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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 08.03.2005
Aktenzeichen: 11 Ta 3/05
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 5
KSchG § 5 Abs. 1 S. 1
KSchG § 5 Abs. 3 S. 1
KSchG § 5 Abs. 4 S. 2
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 572 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenzeichen: 11 Ta 3/05

In dem Beschwerdeverfahren

wegen nachträglicher Zulassung einer Kündigungsschutzklage

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt ohne mündliche Verhandlung am 8. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hesse als Vorsitzenden beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21. 12. 2004 - 2 Ca 3102/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Kündigung des Beklagten vom 29. 07. 2004.

Die vorstehende Kündigung ist dem Kläger am 29. 07. 2004 zugegangen. Die von ihm über seine Prozessbevollmächtigten, die Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH - Büro Magdeburg - verfasste Kündigungsschutzklage ist bei dem Arbeitsgericht Magdeburg erst am 16. September 2004 eingegangen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG anhängig gemachte Kündigungsschutzklage sei gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen, da ihn an der Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist kein Verschulden treffe. Die Versäumung der Klagefrist beruhe - so hat der Kläger behauptet - auf den folgenden Geschehnissen:

Er habe nach Erhalt der Kündigung am 03. 08. 2004 entsprechend der satzungsmäßigen Bestimmungen die Geschäftsstelle des Bezirksverbandes A.-B.-H. der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) in M. aufgesucht, um dort entsprechenden Rechtsschutz für die Einreichung einer Kündigungsschutzklage zu beantragen. Dort habe zunächst die Verwaltungsangestellte S. die persönlichen Daten aufgenommen und diese in den Personalcomputer eingegeben. Weiter sei ein so genannter Rechtsschutzbogen erstellt worden, in dem u. a. das Zugangsdatum der Kündigung vermerkt worden sei. Die Angestellte S. habe sodann - wie üblich - eine Rechtsschutzakte für seinen Fall angelegt und den Kläger darauf hingewiesen, dass die Einzelgewerkschaft IG Bau für den vorliegenden Rechtsstreit die Gerichtskosten und Auslagen für den Fall des Unterliegens in der ersten Instanz übernehme und dass der Rechtsstreit entsprechend der satzungsrechtlichen Bestimmungen durch die DGB Rechtsschutz GmbH geführt werde. Dementsprechend habe der Kläger am 03. 08. 2004 eine Vollmacht für die Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH unterzeichnet. Die Akte werde daher - so habe die Verwaltungsangestellte S. weiter mitgeteilt - an die DGB Rechtsschutz GmbH weitergeleitet. Von dieser werde der Kläger weitere Informationen erhalten. Im Anschluss daran habe er mit dem zuständigen Gewerkschaftssekretär B. ein kurzes Beratungsgespräch geführt und sodann die Bezirksverbandsgeschäftsstelle verlassen.

Der Gewerkschaftssekretär B. habe die Rechtsschutzakte des Klägers mit einem selbsthaftenden Klebezettel versehen, auf welchem der Auftrag zur sofortigen Weiterreichung der Unterlagen an die DGB Rechtsschutz GmbH, Büro M. vermerkt worden sei. Die mit dem Klebezettel versehene Rechtsschutzakte wie auch weitere Akten seien sodann auf dem Schreibtisch der Verwaltungsangestellten S. deponiert worden, zu deren Aufgabenbereich auch die Weitergabe von Rechtsschutzakten an die DGB Rechtsschutz GmbH gehöre. Wegen des großen Andrangs der Akten auf dem Ablagetisch sei die Rechtsschutzakte des Klägers nicht auf den Stapel "Weiterbearbeitung" gelegt worden, da die Gefahr bestanden habe, sie könne wegen der Stapelhöhe herunterfallen. Im Verlauf des 04. 08. 2004 habe die Verwaltungsangestellte S. im Rahmen der Bearbeitung der umfangreichen auf ihrem Schreibtisch befindlichen Akten dieselben mehrfach umgestapelt. Bei dem Umstapeln der Akten habe sich wohl der Klebezettel mit der Arbeitsanweisung von der Rechtsschutzakte des Klägers gelöst. Die Verwaltungsangestellte S. habe, nachdem sie alle Auftragsakten abgearbeitet hatte, jedenfalls versehentlich die Akte des Klägers in das Hängeregister zurücksortiert, da sie aufgrund einer nicht vorhandenen Arbeitsanweisung in Form des Klebezettels davon ausgegangen sei, die Akte sei bereits am Vortag abschließend bearbeitet worden. Der Gewerkschaftssekretär B. sei, nachdem er am 05. 08. 2004 die Akte nicht mehr im Arbeitsbereich der Angestellten S. vorgefunden habe, wiederum davon ausgegangen, Frau S. habe die Akte auftragsgemäß weitergeleitet.

Erst aufgrund einer telefonischen Sachstandsanfrage des Klägers am 13. 09. 2004 sei der Sachverhalt aufgeklärt worden.

Aus den vorstehenden Geschehnissen lasse sich - so hat der Kläger gemeint - ein Verschulden i. S. d. § 5 KSchG nicht ableiten. Er persönlich habe alles getan, um die Frist des § 4 KSchG zu wahren. Ein Fehlverhalten der von ihm beauftragten Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro M. sei ebenfalls nicht festzustellen. Schlussendlich sei auch das versehentliche Rücksortieren seiner Rechtsschutzakte in die Hängeregistratur durch Mitarbeiter der Einzelgewerkschaft nicht als schuldhaft i. S. d. § 5 KSchG einzustufen. Selbst wenn hierin ein schuldhaftes Verhalten in Form eines Organisationsverschuldens liegen würde, so sei ihm dies nicht zuzurechnen. § 5 KSchG enthalte keine entsprechende Zurechnungsnorm für das schuldhafte Verhalten des Prozessvertreters bzw. dritter Personen. Die Zurechnungsnorm des § 85 Abs. 2 ZPO finde auf die materiellrechtliche Ausschlussfrist des § 4 KSchG keine Anwendung.

Der Kläger hat beantragt,

die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Der Beklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger sei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das schuldhafte Verhalten des Gewerkschaftssekretärs der IG Bau zuzurechnen. § 85 Abs. 2 ZPO sei wegen der vergleichbaren Interessenlage auch auf die Frist des § 4 KSchG zur Anwendung zu bringen. Vertreter i. S. d. § 85 Abs. 2 ZPO seien vorliegend nicht nur die Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH, sondern auch der vorab mit der Rechtsschutzgewährung befasste Gewerkschaftssekretär der IG Bau. Dessen Verhaltensweise sei als schuldhaft i. S. d. § 5 KSchG, nämlich als Organisationsverschulden einzustufen.

Das Arbeitsgericht hat mit Kammerbeschluss vom 21. 12. 2004 den Antrag des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe für das Verhalten nicht nur der Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH, sondern auch für das Verhalten des mit der Rechtsschutzgewährung befassten Gewerkschaftssekretärs gemäß § 85 Abs. 2 ZPO einzustehen. Der letztgenannte habe in Form des so genannten Organisationsverschuldens die Versäumung der Klagefrist i. S. d. § 5 KSchG zu vertreten. Nach dem vorliegenden Sachvortrag sei davon auszugehen, dass eine effektive Fristenkontrolle von dem besagten Gewerkschaftssekretär nicht organisiert worden sei.

Gegen diesen, ihm am 22. 12. 2004 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 04. 01. 2005 sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Kläger seinen Zulassungsantrag unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrages und unter Aufrechterhaltung des diesbezüglichen Rechtsstandpunktes weiter.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21. 12. 2004 die Kündigungsschutzklage vom 16. 09. 2004 nachträglich zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 KSchG statthafte Rechtsmittel. Die sofortige Beschwerde ist auch form- und fristgerecht (§ 569 ZPO) erhoben worden.

Das Landesarbeitsgericht ist - obwohl das Arbeitsgericht keine Nichtabhilfeentscheidung gemäß § 572 Abs. 1 ZPO getroffen hat - zur Entscheidung berufen. Das Nichtabhilfeverfahren des § 572 Abs. 1 ZPO findet im Hinblick auf die besondere Ausgestaltung auf das in § 5 KSchG geregelte Verfahren keine Anwendung (vgl. LAG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 07. 08. 2003 - 11 Ta 205/03 - ).

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen.

1.

Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG anhängig gemacht worden. Die Einhaltung dieser Frist hat der Kläger durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht.

2.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage liegen nicht vor. Die verspätete Kündigungsschutzklage ist gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG nur dann nachträglich zuzulassen, wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Der Begriff der zumutbaren Sorgfalt bestimmt sich entsprechend der Vorgaben in § 233 ZPO. Die Sorgfaltsanforderungen sind gewahrt, wenn dem Kläger bei Versäumung der Klagefrist ein Verschulden nicht vorzuwerfen ist. Vorliegend beruht auch nach Auffassung der Beschwerdekammer die Versäumung der Klagefrist auf einem dem Kläger zurechenbaren Verschulden des Gewerkschaftssekretärs der IG Bau.

a)

Nach Auffassung der hier zur Entscheidung berufenen 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt ist im Rahmen des § 5 KSchG ein Verschulden des Vertreters dem klagenden Arbeitnehmer gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbar. Der von dem Kläger vertretenen gegenteiligen Auffassung vermag die Kammer nicht zu folgen. Die Kammer hält vielmehr eine analoge Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO auf die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 5 KSchG für sachgerecht. Diese analoge Anwendung folgt insbesondere aus den vom Gesetzgeber weitgehend parallel ausgestalteten Regelungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung prozessualer Fristen (§§ 233 ff ZPO) und dem Verfahren nach § 5 KSchG. Wenn der Gesetzgeber für die Frage, ob eine Frist schuldlos versäumt worden ist inhaltlich parallel laufende Regelungen getroffen hat, so ist diese Parallelität auch zu wahren, wenn es um die Frage der Zurechnung von schuldhaftem Verhalten eines Vertreters geht. Dies muss jedenfalls seit der Neufassung des § 4 KSchG durch das Gesetz vom 24. 12. 2003 (BGBl. I S. 3002) gelten. Der Gesetzgeber hat durch diese Neuregelung die Wirkung der materiellrechtlichen Ausschlussfrist auf sämtliche Unwirksamkeitsgründe einer schriftlich erstellten Kündigung ausgedehnt. Die Klagefrist unterscheidet sich in ihren Auswirkungen mithin nicht mehr von prozessualen Fristen. Die Tatsache, dass bei Versäumung der materiellrechtlichen Ausschlussfrist die Klage als unbegründet abzuweisen ist, während bei Versäumung einer prozessualen Frist die erhobene Klage bzw. das eingelegte Rechtsmittel regelmäßig als unzulässig abgewiesen bzw. verworfen wird, vermögen eine unterschiedliche Behandlung nicht zu rechtfertigen (im Ergebnis ebenso LAG Düsseldorf Beschluss vom 30. 07. 2002 - 15 Ta 282/02 - mit weiteren Nachweisen zu dieser in Rechtsprechung und Literatur äußerst umstrittenen Frage). Zur Vermeidung von Wiederholungen schließt sich die Beschwerdekammer im Übrigen den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss vom 21. 12. 2004 unter II. 1. a) an.

b)

Als Vertreter i. S. d. § 85 Abs. 2 ZPO ist im vorliegenden Fall auch der Gewerkschaftssekretär der IG Bau als Mitarbeiter der Rechtsschutz gewährenden Einzelgewerkschaft anzusehen.

aa)

Auch insoweit schließt sich die Beschwerdekammer zunächst den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 1. b) des vorgenannten Beschlusses an.

bb)

Aufgrund der satzungsmäßig vorgegebenen Verfahrensweise bei der Gewährung von Rechtsschutz kommt dem Gewerkschaftssekretär der IG Bau im Rahmen des später anlaufenden Kündigungsschutzverfahrens die gleiche Funktion zu wie einem Korrespondenzanwalt (vgl. hierzu BGH 10. 01. 2002 - III ZR 62/01 - ). Damit nimmt er auch die Position eines Bevollmächtigten i. S. d. § 85 Abs. 2 ZPO ein. Bevollmächtigter in diesem Sinne ist derjenige, dem durch Rechtsgeschäfte die Befugnis zur eigenverantwortlichen Vertretung der Partei erteilt wird. Die Vollmacht muss nicht im vollen Umfang der §§ 81 - 83 ZPO bestehen. Auch wer von der Partei nur mit einzelnen Handlungen beauftragt wurde, wie z. B. mit der Entgegennahme von Zustellungen oder mit der Führung der Korrespondenz ist Prozessbevollmächtigter i. S. d. § 85 Abs. 2 ZPO. Dabei kann eine Partei durchaus mehrere Vertreter (gleichzeitig oder nacheinander) haben. Sind mehrere Prozessbevollmächtigte vorhanden, so haftet die Partei für das Verschulden jedes Einzelnen, sofern seine Handlungen im Rahmen der erteilten Vollmacht liegen (LAG Düsseldorf Be-schluss vom 30. Juli 2002 - 15 Ta 282/02 -; a. A. LAG Bremen Beschluss vom 26. 05. 2003 - 2 Ta 4/03 - ). Diesen Vorgaben entspricht die Rolle des mit der Rechtsschutzgewährung zunächst befassten Gewerkschaftssekretärs der Einzelgewerkschaft IG Bau. Nach dem vom Kläger glaubhaft gemachten Vorbringen erschöpft sich die Tätigkeit der Einzelgewerkschaft nicht darin, quasi nur als Bote einen von dem Kläger gefertigten Klageauftrag an die DGB Rechtsschutz GmbH weiterzuleiten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Einzelgewerkschaft und DGB Rechtsschutz GmbH bei der Durchführung des Kündigungsschutzprozesses arbeitsteilig zusammenarbeiten. Von der Einzelgewerkschaft werden - auch prozessual bedeutsame - Daten im Zusammenhang mit der ausgesprochenen Kündigung erhoben und für die weitere Bearbeitung durch den DGB Rechtsschutz in Form einer Rechtsschutzakte aufbereitet. Das Rechtsschutz suchende Mitglied erhält anschließend durch den zuständigen Gewerkschaftssekretär eine Beratung über den weiteren Ablauf des Rechtsstreits. Diese von der Einzelgewerkschaft vorgenommenen Tätigkeiten lassen sich nicht auf bloße Botengänge reduzieren oder mit dem Tätigwerden einer Rechtsschutzversicherung (so aber LAG Bremen aaO) gleichsetzen. Bei einer Gesamtbetrachtung ergibt sich hier vielmehr ein arbeitsteiliges Zusammenwirken zwischen Einzelgewerkschaft und DGB Rechtsschutz GmbH, das dem Verhältnis Korrespondenzanwalt - Prozessanwalt weitestgehend entspricht. Durch die "Vorarbeit" der Einzelgewerkschaft werden die Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH in die Lage versetzt, die Kündigungsschutzklage ordnungsgemäß zu erstellen, ohne dass es weiterer Informationsgespräche zur Vorbereitung und Durchführung des Klageverfahrens bedarf. Dies alles lässt es sachgerecht erscheinen, die arbeitsteilige Vorgehensweise der Sekretäre der Einzelgewerkschaft und der DGB Rechtsschutz GmbH im Rahmen des § 85 Abs. 2 ZPO jeweils als "Vertreterhandeln" einzustufen.

c)

Das Arbeitsgericht hat weiter zu Recht festgestellt, dass der mit der Bearbeitung der Rechtsschutzakte beauftragte Gewerkschaftssekretär der IG Bau beim Anlegen und Weiterleiten der Rechtsschutzakte des Klägers nicht die ihm im jeweiligen Einzelfall zumutbare Sorgfalt hat walten lassen. Ihm ist vielmehr ein so genanntes Organisationsverschulden zur Last zu legen. Zwar findet eine Zurechnung schuldhafter Handlungen von Hilfspersonen des Vertreters im Rahmen des § 85 Abs. 2 ZPO nicht statt. Dem steht jedoch nicht entgegen, dass ein eigenes Verschulden des Vertreters darin liegt, dass er die zur Vermeidung von Fehlern seiner Hilfspersonen nötigen organisatorischen Vorkehrungen nicht getroffen hat. Dabei treffen einen mit der Erledigung von Rechtsschutzaufträgen betrauten Verbandsvertreter die gleichen Sorgfaltspflichten wie einen Rechtsanwalt (BGH 10. 01. 2002 - III ZR 62/01 - ). Der Rechtsanwalt ist wiederum bei der Bearbeitung von Fristsachen gehalten, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass eine effektive Fristenkontrolle gewährleistet ist. Erforderlich ist dabei regelmäßig das korrekte Führen eines so genannten Fristenkalenders sei es in Printform, sei es in elektronischer Form (siehe hierzu Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 233 Rz. 23 - Stichwort "Fristenbehandlung"). Den vom Kläger innerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 KSchG vorgetragenen und auch glaubhaft gemachten Tatsachen lässt sich die Existenz einer ordnungsgemäßen Fristenkontrolle - wie das Arbeitsgericht schon zutreffend ausgeführt hat - nicht entnehmen. Allein das Anbringen von selbsthaftenden Klebezetteln auf dem Aktendeckel und eine anschließende Sichtkontrolle des Arbeitsbereichs, die sich in der Feststellung erschöpft, dass der Vorgang dort nicht mehr vorhanden ist, stellen keine ordnungsgemäße Behandlung fristgebundener Rechtsschutzbegehren dar. Gerade der vorliegende Fall macht deutlich, dass in der Hektik des täglichen Geschäftes ein nur angehefteter Zettel, ohne dass außergewöhnliche Umstände hinzutreten müssen, verloren gehen kann. Eine effektive Kontrolle des weiteren Ablaufs der fristgebundenen Rechtssache ist dann nach der vom Kläger vorgetragenen Büroorganisation in der Geschäftsstelle der IG Bau Magdeburg nicht mehr möglich. Das Fehlen einer Arbeitsanweisung führt vielmehr dazu, dass die Sache als "erledigt" abgelegt wird, ohne dass beispielsweise durch Überprüfung von Einträgen in einem Fristenbuch kurz vor Ablauf der Frist ein Mitarbeiter auf die fehlerhafte Sachbehandlung erneut aufmerksam wird. Es hängt von Zufälligkeiten ab, ob die fehlerhafte Sachbehandlung vor Fristablauf erkannt wird, nämlich davon, wann das Rechtsschutz suchende Mitglied eine Sachstandsauskunft begehrt.

Nach alledem konnte das Rechtsmittel des Klägers keinen Erfolg haben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt (BAG 20. 08. 2002 - 2 AZB 16/02 - ).

Ende der Entscheidung

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