachentrichtungsbetrag von 8.562,97 DM netto (vgl. Bl. 27 d.A.) an die Beklagte zu erstatten.

Der Berufungskläger und Kläger erster Instanz hält das Schlussurteil des Arbeitsgerichts in genau diesem Punkt für unzutreffend.

1. Die Versteuerung nach Lohnsteuerklasse III/3 für Oktober bis Dezember 1999 sei als Ausfluss eines Irrtums, dass nicht nach Lohnsteuerklasse VI zu versteuern gewesen sei zu betrachten. Dieser Irrtum könne aber nicht zu Lasten des Klägers gehen, zumal keine Aufforderung durch die Beklagte ergangen sei, eine Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 vorzulegen. Es müsse hierin die Schaffung eines Vertrauenstatbestands gesehen werden, dass die Lohnsteuerklasse III/3 trotz Nichtvorliegens der Lohnsteuerkarte korrekt sei. Jedenfalls sei das Nichtvorliegen einer Lohnsteuerkarte für 1999 vom Kläger nicht zu vertreten gewesen.

2. Eine Nachforderung für die Monate Juli bis Dezember 1999 könne insgesamt allenfalls auf der Basis der Lohnsteuerklasse III/3 erfolgen, sofern die Beklagte aufgrund einkommensteuerrechtlicher Bestimmungen vom Finanzamt in Anspruch genommen worden sei.

3. Der Kläger ist allerdings der Ansicht, dass ihm dennoch für das Jahr 1999 der Grenzgängerstatus zuzubilligen sei.

Im Übrigen trägt der Kläger im Schriftsatz vom 04.09.2001 vor, dass es durchaus möglich gewesen sei nach Auskunft des Finanzamtes Saarlouiseine sogenannte Rückversteuerung vornehmen zu lassen.

Der Berufungskläger und Kläger erster Instanz beantragt,

die Widerklage der Beklagten unter ansonstiger Aufrechterhaltung des Urteils des Arbeitsgerichts Saarlouisvom 23.01.2001 - Aktenzeichen 1 Ca 155/00 - abzuweisen.

Die Berufungsbeklagte und Beklagte erster Instanz beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbeklagte ist der Ansicht, das Urteil sei inhaltlich zutreffend. Als Anspruchsgrundlage müsse die Redlichkeitspflicht entsprechend dem Urteil des BAG vom 14.06.1984 in BAGE 26/178 sowie entsprechend LAG Saarland vom 18.09.1997 in LAGE § 670 BGB Nr. 13 angesehen werden.

1. Für Oktober bis Dezember 1999 sei gerade keine irrtümliche Versteuerung nach Lohnsteuerklasse III/3 erfolgt, da im September 1999 ein Hinweis an den Kläger schon ergangen sei, dass nach Lohnsteuerklasse VI versteuert werden müsse. Der Kläger habe damals aber die Zusage gemacht, sich um eine Besteuerung nach Lohnsteuerklasse III/3 zu kümmern und der Kläger habe in diesem Zusammenhang bei der Media Steuerberatungsgesellschaft einen Antrag nach § 1 Abs. 3, § 1 a EStG ausgefüllt.

2. Die Nachforderung gemäß Lohnsteuerklasse VI sei korrekt. Der Kläger befinde sich in einer irrigen Annahme, dass bei fehlender Möglichkeit einer Versteuerung gemäß Lohnsteuerklasse III/3 vorzunehmen und tatsächlicher Versteuerung nach Lohnsteuerklasse VI nur noch Erstattungsansprüche in Höhe der Lohnsteuerklasse III/3 möglich seien.

3. Der Kläger habe erkennbar keine Grenzgängereigenschaft im Jahr 1999 gehabt. Insoweit sei sein jetziger Vortrag in zweiter Instanz völlig unsubstantiiert. Dieser Vortrag sei auch letztlich unverständlich, da im Rahmen des Kammertermins welcher der dem Schlussurteil vorausgegangen sei letztlich die fehlende Grenzgängereigenschaft unstreitig gestellt worden sei.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Berufung ist unproblematisch zulässig.

II. Die vom Kläger eingelegte Berufung richtet sich nur gegen den Ausspruch im Tenor unter Ziffer 4 des Schluss-Urteils des Arbeitsgerichts Saarlouis vom 23. Januar 2001, soweit die Erstattung des nachzuentrichtenden Lohnsteuerbetrages der Beklagten und Berufungsbeklagten zugesprochen worden ist. Diese Berufung ist jedoch unbegründet, da der Beklagten zurecht ein Anspruch auf Erstattung der nachzuentrichtenden Lohnsteuer für die Zeit Juli bis Dezember 1999 in Höhe der in ihrem Auftrag errechneten 8.562,97 DM (vgl. Blatt 27 der Akten) nebst 4% Zinsen seit dem 14.7.2000 zugesprochen worden ist. In Übereinstimmung mit der vom Arbeitsgericht geäußerten Rechtsansicht sind als Anspruchsgrundlagen für die Beklagte die Redlichkeitspflicht des Arbeitnehmers heranzuziehen wie auch Bestimmungen des Auftragsrechtes, insbesondere § 670 BGB (vgl. BAG vom 14.6.74 in BAGE 26 Seite 187; LAG Saarland vom 18.9.1997 in LAGE § 670 BGB Nr. 13).

1. Der Kläger arbeitete in Deutschland, wohnt aber in Frankreich. Dies hat zur Folge, dass er als Arbeitnehmer unter die Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik fällt (vgl. BGBl. 1961 Teil II S.398 ff). Nach Art. 13 Abs. 5 dieses Abkommens ist die Versteuerung für Personen, die im Grenzgebiet ansässig sind, aber im anderen Vertragsstaat arbeiten, nur in dem Staat zulässig, in dem sie ihren Wohnsitz haben.

Für Personen, die in räumlicher Nähe zur Grenze wohnen - wobei hier als Grenzzone ein Gebiet von ca. 20- 30 km von der Grenze aus betrachtet angesehen werden kann (vgl. Zabel, Allgemeine Grenzgängerregelungen - grundsätzliches Änderungserfordernis insbesondere der Qualifikationsmerkmale, DStR 1989 S. 476 unter 2.1.2.4. S. 478) gibt es eine gesonderte Grenzgängerregelung, um auch die Fälle zu erfassen, in denen der Arbeitnehmer gerade nicht jeden Tag im Jahr an seinen Wohnort zurückkehrt :

Grenzgängerregelung 35

(BStBl 1980 Teil I Seite 88)

Artikel 13 Abs. 5 des deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens befindet auf Arbeitnehmeranwendung, die im Grenzgebiet des einen Staates ihrer Tätigkeit ausüben und im Grenzgebiet des anderen Staates ihren Wohnsitz haben zudem sieht grundsätzlich jeden Tag zurückkehren (Grenzgänger).

Kehrt ein Arbeitnehmer nicht täglich an seinen Wohnsitz zurück oder ist er ausnahmsweise an Arbeitsorten außerhalb der Grenzzone beschäftigt, so geht die Grenzgängereigenschaften nicht verloren, sofern

der Arbeitnehmer während des ganzen Kalenderjahres in der Grenzzone beschäftigt ist und in dieser Zeit höchstens ein 45 Arbeitstagen nicht zum Wohnsitz zurückkehrt und oder außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist oder

- falls der Arbeitnehmer nicht während des ganzen Kalenderjahres in der Grenzzone beschäftigt ist - die Tage der Nichtrückkehr oder der Tätigkeit außerhalb der Grenzzone 20 vH der gesamten Werktage bzw. Arbeitstage im Rahmen des Arbeitsverhältnisses (die Arbeitsverhältnisse) nicht übersteigen, jedoch in keinem Fall mehr als 45 Tage betragen.

Hierbei zählen Krankheits- oder Urlaubstage nicht als Tage der Nichtrückkehr.

2. Der Kläger ist jedoch im Sinne der vorgenannten Bestimmungen im Jahr 1999 weder als Grenzgänger nach entsprechender Antragstellung anerkannt worden noch ist er materiell­rechtlich als solcher anzusehen. Die Vorzüge des Doppelbesteuerungsabkommens kann der Kläger für sich nicht in Anspruch nehmen, da er an mehr als 45 Arbeitstagen im Kalenderjahr 1999 nicht zu seinem Wohnsitz zurückgekehrt ist bzw. außerhalb der Grenzzone für die Beklagte tätig gewesen ist.

Der Kläger hat nach den bisher unstreitig gebliebenen Angaben im Schreiben des Finanzamts Saarlouis vom 4.7.2000 an 60 Tagen außerhalb der sogenannten Grenzzone für die Fa. FH Hebetechnik GmbH gearbeitet (vgl. Blatt 143 der Akten). Gleiches gilt auch für 14 Tage, in denen der Kläger für die Beklagte gearbeitet hat.

Der Kläger hat darüber hinaus für 1999 gerade kein Formular 5011 zur Erlangung einer Freistellungsbescheinigung von der Besteuerung innerhalb der Grenzen Deutschlands vorgelegt. Soweit der Kläger dies nun in der zweiten Instanz in Abrede stellt, ist sein Vorbringen unsubstantiiert. Hierauf kommt es jedoch letztlich deshalb nicht an, da selbst bei Vorliegen eines entsprechenden Formulars zusätzlich auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen eingehalten sein müssen nach dem Doppelbesteuerungsabkommen in Verbindung mit der dazu vereinbarten Grenzgängerregelung. Gerade diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger jedoch für 1999 nach dem Vorgesagten nicht.

3. Die Besteuerung für den Zeitraum Juli bis einschließlich Dezember 1999 hat auch - wie die Beklagte als Anlage in ihrem Schriftsatz in 1. Instanz vom 5.4.2000 beigefügt hat - rechnerisch entsprechend der Lohnsteuerklasse VI zu erfolgen (vgl. Blatt 27 der Akten). Dies ergibt sich aus § 39d Abs. 3 Satz 4 i. V. m. § 39c Abs. 1 Einkommensteuergesetz, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass eine Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 nicht vorgelegen hat.

Hierbei sind die Einkommensteuergesetzbestimmungen zu beachten, die bis zum 31.12.1999 Gültigkeit gehabt haben:

§ 39c [a.F. 2]

[Gültige Fassung bis 31.12.1999]

[Fassung ab dem Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung vom 24.03.1999 BGBl. I 1999 S. 388]

[Inkrafttreten: 01.04.1999]

§ 39c Durchführung des Lohnsteuerabzugs ohne Lohnsteuerkarte

(1) Solange der unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte schuldhaft nicht vorlegt oder die Rückgabe der ihm ausgehändigten Lohnsteuerkarte schuldhaft verzögert, hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach der Steuerklasse VI zu ermitteln. Weist der Arbeitnehmer nach, dass er die Nichtvorlage oder verzögerte Rückgabe der Lohnsteuerkarte nicht zu vertreten hat, so hat der Arbeitgeber für die Lohnsteuerberechnung die ihm bekannten Familienverhältnisse des Arbeitnehmers zugrunde zu legen.

§ 39d [a.F. 3]

[Gültige Fassung bis 31.12.1999]

[Fassung ab dem Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung vom 24.03.1999 BGBl. I 1999 S. 388]

[Inkrafttreten: 01.04.1999]

§ 39d Durchführung des Lohnsteuerabzugs für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer

(1) ...

(2) ...

(3) Der Arbeitnehmer hat die nach Absatz 1 erteilte Bescheinigung seinem Arbeitgeber vor Beginn des Kalenderjahrs oder beim Eintritt in das Dienstverhältnis vorzulegen. Der Arbeitgeber hat die Bescheinigung aufzubewahren. § 39b Abs. 1 Satz 3 und 4 gilt sinngemäß. Der Arbeitgeber hat im übrigen den Lohnsteuerabzug nach Maßgabe des § 39b Abs. 2 bis 7, des § 39c Abs. 1 und 2 und des § 41c durchzuführen; dabei tritt die nach Absatz 1 erteilte Bescheinigung an die Stelle der Lohnsteuerkarte. Auf Verlangen des beschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder am Ende des Kalenderjahrs eine Lohnsteuerbescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu erteilen; dabei sind die Vorschriften des § 41b Abs. 1 Satz 2 bis 7 und Abs. 2 sinngemäß anzuwenden.

Es kann zu Gunsten des Klägers nicht von der Ausnahme ausgegangen werden, dass er unverschuldet im Sinne des § 39c Abs. 1 Satz 2. Einkommensteuergesetz den Nachweis einer Lohnsteuerkarte nicht erbracht hat. Der Kläger ist als Arbeitnehmer zunächst primärer Steuerschuldner. Er ist verpflichtet, entweder eine Bescheinigung zur Freistellung vorzulegen und oder aber eine entsprechende Lohnsteuerkarte. Der Kläger kann sich dabei auch nicht bei Vornahme der Besteuerung nach der Lohnsteuerklasse III/3 durch die Beklagte auf das Erwachsen eines Vertrauensschutzes berufen, weil er ja wissen musste und dies auch positiv wusste, dass der Arbeitgeber nur im guten Glauben in die Richtigkeit der Angaben des Klägers diese Handlungsweise der Versteuerung hatte vornehmen lassen. Gleichzeitig wusste der Kläger aber ganz genau, dass er dem Arbeitgeber weder eine Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 vorgelegt hatte, noch ihm eine Freistellungsbescheinigung zur Verfügung gestellt hatte.

Dem Kläger kann nicht gefolgt werden in seiner Ansicht, dass er mit Blick auf die Versteuerung in den Monaten Oktober bis Dezember entsprechend Lohnsteuerklasse III/3 nun auch nur eine Nachentrichtung von Steuern an das Finanzamts Saarlouis durch den Arbeitgeber, die Beklagte, in Höhe der Beträge der Lohnsteuerklasse III/3 für die übrigen Zeiten in Anspruch genommen werden können. Insoweit ist nach der rechnerischen Darstellung der Beklagten als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 5.4.2000 (Blatt 27 der Akten) sichergestellt, dass eine entsprechende Verrechnung von bereits aufgewandten Steuern nach Lohnsteuerklasse III/3 zu Gunsten des Klägers und seiner Inanspruchnahme vorgenommen worden ist.

4. Der Anspruch ist auch in der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Höhe von 8.562,97 DM nebst 4% Zinsen seit dem 14.7.2000 nicht zu beanstanden, da die Beklagte unter dem 14.7.2000 den vom Finanzamt Saarlouis angeforderten Korrekturbetrag in Höhe von 8.688,92 DM für den Kläger an das Finanzamts Saarlouis per Scheck entrichtet hat (vgl. Blatt 144 der Akten). Der Kläger ist damit als primärer Steuerschuldner unter dem Aspekt der Erfüllung seiner Redlichkeitspflicht seinem Arbeitgeber, der mit dieser Leistung nur dem Kläger gegenüber als Arbeitnehmer in Vorlage getreten ist, zur Erstattung des aufgewandten Betrages verpflichtet.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen, da der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung i.S.d § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG nicht beigemessen werden kann und es sich erkennbar um eine Einzelfallentscheidung handelt, in welcher keine allgemein gültigen Rechtssätze für die Lösung der hier interessierenden Rechtsprobleme aufgestellt worden sind.

Ende der Entscheidung

Zurück