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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 19.08.2004
Aktenzeichen: 2 Ta 26/04
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

KSchG § 4 Satz 1
KSchG § 5
KSchG § 5 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 233
ZPO § 234 Absatz 3
ArbGG § 61 a Abs. 2
Nach Ablauf von sechs Monaten seit dem Ablauf der Klagefrist kann der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht mehr gestellt werden, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Sechsmonatsfrist ist nicht möglich.
2 Ta 26/04

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

hat die Zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts Saarland durch ihren Vorsitzenden auf die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Saarlouis vom 18. Mai 2004 (1 Ca 61/04)

am 19. August 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.506,00 € festgesetzt.

Gründe: A. Der Kläger war seit Juli 1994 bei der Beklagten, in deren Betrieb in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt sind, als Organisationsprogrammierer tätig. Mit einem Schreiben, das dem Kläger am 27. Juni 2003 ausgehändigt wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen ordentlich zum 31. Dezember 2003. Mit einer am 26. Januar 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage machte der Kläger geltend, die Kündigung sei unwirksam. Mit einem am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte der Kläger, die Kündigungsschutzklage nachträglich nach § 5 KSchG zuzulassen. Mit einem weiteren, am 2. Februar 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte der Kläger, ihm wegen der Versäumung der Frist zur Klageerhebung und wegen der Versäumung der Frist, die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu beantragen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Kläger hat behauptet, er habe in der ersten Hälfte des Monats Juli 2003 eine Kündigungsschutzklage verfasst und das Kuvert mit der Klageschrift seiner Ehefrau mitgegeben, damit diese es in den Briefkasten einwerfe. Seine Ehefrau habe das Kuvert zusammen mit weiteren Briefkuverts in ihre Handtasche gesteckt. Dabei sei das Kuvert mit der Kündigungsschutzklage zwischen das Innenfutter und die Außenhülle der Handtasche geraten. Seine Ehefrau habe daher nur die übrigen Kuverts in den Briefkasten eingeworfen, nicht dagegen das Kuvert mit der Kündigungsschutzklage, was sie nicht bemerkt habe. Nachdem er, der Kläger, in der Folge vom Arbeitsgericht nichts gehört habe, habe er ein paar Mal beim Arbeitsgericht angerufen, er habe aber das Aktenzeichen nicht in Erfahrung bringen können. Am 16. Januar 2004 habe er nochmals beim Arbeitsgericht angerufen, dabei sei er endlich durchgekommen; ihm sei dabei mitgeteilt worden, dass ein Eingang der Klage nicht festgestellt werden könne. Am Abend des selben Tages habe er dann, gemeinsam mit seiner Ehefrau, versucht, den Versand des Kuverts mit der Kündigungsschutzklage zu rekonstruieren. Sie hätten dann auch die Handtasche seiner Ehefrau durchsucht und dann erst das Kuvert entdeckt. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Klägers, die Kündigungsschutzklage nachträglich nach § 5 KSchG zuzulassen, zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, weil die Frist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG abgelaufen sei, denn seit dem Ablauf der Klagefrist bis zum Eingang des Antrages seien mehr als sechs Monate vergangen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG sei nicht möglich. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts und die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. B. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet, das Arbeitsgericht hat richtig entschieden und seine Entscheidung auch zutreffend begründet. Der Antrag des Klägers, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, ist unzulässig. Hat ein Arbeitnehmer, wie hier der Kläger, die dreiwöchige Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage (§ 4 Satz 1 KSchG) versäumt, so kann er - unter den Voraussetzungen des § 5 KSchG - beantragen, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Dieser Antrag ist innerhalb von zwei Wochen seit der Behebung des Hindernisses (zur Erhebung der Kündigungsschutzklage) zu stellen (§ 5 Absatz 3 Satz 1 KSchG). Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag jedoch nicht mehr gestellt werden (§ 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG). Das Kündigungsschreiben war dem Kläger am 27. Juni 2003 ausgehändigt worden, die dreiwöchige Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage ist daher am 18. Juli 2003 abgelaufen. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage hätte daher bis spätestens am 18. Januar 2004 beim Arbeitsgericht eingehen müssen. Eingegangen ist der Antrag aber erst am 26. Januar 2004, und damit nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kam nicht in Betracht. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 233 ZPO nur bei der Versäumung von Notfristen sowie einzelner weiterer in § 233 ZPO bezeichneter Fristen vorgesehen. Zu letzteren zählt die Frist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG nicht. Die Sechsmonatsfrist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG ist auch keine Notfrist. Notfristen sind nur diejenigen Fristen, die im Gesetz als solche bezeichnet sind (§ 224 Absatz 1 Satz 2 ZPO). Das ist bei der Frist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG nicht der Fall. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG ist danach im Gesetz nicht vorgesehen. Demgemäß entspricht es auch der in der Rechtsprechung und in der rechtswissenschaftlichen Literatur allgemein vertretenen Auffassung, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung dieser Frist nicht in Betracht kommt und nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht mehr möglich ist (LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28. März 2000, 11 Sa 494/99, abrufbar bei juris; LAG Hamm, Beschluss vom 24. März 1988, 8 Ta 35/88, LAGE Nummer 32 zu § 5 KSchG; LAG Frankfurt, Urteil vom 15. Oktober 1971, 5 Sa 173/71, Arbeitsrecht-Blattei, Kündigungsschutz, Entscheidung 131; aus der rechtswissenschaftlichen Literatur beispielsweise: Friedrich, in: KR, 5. Auflage 2004, Randnummer 119 zu § 5 KSchG; Ascheid, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 4. Auflage 2004, Randnummer 24 zu § 5 KSchG; Ascheid, in: Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2. Auflage 2004, Randnummer 87 zu § 5 KSchG; Zwanziger, in: Kittner/Däubler /Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 5. Auflage 2001, Randnummern 34 und 35 zu § 5 KSchG; jeweils mit weiteren Nachweisen; ebenso bereits für die Zweiwochenfrist des § 5 Absatz 3 Satz 1 KSchG: LAG Berlin, Beschluss vom 11. Dezember 1964, AP Nummer 11 zu § 4 KSchG 1951). Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Regelung weder verfassungsrechtlich bedenklich noch ist eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer Versäumung der Frist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG verfassungsrechtlich oder aus anderen Gründen geboten. Das nach § 5 KSchG vorgesehene Verfahren zur nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage ist bereits ein Verfahren, in dem eine unverschuldete Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG geheilt werden kann. Das Verfahren nach § 5 KSchG hat daher eine ähnliche Funktion wie § 233 ZPO (zu diesem Gesichtspunkt auch LAG Berlin, Beschluss vom 11. Dezember 1964, AP Nummer 11 zu § 4 KSchG 1951), es handelt sich dabei um eine spezielle Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine unverschuldete Versäumung der Klagefrist geheilt werden kann. Und auch für die Möglichkeit zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt es eine absolute zeitliche Grenze, nämlich die Jahresfrist des § 234 Absatz 3 ZPO, wegen deren Versäumung ebenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr in Betracht kommt (dazu BGH, Beschluss vom 24. September 1986, VIII ZB 42/86). In § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG wird diese absolute zeitliche Grenze zwar auf nur auf sechs Monate seit dem Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist festgesetzt. Dagegen bestehen jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums seit der Kündigung Rechtssicherheit besteht. Der Arbeitgeber soll spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums nicht mehr mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage rechnen müssen, er soll sich spätestens nach diesem Zeitraum darauf einstellen können, dass der Arbeitnehmer die Wirksamkeit der Kündigung nicht mehr in Frage stellen wird. Der Zeitraum von sechs Monaten seit Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist ist auch ausreichend lang bemessen, um den schützenswerten Interessen des Arbeitnehmers Rechnung zu tragen, er ist insbesondere - auf diesen Gesichtspunkt kommt es in dem hier zu entscheidenden Fall an - ausreichend lang, um dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu geben, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob eine von ihm rechtzeitig abgesandte Klageschrift das Arbeitsgericht auch tatsächlich erreicht hat. Das zeigt im übrigen auch der hier zu entscheidende Fall. Der Kläger macht geltend, er habe das Kuvert mit der Kündigungsschutzklage in der ersten Hälfte des Monats Juli 2003 seiner Ehefrau mitgegeben, damit diese es in den Briefkasten einwerfe. Er sei davon ausgegangen, dass das auch geschehen und der Antrag deshalb kurz darauf beim Arbeitsgericht eingegangen sei. Nachdem er in der Folge vom Arbeitsgericht nichts gehört habe, habe er (auf den Rat seines jetzigen Verfahrensbevollmächtigten hin, mit dem er persönlich gut bekannt sei, den er damals aus finanziellen Gründen aber noch nicht habe beauftragen wollen) ein paar Mal beim Arbeitsgericht angerufen, er habe aber das Aktenzeichen nicht in Erfahrung bringen können - so die sehr vagen Ausführungen des Klägers zu den von ihm behaupteten Telefonaten. Am 16. Januar 2004 habe er nochmals beim Arbeitsgericht angerufen, dabei sei er "endlich durchgekommen"; man habe ihm dann mitgeteilt, ein Eingang einer von ihm erhobenen Klage gegen die Beklagte könne nicht festgestellt werden. Erst zwei Tage vor Ablauf der Frist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG hat sich demnach der Kläger Gewissheit darüber verschafft, ob seine Klage tatsächlich beim Arbeitsgericht eingegangen war. Sich darüber Gewissheit zu verschaffen, bestand jedoch in den vorangegangenen sechs Monaten ausreichend Zeit und Gelegenheit und auch Anlass. Kündigungsschutzverfahren sind wegen ihrer Bedeutung für die Parteien beschleunigt zu bearbeiten (§ 61 a ArbGG). Es ist daher, wie sich aus § 61 a Absatz 2 ArbGG ergibt, auch unverzüglich nach Eingang der Klage ein Gütetermin zu bestimmen, zu dem die Parteien zu laden sind. Dass das über Monate hinweg nicht geschieht, muss eine Partei - auch wenn die Bearbeitungszeiten bei den einzelnen Gerichten und Richtern unterschiedlich sein mögen - dazu veranlassen, sich zuverlässig Klarheit darüber zu verschaffen, was der Grund dafür ist. Weshalb der Kläger das nicht geschafft hat, ist nicht verständlich. Er hat es - nach seinem Vortrag - bei ein paar Telefonaten bewenden lassen, deren Zeitpunkt und Inhalt er nicht näher beschrieben hat, auch nicht, nachdem die Beklagte beanstandet hatte, dass es dazu an näheren Ausführungen des Klägers fehle. Aus diesem Grund wäre hier auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Sechsmonatsfrist des § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG - selbst wenn sie nach den gesetzlichen Vorschriften möglich wäre, was aus den dargelegten Gründen nicht der Fall ist - wohl auch kaum in Betracht gekommen, ohne dass es noch darauf angekommen wäre, ob der Kläger seinen übrigen Tatsachenvortrag glaubhaft gemacht hat. Die sofortige Beschwerde des Klägers konnte danach keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Absatz 1 ZPO. Der festgesetzte Streitwert entspricht dem Wert der Hauptsache (dazu Friedrich, in: KR, 5. Auflage 2004, Randnummer 178 zu § 5 KSchG mit weiteren Nachweisen).

Ende der Entscheidung

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