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Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 26.04.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 555/04
Rechtsgebiete: KiFöG, BSHG, KSchG, BAT-O, SGB III


Vorschriften:

KiFöG § 3 Abs. 1
KiFöG § 21
KiFöG § 21 Abs. 1
KiFöG § 21 Abs. 2 S. 1
BSHG § 19 Abs. 2 Alternative 1
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 3 S. 2 a.F.
KSchG § 2
BAT-O § 13
SGB III §§ 272 ff.
SGB III § 415
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT SACHSEN-ANHALT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 8 Sa 555/04

Verkündet am: 26.04.2005

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Quecke als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Niemann und den ehrenamtlichen Richter Adler als Beisitzer für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des ArbG Halle vom 09.06.2004 - 3 Ca 2376/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die von der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis geschuldete Arbeitszeit durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 23.06.2003 wirksam zum 01.01.2004 herabgesetzt wurde.

Die 1949 geborene, verwitwete Klägerin ist seit dem 04.01.1991 unter Anerkennung einer Betriebszugehörigkeit seit 1971 bei der beklagten Stadt als Erzieherin mit zuletzt 32 Wochenstunden beschäftigt. Einschließlich Leiterinnen beschäftigte die Beklage Anfang 2003 insgesamt 88 Erzieherinnen, größtenteils in der 32-Stunden-Woche. Das entsprach 68,74 "Vollbeschäftigungseinheiten" (VbE). Am 08.03.2003 trat das neue Kinderförderungsgesetz (KiFöG) in Sachsen-Anhalt in Kraft (GVBl. LSA S. 41). Die gesetzliche Neuregelung reduzierte den Anspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz für Kinder bis zum Schuleintritt auf Eltern, die etwa wegen beiderseitiger Erwerbstätigkeit Bedarf hierfür nachweisen können (§ 3 Abs. 1 KiFöG). Außerdem brachte sie Änderungen für die Berechnung des Personalschlüssels in § 21 KiFöG. Mit Rundschreiben vom 18.03.2003 (Bl. 65 d. A.) forderte die Beklagte die betroffenen Eltern auf, einen etwaigen Anspruch auf Ganztagsbetreuung nachzuweisen. Aufgrund der Rückmeldungen ermittelte sie bei etwa gleich hoher bzw. leicht gestiegener Anzahl zu betreuender Kinder einen erheblichen Rückgang der nachgefragten Betreuungsstunden (vgl. die Übersicht vom 17.04.2003, Bl. 66 d. A.).

Am 14.05.2003 unterrichtete die Beklagte den Personalrat über die veränderte Bedarfslage bei dem erzieherischen Fachpersonal und kündigte Stellenkürzungen an. Auf einer Betriebsversammlung am 15.05.2003 sprachen sich die anwesenden Erzieherinnen mehrheitlich für eine allgemeine Herabsetzung ihrer Arbeitszeit im Wege der Änderungskündigung anstelle von einigen Beendigungskündigungen aus. Am 21.05.2003 schloss die Beklagte mit dem Personalrat eine Dienstvereinbarung für die Erzieherinnen, die eine Änderungskündigung bzw. einen Änderungsvertrag im Juni 2003 erhalten würden (Bl. 87 - 88 d. A.). Am 05.06.2003 beschloss der Stadtrat der Beklagten die Anbringung von kw -Vermerken ("künftig wegfallend") zum 31.12.2003 für insgesamt 13,2 Vollbeschäftigteneinheiten (VbE) im Erzierbereich des Stellenplans (Bl. 77 d. A.). Der aus dem KiFöG sich ergebende (verringerte) Betreuungsbedarf für die Bereiche Kinderkrippe, Kindergarten und Hort wurde dabei mit 55,5 VbE ermittelt (davon 49,9 VbE Erzieherinnen und 5,6 VbE Leiterinnen, vergl. die Berechnung Seite 4 - 7 der Klageerwiderung vom 07.10.2003).

Nach dem Stadtratsbeschluss sollte der aus der Differenz zum bisherigen Beschäftigungsstand von 68,74 VbE resultierende Überhang bis zur Höhe von 13,2 VbE zur Erhaltung einer "gewissen Altersstruktur" in der Weise abgebaut werden, dass mit Ausnahme der in Altersteilzeit befindlichen Mitarbeiterinnen allen Erzieherinnen die Arbeitszeit gleichmäßig um 23,43 % - jedoch nicht unter 20 Wochenstunden - gekürzt würde.

Am 20.06.2003 stimmte der Personalrat der geplanten Änderungskündigung der Klägerin zur Herabsetzung ihrer Arbeitszeit um 23,43 % von 32 auf 24,5 Wochenstunden zu (Bl. 90 d. A.). Am 23.06.2003 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine entsprechende Änderungskündigung zum 31.12.2003 aus (Bl. 9 - 11 d. A.).

Mit ihrer am 14.07.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung. Sie hat geltend gemacht, dass die Ermittlung des Personalbedarfs durch die Beklagte nicht nachvollziehbar sei. Aus diesem Grund sei bereits der Stadtratsbeschluss rechtsfehlerhaft. Außerdem verletze die flächendeckende Reduzierung der Arbeitszeit das Gebot der Sozialauswahl. Schließlich sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Demgegenüber hat die beklagte Stadt die von ihr vorgenommene Berechnung sowie nachträglich erfolgte Anhebungen der Arbeitszeit von Leiterinnen und schließlich den Einsatz von zusätzlichen Arbeitnehmerinnen der St. S. mbH Sangerhausen (im Folgenden: SSG) in den Erziehungseinrichtungen im Rahmen von Fördermaßnahmen verteidigt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09.06.2004, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Änderungskündigungen hinreichend dringende betriebliche Erfordernisse aus dem verringerten Fachkräftebedarf im Erzieherbereich folgten. Insbesondere sei die Berechnung des Bedarfs durch die Beklagte zutreffend. Eine Sozialauswahl sei nicht erforderlich gewesen; die unternehmerische Entscheidung der Beklagten zur gleichmäßigen Arbeitszeitreduzierung von 23,43 % sei zu respektieren. Der Personalrat sei schließlich ordnungsgemäß angehört worden und habe seine Zustimmung erteilt.

Gegen das ihr am 23.07.2004 zugestellte Urteil wendet sich die am 23.08.2004 beim Berufungsgericht eingegangene und am 07.10.2004 innerhalb der verlängerten Begründungsfrist begründete Berufung der Klägerin. Darin wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und verweist insbesondere darauf, dass die Beklagte Arbeitnehmerinnen der SSG im Erzieherbereich im Rahmen von Fördermaßnahmen einsetze. Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 09.06.2004 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Halle festzustellen, dass die Änderungskündigung der Beklagten vom 23.06.2003, der Klägerin zugegangen am 23.06.2003, rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zu unveränderten arbeitsrechtlichen Bedingungen über den Ablauf der am 31.12.2003 endenden Kündigungsfrist unverändert fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und legt insbesondere im Schriftsatz vom 10.03.2005 die Einzelheiten zum Einsatz von ungelernten Arbeitskräften der SSG im Erzieherbereich im Rahmen des Förderprogramms der Landesinitiative "Aktiv zur Rente" sowie den Einsatz einer gewerblichen Mitarbeiterin gemäß § 19 Abs. 2 Alternative 1 BSHG dar.

Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen Bezug genommen. Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Abteilungsleiterin der Beklagten für Familie und Sport, der Zeugin J., zur durchgeführten Ermittlung des Betreuungsbedarfs; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.02.2005 (Bl. 437 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Änderungskündigung der Beklagten vom 23.06.2003 ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, wirksam und hat die vertraglich geschuldete Arbeitszeit der Klägerin mit Wirkung zum 01.01.2004 auf 24,5 Stunden pro Woche herabgesetzt.

I.

Die Änderungskündigung ist gemäß §§ 1, 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

1.

Die Änderungen der Arbeitsbedingungen, das heißt die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 32 auf 24,5 Stunden, war durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin zu unveränderten Bedingungen entgegenstanden (§ 1 Abs. 2 KSchG i. V. m. § 2 KSchG).

a)

Die Verringerung des Beschäftigungsbedarfs und ein daraus folgender Personalüberhang stellen regelmäßig ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG dar, das eine entsprechende Kündigung sozial rechtfertigt (ständige Rechtssprechung, vgl. etwa BAG vom 30.05.1985 - 2 AZR 321/84, DB 1986, 232). Der Rückgang des Beschäftigungsbedarfs kann auf einer unternehmerischen Entscheidung beruhen. Dabei gehört zur Freiheit der unternehmerischen Entscheidung auch die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden soll. Im öffentlichen Dienst entspricht dem die Anbringung eines so genannten kw-Vermerks im Haushaltsplan. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich sowohl das Arbeitsvolumen (Menge der zu erledigenden Arbeit) als auch die Arbeitsverteilung auf Arbeitnehmerstunden festlegen (BAG vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02, AP Nr. 128 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Entschließt sich demgemäß der Träger einer Kinderbetreuungseinrichtung, seinen Personalbestand zu senken und die vorhandene Arbeitsmenge auf weniger Arbeitnehmer zu verteilen, kann daraus ein Personalüberhang entstehen; erfolgt die Absenkung nach Maßgabe eines geänderten landesgesetzlichen Mindestpersonalschlüssels, bedarf es im Rechtsstreit zur Darstellung des Personalüberhangs in der Regel keiner näheren Darlegung der organisatorischen Durchführbarkeit und Dauerhaftigkeit dieser Maßnahme, solange der Arbeitnehmer nicht seinerseits aufzeigt, warum die Personalreduzierung ausnahmsweise nicht durchführbar ist (LAG Sachsen-Anhalt vom 16.05.2000 - 8 (10) Sa 991/99, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigungen Nr. 56 a; BAG a. a. O., unter B I 3 d der Gründe).

Im öffentlichen Dienst bedarf es nach der Rechtsprechung des BAG darüber hinaus i.d.R. keiner näheren Darlegung der organisatorischen Umsetzbarkeit einer beschäftigungssenkenden Maßnahme, wenn die betriebsbedingte Kündigung unmittelbar auf einer Stellenstreichung im Haushaltsplan beruht; das dringende betriebliche Erfordernis folge hier aus der Stellenstreichung im Haushaltsplan selbst, ohne dass es auf den tatsächlichen Beschäftigungsbedarf ankomme (BAG v. 23.11.2004 - 2 AZR 38/04, demnächst AP Nr. 70 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, unter B I 1 d cc der Gründe).

b)

Es kann dahinstehen, ob einer so weit gehenden Privilegierung der Stellenstreichung des demokratisch legitimierten Haushaltsgesetzgebers, zu der auch ein datierter kw-Vermerk gehört, gefolgt werden kann. Bedenken bestehen, weil der Stellenplan des Haushalts keine unmittelbare Außenwirkung im Privatrechtsverkehr entfaltet, sondern nur die Verwaltung intern bindet; daran ändert auch die demokratische Legitimation des Haushaltsgesetzgebers und dessen "kommunalpolitische Verantwortung" nichts. Die Frage kann aber offen bleiben, weil auch bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze (vgl. oben BAG vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02, AP Nr. 128 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung unter B I 3 d der Gründe; LAG Sachsen-Anhalt vom 16.05.2000 - 8 (10) Sa 991/99, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigungen Nr. 56 a) festzustellen ist, dass bei der Beklagten ein die Kündigung sozial rechtfertigender Personalüberhang bestand.

Unstreitig beschäftigte die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung erzieherisches Personal in einem Umfang von 68,74 VbE. Nach Inkrafttreten des KiFöG verringerte sich der Personalbedarf der Beklagten aufgrund der geänderten Nachfrage an Betreuungsstunden wie auch aufgrund des geänderten Personalschlüssels auf 55,5 VbE, so dass sich ein Personalüberhang von über 13,2 VbE ergab.

aa)

Die Beklagte hat die künftig zu erwartende Nachfrage an Betreuungsstunden zutreffend ermittelt. Die Beklagte legte die Nachfrage für den Monat Mai zugrunde. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht aufgrund der Aussage der Zeugin J. zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich bei dem Monat Mai nach langjähriger Erfahrung um den Monat der Höchstbelegung im Jahresverlauf handelt. Gegenteilige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Die weitere Ermittlung der Betreuungsnachfrage entsprach den geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen des § 3 Abs. 1 KiFöG. Danach haben Eltern einen über 5 Stunden täglich hinausgehenden Betreuungsanspruch nur noch, wenn sie entsprechenden Bedarf nachweisen, etwa bei beiderseitiger Berufstätigkeit. Demgemäß hat die Beklagte mit dem Rundschreiben v. 18.03.2003 an die für eine Nachfrage nach Betreuungszeit in Betracht kommenden Eltern den Bedarf zutreffend ermittelt, indem sie die vorgelegten Bedarfsnachweise überprüfte und in allen Fällen, in denen solche nicht erbracht wurden, die Mindestbetreuungszeit von 5 Stunden zugrunde legte. Anhaltspunkte dafür, dass die Ermittlung fehlerhaft erfolgt wäre, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen hat auch die weitere Entwicklung die von der Beklagten angestellte Prognose über die nachgefragten Betreuungsstunden bestätigt.

Danach ergab sich eine Nachfrage an täglicher Betreuungszeit ab Mai 2003 im Krippenbereich in Höhe von 846 Stunden, nämlich 92 x 5 Stunden zuzüglich 32 x 8 Stunden zuzüglich 13 x 10 Stunden (vgl. Aufstellung Seite 5 der Klageerwiderung vom 07.10.2003, Bl. 48 d. A.). Im Bereich des Kindergartens ergab sich eine täglich Betreuungszeit von 2.465 Stunden, nämlich 217 x 5 Stunden zuzüglich 85 x 8 Stunden zuzüglich 70 x 10 Stunden (vgl. Seite 6 des vorgenannten Schriftsatzes, Bl. 49 d. A.). Im Bereich des Hortes ergab sich eine tägliche Betreuungsstundenzahl von 1.980, nämlich 330 x 6 Stunden (vgl. S. 6 des vorgenannten Schriftsatzes, Bl. 49 d. A.). Die vorgenannten Zahlen geben somit die künftig zu erwartende Höchstnachfrage an täglicher Betreuungszeit in den jeweiligen Bereichen zutreffend wieder.

bb)

Die Beklagte hat das erzieherische Fachpersonal, das sie nach ihrer unternehmerischen Entscheidungen für diese künftige Betreuungsnachfrage vorhalten will, entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 21 KiFöG berechnet. Gemäß § 21 Abs. 1 KiFöG muss die Betreuung, Bildung, Erziehung und Förderung der Kinder in den Kindertageseinrichtungen durch eine ausreichende Zahl geeigneter pädagogischer Fachkräfte gewährleistet sein. Absatz 2 der Vorschrift lautet:

Für eine Tageseinrichtung oder Außenstelle einer Tageseinrichtung gelten folgende Mindestpersonalschlüssel:

1. Kinderkrippe: 1 pädagogische Fachkraft für 6 Kinder,

2. Kindergarten: 1 pädagogische Fachkraft für 13 Kinder,

3. Hort: 1 pädagogische Fachkraft für 25 Kinder.

Bemessungsgrundlage ist für Satz 1 Nr. 1 und 2 eine 9-stündige, für Satz 1 Nr. 3 eine 6-stündige Betreuungszeit. Werden Kinder verschiedener Altersgruppen gemeinsam betreut, ist der Mindestpersonalschlüssel aus den sich pro Kind nach Satz 1 ergebenden Anteilen einer Fachkraft zu ermitteln. Das Landesjugendamt kann Ausnahmen von der Einhaltung des Mindestpersonalsschlüssels nach Satz 1 zulassen.

Die Ermittlung des vorzuhaltenden Fachpersonals erfolgt somit aufgrund des allgemeinen Verhältnisses von Betreuungsstunden und vorzuhaltenden Personal. Nicht maßgeblich ist die Relation zwischen der jeweiligen sich täglich und im Tagesverlauf ändernden Betreuungsnachfrage und den anwesenden Fachkräften. Dabei ist der Personaleinsatz so zu bemessen, dass für eine vertragsgemäße täglich 9-stündige Betreuung einer Kindergruppe von 6 Krippenkindern oder 13 Kindergartenkindern je eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft (40 Stunden pro Woche) einzuplanen ist. Es ergibt sich daraus für jede Betreuungsstunde eines Kindes ein Personaleinsatz von 8 : 9 : 6 = 0,148148 Arbeitsstunden im Krippenbereich bzw. 8 : 9 : 13 = 0,0684 Arbeitsstunden im Kindergartenbereich. Im Hortbereich berechnet sich der Bedarf an Arbeitsstunden von Fachkräften je Betreuungsstunde mit 8 : 6 : 25 = 0,0533 Stunden. Die ermittelten Zahlen entsprechen im Übrigen der Begründung des Gesetzentwurfes (vgl. Landtagsdrucks. 4/399 v. 04.12.02, S. 27) sowie den Empfehlungen des Ministeriums für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt (vorgelegt mit der Anlage B 3 zur Klageerwiderung vom 07.10.2003).

Daraus ergibt sich im Krippenbereich ein Personalbedarf von 846 täglichen Betreuungsstunden (vgl. oben aa) x 5 Wochentage x Faktor 0,148148 : 40 Wochenstunden = 15,666 VbE (nicht 15,625 VbE, wie die Beklagte errechnet hat). Im Kindergartenbereich ergibt sich bei einer täglichen Betreuungsnachfrage von 2.465 Stunden x 5 Wochentage x Faktor 0,0684 : 40 Wochenstunden ein Bedarf von 21,076 VbE. Im Hortbereich errechnet sich der Bedarf aus 1.980 täglichen Betreuungsstunden x 5 Wochentage x Faktor 0,0533 : 40 Wochenstunden auf 13,192 VbE, insgesamt mithin auf 49,934 VbE (Beklagte: 49,893 VbE). Hinzugerechnet hat die Beklagte vom Gesetz nicht näher vorgegebene Leitungsstunden für die Leiterinnen der jeweiligen Einrichtungen in Höhe von insgesamt 5,6 VbE. Dies wird von der Klägerin nicht beanstandet. Es ergibt sich somit ein Gesamtbedarf in Höhe von 55,534 VbE. Die Differenz zum tatsächlichen Beschäftigungsbestand vor Ausspruch der Kündigung in Höhe von 68,74 VbE beträgt 13,206 VbE. Der aufgrund des Stadtratsbeschlusses abgebaute Personalüberhang von 13,2 VbE liegt somit vor.

cc)

Gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 hat die Beklagte diesen Mindestpersonalschlüssel für jede Tageseinrichtung oder Außenstelle vorzuhalten. Dies kann die Beklagte ohne weiteres dadurch gewährleisten, dass sie von ihrem vertraglichen Versetzungsrecht entsprechend der jeweiligen Betreuungsnachfrage in den jeweiligen Einrichtungen bzw. Außenstellen Gebrauch macht. So hat auch die Klägerin einen Arbeitsvertrag, der sie als "Mitarbeiterin in Kindertagesstätten" bezeichnet und dazu verpflichtet, im Bereich sämtlicher Kindertagestätten der Stadt S. zu arbeiten. Eine Begrenzung auf eine bestimmte Einrichtung lässt sich dem Vertrag nicht entnehmen. Dies gilt auch für die übrigen Beschäftigten, zumal der Arbeitgeber den BAT-O und damit auch die Versetzungsklausel des § 13 BAT-O anwendet.

c)

Bei Ausspruch der Kündigung am 23.06.2003 war der Rückgang des Fachkräftebedarfs nach dem Vorstehenden ohne weiteres erkennbar und hatte in Folge des Inkrafttretens des KiFöG, des Stadtratsbeschlusses und der Dienstvereinbarung mit dem Personalrat vom 21.05.2003 bereits hinreichend greifbare Formen angenommen. Ob der Stadtratsbeschluss wirksam oder unwirksam war, ist somit unerheblich (BAG vom 05.04.2001 - 2 AZR 696/99, AP Nr. 117 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Abgesehen davon bestehen keine Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit des Stadtratsbeschlusses. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die unternehmerische Entscheidung, den Personalbestand der geänderten zu erwartenden Nachfrage an Betreuungsstunden anhand des von § 21 KiFöG vorgegebenen Personalschlüssels zu bemessen, aus besonderen Gründen praktisch nicht umsetzbar sein könnte. Die nachfolgende Entwicklung hat die unternehmerische Entscheidung vielmehr bestätigt. Soweit die Beklagte nachfolgend bei drei Mitarbeiterinnen die wöchentliche Arbeitszeit im Kalenderjahr 2004 entgegen den zunächst ausgesprochenen Änderungskündigungen wieder auf 30 bzw. 32 Stunden heraufgesetzt hat (S., S. und R.) stellt dies die Prognose nicht in Frage. Wie die Beklagte näher und ohne substanziiertes Bestreiten der Klägerin vorgetragen hat, beruhten diese Maßnahmen ausschließlich auf nachfolgenden nicht vorhersehbaren Entwicklungen, nämlich der geringfügigen Erhöhung der Arbeitszeiten der Leiterinnen gemäß Dezernentenbeschluss vom 17.12.2003 nach dem unvorhergesehenen Ausscheiden der Mitarbeiterinnen L. und Z. sowie einer zuvor nicht absehbaren erhöhten Inanspruchnahme der Altersteilzeitregelung (Sommer) und nicht vorhersehbaren längerfristigen Erkrankungen.

2.

Die betriebsbedingte Änderungskündigung der Beklagten hält auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stand. Ist der Beschäftigungsbedarf entfallen, ist die Kündigung nur dann durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Die Zuweisung einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Wege der Versetzung oder Änderungskündigung hätte vor der Beendigungskündigung bzw. Reduzierung der Arbeitszeit Vorrang (ständige Rechtssprechung des BAG, vgl. HWK/Quecke in Arbeitsrecht Kommentar, Henssler, Willemsen, Kalb (Hrsg.), § 1 KSchG Rz. 274 ff. m. w. N.; krit. hierzu jetzt Annuß, NZA 2005, 443 ff.). Eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin im Umfang der reduzierten Arbeitszeit (32 - 24,5 = 7,5 Stunden pro Woche) bestand bei der Beklagten nicht. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die im Rahmen des Förderprogramms des Landes Sachsen-Anhalt "Aktiv zur Rente" im Erziehungsbereich eingesetzten neun Arbeitnehmerinnen der SSG. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte ihr anstelle der Kürzung ihrer Arbeitszeit um 7,5 Stunden die Tätigkeiten dieser Arbeitnehmerinnen hätte zuweisen müssen.

a)

Sofern es sich, wie die Klägerin behauptet hat, bei den SSG-Mitarbeiterinnen in Wahrheit um Arbeitnehmerinnen der Beklagten selbst gehandelt haben sollte, konnte die Klägerin als erzieherische Fachkraft diese ungelernten Hilfskräfte schon deshalb nicht im Wege der Sozialauswahl verdrängen, weil sie mit ihnen arbeitsvertraglich nicht vergleichbar war. Nach ständiger Rechtssprechung des BAG sind in der Sozialauswahl nur solche Arbeitnehmer vergleichbar, deren Tätigkeit den unmittelbar betroffenen Arbeitnehmern, hier also der Klägerin, nach deren Arbeitsvertrag im Wege des Direktionsrechts übertragen werden könnte (ständige Rechtssprechung des BAG, vgl. HWK/Quecke, a. a. O., § 1 KSchG Rz. 360 ff. m. w. N.). Das ist bei der Klägerin, die als erzieherische Fachkraft beschäftigt wird, nicht der Fall.

b)

Handelte es sich hingegen tatsächlich um Arbeitnehmerinnen der SSG, die an die Beklagte "ausgeliehen" waren, kann die Klägerin ebenfalls nicht geltend machen, mit den verkürzten 7,5 Arbeitsstunden dort eingesetzt zu werden. Die Beklagte hat nicht die Arbeitszeit ihrer Erzieherinnen reduziert, um - im Wege des Austauschs - billige Leiharbeitskräfte der SSG einsetzen zu können. Es handelt sich mithin nicht um eine unzulässige Austauschkündigung (BAG vom 26.09.1996 - 2 AZR 200/96, NZA 1997, 2002 - Crewing; HWK/Quecke, a. a. O. § 1 KSchG Rz. 269 und 299). Vielmehr hat die Beklagte die Arbeitnehmerinnen der SSG bereits seit dem Jahre 2001 beschäftigt. Ein Austausch hat somit nicht stattgefunden.

Die Beklagte war aber auch nicht gehalten, den leihweisen Einsatz der SSG-Arbeitnehmerinnen abzubauen und das hierdurch frei werdende Arbeitsvolumen der Klägerin und ihren Kolleginnen anzubieten, bevor sie deren Arbeitszeit verringerte. Die Frage, ob der Arbeitgeber aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet ist, vor Ausspruch einer Beendigungskündigung bzw. Verringerung von Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer einen Personalüberhang durch Rückführung dauerhafter Leiharbeit abzubauen, ist streitig (vgl. HWK/Quecke, a. a. O. § 1 Rz. 272 m. w. N.). Die Frage bedarf hier keiner Entscheidung. Denn durch den Abbau der Beschäftigung von SSG-Arbeitnehmerinnen hätten sich bei der Beklagten keine neuen Arbeitsplätze ergeben. Gemäß dem Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes S. vom 16.07.2001 sind die Arbeitnehmer der SSG im Rahmen der Landesinitiative "Aktiv zur Rente" zur Förderung der Beschäftigung in Strukturanpassungsmaßnahmen gemäß §§ 272 ff., 415 SGB III eingesetzt worden. Nach Ziffer 12 des Bewilligungsbescheides geschah dies unter der Bedingung, dass der vom Kinderbetreuungsgesetz Sachsen-Anhalt vorgeschriebene Personalschlüssel eingehalten wird. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass es sich um "zusätzliche" Beschäftigungsangebote in kommunalen Kindertageseinrichtungen handelte. Für den Einsatz derartiger Hilfskräfte über den gesetzlich geforderten Fachkräfteschlüssel hinaus waren im Haushaltsplan der Beklagten keine Stellen ausgebracht. Die Beklagte kann auch nicht zur Vorhaltung derartiger Stellen gezwungen werden, vielmehr handelt es sich gerade um eine zusätzliche Beschäftigung, welche ohne die 100 %-ige Förderung durch das Arbeitsamt nicht existierte. Damit schied der Abbau des leihweisen Einsatzes von SSG-Arbeitnehmerinnen als milderes Mittel vor Ausspruch der Änderungskündigungen aus.

Das Gleiche gilt schließlich für den Einsatz der Sozialhilfeempfängerin K. als gewerbliche Arbeitnehmerin in der Pflege der Grünanlagen in der Zeit vom 19.04.2004 bis zum 18.10.2004 im Rahmen des Sonderprogramms des Bundes zum (Wieder-)Einstieg von Langzeitarbeitslosen ab 25 Jahren in Beschäftigung - Arbeit für Langzeitarbeitslose (AfL) vom 16.07.2003 (vgl. Bl. 482 ff. d. A.). Auch hier ist Voraussetzung für die Fördermaßnahme, dass es sich um gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten handelt, die nicht in den Stellenplan eingehen. Zusätzlich ist nur die Arbeit, die sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die durch den Bescheid des Landkreises S. vom 19.04.2004 festgestellten Voraussetzungen hier nicht vorliegen. Zudem ist nichts dafür ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 23.06.2003 Anhaltspunkte dafür bestanden, dass eine derartige Maßnahme im Rahmen der Pflege der Grünanlagen der Kindertagesstätten ab dem 19.04.2004 durchgeführt werden würde.

3.

Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hätte. Kündigt der Arbeitgeber sämtlichen vergleichbaren Arbeitnehmern gleichmäßig entsprechend dem reduzierten Beschäftigungsbedarf, stellt sich die Frage der Sozialauswahl nicht, da für jeden Arbeitnehmer ein dringendes betriebliches Erfordernis entsprechend der vorgenommenen Änderung unmittelbar besteht und kein Arbeitnehmer ausgenommen bleibt (vgl. HWK/Quecke, a. a. O. § 1 KSchG Rz. 365). Aus § 1 Abs. 3 KSchG folgt auch kein über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus wirkendes Prinzip, wonach sich ein Abbau des Personalbestandes stets nur nach den Kriterien der Sozialauswahl vollziehen dürfte (BAG vom 19.05.1993 - 2 AZR 584/92, NZA 1993, 1075). Aber auch wenn man bedenkt, dass die Beklagte hier eine vollständig gleichmäßige Kürzung der Arbeitszeit nicht vorgenommen hat, da die Arbeitszeit in keinem Fall unter 20 Wochenstunden reduziert wurde und die in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmerinnen nicht betroffen waren, verstößt das Vorgehen der Beklagten nicht § 1 Abs. 3 KSchG. Denn zum einen hat die von der Beklagten vorgenommene Verteilung der Lasten ausreichend soziale Gesichtspunkte berücksichtigt. Bei der nahezu gleichmäßigen Verteilung unter Ausschluss lediglich der vertraglich gebundenen Arbeitnehmerinnen in Altersteilzeit und unter Berücksichtigung einer verbleibenden Mindestarbeitszeit von 20 Stunden pro Woche handelt es sich um eine sozial ausgewogene, den Schutz der Arbeitslosenversicherung erhaltende Regelung. Zum anderen war es der Beklagten gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG a.F. unbenommen, von der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten wegen entgegenstehender berechtigter betrieblicher Bedürfnisse, die eine Weiterbeschäftigung von bestimmten Arbeitnehmern bedingen, abzusehen. Denn eine ausschließliche Orientierung an Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten hätte dazu geführt, dass vornehmlich die jüngsten Mitarbeiter hätten gekündigt werden müssen. Damit wäre das Durchschnittsalter auf 50 Jahre angestiegen (vgl. Beschlussvorlage vom 22.05.2003 zum Stadtratsbeschluss vom 05.06.2003 Bl. 75 ff. d. A.). Eine derartige Verzerrung der Personalstruktur in dem durch persönliche Ausstrahlung geprägten Bereich der Erziehung brauchte die Beklagte nicht hinzunehmen (vgl. zur Rechtslage nach § 1 Abs. 3 KSchG a. F. HWK/Quecke, a. a. O., 1 KSchG Rz. 405 a. E. m. w. N.).

II.

Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlerhafter Beteiligung des Personalrats unwirksam. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen, denen die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mit substanziiertem Sachvortrag entgegengetreten ist.

III.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision wurde gemäß 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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