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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Saarland
Urteil verkündet am 24.01.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 38/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, SGB III, EStG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
SGB III § 133
SGB III § 133 Abs. 2 Satz 1
SGB III § 137
SGB III § 137 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b
SGB III § 178
SGB III § 179
SGB III § 179 Abs. 1 Satz 6
SGB III § 216 b Abs. 10
EStG § 1 Abs. 3
EStG § 39 d
Zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes für Grenzgänger und zu den Fürsorgepflichten des Arbeitgebers bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld.
LANDESARBEITSGERICHT SAARLAND Im Namen des Volkes ! URTEIL

2 Sa 38/06

Verkündet am 24. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts Saarland auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2007 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dier, die ehrenamtliche Richterin Bellmann und den ehrenamtlichen Richter Nicolay

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufungen der Beklagten und ihrer Streithelferin wird das am 28. Dezember 2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Saarlouis (3 Ca 499/05) dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger war bis Ende Juli 2004 bei der D. GmbH in S. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Aufhebungsvertrages. Im Anschluss daran wurde der Kläger mit seinem Einverständnis für die Dauer eines Jahres, also für die Zeit vom 1. August 2004 bis zum 31. Juli 2005, in eine Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft, die Beklagte, übernommen. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten sind in dem Arbeitsvertrag vom 15. Juli 2004 (Blatt 4 bis 8 der Akten) geregelt. In § 2 Absatz 1 des Vertrages ist festgehalten, dass keine Verpflichtung der Beklagten bestehe, den Kläger tatsächlich zu beschäftigen; weiter heißt es dort, dass die Beklagte für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses "Kurzarbeit Null" anordnen werde. In § 2 Absatz 2 des Vertrages hat sich die Beklagte verpflichtet, für den Kläger Fortbildungs-, Umschulungs- und Arbeitsvermittlungsmaßnahmen zu organisieren.

§ 3 des Vertrages, der die Überschrift "Vergütung" trägt, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"(1) Der Arbeitnehmer erhält anstelle der bisherigen bei der Firma D. GmbH bezogenen Vergütung infolge der Anordnung von Kurzarbeit "0" Transfer-Kurzarbeitergeld in Höhe von 60/67 % des bisherigen Arbeitsentgeltes.

(2) Während der vereinbarten Urlaubstage sowie der gesetzlichen Feiertage im Vertragszeitraum erhält der Arbeitnehmer kein Transfer-Kurzarbeitergeld, sondern seine bisherige Vergütung sowie an den gemäß § 4 vereinbarten Urlaubstagen das tarifliche Urlaubsgeld.

...

(5) Die Urlaubsvergütung, das Urlaubsgeld und die Sonderzuwendung werden in jedem Monat anteilig ausgezahlt."

In § 9 Absatz 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages heißt es:

"(2) Geschäftsgrundlage dieses Vertrages ist die Bewilligung von Transfer-Kurzarbeitergeld."

Der Kläger ist Grenzgänger. Er wohnt im grenznahen Bereich in Frankreich; er ist verheiratet und seine Ehefrau ist nicht berufstätig. Wegen seines Status als Grenzgänger ist sein Einkommen nicht in Deutschland zu versteuern, sondern in Frankreich.

Bis einschließlich Dezember 2004 berechnete die B. das dem Kläger zustehende Kurzarbeitergeld nach der "Leistungsgruppe C" der von ihr verwendeten "Tabelle zur Berechnung des Winterausfallgeldes (WAG) und des Kurzarbeitergeldes (Kug)". Der Höhe nach ergab sich dabei ein Anspruch, wie er auch Arbeitnehmern zusteht, in deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen ist. Ab Januar 2005 änderte die B. diese Praxis und ging bei der Berechnung von der Steuerklasse I aus. Dadurch verringerte sich das dem Kläger bewilligte und von der Beklagten an den Kläger ausgezahlte Kurzarbeitergeld. Der Kläger hält diese Berechnung - insbesondere im Hinblick auf europarechtliche Vorschriften und im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung - für unzulässig. Er ist der Auffassung, es sei auch ab Januar 2005 für die Berechnung des Kurzarbeitergeldes weiterhin die Lohnsteuerklasse III zugrunde zu legen. Den Differenzbetrag zwischen dem ihm ausgezahlten und dem seiner Auffassung nach geschuldeten Kurzarbeitergeld beansprucht er in dem vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten. Die Beklagte hat der B. den Streit verkündet, die B. ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Den ihm seiner Ansicht nach zustehenden Differenzbetrag beziffert der Kläger für die Zeit von Januar bis April 2005 auf zusammen 942,76 € brutto. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 942,76 € brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte und ihre Streithelferin haben beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Kurzarbeitergeld sei zutreffend berechnet worden. Sie verweist dazu auf ein Rundschreiben ihrer Streithelferin, der B., vom 18. Januar 2005 (Blatt 20 der Akten), in dem es unter anderem heißt:

"als Anlage übersende ich Ihnen die Tabelle zur Berechnung des Winterausfallgeldes (WAG) und des Kurzarbeitergeldes (Kug) sowie Merkblätter für Kurzarbeitergeld.

Bezüglich der Leistungsgruppen hat sich ab 01.01.2005 eine Rechtsänderung ergeben: Die Einteilung in Leistungsgruppen entfällt. Das WAG ist nach der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse und dem Leistungssatz abzulesen.

...

Verheiratete Arbeitnehmer, die von ihrem im Ausland lebenden nicht einkommensteuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, können das WAG für Ansprüche bis zum 31.12.2004 nach der günstigeren Leistungsgruppe C auf Antrag auch dann erhalten, wenn sie darlegen und nachweisen, dass der Ehegatte keinen Arbeitslohn oder einen Arbeitslohn erzielt, der weniger als 40 vom Hundert des Arbeitslohnes beider Ehegatten beträgt. Ab 01.01.2005 fällt diese Regelung weg.

Auf Nachfrage wurde der Beklagten von der B. mitgeteilt, dass diese Regelung auch für das Kurzarbeitergeld, und damit auch für das Transfer-Kurzarbeitergeld, gelte. Auch die B. vertritt als Streithelferin der Beklagten die Auffassung, die von ihr ab Januar 2005 vorgenommene Berechnung des Transfer-Kurzarbeitergeldes entspreche dem geltenden Recht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat, kurz zusammengefasst, ausgeführt, die Beklagte sei als Arbeitgeberin Schuldnerin des Arbeitsentgelts des Klägers. Dem stehe nicht entgegen, dass dieses Arbeitsentgelt im wesentlichen aus Mitteln der B. finanziert werde. Das Transfer-Kurzarbeitergeld beruhe zwar auf einem öffentlich-rechtlichen Anspruch des zu fördernden Arbeitnehmers. Es fließe jedoch der Beklagten zu, weil der Kläger seinen Anspruch darauf an die Beklagte abgetreten habe. Damit werde eine Vollrechtstreuhand geschaffen, die es der Beklagten erlaube, ihre Finanzierungsquellen ohne Mitwirkung des Klägers in Anspruch zu nehmen. Es widerspräche auch der Interessenlage des Klägers anzunehmen, dass er freiwillig aus seinem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und bei der Beklagten eingetreten wäre, ohne einen direkten Entgeltanspruch zu erwerben. Es wäre dem Kläger nicht zumutbar, all jenen Einrichtungen gleichsam "nachzulaufen", die durch Transferkurzarbeitergeld oder Aufstockungsbeträge aufgrund von Sozialplänen die Finanzierung seines Arbeitsentgelts sicherten. Zwar könne sich aus dem Innenverhältnis der Treuhandbeziehung, also dem Arbeitsverhältnis im weiteren Sinne, ergeben, dass nur das Arbeitsentgelt geschuldet werde, das "gegenfinanziert" sei. Dem sei im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings ergäben sich aus dem Treuhandverhältnis auch Pflichten der Beklagten. Es obliege der Beklagten, die offenen oder streitigen Beträge beizutreiben. Solange sie das nicht - mit einer Klage beim Sozialgericht - getan habe, was die Beklagte bislang versäumt habe, könne sie das von ihr geschuldete Arbeitsentgelt nicht einfach zurückhalten.

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts haben sowohl die Beklagte als auch ihre Streithelferin Berufung eingelegt. Sie verfolgen damit ihr Ziel, dass die Klage abgewiesen wird, weiter. Sie beantragen dementsprechend, das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird im Hinblick auf § 69 Absatz 2 ArbGG abgesehen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Blatt 101 bis 109 der Akten) sowie auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen. Das Berufungsgericht hat die Parteien mit einer Verfügung vom 20. Oktober 2006 (Blatt 164 bis 168 der Akten) auf rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte hingewiesen, auf die es für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommen konnte.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Beklagten und ihrer Streithelferin sind begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen vertraglichen Anspruch auf Zahlung von Kurzarbeitergeld nach Maßgabe einer bestimmten Berechnungsweise.

1. Nach der gesetzlichen Konzeption des Verhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber und der B. steht der Anspruch auf Zahlung von Kurzarbeitergeld dem Arbeitnehmer gegen die B. zu. Der dem Arbeitnehmer zustehende Anspruch wird lediglich von dem Arbeitgeber aufgrund einer gesetzlichen Verfahrens- und Prozessstandschaft gegen die B. geltend gemacht (ausführlich dazu BSG, Entscheidung vom 25. Mai 2005, B 11a/11 AL 15/04 R, NZA-RR 2006, 102).

2. Eine davon abweichende Vereinbarung haben die Parteien in dem Arbeitsvertrag zwischen ihnen nicht getroffen. Zwar wird das dem Kläger zustehende Kurzarbeitergeld in § 3 des Arbeitsvertrages genannt, der mit "Vergütung" überschrieben ist und in dem auch andere Vergütungsbestandteile - Urlaubsvergütung, Urlaubsgeld und Sonderzuwendung - geregelt werden. Das mag die Annahme rechtfertigen, dass die Parteien das an den Kläger auszuzahlende Kurzarbeitergeld als Bestandteil der zwischen ihnen vereinbarten Vergütung angesehen haben. Daraus folgt aber zunächst nur, dass sich die Beklagte verpflichtet hat, das Kurzarbeitergeld, das sie von der B. erhält, an den Kläger als Teil der diesem nach dem Arbeitsvertrag zustehenden Vergütung auszuzahlen. Das ist nichts anderes als das, was sich auch aus der gesetzlichen Regelung ergibt. Dass das auch nur so gemeint gewesen sein kann, folgt unmissverständlich aus § 9 Absatz 2 des Arbeitsvertrages. Dort heißt es nämlich, dass die Bewilligung von Transfer-Kurzarbeitergeld "Geschäftsgrundlage" des Vertrages sei. Das bedeutet, dass alle vertraglichen Regelungen unter dem Vorbehalt stehen sollten, dass von der B. auch tatsächlich Kurzarbeitergeld bewilligt wird. Mit anderen Worten, das Risiko, ob das geschieht, sollte von der Beklagten gerade nicht getragen werden. Das muss erst recht gelten, soweit es um die konkrete Berechnung des Kurzarbeitergeldes geht. Denn es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Beklagte dafür einstehen wollte, dass dem Kläger Kurzarbeitergeld aufgrund einer bestimmten Berechnungsweise bewilligt wird. So durfte der Kläger die in dem Arbeitsvertrag enthaltenen Regelungen daher auch nicht auffassen. Die Beklagte sollte danach lediglich das Kurzarbeitergeld an den Kläger - und an ihre übrigen Arbeitnehmer - weitergeben, das ihr von der B. bewilligt und ausgezahlt wird.

II. Allerdings treffen den Arbeitgeber im Hinblick auf die ihm gesetzlich eingeräumte Verfahrens- und Prozessstandschaft besondere Fürsorgepflichten gegenüber dem Arbeitnehmer. Davon ist das Arbeitsgericht auch zutreffend ausgegangen. Der Arbeitgeber kann daher beispielsweise verpflichtet sein, die Interessen des Arbeitnehmers mit einem Rechtsmittel gegen einen Bescheid der B. zu wahren. Das gilt um so mehr, als der Arbeitnehmer selbst grundsätzlich nicht berechtigt ist, gegen einen Bescheid der B. Rechtsmittel einzulegen (dazu BSG, Entscheidung vom 25. Mai 2005, B 11a/11 AL 15/04 R, NZA-RR 2006, 102, und außerdem Sächsisches LAG, Urteil vom 30. August 2002, 3 Sa 996/01, NZA-RR 2003, 328). Verletzt der Arbeitgeber diese Fürsorgepflichten, so kann dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen (auch dazu BSG, Entscheidung vom 25. Mai 2005, B 11a/11 AL 15/04 R, NZA-RR 2006, 102 mit weiteren Nachweisen; davon grundsätzlich ausgehend auch bereits BAG, Urteil vom 19. März 1992, 8 AZR 301/91, NZA 1992, 1031). Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist nach § 280 Absatz 1 BGB, dass der Arbeitgeber Fürsorgepflichten schuldhaft verletzt (dazu allgemein auch Koch, in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Auflage 2005, § 108, Randnummer 11). Auch davon ausgehend steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch jedoch nicht zu.

1. Die Beklagte hat Fürsorgepflichten nicht deshalb verletzt, weil sie bei der B. ein zu geringes Kurzarbeitergeld beantragt hat.

a. Beantragt hat die Beklagte Kurzarbeitergeld nach den Vorgaben der B.. Aus dem Rundschreiben der B. vom 18. Januar 2005 und aus den der Beklagten dazu erteilten ergänzenden Auskünften ergab sich, dass nach Auffassung der B. bei Grenzgängern für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 bei der Berechnung des Kurzarbeitergeldes von der Lohnsteuerklasse I auszugehen ist. Diese Auffassung hat die B. dezidiert auch in dem vorliegenden Rechtsstreit bis zuletzt vertreten und näher begründet.

b. Zwar erscheint diese von der B. vertretene Rechtsauffassung nicht unproblematisch. Das ergibt sich aus den nachfolgenden Erwägungen.

In welcher Höhe Transfer-Kurzarbeitergeld zu zahlen ist, ergibt sich aus den §§ 216 b Absatz 10, 178,179 SGB III. Maßgeblicher Berechnungsfaktor ist dabei die Nettoentgeltdifferenz (§ 179 SGB III). Gemeint ist damit, verkürzt formuliert, die Differenz zwischen dem früheren und dem jetzigen Nettoentgelt (näher dazu beispielsweise Voelzke, in: Küttner, Personalbuch, 11. Auflage 2004, Stichwort "Kurzarbeit", Randnummer 48). Hinsichtlich der Frage, wie das jeweilige Nettoentgelt zu berechnen ist, verweist § 179 Absatz 1 Satz 6 SGB III auf die entsprechenden Vorschriften beim Arbeitslosengeld, also auf § 133 SGB III. Nach § 133 Absatz 2 Satz 1 SGB III wiederum richtet sich die Feststellung der der Berechnung zugrunde zu legenden Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse, die auf der Lohnsteuerkarte eingetragen ist.

Der Kläger ist - darüber sind sich die Parteien einig - Grenzgänger im Sinne des deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens. Nach diesem Abkommen ist der Arbeitslohn des Klägers ausschließlich in Frankreich zu versteuern (näher dazu Macher, in: Küttner, Personalbuch, 11. Auflage 2004, Stichwort "Grenzgänger", Randnummer 2 ff und 11). Von der nach § 1 Absatz 3 EStG bestehenden Möglichkeit, eine Besteuerung seines Einkommens in Deutschland zu wählen, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Für die Besteuerung des Arbeitslohnes des Klägers gilt daher das deutsche Steuerrecht nicht. Demgemäß verfügt der Kläger weder über eine deutsche Lohnsteuerkarte (§ 39 EStG) noch gelten für ihn die deutschen Steuerklassen (§ 38 b EStG), und damit auch nicht die Steuerklasse I. Letztere ist auch nicht nach § 39 d EStG maßgebend, denn der Kläger ist als Grenzgänger in Deutschland nicht beschränkt steuerpflichtig, sondern überhaupt nicht steuerpflichtig (näher auch dazu Macher, in: Küttner, Personalbuch, 11. Auflage 2004, Stichwort "Grenzgänger", Randnummer 8). § 133 Absatz 2 Satz 1 SGB III bietet daher - ebenso wie sonstige Regelungen und Tabellen der B. zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes, die an die Steuerklassen anknüpfen - für die Berechnung des jeweiligen Nettoentgelts von Grenzgängern ohne Steuerpflicht in Deutschland keinen Ansatzpunkt. Eine sonstige gesetzliche oder auf einem Gesetz beruhende Regelung, die insoweit einschlägig wäre, ist - für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 - ebenfalls nicht ersichtlich. Nach § 137 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe b in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung waren - worauf sich die B. in ihrem Rundschreiben vom 18. Januar 2005 und in dem vorliegenden Rechtsstreit bezieht - auch solche Arbeitnehmer der Leistungsgruppe C (die auch für Arbeitnehmer galt, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen ist) zuzuordnen, die "von ihrem im Ausland lebenden und daher nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, wenn sie darlegen und nachweisen, dass der Arbeitslohn des Ehegatten weniger als 40 Prozent des Arbeitslohns beider Ehegatten beträgt, wobei bei der Bewertung des Arbeitslohns des Ehegatten die Einkommensverhältnisse des Wohnsitzstaates zu berücksichtigen" waren. Diese Regelung hat die B. bis Ende 2004 auch auf Grenzgänger angewandt. Für die Zeit nach dem 31. Dezember 2004 gibt es eine solche Regelung nicht mehr. § 133 Absatz 2 Satz 1 SGB III in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung - die Vorschrift, durch die die frühere Regelung in § 137 SGB III ersetzt wurde - knüpft hinsichtlich der Berechnung der Lohnsteuer lediglich noch an die auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse an. Dass das bei Grenzgängern nicht weiterhilft, weil diese nicht über eine Lohnsteuerkarte verfügen, wurde bereits dargelegt.

Das führt zu der Frage, wie diese Regelungslücke zu schließen ist. Mit der Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld soll dem Arbeitnehmer ein bestimmter Anteil seines früheren Nettoentgelts erhalten bleiben. Welches Nettoentgelt dem Kläger früher verblieb und welches Nettoentgelt er während seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten erzielte, richtete sich aber nach den französischen steuerrechtlichen Vorschriften, so dass folgerichtig argumentiert werden könnte, auch die Nettoentgeltdifferenz sei nach diesen Vorschriften zu berechnen. Das mag man allerdings unter Praktikabilitätsgesichtspunkten für problematisch halten. Statt dessen könnte es sich daher anbieten, die deutschen Steuerklassen für die Berechnung der jeweiligen Nettoentgelte entsprechend heranzuziehen, also zu fingieren, dass eine Steuerpflicht nach deutschem Recht besteht. Dann allerdings könnte eher die Steuerklasse III einschlägig sein, weil der Kläger verheiratet und seine Ehefrau nicht berufstätig ist (zur Gleichbehandlung von Angehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit deutschen Staatsangehörigen bei der Besteuerung im Inland in ähnlichem Zusammenhang auch Macher, in: Küttner, Personalbuch, 11. Auflage 2004, Stichwort "Grenzgänger", Randnummer 17, und Stichwort "Diskriminierung", Randnummer 12). Das könnte zwar bedeuten, dass der Kläger, wenn er sein gesamtes Einkommen für das Jahr 2005 in Frankreich versteuert, gegenüber Arbeitnehmern mit Wohnsitz und Steuerpflicht in Deutschland unter anderem deshalb einen Vorteil hat, weil es in Frankreich, anders als in Deutschland, möglicherweise keinen Progressionsvorbehalt oder eine entsprechende Regelung gibt (dazu, dass das Kurzarbeitergeld dem deutschen Progressionsvorbehalt unterliegt, etwa Huber, in: Küttner, Personalbuch, 11. Auflage 2004, Stichwort "Beschäftigungsgesellschaft", Randnummern 11 und 16). Das ist aber lediglich die Folge des unterschiedlichen Steuerrechts in den beiden Ländern. Solche Unterschiede können auch bei einem "intakten" Arbeitsverhältnis, bei dem lediglich Arbeitslohn gezahlt wird, im Verhältnis zu Grenzgängern auftreten. So verweist die Beklagte etwa auch darauf, dass der Kläger in Frankreich weniger Steuern zahle, als ein in Deutschland lebender Arbeitnehmer nach deutschem Steuerrecht zu zahlen hat.

c. Diese Fragen müssen jedoch hier nicht vertieft werden. Denn jedenfalls hatte die Beklagte keinen Anlass, von sich aus die von der B. vertretene Rechtsauffassung in Frage zu stellen. Dabei kann offen bleiben, ob sich ein Arbeitgeber nur dann gegen eine von der B. zur Berechnung der Höhe des Kurzarbeitergeldes vertretene Rechtsauffassung wenden muss, wenn diese Rechtsauffassung offensichtlich unzutreffend ist (so das Sächsische LAG, Urteil vom 30. August 2002, 3 Sa 996/01, NZA-RR 2003, 328; ähnlich restriktiv bereits BAG, Urteil vom 19. März 1992, 8 AZR 301/91, NZA 1992, 1031, allerdings noch unter der Prämisse, dass der Arbeitnehmer selbst gegen den Bescheid der Arbeitsverwaltung Rechtsmittel einlegen könne), oder ob die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers - etwa deshalb, weil der Arbeitnehmer selbst keine Möglichkeit hat, gegen einen Bescheid der B. vorzugehen - nicht doch weitergehen. Auch wenn man letzteres annehmen wollte, könnte der Kläger daraus zu seinen Gunsten nichts herleiten.

Die von der Kammer in Betracht gezogene Auffassung, dass es bei der Berechnung des Kurzarbeitergeldes für verheiratete Grenzgänger eher nahe liege, fiktiv die Lohnsteuerklasse III zugrunde zu legen ist als die Steuerklasse I, folgt aus einer differenzierten Betrachtung arbeitsrechtlicher, sozialrechtlicher und steuerrechtlicher Vorschriften. Betrachtet werden muss dabei eine Vielzahl von Regelungen, bei denen es sich keineswegs um zentrale Vorschriften aus den drei genannten Rechtsgebieten handelt. Über spezielle Kenntnisse dieser Rechtsvorschriften muss ein Arbeitgeber nicht verfügen. Ob dabei an einen Arbeitgeber, der sich unter anderem mit der Qualifizierung von Arbeitnehmern befasst und dabei auf die Möglichkeit zurückgreift, "Kurzarbeit Null" anzuordnen, zumindest grundsätzlich höhere Anforderungen zu stellen sind als an andere Arbeitgeber, kann dahinstehen. Denn für die Fragen, um die es hier geht, kommt es nicht zuletzt auch auf die Beurteilung der durchaus komplizierten steuerrechtlichen Problematik an. Und in diesem Bereich muss auch ein Arbeitgeber wie die Beklagte nicht über spezielle Kenntnisse verfügen. Zu bedenken ist weiter, dass demgegenüber die B. ständig wie kaum jemand sonst mit der Problematik befasst ist, um die es hier geht. Ein Arbeitgeber darf daher davon ausgehen, dass die B. auf diesem Gebiet über profunde, vielleicht sogar überlegene Kenntnisse verfügt. Das gilt hier um so mehr, als sich die B. immerhin auf eine ab Januar 2005 erfolgte Gesetzesänderung berufen konnte. Hinzu kommt, dass die von der B. vertretene Auffassung inzwischen auch in der sozialrechtlichen Literatur vertreten wird (Rolfs, in: Gagel, SGB III, 2006, Randnummer 18 zu § 133 SGB III, der allerdings nicht darauf eingeht, dass für Grenzgänger, die in Deutschland überhaupt keiner Steuerpflicht unterliegen, auch die Steuerklasse I nicht gilt). Der Beklagten kann danach nicht vorgehalten werden, dass sie die von der B. vertretene Auffassung, und dabei insbesondere die von der B. aus der Gesetzesänderung gezogenen Schlussfolgerungen, nicht in Frage gestellt, sondern sich bei der Beantragung des - zunächst von ihr zu berechnenden (dazu Voelzke, in: Küttner, Personalbuch, 11. Auflage 2004, Stichwort "Kurzarbeit", Randnummer 54) - Kurzarbeitergeldes an die Vorgaben der B. gehalten hat.

d. Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz nach § 280 Absatz 1 BGB scheitert daher bereits daran, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorliegt. Es kommt daher auch nicht mehr darauf an, ob dem Kläger durch eine solche Pflichtverletzung - unterstellt, sie hätte vorgelegen - ein Schaden entstanden wäre, was fraglich erscheint, denn ein solcher Schaden wäre nur dann zu bejahen, wenn die B. ein höheres Kurzarbeitergeld hätte bewilligen müssen. Das ist aber trotz der oben skizzierten Bedenken der Kammer gegen die Rechtsauffassung der B. völlig offen, denn diese Frage ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung bisher, soweit für die Kammer ersichtlich, noch nicht geklärt.

2. Allerdings kommt in Betracht, dass die Beklagte - im Anschluss an die mit einem Schreiben vom 22. März 2005 (Blatt 12 der Akten) erfolgte Beanstandung des Klägers, dass das Kurzarbeitergeld unzutreffend berechnet sei - verpflichtet gewesen wäre, bei der B. ein höheres Kurzarbeitergeld nachzufordern (zu einer solchen grundsätzlich in Betracht kommenden Verpflichtung auch das Sächsische LAG, Urteil vom 30. August 2002, 3 Sa 996/01, NZA-RR 2003, 328). Das gilt erst recht, nachdem auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, wie sich aus dessen von dem Kläger gegen Ende des Berufungsverfahrens vorgelegten Schreiben vom 29. November 2006 (Blatt 282 der Akten) ergibt, nunmehr die Auffassung des Klägers und die von der Kammer in Betracht gezogene Auffassung im Ergebnis - unter Hinweis auf europarechtliche Gleichbehandlungsgrundsätze - teilt und deshalb die B. angewiesen hat, bei der Berechnung des Kurzarbeitergeldes für verheiratete Grenzgänger (fiktiv) die Lohnsteuerklasse III zugrunde zu legen. Auch wenn man eine solche Verpflichtung der Beklagten zur ergänzenden Antragstellung gegenüber der B. annimmt, folgt daraus aber nicht der von dem Kläger in dem vorliegenden Rechtsstreit allein geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte. Denn es ist völlig ungewiss, ob solche Bemühungen der Beklagten Erfolg haben würden. Die B. hat darauf hingewiesen, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Weisung der Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auch für "Altfälle" gelte, so dass sie nicht bereit sei, dem Kläger von sich aus entgegenzukommen. Und ob die Beklagte Erfolg hätte, wenn sie sich gegen einen - auf einen ergänzenden Antrag der Beklagten hin ergehenden - ablehnenden Bescheid der B. bei den Sozialgerichten zur Wehr setzen würde, ist ebenfalls offen. Ein solcher Weg könnte zudem deshalb verschlossen sein, weil hinsichtlich der Beantragung von Kurzarbeitergeld eine Ausschlussfrist zu beachten ist (§ 325 Absatz 3 SGB III), wobei allerdings wiederum fraglich sein könnte, ob diese Ausschlussfrist nur für die Antragstellung überhaupt gilt - diese Frist wäre wohl eingehalten - oder auch für die Beantragung von Kurzarbeitergeld in einer bestimmten Höhe, also für die "Nachforderung" von Kurzarbeitergeld.

Dass danach derzeit allenfalls ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte bestehen könnte, wonach die Beklagte aufgrund ihrer Fürsorgepflichten gehalten ist, einen solchen ergänzenden Antrag bei der B. zu stellen, war der Beweggrund für die Kammer, in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorzuschlagen, dass sich der Kläger und die Beklagte auf eine solche Verfahrensweise im Wege eines Vergleichs einvernehmlich verständigen. Dem vermochte sich der Kläger aber nicht anzuschließen.

III. Die Berufungen der Beklagten und ihrer Streithelferin mussten danach Erfolg haben, Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 91 Absatz 1 Satz 1, 101 Absatz 1 ZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen, die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Von grundsätzlicher Bedeutung mag zwar die - allerdings sozialrechtliche - Frage sein, wie das Kurzarbeitergeld bei Grenzgängern zu berechnen ist, diese Frage war hier aber letztlich nicht entscheidungserheblich.

Ende der Entscheidung

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