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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 18.09.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 236/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 306 Abs. 2
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB § 307 Abs. 3
BGB § 612 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT SACHSEN-ANHALT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 11 Sa 236/07

Verkündet am: 18.09.2007

In dem Rechtsstreit

wegen Arbeitsvergütung

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter und die ehrenamtliche Richterin als Beisitzer für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 13.04.2007 - 9 Ca 1946/06 - wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Halle die Beklagte zur Zahlung von Zinsen hinsichtlich der Ansprüche gemäß Ziffern

I. seit 27.09.2005,

4. seit 28.12.2005,

6. seit 28.02.2006,

8. seit 19.04.2006,

II. seit 18.07.2006,

14. seit 17.10.2006

verurteilt wird.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

Die Klägerin ist seit dem 04.08.2003 bei der Beklagten bzw. nunmehr bei deren Funktionsnachfolgerin als Pilzpflückerin tätig. Die Rechtsbeziehungen bestimmen sich nach dem Arbeitsvertrag vom 04.08.2003 (Bl. 10 - 11 R.d.A.), in dem es u.a. heißt:

§ 1 Beginn der Tätigkeit

Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 04.08.2003 als Pilzpflücker in der Pilzproduktion (Pilzzüchter) gemäß den betrieblichen Arbeitsvorgaben in allen Bereichen der Firma eingestellt. ...

§ 3 Vergütung

Die Entlohnung erfolgt nach Leistung: für 1 kg qualitätsgerecht gepflückte Pilze werden 0,23 Euro (in Worten Null Komma Dreiundzwanzig Euro) gezahlt.

...

Die Vergütung wird jeweils am Fünfundzwanzigsten des Folgemonats fällig. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf das der Firma bekannte Konto des Arbeitnehmers.

Die Zahlung von etwaigen Sondervergütungen (Gratifikationen, Urlaubsgeld, Prämien usw.) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruches für die Zukunft. ...

§ 11 Ausschlussklausel

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Lohnabrechnung geltend gemacht werden; anderenfalls sind sie verwirkt. ...

Mit Änderungsvertrag vom 15.01.2006 (Bl. 59 d.A.) haben die Parteien die Fälligkeit der Vergütung beginnend im Monat März 2006 auf den 15. des Folgemonats festgelegt.

Die Beklagte hat die Arbeitsaufgabe der bei ihr tätigen Pilzpflücker durch eine Arbeitsanweisung (Bl. 58 d.A.) konkretisiert, in der es u.a. heißt:

Die Definierung der Arbeitsaufgaben macht sich erforderlich, da nur verkaufsfähig gepflückte Pilze ordnungsgemäß gepflückt sind.

...

3. Beetpflege

- keine umgeworfenen Pilze auf den Beeten lassen

- tote Pilze vom Beet entfernen

- seitlich auswachsende Pilze entfernen

- offene Pilze, außer Bella Gomba, von den Beeten entfernen

- nach der Ernte kranke Pilze entfernen und kranke Stelle auf dem Beet behandeln

Die Beklagte erhielt zunächst nach der Einstellung der Klägerin von der Bundesagentur für Arbeit einen monatlichen Eingliederungszuschuss. Als Berechnungsgrundlage für diesen Zuschuss hatte die Beklagte selbst ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 1.088,23 EUR angegeben. Hierbei handelt es sich um die Vergütung, die ein durchschnittlich arbeitender Pilzpflücker pro Monat bei der Beklagten auf der Basis einer Vergütung von 0,23 EUR/kg erzielt.

Das Abernten der Pilzbeete wird von der Beklagten in drei - so genannten - Wellen organisiert. Dabei erzielen die Mitarbeiter, die der "ersten Welle" zugeteilt worden sind, das - pro Zeiteinheit gesehen - höchste Pflückergebnis.

In dem - hier streitgegenständlichen - Zeitraum 01.08.2005 bis 07.11.2006 erzielte die Klägerin bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche eine monatliche Arbeitsvergütung einschließlich Lohnersatzleistungen zwischen (gerundet) 430,00 und 690,00 EUR pro Monat.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die rein leistungslohnbezogene Vergütungsabrede der Parteien sei wegen Verstoßes gegen § 138 und § 307 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam. Die Beklagte schulde daher für die hier streitgegenständlichen Monate die Differenz zwischen der abgerechneten Vergütung und der sich gemäß § 612 Abs. 2 BGB ergebenden ortsüblichen Vergütung. Diese sei wiederum anhand der für den Bereich "Landwirtschaft" einschlägigen Tarifverträge zu bestimmen und betrage 1.037,00 EUR bzw. ab Oktober 2006 1.053,00 EUR brutto pro Monat.

Auf dieser Basis ermittelt die Klägerin eine - rechnerisch nicht streitige - Klagforderung in Höhe von 7.429,60 EUR brutto abzüglich 49,11 EUR netto.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe ihr regelmäßig nur solche Beete zum Abernten zugewiesen, bei denen ein unterdurchschnittlicher Pflückertrag zu erzielen war. Sie habe darüber hinaus regelmäßig auch solche Pilze abernten müssen, die eindeutig nicht verkaufsfähig gewesen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für August 2005 350,57 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2005 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für September 2005 491,22 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2005 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Oktober 2005 400,76 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2005 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für November 2005 391,95 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.12.2005 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Dezember 2005 464,75 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2006 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 20.01.2006 234,96 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2006 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 21.01.2006 bis 20.02.2006 453,91 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2006 zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 21.02.2006 bis 20.03.2006 582,57 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2006 zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 21.03.2006 bis 20.04.2006 350,76 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2006 zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 21.04.2006 bis 20.05.2006 546,16 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2006 zu zahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 21.05.2006 bis 20.06.2006 557,25 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2006 zu zahlen.

12. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 21.06.2006 bis 20.07.2006 617,87 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2006 zu zahlen.

13. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 21.07.2006 bis 20.08.2006 607,98 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2006 zu zahlen.

14. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 21.08.2006 bis 20.09.2006 409,27 EUR brutto abzüglich 49,11 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2006 zu zahlen.

15. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 21.09.2006 bis 20.10.2006 515,27 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2007 zu zahlen.

16. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 21.10.2006 bis 20.11.2006 454,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die zwischen den Parteien vereinbarte Vergütungsabrede sei wirksam. Es handele sich um die in ihrem Betrieb allgemein praktizierte vertragliche Vereinbarung. Diese sei im Übrigen auch branchenüblich. Die im streitgegenständlichen Zeitraum von der Klägerin erzielte unterdurchschnittliche Vergütung beruhe allein auf ihrer (schlechten) Arbeitsmoral. Ein durchschnittlicher Pflücker könne in ihrem Betrieb auf Basis der vereinbarten Leistungsvergütung monatlich das auch gegenüber der Bundesagentur für Arbeit angegebene Entgelt von rund 1.088,00 EUR brutto erzielen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.04.2007 der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die zwischen den Parteien vereinbarte Vergütungsabrede sei wegen Verstoßes gegen § 138 und § 307 BGB rechtsunwirksam. Die Abrede sei so gestaltet, dass das Wirtschaftsrisiko der Beklagten allein der Klägerin auferlegt werde. Dies sei ein Verstoß gegen die guten Sitten und auch eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB. Die Beklagte schulde daher die ortsübliche Vergütung. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 144 - 159 d.A. verwiesen.

Gegen dieses, ihr am 27.04.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.05.2007 Berufung eingelegt und diese am 27.06.2007 begründet. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie ihren Klagabweisungsantrag unter Vertiefung ihres Sachvortrages weiter. Darüber hinaus - so meint die Beklagte - sei jedenfalls als Maßstab für eine ortsübliche Vergütung nicht die tarifliche Vergütung im Bereich "Landwirtschaft" heranzuziehen. Die Ortsüblichkeit sei vielmehr anhand der für den Bereich "Garten- und Landschaftsbau" geltenden tariflichen Sätze zu bestimmen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 13.04.2007 - 9 Ca 1946/06 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung der Beklagten ist mit Ausnahme eines Teils der Zinsansprüche unbegründet.

I.

Der Klägerin steht aus § 612 Abs. 2 BGB, §§ 2 - 4 EFZG, § 11 BUrlG für den Zeitraum August 2005 bis 07.11.2006 die von ihr geltend gemachte Vergütung in Höhe von 7.429,60 EUR brutto abzüglich 49,11 EUR netto zu.

Gemäß § 612 Abs. 2 BGB gilt bei einer fehlenden Vergütungsabrede, wozu auch eine von den Parteien rechtsunwirksam vereinbarte Vergütungsabrede zählt, die übliche Vergütung als vereinbart.

1.

Die Parteien haben rechtswirksam keine Vergütungsabrede für ihr Arbeitsverhältnis getroffen. Die in § 3 des Arbeitsvertrages i.V.m. der Arbeitsanweisung, die wiederum gemäß § 1 des Arbeitsvertrages zum Vertragsbestandteil geworden ist, getroffene Vergütungsabrede ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, soweit die Beklagte sich vertraglich das Recht vorbehalten hat, durch einseitige Einflussnahme auf die Hauptleistungspflicht der Klägerin (Ausgestaltung der Arbeitsleistung) direkten Einfluss auf die rein leistungsbezogene Vergütungshöhe zu nehmen. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind in Formularverträgen vereinbarte Klauseln unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

a) Bei der Vergütungsabrede der Parteien handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 BGB. Dies ergibt sich zum einen aus dem äußeren Erscheinungsbild des zur Akte gereichten Vertrages. Darüber hinaus wendet die Beklagte - wie sich bei einer Gesamtschau ihres Sachvortrages ergibt - die in der Vertragsurkunde enthaltenen Bedingungen im gesamten Betrieb an.

b) Die von den Vertragsparteien getroffene Vereinbarung über die Ausgestaltung der leistungsbezogenen Vergütung stellt eine kontrollfähige Klausel i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.

aa) Zwar ist, wie sich aus § 307 Abs. 3 BGB ergibt, die Höhe der vereinbarten Vergütung an sich als geschuldete Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers kontrollfrei (vgl. BAG 22.04.2004 - 2 AZR 281/03).

bb) Hieraus folgt jedoch nur, dass der von der Beklagten zugesagte "Geldfaktor" von 0,23 EUR pro Kilo verkaufsfähiger Pilze nicht über § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB daraufhin überprüft werden kann, ob er an sich eine "angemessene" Gegenleistung für die geschuldete Tätigkeit bildet. Nicht gesperrt ist hingegen durch § 307 Abs. 3 BGB eine Überprüfung der Vergütungsabrede dahingehend, ob die der Beklagten per Formularvertrag eingeräumten Befugnisse zur Ausgestaltung solcher Arbeitsbedingungen, die unmittelbaren Einfluss auf die (leistungsbezogene) Vergütungshöhe haben, als angemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden können.

c) Eine Gesamtbetrachtung der von den Parteien im Arbeitsvertrag vom 04.08.2003 getroffenen Vergütungsabrede einschließlich der von der Beklagten im Betrieb zur Anwendung gebrachten Arbeitsanweisung ergibt, dass die Ausgestaltung dieser Bedingungen nicht mehr als angemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen ist. Vielmehr greift § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein, wonach im Zweifel von einer unangemessenen Klausel dann auszugehen ist, wenn die vertragliche Regelung wesentlich von den gesetzlichen Bestimmungen, die abbedungen worden sind, abweicht.

aa) Die Vergütungsabrede im vorgenannten Vertrag wird zum einen dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte eine ausschließlich leistungsbezogene Vergütung schuldet, ohne dass eine Untergrenze bei Unterschreiten bestimmter Vorgaben vorgesehen wird. Darüber hinaus hat sich die Beklagte über § 1 des Arbeitsvertrages i.V.m. der Arbeitsanweisung einseitige Gestaltungsspielräume bei der Ausgestaltung der Arbeitsleistung vorbehalten, die unmittelbar auf die Höhe der Leistungsvergütung durchschlagen.

aaa) So bestimmt die Beklagte - eine vertragliche Ausgestaltung dieser Befugnis ist nicht erfolgt - einseitig, welche Pilze "verkaufsfähig" sind und damit bei der Vergütungsberechnung zu berücksichtigen sind.

bbb) Weiter ist die Einteilung der Arbeitnehmer in die erste, zweite oder dritte Welle bei Aberntung der jeweiligen Pilzbeete vertraglich nicht näher ausgestaltet und unterliegt damit dem Direktionsrecht der Beklagten (§ 106 GewO). Die Zuweisung des jeweiligen Arbeitnehmers in eine der "Pflückwellen" hat auch nach dem Sachvortrag der Beklagten unmittelbaren Einfluss auf die Höhe des innerhalb eines bestimmten Zeitabschnittes erzielbaren Pflückergebnisses. Die Beklagte kann damit durch Zuweisung des Arbeitnehmers in eine der Wellen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der von dem Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitabschnittes erreichbaren Vergütung nehmen. Vertragliche Vereinbarungen dahin, dass die Arbeitnehmer, beispielsweise nach einem bestimmten Schichtplan, einen Anspruch darauf haben, jeweils im gleichen zeitlichen Umfang der ersten, zweiten bzw. dritten Welle zugeordnet zu werden, sind nicht getroffen worden.

ccc) Schlussendlich hat sich die Beklagte über die von ihr vorgegebene und zum Vertragsbestandteil (§ 1 des Arbeitsvertrages) gemachte Arbeitsanweisung das Recht vorbehalten, die Mitarbeiter ohne zeitliche Begrenzung auch zur sog. Beetpflege einzuteilen, von diesen also eine Tätigkeit zu verlangen, die nach den vorstehend genannten Bestimmungen nicht zu einem vergütungsfähigen Arbeitsergebnis führt.

bb) Demgegenüber geht das gesetzliche Leitbild des Arbeitsvertrages dahin, dass einerseits Art und Umfang der Arbeitsleistung sowie die Höhe der dafür geschuldeten Vergütung andererseits vertraglich fest vereinbart werden. Weiter ist Bestandteil des gesetzlichen Leitbildes des Arbeitsverhältnisses, dass die Vergütungspflicht nicht an den Erfolg der Arbeitsleistung, sondern an die Leistung als solche anknüpft (vgl. hierzu BAG 11.12.2003 - 2 AZR 667/02).

cc) Ein Vergleich der von der Beklagten vorgegebenen Vertragsgestaltung mit dem gesetzlichen Leitbild ergibt eine wesentliche Abweichung dieser Vertragsgestaltung von dem gesetzlichen Leitbild.

aaa) Zwar sind Leistungslohnabreden nicht per se mit dem gesetzlichen Leitbild des Arbeitsverhältnisses unvereinbar. Diese sind vielmehr in der tariflichen Praxis weit verbreitet. Allerdings enthalten diese Tarifverträge - wie gerichtsbekannt ist - regelmäßig Sicherungsklauseln für den Arbeitnehmer, wonach dieser bei Nichterreichen der Leistungsanforderungen zumindest eine auf die geleistete Arbeitszeit bezogene Mindestvergütung erhält. Damit steht das gesetzliche Leitbild des Arbeitsvertrages nicht der Vereinbarung einer Leistungsvergütung als solcher generell entgegen. Um aber eine dem gesetzlichen Leitbild widersprechende Abwälzung des Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer zu verhindern, ist regelmäßig eine Mindestsicherung des Arbeitnehmers zu vereinbaren.

bbb) Die Vertragsgestaltung im vorgenannten Formularvertrag weicht darüber hinaus durch die der Beklagten eingeräumten Rechte zur Ausgestaltung der von ihren Arbeitnehmern abzuverlangenden Arbeitsleistung von dem gesetzlichen Leitbild ab. Mit der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 und 07.12.2005 - 5 AZR 535/04) ist zwar davon auszugehen, dass der Arbeitgeber ohne Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Teil der vereinbarten Gesamtvergütung, maximal 25 % durch Vereinbarung eines Widerrufsvorbehaltes oder aber (mittelbar) durch Vereinbarung einer flexiblen Arbeitszeit einseitig verändern kann. Über diesen, von der Rechtsprechung eingeräumten Gestaltungsspielraum geht die von der Beklagten gestellte Vertragsbedingung in § 3 des Arbeitsvertrages i.V.m. der Arbeitsanweisung jedoch deutlich hinaus. Die Vereinbarung enthält überhaupt keine (eingrenzende) Regelung bis zu welchem Umfang eine einseitige Einflussnahme auf die Vergütungshöhe erfolgen kann. Es fehlt - wie bereits ausgeführt - an einer "Grundsicherung" des Arbeitnehmers durch Vereinbarung eines zeitbezogenen Mindestentgelts. Weiter besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit kumulativ durch Festlegung der "Verkaufsfähigkeit" der gesammelten Pilze, durch das Einteilen des Arbeitnehmers in eine Pflückwelle mit geringem Ertrag und durch die Zuweisung von "Beetpflegearbeiten", den wirtschaftlichen Wert der von ihm geschuldeten Tätigkeit ohne eine vertraglich vereinbarte Untergrenze zu beeinflussen. Diese Gestaltungsmöglichkeiten schlagen wiederum aufgrund der gewählten rein leistungsbezogenen Vergütung unmittelbar auf die geschuldete Vergütungshöhe bezogen auf eine bestimmte Zeiteinheit durch.

ccc) Nach Auffassung der Kammer ist jedenfalls bei einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Vertragsgestaltung wesentlich von dem gesetzlichen Leitbild abweicht. Anhaltspunkte, die dennoch eine Angemessenheit der Klausel begründen könnten, sind nicht ersichtlich.

dd) Für die Angemessenheitsprüfung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist es nicht entscheidend, ob die Beklagte im konkreten Fall bezogen auf die streitgegenständlichen Zeiträume von den ihr vertraglich eingeräumten Befugnissen im vollen Umfang Gebrauch gemacht hat. Die AGB-Kontrolle ist vielmehr abstrakt durchzuführen. Es kommt daher gerade nicht darauf an, ob die Klausel im Einzelfall den Arbeitnehmer konkret unangemessen benachteiligt (BAG 09.05.2006 - 9 AZR 424/05).

2.

Die Unangemessenheit der vorgenannten vertraglichen Abrede führt dazu, dass die Beklagte verpflichtet ist, die auf der Basis von 0,23 EUR pro Kilo verkaufsfähiger Pilze und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden üblicherweise zu erzielende monatliche Arbeitsvergütung an die Klägerin auszuzahlen.

a) Gemäß § 306 Abs. 1 BGB bleibt der Arbeitsvertrag im Übrigen von der Unwirksamkeit einer Klausel unberührt.

b) Es gilt dann gemäß § 306 Abs. 2 BGB anstelle der unwirksamen vertraglichen Klausel die gesetzliche Regel (BAG 25.05.2005 - 5 AZR 572/04). Dies ist hinsichtlich der geschuldeten Vergütung § 612 Abs. 2 BGB, wonach die übliche Vergütung zu zahlen ist. Ausgangspunkt für die Prüfung der üblichen Vergütung ist, da die Vergütungshöhe als solche - wie bereits ausgeführt - einer Überprüfung nicht zugänglich ist, der im Vertrag vereinbarte "Geldfaktor" von 0,23 EUR pro Kilogramm verkaufsfähiger Pilze sowie die von der Klägerin zu erbringende Arbeitszeit in Höhe von 40 Stunden pro Woche.

c) Die auf dieser Basis üblicherweise zu erzielende Vergütung bestimmt sich nach Auffassung der Kammer anhand der von der Beklagten selbst angegebenen Vergütung eines durchschnittlichen Pflückers in ihrem Betrieb und beläuft sich daher auf rund 1.088,00 EUR pro Monat. Insoweit kann dahinstehen, ob die Tarifverträge für den Wirtschaftsbereich "Landwirtschaft" oder aber für den Bereich "Garten- und Landschaftsbau" als abstrakter Maßstab für eine Üblichkeit der Vergütung heranzuziehen sind. Die von der Klägerin auf der Basis des Entgelttarifvertrages für die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt in Ansatz gebrachte monatliche Vergütung liegt nämlich unterhalb der von der Beklagten selbst als üblich angegebenen Vergütung für die von der Klägerin geschuldete Tätigkeit (rund 1.088,00 EUR/Monat).

d) Dahinstehen kann, ob die Klägerin tatsächlich bei ihrer Tätigkeit eine "schlechte Arbeitsmoral" aufgewiesen hat. Dieser Einwand der Beklagten bezieht sich gerade auf den Teil der Vergütungsabrede, der unwirksam ist. Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Klausel dahingehend, dass dem Arbeitgeber etwa der Nachweis offen bleibt, das schlechte Arbeitsergebnis beruhe ausschließlich auf einer hinter der üblichen Arbeitsleistung individuell zurückgebliebenen Leistung des betroffenen Arbeitnehmers, scheidet nach § 306 Abs. 2 BGB aus (vgl. hierzu BAG 11.04.2006 - 9 AZR 610/05 und 23.01.2007 - 9 AZR 482/06).

3.

Nach alledem besteht für die Klägerin im hier streitgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch auf (weitere) Vergütung in Höhe von 7.429,60 EUR brutto abzüglich 49,11 EUR netto. Das dezidierte Rechenwerk der Klägerin ist in sich schlüssig und von der Beklagten insoweit nicht bestritten worden.

4.

Schlussendlich sind die Ansprüche der Klägerin nicht gemäß § 11 des Arbeitsvertrages der Parteien wegen Ablaufs der dort vereinbarten Verfallfristen erloschen. Dieser Klausel, die eine Geltendmachung innerhalb eines Monats verlangt, kommt wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB ebenfalls keine Wirksamkeit zu. Sie unterschreitet das nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 28.09.2005 - 5 AZR 52/05) zulässige Maß von drei Monaten deutlich.

II.

Auch die Zinsforderung ist gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages und des Änderungsvertrages vom 15.01.2006 überwiegend begründet. Der Klägerin stehen danach unter dem Gesichtspunkt des Verzuges Zinsen auf die monatlich fällig werdende Vergütung in streitgegenständlicher Höhe zu.

Hinsichtlich der im Tenor explizit aufgeführten Monate beginnt die Zinspflicht der Beklagten jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt als beantragt. Liegt der Fälligkeitstag der vereinbarten Vergütung auf einem Sonnabend, Sonntag oder einem gesetzlichen Feiertag, so verschiebt sich die Fälligkeit gemäß § 193 BGB auf den nächsten Werktag. Verzug tritt mithin erst mit Ablauf dieses Werktages ein (BAG 15.05.2001 - 1 AZR 672/00). Diese Grundsätze treffen auf die im Tenor genannten Zinsansprüche zu, wobei für den Monat Februar 2006 weiter zu berücksichtigen war, dass die Änderung des Fälligkeitsdatums nach Maßgabe des Änderungsvertrages vom 15.01.2006 erst zum März 2006 wirksam werden sollte.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

C.

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer wendet vielmehr die zu den §§ 305 ff. BGB bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf den Einzelfall an und weicht von dieser nicht ab.

Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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