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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 03.06.2003
Aktenzeichen: 8 Sa 686/02
Rechtsgebiete: SGB III, EStG


Vorschriften:

SGB III § 178
EStG § 3 Nr. 2
EStG § 32 b Abs. 1 Nr. 1 g
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 686/02

verkündet am: 03. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 03. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Quecke als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Wagener und Schnell als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 29.08.2002 - 3 Ca 1346/02 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte aufgrund eines im Arbeitsvertrag zugesagten Zuschusses zum Kurzarbeitergeld auf 70 % des Nettogehalts verpflichtet ist, den Kläger von Belastungen freizustellen, die sich aus dem steuerlichen Progressionsvorbehalt für Kurzarbeitergeld ergeben.

Der 1943 geborene Kläger war bis zum 30.04.2001 als Geschäftsführer der ... GmbH, einer 100 %igen Tochtergesellschaft der damaligen ... (heute ...) tätig. Zugleich mit seinem Ausscheiden aus der ... GmbH wechselte der Kläger als Arbeitnehmer (kaufmännischer Mitarbeiter) zu der Beklagten, die ebenfalls 100 %ige Tochter der ... ist. Bei der Beklagten galt Kurzarbeit "null". Gemäß § 1 des entsprechenden Arbeitsvertrages zwischen den Parteien vom 21.03.2001 (Bl. 16 - 17 d.A.) war das Arbeitsverhältnis befristet bis zum 31. Januar 2003. § 4 lautet:

Vergütung

Herr K. erhält für seine vertragliche Tätigkeit eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 13.037,00 DM.

In dem Unternehmen wird Kurzarbeit durchgeführt. Die Differenz zwischen dem Kurzarbeitergeld und dem Nettoentgelt wird auf 70 % aufgestockt. Auf der Lohnsteuerkarte vermerkte Steuerfreibeträge bleiben außer Betracht.

In § 7 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien eine so genannte zweistufige Ausschlussfrist, auf die Bezug genommen wird.

Ausgehend von 13.037,00 DM brutto und der Steuerklasse des Klägers (III) errechnete sich ein Nettoeinkommen in Höhe von 8.449,93 DM (vgl. Fiktivberechnung Bl. 18 d.A.). Hiervon 70 % ergeben 5.914,95 DM.

Die Beklagte zahlte in der Folgezeit an den Kläger monatlich 5.914,95 DM netto aus. Der Betrag setzte sich zusammen aus dem grundsätzlich steuerfreien Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 % der Nettoentgeltdifferenz gemäß § 178 SGB III und dem grundsätzlich zu versteuernden Aufstockungsbetrag des Arbeitgebers. Da der Aufstockungsbetrag unter dem Monatsbetrag lag, ab dem bei der Steuerklasse III Lohnsteuern anfallen, führt die Beklagte auf ihn keine Lohnsteuer ab.

Aufgrund des so genannten Progressionsvorbehaltes, dem das grundsätzlich steuerfreie Kurzarbeitergeld unterliegt, ergibt sich bei der obligatorischen jährlichen Einkommenssteuerveranlagung (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG) eine Steuerpflicht für den Zuschuss, da zur Ermittlung der Steuer das an sich steuerfreie Kurzarbeitergeld hinzugerechnet und sodann die Steuerpflicht für den Zuschuss festgestellt wird, während das Kurzarbeitergeld selbst steuerfrei bleibt.

Mit Schreiben vom 01.02.2002 verlangte der Kläger von der Beklagten die Einhaltung der Nettolohnzusage. Mit Schreiben vom 25.02.2002 lehnte die Beklagte Ansprüche des Klägers ab.

Mit seiner am 22.04.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf weitere Zahlungen der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Erfüllung bzw. des Schadensersatzes weiter. Er hat behauptet, nach Auskunft des Finanzamtes entfalle ausschließlich aufgrund des Progressionsvorbehaltes auf die Zuschussleistungen der Beklagten im Jahre 2001 eine Steuerschuld in Höhe von 1.558,61 €. Seine auf Ausgleich der steuerlichen Nachteile für das Jahr 2001 und - im Wege der Feststellung - auch für das Jahr 2002 gerichtete Klage hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 29.08.2002, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte ihre Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag erfüllt habe. Aus der Regelung in § 4 des Arbeitsvertrages lasse sich nicht entnehmen, dass die Beklagte nicht nur den Nettolohn nach der Monatslohnsteuertabelle schuldete, sondern auch individuelle, ihr nicht näher bekannte Umstände aus der Jahreseinkommenssteuererklärung des Klägers hätte berücksichtigen müssen.

Gegen das ihm am 18.11.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.12.2002 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 03.02.2003 am 03.02.2003 begründet. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und beziffert den auf das Jahr 2002 entfallenden steuerlichen Nachteil auf 1.616,96 €. Zur Begründung des Klagebegehrens wiederholt und vertieft er sein erstinstanzlichen Vorbringen, wonach § 4 des Arbeitsvertrages dahin auszulegen sei, dass der Kläger auch von steuerlichen Nachteilen, die sich aus der "Schattenbesteuerung" des Aufstockungsbetrages zum Kurzarbeitergeld ergeben, freizustellen sei. Die Beklagte habe gerade mit ihrer fiktiven Berechnung des Nettoeinkommens diesen Eindruck bestärkt. Bei entsprechenden Vertragsgestaltungen von Arbeitnehmern der ... GmbH, die, ebenso wie später der Kläger, zur Beklagten gewechselt seien, sei von Seiten der ... GmbH wie auch von Seiten der Muttergesellschaft ... stets geäußert worden, dass den Arbeitnehmern der errechnete Nettobetrag uneingeschränkt zur Verfügung stünde. Hierauf habe auch der Kläger vertraut, der an derartigen Gesprächen als ehemaliger Geschäftsführer teilgenommen hatte. Zumindest habe die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages Aufklärungspflichten verletzt und sei daher zum Schadensersatz in entsprechender Höhe verpflichtet. Den auf dem Progressionsvorbehalt beruhenden Steuernachteil für den Zuschuss im Januar 2003, dem letzten Monat des Arbeitsverhältnisses, beziffert der Kläger mit 163,07 €.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.558,61 € netto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. April 2002 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.616,96 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14. Februar 2003 zu zahlen.

Hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Steuernachteile auszugleichen, die sich aus der progressiven Versteuerung des Zuschusses zum Kurzarbeitergeld für das Jahr 2002 ergeben.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 163,07 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. April 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat weder aus § 4 des Arbeitsvertrages Anspruch auf weitergehende Zahlungen noch kann er aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verletzung von Aufklärungspflichten den Ausgleich seiner Steuernachteile verlangen. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag für das Jahr 2002 ist demgemäß ebenfalls unbegründet.

1.

Aus § 4 des Arbeitsvertrages der Parteien lässt sich der erhobene Anspruch nicht herleiten.

a)

Der aufgrund § 4 des Arbeitsvertrages erbrachte Aufstockungsbetrag auf das Kurzarbeitergeld ist grundsätzlich steuerpflichtig. Das Kurzarbeitergeld selbst ist gemäß § 3 Nr. 2 EStG hingegen grundsätzlich steuerfrei. Da die Einkommenssteuer von einer bestimmten Höhe des Einkommens an progressiv gestaffelt ist (§ 32 a EStG), wird das Kurzarbeitergeld nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 g EStG bei der Ermittlung des für den Steuerpflichtigen maßgeblichen Steuersatzes berücksichtigt. Das kann dazu führen, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner persönlichen Steuermerkmale und seiner sonstigen Einkünfte nach der zwingend vorgeschriebenen Antragsveranlagung (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG) Steuern nach entrichten muss.

Ein solcher Fall könnte beim Kläger vorliegen. Es erscheint denkbar und sogar wahrscheinlich, dass der Kläger aufgrund des Progressionsvorbehaltes für die Jahre 2001, 2002 und 2003 an das Finanzamt Einkommenssteuer nachzahlen muss. Einen entsprechenden Festsetzungsbescheid hat der Kläger im Rechtsstreit nicht vorgelegt und sich lediglich auf eine Auskunft des Finanzamtes berufen. Ob und ggf. in welcher Höhe der Progressionsvorbehalt bei der Einkommenssteuerveranlagung des Klägers zu einer Steuernachzahlung führt, braucht indessen nicht festgestellt zu werden. Denn die Beklagte hat die Steuernachteile nach der vertraglichen Vereinbarung nicht auszugleichen.

b)

Die Auslegung des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien führt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte darin keine Verpflichtung zur Freistellung des Klägers von progressionsbedingten Steuerbelastungen übernommen hat. Die Beklagte schuldete weder die vom Kläger in erster Linie begehrte "beschränkte" steuerliche Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes unter Ausblendung sonstiger Einkunftsarten und etwaiger Verluste, noch schuldete sie überhaupt eine Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes. Sie hat ihre Verpflichtungen aus § 4 des Arbeitsvertrages vielmehr erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

aa)

Hierfür spricht bereits der Wortlaut der getroffenen Vereinbarung: "Die Differenz zwischen dem Kurzarbeitergeld und dem Nettoentgelt wird auf 70 % aufgestockt. Auf der Lohnsteuerkarte vermerkte Steuerfreibeträge bleiben außer Betracht." Mit der erstgenannten, nicht ganz treffenden Formulierung wollten die Parteien vereinbaren, dass die Beklagte das Kurzarbeitergeld auf 70 % des Nettoentgeltes aufstockt. Nicht die "Differenz zwischen dem Kurzarbeitergeld und dem Nettoentgelt" sollte aufgestockt werden, sondern es sollte - im Hinblick auf die vereinbarte Kurzarbeit "null" - dem Kläger zusätzlich zu dem Kurzarbeitergeld ein Aufstockungsbetrag gezahlt werden bis zur Höhe von 70 % des Nettoentgeltes. Mit diesem Inhalt entspricht die Vereinbarung insoweit der Sachlage, die der Entscheidung des BAG vom 08.09.1998 (9 AZR 255/97 - AP Nr. 10 zu § 611 BGB Nettolohn; bestätigt für Altersteilzeitverträge durch BAG vom 25.06.2002 - 9 AZR 155/01, BB 2002, 2605; BAG vom 01.10.2002 - 9 AZR 2098/01, n.v.; BAG vom 18.03.2003 - 9 AZR 61/02, n.v.) zugrunde lag ("90 % des letzten Nettogehalts"). Die zusätzliche Vereinbarung der Parteien, wonach etwaige auf der Lohnsteuerkarte vermerkte Steuerfreibeträge außer Betracht bleiben, diente der Bestimmung des maßgeblichen Nettoentgelts. Bereits hier haben sich die Vertragsparteien von den individuellen steuerlichen Gegebenheiten beim Kläger gelöst.

Die Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten "Nettoentgelts" stellt eine so genannte Nettolohnabrede dar. Zwar haben die Parteien nicht die steuerlichen Merkmale des Klägers in der Vereinbarung festgeschrieben. Etwaige Änderungen auf Seiten des Klägers, die der Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren zu berücksichtigen hat (etwa Änderung der Steuerklasse, Eintragung eines Kindes auf der Steuerkarte etc.), blieben damit für die von der Beklagten vorzunehmende Berechnung des Nettoentgelts relevant. Hiervon haben die Parteien lediglich etwaige Freibeträge auf der Steuerkarte ausgenommen. Insbesondere haben die Parteien nicht die als Anlage K 2 der Klageschrift zur Akte gereichte "Fiktivberechnung" vom 19.06.2001 (Bl. 18 d.A.) zum Gegenstand ihrer Vereinbarung erhoben. Es handelte sich vielmehr um eine nachträgliche Ermittlung des Nettoeinkommens auf Basis der damaligen Gegebenheiten. Daraus folgt aber nur, dass der Arbeitgeber eine Änderung der vorgenannten persönlichen Steuermerkmale im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses berücksichtigen musste, soweit sie im Lohnabzugsverfahren von Bedeutung sind.

Eine solche Nettolohnabrede verpflichtet den Arbeitgeber jedoch nur, die Steuern des Arbeitnehmers im Innenverhältnis zu tragen, die der Arbeitgeber ansonsten für Rechnung des Arbeitnehmers vom Bruttoentgelt abführen müsste. Zu der Verpflichtung, den Arbeitnehmer von der Steuerlast freizustellen, die im Lohnabzugsverfahren anzusetzen ist, gehört nicht die sich aus den Progressionsvorbehalt ergebende individuelle Steuerlast des Arbeitnehmers. Diese lässt sich erst durch die für Kurzarbeitergeldempfänger nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zwingend vorgeschriebene Antragsveranlagung ermitteln (BAG Urteil vom 08.09.1998 - 9 AZR 955/97, AP Nr. 10 zu § 611 BGB Nettolohn). Hätten die Parteien über eine bloße Nettolohnabrede im vorgenannten Sinne hinaus vereinbaren wollen, dass die Beklagte den Kläger auch von der Steuerlast freizustellen habe, die sich erst im Einkommenssteuerjahresausgleich ergeben, hätte der bloße Hinweis auf ein "Nettoentgelt" nicht genügt. Vielmehr hätten die Parteien eine Abrede darüber treffen müssen, ob die effektiven Steuernachteile auszugleichen sind, was die Vorlage des Einkommenssteuerjahresausgleichsbescheides erfordert hätte, oder ob, worauf der Kläger hinaus will, eine pauschalierte Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes stattzufinden habe, unabhängig davon, ob und in ggf. in welcher Höhe tatsächlich daraus ein Steuernachteil entsteht. Das Fehlen einer solchen Vereinbarung spricht dafür, dass § 4 des Arbeitsvertrages dahin auszulegen ist, dass die Beklagte dem Kläger lediglich eine Freistellung von den im Lohnsteuerabzugsverfahren anfallenden Steuern zugesagt hat.

bb)

Auch die weiteren Umstände bei Vertragsschluss lassen nicht auf eine andere Auslegung schließen. Die am 19.06.2001 gefertigte "Fiktivberechnung" (Anlage K 2 zur Klageschrift, Bl. 18 d.A.) ist für die Auslegungsfrage unergiebig. Zum einen ist sie erst ca. drei Monate nach Vertragsschluss vorgenommen worden. Zum anderen kann ihr selbst dann, wenn aus ihr auf den gemeinsamen Vertragswillen geschlossen werden könnte, kein Anhaltspunkt für eine Verpflichtung der Beklagten zur Ausgleichung der steuerlichen Nachteile entnommen werden, die sich aus der progressiven Versteuerung des Zuschusses zum Kurzarbeitergeld ergeben. Die Fiktivberechnung betrifft die Ermittlung des maßgeblichen Nettoentgelts i.S.v. § 4 des Arbeitsvertrages. Ob dieses Nettoentgelt im Sinne des Lohnsteuerabzugsverfahrens netto zu zahlen ist oder darüber hinaus auch die Übernahme der aus dem Progressionsvorbehalt folgenden steuerlichen Nachteile durch die Beklagte geschuldet ist, lässt sich der Fiktivberechnung nicht entnehmen.

Sonstige Anhaltspunkte, die für eine Auslegung des Vertrages i.S.d. Klägers sprechen, sind nicht ersichtlich. Soweit von Seiten der DVI GmbH oder der MEAG gegenüber anderen Arbeitnehmern der DVI GmbH, die zu der Beklagten gewechselt sind, Äußerungen über die Berechnung des Nettoentgelts getätigt wurden, können sie für die Vereinbarungen zwischen den Parteien keine Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus lassen sie auch inhaltlich nicht den Schluss auf die eine oder andere Auslegung zu und haben in dem Arbeitsvertrag vom 21.03.2001 keinen Niederschlag gefunden.

cc)

Auch aus Sinn und Zweck der Regelung folgt nichts anderes. Sofern der Kläger vorträgt, dass er bei der Verhandlung mit seinem früheren Dienstherrn und der ... darauf gedrungen habe, dass ihm 70 % seines bisherigen Nettoeinkommens verbleiben müssten, hat dies im Arbeitsvertrag nur insoweit Niederschlag gefunden, als sich die Beklagte zur Zahlung eines bestimmten Nettoentgelts verpflichtet hat. Weder wurde eine pauschale Ausgleichung etwaiger Nachteile aus dem Progressionsvorbehalt noch etwa ein exakter individueller Ausgleich vereinbart. Damit hat es der Kläger hinzunehmen, dass er letztlich unter Umständen weniger als die vereinbarten 70 % behält, sofern der Progressionsvorbehalt tatsächlich unter Berücksichtigung sämtlicher individueller Gegebenheiten des Klägers (Einkünfte bzw. Verluste aus sonstigen Steuerarten, Werbungskosten, Zusammenveranlagung etc.) zu der behaupteten Steuernachzahlung führt.

Die weiteren vom Kläger angeführten Besonderheiten des Sachverhalts sprechen schließlich ebenfalls nicht für seine Auslegung. Der Kläger beruft sich darauf, dass in seinem Fall entscheidende Unterschiede zu dem Sachverhalt bestünden, der der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.09.1998 (9 AZR 255/97, AP Nr. 10 zu § 611 BGB Nettolohn) zugrunde lag. Dort hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Zusage eines Arbeitgebers in einem Aufhebungsvertrag, den Arbeitnehmer so zu stellen, dass dieser während der Arbeitslosigkeit unter Anrechnung eines Teils der Abfindung und der Leistungen Dritter im Monatsdurchschnitt 90 % des letzten Nettogehalts erhalte, den Arbeitgeber nicht verpflichte, dem Arbeitnehmer steuerliche Nachteile auszugleichen, die sich aus der Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes für das Arbeitslosengeld ergeben. Zwar geht es im vorliegenden Fall nicht um die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf ein zugesagtes Nettogehalt, sondern um die Aufstockung von Kurzarbeitergeld bis zu einem bestimmten Nettoentgelt. Auch betrifft die Vereinbarung nicht den nachvertraglichen Zeitraum nach Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, sondern ein laufendes Arbeitsverhältnis. Beide Gesichtspunkte spielen jedoch für die vorliegende Auslegungsfrage keine entscheidende Rolle. Es macht insoweit keinen entscheidenden Unterschied, ob der Arbeitgeber auf ein bestimmtes Nettogehalt jeweils im einzelnen nachzuweisende Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit anrechnen darf oder ob er auf ein zunächst von ihm selbst zu erbringendes Kurzarbeitergeld einen Aufstockungsbetrag zu entrichten hat. In beiden Fällen hat der Arbeitgeber seine von ihm letztlich selbst zu tragende Leistung, nämlich den Zuschuss bzw. Aufstockungsbetrag, aus der Differenz zwischen dem zugesagten Nettoentgelt und dem Arbeitslosengeld bzw. Kurzarbeitergeld zu errechnen. Insbesondere besteht für die Frage der Versteuerung der Zusatzleistung des Arbeitgebers kein Unterschied, in beiden Fällen sind nämlich dem Arbeitgeber die steuerfreien, aber mit einem Progressionsvorbehalt behafteten Sozialleistungen (Arbeitslosengeld bzw. Kurzarbeitergeld) bekannt. Es treten identische Auslegungsfragen auf. Die Tatsache des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses hat für die Frage, ob die Steuer allein im Lohnabzugsverfahren oder weitergehend im Sinn einer pauschalen oder individuellen Freistellung von Jahresausgleichsansprüchen vom Arbeitgeber getragen werden soll, keine Auswirkung.

dd)

Bei diesem Auslegungsergebnis bleibt für die Anwendung der so genannten Unklarheitenregel kein Raum. Diese ist nur anzuwenden, wenn nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind (BAG vom 08.09.1998, aaO). Die Frage, ob der Arbeitsvertrag ein Formularvertrag ist, auf den die Unklarheitenregel Anwendung fände, kann daher dahinstehen.

2.

Den Ausgleich progressionsbedingter Steuernachteile kann der Kläger auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verletzung von Aufklärungspflichten durch die Beklagte verlangen. Im Zeitpunkt der behaupteten Verletzung der Aufklärungspflicht, d.h. bei Abschluss des Arbeitsvertrages vom 21.03.2001, galt noch die alte Fassung des BGB mit der Folge, dass die Regeln über eine positive Vertragsverletzung des Arbeitsvertrages der Parteien bzw. des Verschuldens beim Vertragsschluss des Arbeitsvertrages anzuwenden sind. Schadensersatzansprüche stehen dem Kläger insoweit nicht zu, da die Beklagte keine Aufklärungspflichten verletzt hat.

Voraussetzung und Umfang der Aufklärungspflichten ergeben sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dabei sind die Interessen der Vertragsparteien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles gegeneinander abzuwägen. Maßgeblich sind die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits. In der Regel muss sich der Arbeitnehmer, bevor er eine Vereinbarung in Bezug auf sein Arbeitsverhältnis abschließt, über die Folgen einer solchen Vereinbarung Klarheit verschaffen. Gesteigerte Informationspflichten des Arbeitgebers können sich jedoch ergeben, wenn der Abschluss einer Vertragsänderung auf seine Initiative zurückgeht. Dann kann der Arbeitgeber den Eindruck erwecken, er werde auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen atypischen Risiken aussetzen (so für einen Aufhebungsvertrag BAG vom 17.10.2000 - 3 AZR 605/99 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht).

Der Kläger hat nicht dargelegt, inwieweit der Beklagten als seiner neuen Arbeitgeberin bei Abschluss des Arbeitsvertrages seine Informationsbedürfnisse erkennbar gewesen wären. Ob die Beklagte an den maßgeblichen Verhandlungen, die dem Vertragsschluss vorausgingen, überhaupt beteiligt war, ist nicht ersichtlich. Die beklagte Fortbildungs GmbH wirkte als reine Abwicklungsgesellschaft für das Anstellungsverhältnis des Klägers mit der ... GmbH. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Initiative für den Vertragsschluss mit dem Kläger ergriffen und somit eine besondere Verantwortung übernommen hätte. Allenfalls könnte die Initiative von der ... GmbH oder deren Muttergesellschaft, der ..., ausgegangen sein, da alleine diese Gesellschaften unter Umständen ein Interesse an der Beendigung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses des Klägers mit der ...GmbH gehabt haben können. Zudem würde zu weit gehen, dem Arbeitgeber bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses Aufklärungs- und Informationspflichten in Bezug auf die vom Arbeitnehmer gewünschte Vergütungshöhe aufzuerlegen. Deren Aushandlung ist das typische Risiko jeder Vertragspartei bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses. Weiterhin betrifft die Nichtberücksichtigung des möglichen Steuernachteils aus dem Progressionsvorbehalt für das Kurzarbeitergeld keineswegs ein "erhebliches, atypisches Risiko", über das der Vertragspartner redlicherweise vom Vertragsgegner Aufklärung verlangen könnte. Schließlich fehlt es an der Kausalität zwischen einer etwaig verletzten Aufklärungspflicht und den beim Kläger entstandenen Schaden: Der Kläger hat mit keinem Wort vorgetragen, welche Abreden zwischen den Parteien getroffen worden wären, wenn ihn die beklagte Fortbildungsgesellschaft über das steuerliche Risiko des Progressionsvorbehaltes aufgeklärt hätte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu einer höheren Vergütung, die sich wegen der darauf ebenfalls zu entrichtenden progressiven Versteuerung auf über 74 % eines Nettoentgelts belaufen müsste, bereit gefunden hätte.

Gegenüber der ... GmbH oder der ... macht der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit keine Schadensersatzansprüche geltend. Ob solche bestehen, kann somit dahinstehen. Abgesehen von der Frage, ob diese Gesellschaften bei der Aufhebung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses und der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses über die Beklagte initiativ geworden sind, ist jedoch auch insoweit zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ein erhebliches atypisches Risiko gehandelt hat und dass eine Kausalität zwischen der Verletzung von Aufklärungspflichten und dem eingetretenen Schaden nicht ersichtlich ist. Schließlich ist insoweit der Umfang einer etwaigen Aufklärungspflicht im Hinblick auf die Tatsache neu zu bestimmen, dass der Kläger im Verhältnis zur ... GmbH nicht Arbeitnehmer, sondern Geschäftsführer und damit typischerweise gleichgewichtiger Vertragspartner war.

3.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG bestanden nicht.

Ende der Entscheidung

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