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Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: 8 Sa 562/03
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 157 | |
BetrVG § 113 |
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
verkündet am: 08. Juni 2004
In dem Rechtsstreit
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 08.06.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Quecke als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Karnop und Brandt
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 03.07.2003 - 3 Ca 940/03 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger neben einer Abfindung, die die Parteien zur Erledigung eines Kündigungsschutzprozesses vergleichsweise vereinbarten, zusätzlich die Abfindung aus einem zuvor abgeschlossenen Sozialplan zusteht.
Der Kläger war bei der Beklagten von 1993 bis zum 31.01.2003 als Arbeitnehmer beschäftigt. Am 10./15.10.2002 vereinbarte die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich über Personalabbau sowie einen Sozialplan. Mit Schreiben vom 28.10.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.01.2003. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. In der Güteverhandlung am 03.12.2002 vereinbarten die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis mit dem 31.01.2003 ende und bis dahin unter Fortzahlung der Bezüge und Freistellung des Klägers abgewickelt werde. Weiterhin verpflichtete sich die Beklage, an den Kläger "für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung" in Höhe von 10.200,00 € zu zahlen. Mit den Schreiben vom 19./21.02.2003 verlangte der Kläger von der Beklagten zusätzlich zu der Abfindung aus dem gerichtlichen Vergleich (10.200,00 €) eine Abfindung gemäß dem Sozialplan in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 4.112,00 €.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt er diesen Anspruch weiter. Er hat geltend gemacht, dass der gerichtliche Vergleich vom 03.12.2002 eine "große Ausschlussklausel" nicht enthalte. Von der Existenz eines Interessenausgleischs und eines Sozialplanes habe der Kläger im Verlaufe des Kündigungsschutzverfahrens erfahren. Der Inhalt seines Abfindungsanspruchs aus dem Sozialplan sei ihm erst nachträglich bekannt geworden. Auch der Sozialplan enthalte keine Anrechnungsregelung in Bezug auf etwaige Abfindungen aus einem Kündigungsschutzprozess. Schließlich dienten die jeweiligen Abfindungen unterschiedlichen Zwecken: Während die Abfindung aus dem gerichtlichen Vergleich sich aus einer Kapitalisierung weiterer Zahlungsansprüche des Klägers sowie aus einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes zusammensetze, diene die Abfindung aus dem Sozialplan der Abfederung wirtschaftlicher Nachteile für den Verlust des Arbeitsplatzes.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.114,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat gemäß dem Antrag der Beklagten mit Urteil vom 03.07.2003, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Der Kläger müsse sich die im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindungssumme auf die Sozialplanabfindung anrechnen lassen, da sie aus dem Gesamtzusammenhang des Vergleichs ergebe, dass eine abschließende Regelung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden sollte und der Kläger von seinem Wahlrecht, in welcher Form er eine Abfindung erhalten wollte, durch Erhebung der Kündigungsschutzklage Gebrauch gemacht habe.
Gegen das am 04.08.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 03.09.2003 eingelegte und am 01.10.2003 begründete Berufung des Klägers, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens den Klageanspruch weiter verfolgt. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie auf ihre Protokollerklärungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten keine weitere Sozialplanabfindung verlangen. Sein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan ist mit Zahlung Der Abfindung aus dem gerichtlichen Vergleich erfüllt worden (§ 362 BGB).
1.
Der Kläger konnte von der Beklagen aus dem Sozialplan vom 10./15. Oktober 2002 die Zahlung einer Abfindung in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 4.114,00 € verlangen. Die Voraussetzungen des Sozialplans sind - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - erfüllt. Gemäß § 5 Abs. 5 des Sozialplans wurde der Anspruch nach Ablauf von sechs Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, mithin am 14.03.2003.
2.
Der Anspruch ist durch Zahlung der Abfindung aus dem gerichtlichen Vergleich in Höhe von 10.200,00 € erfüllt und somit erloschen (§ 362 BGB). Die Abfindung aus dem gerichtlichen Vergleich umfasste auch die Sozialplanabfindung im Sinne einer wechselseitigen Anrechnung. Dies ergibt die Auslegung des Vergleichs.
a)
Der Prozessvergleich kommt als Vertrag (§ 779 BGB) durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Sein Inhalt ist demgemäß durch Auslegung gemäß den §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Aus der danach maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers kann eine Verpflichtung, "für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfin-dung" zu zahlen, nur dahin ausgelegt werden, dass die Zahlung einer weiteren Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes jedenfalls ausgeschlossen sein soll. Einer zusätzlichen Ausgleichsklausel oder einer weiteren Klarstellung, dass nicht noch eine zusätzliche Sozialplanabfindung geschuldet werde, bedurfte es darüber hinaus nicht. Denn die Sozialplanabfindung wird ebenfalls für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt, also für denselben Zweck, dem die "einmalige" Abfindung aus dem gerichtlichen Vergleich diente. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann bereits eine teilweise Zweckidentität den Arbeitgeber berechtigen, eine gezahlte Sozialplanabfindung auf einen dem Arbeitnehmer geschuldeten Nachteilsausgleich im Sinne von § 113 BetrVG anzurechnen (BAG 20.11.2001 - 1 AZR 97/01, AP Nr. 39 zu § 113 BetrVG 1972; vgl. zudem KR/Spilger, § 9 KSchG Rz. 77). Umso mehr muss dies im vorliegenden Fall gelten, selbst wenn die im Vergleich vereinbarte Abfindung - entgegen dem Wortlaut - außer einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes auch einen Risikozuschlag für den Ausgang des Rechtsstreits enthalten sollte.
b)
Anhaltspunkte dafür, dass die im Vergleich vereinbarte Abfindung in kapitalisierter Form Zahlungsansprüche des Klägers enthält, bestehen nicht. Nach dem Vergleich dient die Abfindung ausdrücklich als Entschädigung "für den Verlust des Arbeitsplatzes". Soweit in Ziffer 3 des Vergleichs die Feststellung getroffen wird, dass Urlaubsansprüche und Ansprüche auf Zahlung von Überstundenvergütung nicht mehr bestehen, lässt dies ebenfalls nicht den Schluss auf eine solche Kapitalisierung von Ansprüchen zu. Denn der Kläger ist gemäß Ziffer 1 des Vergleichs unwiderruflich unter Fortzahlung seiner Bezüge für nahezu zwei Monate von der Arbeitsleistung freigestellt worden. Unter diesen Umständen kann der Vergleich - auch im Hinblick auf die Höhe der vereinbarten Abfindung - nicht entgegen seinem ausdrücklichen Wortlaut dahin ausgelegt werden, dass er sonstige Abfindungsansprüche für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht berühre.
3.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 72 a ArbGG bestanden nicht.
Ende der Entscheidung
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