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Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 05.03.2002
Aktenzeichen: 8 Sa 745/01
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1
BGB § 613a
Zur Abgrenzung einer Betriebsstillegung nebst Neubegründung eines Handwerksbetriebs im Baugewerbe von einem Betriebsübergang.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 745/01

verkündet am: 05. März 2002

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 05. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Quecke als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Prüß und Große als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des ArbG Dessau vom 05.09.2001 - 2 Ca 91/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch ordentliche Kündigung wegen Betriebsstilllegung aufgelöst oder im Wege der Betriebsnachfolge auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.

Der Kläger war seit 1991/92 als Bauarbeiter bei der mbH beschäftigt, nachdem er zuvor viele Jahre Genosse bei deren Rechtsvorgängerin, einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH), gewesen ist. Der Beklagte zu 1) ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der mbH (im folgenden Gemeinschuldnerin).

Im Januar 2001 konnte die Gemeinschuldnerin die Löhne ihrer Mitarbeiter nicht mehr bezahlen. Ihr Geschäftsführer entschloss sich, den Geschäftsbetrieb mangels Liquidität einzustellen. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte die Gemeinschuldnerin neben dem Geschäftsführer ca. 35 Arbeitnehmer, nämlich einen Kalkulator, eine Buchhalterin, eine Sekretärin, einen Fuhrparkmeister, mehrere Kolonnenführer sowie Dachdecker und die im Maurerbereich tätigen Handwerker. Unter den Mitarbeitern befand sich auch der Sohn des Geschäftsführers.

Am 26.01.2001 kündigte die Gemeinschuldnerin dessen Arbeitsverhältnis zum 09. Februar 2001. Am 02. Februar 2001 stellte sie ihre Betriebstätigkeit ein. Mit Schreiben vom 12. Februar 2001 kündigte sie ihren verbliebenen Mitarbeitern, darunter dem Kläger, ordentlich; lediglich der Geschäftsführer und die Buchhalterin wurden kurze Zeit später gekündigt. Am 20.02.2001 stellte der Geschäftsführer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 28.03.2001 wurde der Beklagte zu 1) zum vorläufigen Verwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin bestellt; am 17.05.2001 erfolgte mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Bestellung zum Insolvenzverwalter. Eine betriebliche Tätigkeit nahm er nicht mehr auf.

Am 06.02.2001 gründete der Sohn des Geschäftsführers durch notariellen Geschäftsvertrag als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer die Beklagte zu 2), die am 27.04.2001 ins Handelsregister eingetragen wurde. Bei der Gründung gab er als Geschäftsadresse die Anschrift der Beklagten zu 1) an. Am 07.02.2001 meldete er die Beklagte zu 2) bei der Handwerkskammer zur Eintragung in die Handwerksrolle mit Wirkung zum 27.04.2001 für Maurer-, Beton- und Gerüstbauarbeiten ebenfalls unter der Anschrift der Beklagten zu 1) an. Als "fachlichen Betriebsleiter" gab er seinen Vater an. Er selbst stand bereits seit längerem in einer baugewerblichen Ausbildung zum Meister, die im Frühjahr 2002 mit dem Erwerb des Meisterbriefes enden sollte. Am 12.02.2001 erwarb er aus dem Fuhrpark der Gemeinschuldnerin, der insgesamt 13 Fahrzeuge umfasste, drei Transporter und einen Pkw zum Preis von 500,00 DM. Nach konkursrechtlicher Anfechtung durch den Beklagten zu 1) einigte er sich später auf eine ratenweise Nachzahlung von ca. 17.000,00 DM. In der Folgezeit bewarb sich die Beklagte zu 2) um Bauaufträge, wobei sie die Privatanschrift ihres Geschäftsführers als Betriebssitz angab (Berliner Chaussee in Wittenberg). Am 26. März 2001 nahm sie unter der neuen Geschäftsanschrift H Straße in Wittenberg ihre Bautätigkeit auf. Ende März und Anfang April stellte sie zunächst drei ehemalige Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin ein, drei weitere folgten Mitte Mai und Mitte November. Auf Vermittlung der Handwerkskammer führte sie die Ausbildung einer ehemaligen Auszubildenden der Gemeinschuldnerin fort; die Kosten der Ausbildungsvergütung trug die Handwerkskammer. Seit dem 01.07.2001 ist der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin als geringfügig Beschäftigter für die Beklagte zu 2) tätig. Unvollendete Bauvorhaben der Gemeinschuldnerin führte die Beklagte zu 2) nicht fort. Auch übernahm sie keine bereits aquirierten Aufträge. Für die Fa. errichtete sie in der Folgezeit 2 Einfamilienhäuser. Auch die Gemeinschuldnerin hatte mit dieser Firma in Geschäftskontakt gestanden.

Mit seiner binnen drei Wochen nach Kündigungszugang beim Arbeitsgericht erhobenen Klage wendet sich der Kläger - neben weiteren Kollegen - gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Er hat vorgebracht, es fehle an einer Betriebsstillegung. Die Beklagte zu 2) habe den Betrieb oder einen Betriebsteil der ehemaligen Gemeinschuldnerin übernommen und führe ihn fort. Dies ergebe sich aus einer Gesamtbetrachtung aller Umstände. Die Beklagte zu 2) habe nahezu zeitgleich mit der Einstellung der Geschäftstätigkeit der Gemeinschuldnerin ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen. Sie betätige sich auf demselben Geschäftsfeld im selben räumlichen Umkreis und habe zunächst die Anschrift der Gemeinschuldnerin verwendet. Mit dem vormaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin setze sie deren maßgeblichen Repräsentanten als fachlichen Betriebsleiter ein. Dies komme auch im Firmennamen zum Ausdruck. Auch der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) sei ehemaliger Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin gewesen. Darüber hinaus habe sie mehrere Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin eingestellt, einige nahezu nahtlos. Diese seien zum Teil bereits im Januar/Februar 2001 vom Geschäftsführer der Beklagten zu 2) angesprochen worden. Weiterhin setze die Beklagten zu 2) vier Kraftfahrzeuge aus dem Fuhrpark der Gemeinschuldnerin ein. Diese habe die Gemeinschuldnerin an den Geschäftsführer der Beklagten zu 2) zu unreell niedrigem Preis abgegeben, wie die erfolgreiche Konkursanfechtung nebst nachfolgender Nachzahlungsvereinbarung zeige. In die gleiche Richtung weise ein zuletzt stark angestiegener Schwund an Werkzeugen und Geräten bei der Gemeinschuldnerin. Es müsse davon ausgegangen werden, dass diese bei der Beklagten zu 2) eingesetzt würden. Auch habe die Gemeinschuldnerin den Geschäftsführer der Beklagten zu 2) ohne Einhaltung seiner Kündigungsfrist entlassen. Dies alles spreche für eine einvernehmliche und langfristige Planung der Fortführung der Bautätigkeit der Gemeinschuldnerin durch die Beklagte zu 2). Der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) sei zudem noch im Februar und März mehrfach im Betrieb der Gemeinschuldnerin am PC arbeitend gesehen worden; es müsse davon ausgegangen werden, dass er dabei schon für die Beklagte zu 2) tätig gewesen ist. Insbesondere seien bereits Angebote für die Beklagte zu 2) geschrieben worden.

Schließlich habe diese wichtige Kundenbeziehungen der Gemeinschuldnerin fortgeführt: So habe sie Bauprojekte der Fa. sowie der Bauherren und Metallbau ausgeführt; für diese Auftraggeber sei zuvor schon die Gemeinschuldnerin tätig gewesen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 12. Februar 2001 nicht aufgelöst wurde.

2. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) aufgrund einer Betriebsnachfolge ab dem 13. Februar 2001 ein Arbeitsverhältnis besteht.

3. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, den Kläger als Bauarbeiter und Maurer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer Stundenvergütung von 17,62 DM weiterzubeschäftigen.

Die Beklagten zu 1) und 2) haben Klageabweisung beantragt. Sie haben die Auffassung vertreten, dass der Betrieb der Gemeinschuldnerin stillgelegt worden und nicht auf die Beklagte zu 2) übergegangen sei. Diese habe einen neuen Betrieb gegründet. Weder aus dem Erwerb von vier Kfz durch ihren Geschäftsführer - von denen im Übrigen nur zwei der Beklagten zu 2) zum betrieblichen Einsatz überlassen seien - noch aus der Beschäftigung einiger Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin könne auf die Wahrung der wirtschaftlichen Identität des Betriebes der Gemeinschuldnerin geschlossen werden. Das folge schon aus der anderen Größenordnung von zunächst drei statt bisher 35 Arbeitnehmern, die sich nicht auf die Übernahme eines auch nur irgendwie abgrenzbaren Betriebsteiles zurückführen lasse. Es sei - unstreitig - kein Auftrag der Gemeinschuldnerin übernommen und keine ihrer unvollendeten Baustellen fortgeführt worden. Die Beklagte zu 2) habe ausschließlich neue Aufträge aquiriert. Ihr Geschäftsführer führe die Firma alleinverantwortlich. Auf seinen Vater, den ehemaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, greife er nur als Ansprechpartner und Aufsichtsperson während seiner eigenen schulungsbedingten Abwesenheit zurück. Vor dem 01.07,2001 sei der Vater nicht für die Beklagte zu 2) tätig geworden, danach nur auf Geringverdienerbasis. Anfang 2002 werde der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) selber über den Meisterbrief verfügen. Der Vater habe zudem keine Geschäftsbeziehungen zu Auftraggebern der Beklagten zu 2) vermittelt. Sämtliche Aufträge habe der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zur Gemeinschuldnerin selbst aquiriert.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.06.2001, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, der Klage nur im Hinblick auf die Einhaltung der Kündigungsfrist (31.05.2001) stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.

Gegen das am 29.09.2001 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 15.10.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und am 14.11.2001 begründeten Berufung. Er vertieft seinen Vortrag zur Frage des Betriebsübergangs und verweist insbesondere darauf, dass die Beklagte zu 2) schon bei ihrer Anmeldung zur Handwerksrolle am 07.02.2001 den damaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin als fachlichen Betriebsleiter benannt hat. Weiter verweist sie darauf, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) unstreitig im Januar 2002 das ehemalige Betriebsgelände der Gemeinschuldnerin vom Beklagten zu 1) für ca. 60.000,00 € erworben habe; dieser Preis liege - so der Kläger - deutlich unter dem Bodenrichtwert.

Der Kläger beantragt,

a) gegen den Beklagten zu 1)

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 12.02.2001 zum 31.03.2001 nicht aufgelöst worden ist;

b) gegen die Beklagte zu 2)

1. festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) aufgrund Betriebsnachfolge ein Arbeitsverhältnis ab 13.02.2001 besteht,

2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger als Bauarbeiter und Maurer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer Stundenvergütung von 17,62 DM weiterzubeschäftigen.

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie halten an ihrem Rechtsstandpunkt fest. Zur Höhe des Grundstückskaufpreises verweist der Beklagte zu 1) auf ein von ihm zuvor eingeholtes Gutachten. Im Übrigen habe das Grundstück der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) persönlich erworben. Es werde - unstreitig - nicht betrieblich genutzt.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in 2. Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht erkannt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die ordentliche Kündigung der Gemeinschuldnerin wegen Betriebsstillegung am 31.05.2001 geendet hat und nicht im Wege einer (Teil-)Betriebsübernahme auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.

1.

Zur Überzeugung der Berufungskammer steht bei Würdigung sämtlicher Umstände auf der Grundlage des Parteivorbringens fest, dass der Betrieb der Gemeinschuldnerin stillgelegt und nicht durch die Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit der Beklagten zu 2) fortgeführt worden ist. Die Gemeinschuldnerin hat ihren Betrieb am 02.02.2002 stillgelegt. Sie hat die Betriebsgemeinschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der ernstlichen Absicht aufgelöst, den bisherigen Betriebszweck dauerhaft aufzugeben (BAG 10.10.1996-2 AZR 477/96 - = NZA 1997, 251; BAG 19.06.1991 - 2 AZR 127/91 - = BB 92, 1067). Der Beklagte zu 1) hat diesen Betrieb - unstreitig - nicht wieder aufgenommen und fortgeführt. Auch in der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit der Beklagten zu 2) ist letztlich keine Fortführung des Betriebs der Gemeinschuldnerin und damit auch kein Betriebsübergang i.S.v. § 613 a BGB zu sehen. Es fehlt an der erforderlichen Identität der Betriebe. Damit hat der Beklagte zu 1) die ihm obliegende Darlegung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG) erfüllt; in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe ist die Kündigung vom 12.02.2001 wirksam. Gegenüber der Beklagten zu 2) ist dem Kläger die - insoweit ihm gemäß § 613 a Abs. 1 BGB obliegende - Darlegung eines Betriebsübergangs nicht gelungen.

2.

Im Falle eines Betriebsübergangs oder Betriebsteilübergangs i.S.v. § 613 a BGB wird der übergegangene Betrieb bzw. Betriebsteil nicht stillgelegt. Vielmehr gehen die Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber über. Der Beschäftigungsbedarf entfällt nicht, sodass ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung nicht besteht. Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH und BAG setzt ein Betriebsübergang oder ein Betriebsteilübergang voraus, dass eine wirtschaftliche Einheit auf einen anderen Inhaber übergeht und dabei ihre Identität wahrt. Ob ein Betrieb (wirtschaftliche Einheit) die Identität wahrt, lässt sich nur im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgeblichen Faktoren feststellen. Hierzu gehören u.a. die Art des Betriebes, der Übergang bzw. Nichtübergang materieller Aktiva, insbesondere der beweglichen und unbeweglichen Güter, der Übergang immaterieller Aktiva und ihr Wert im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme oder Nichtübernahme eines Hauptteiles der Belegschaft, der Eintritt in Kundenbeziehung, die Ähnlichkeit der Tätigkeit des Betriebes vor und nach dem fraglichen Übergang und die Dauer einer etwaigen Unterbrechung (vgl. EuGH 11.03.1997 APNr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187; EuGH 02.12.1999 EZA § 613 a BGB Nr. 186; BAG 22.01.1998 - 8 AZR 243/95 - = APNr. 173 zu § 613 a BGB). Entscheidend ist eine Gesamtbewertung aller Umstände; einzelnen Aspekten kommt nicht von vornherein ausschlaggebendes Gewicht zu. Eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände lässt zur Überzeugung der Berufungskammer die Feststellung nicht zu, dass der Betrieb der Beklagten zu 2) identisch ist mit dem Betrieb oder einem Teil des Betriebes, den die Gemeinschuldnerin geführt hat.

a)

Die Betriebe von Gemeinschuldnerin und Beklagter zu 2) haben einen im Wesentlichen gleichen Betriebszweck, nämlich die Durchführung von Maurer-, Beton- und Gerüstbauarbeiten. Das angebotene Leistungsspektrum ist nicht völlig, aber weitgehend identisch. Auch in räumlicher Hinsicht sind beide Betriebe auf demselben Markt tätig: Der für ein Bauhandwerksunternehmen typische Betätigungsumkreis ist deckungsgleich.

Diese Gesichtspunkte geben für sich noch nichts für eine Identität der Betriebe her. Sie treffen mehr oder weniger auf alle Unternehmen und Betriebe zu, die auf demselben Markt konkurrieren.

b)

Auch der in etwa übereinstimmende Zeitpunkt von Einstellung und Aufnahme der betrieblichen Betätigung spricht ohne weiteres nicht für die Identität der wirtschaftlichen Einheit: Selbst wenn er auf planvoller Absicht der Beklagten zu 2) beruht hat, wovon im Hinblick auf den Wegfall des Arbeitsplatzes ihres Geschäftsführers und Alleingesellschafters auszugehen ist, begründen das zeitliche Zusammenfallen und selbst das gezielte Hineingehen in eine sich auftuende Marktlücke noch keinerlei verbindende Identität zwischen neu gegründetem und eingestelltem Betrieb. Sie sind zunächst nur Ausdruck einer freien unternehmerischen Betätigung auf dem Markt. Insoweit ist es auch unerheblich, ob der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) bereits im Februar oder März für diese tätig geworden ist, wie der Kläger behauptet.

c)

Weiterhin stellt die Ähnlichkeit der betrieblichen Tätigkeiten, nämlich die Durchführung von Bauarbeiten, für sich genommen keinen Aspekt dar, der für die Identität der Betriebe spricht. Bautätigkeiten führen alle Baubetriebe aus. Die Übernahme besonderer Betriebsmethoden oder einer spezifischen Arbeits- und Ablauforganisation könnten allerdings für Identität sprechen (EuGH 10.12.1998 EZA § 613 a BGB Nr. 172, Tz 30 - Hidalgo und Ziemann; BAG 10.12.1998 § 613 a BGB Nr. 174). Hierfür fehlt es jedoch an jeglichem substantiierten Vortrag des Klägers, der nur pauschal die "Übernahme der Arbeitsorganisation" behauptet hat. Dies gilt auch im Verhältnis zur Beklagten zu 1), also im Kündigungsschutzprozess. Der Kläger hätte im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast die an sich dargelegte Betriebsstilllegung substantiiert bestreiten, d.h. zur Übernahme einer spezifizierten Arbeitsorganisation durch die Beklagte zu 2) konkret vortragen müssen, zumal der Beklagte zu 1) insoweit nicht über größere Sachnähe verfügt.

d)

Ferner ist die Beklagte zu 2) unstreitig nicht in rechtlich verfestigte Kundenbeziehungen der Gemeinschuldnerin eingetreten. Sie hat weder bereits aquirierte Aufträge übernommen noch eines der bereits begonnenen und stilllegungsbedingt unvollendeten Bauprojekte fortgeführt. Bei einem Bauhandwerksunternehmen, das von Werk- bzw. Werklieferungsverträgen größeren Umfangs lebt, hat dieser Aspekt für die Feststellung der Identität der wirtschaftlichen Einheit besonderes Gewicht; denn die vorhandenen Aufträge stellen - schon im Hinblick auf die Beschäftigungslage und Größe der Belegschaft - einen wesentlichen Aktivposten der wirtschaftlichen Einheit dar. Die unterbliebene Übernahme von Aufträgen und Baustellen der Gemeinschuldnerin spricht daher deutlich gegen einen Betriebsübergang. Die Beklagte zu 2) hat ihre betriebliche Tätigkeit neu begonnen und ihre Aufträge selbst am Markt neu aquiriert. Sie hat insoweit bei "0" angefangen, was sich auch in ihrer Mitarbeiterzahl niederschlug.

e)

Mit dem Erwerb von 3 Transportern und einem Pkw durch den Geschäftsführer der Beklagten zu 2) hat diese - soweit ihr die Fahrzeuge tatsächlich zur betrieblichen Nutzung überlassen wurden - allerdings materielle Betriebsmitte! der Gemeinschuldnerin übernommen. Diese Betriebsmittel sind aber für die Feststellung der wirtschaftlichen Identität des Baubetriebes nur von untergeordneter Bedeutung. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte zu 2) lediglich zwei Transporter oder alle vier Fahrzeuge nutzt.

Der Betrieb von Maurer-, Beton- und Gerüstbauarbeiten mag zwar den Einsatz solcher Fahrzeuge erfordern. Dies gilt aber für viele Arten unterschiedlicher Betriebe. Für das Bauhandwerk der Beklagten zu 2) haben die Fahrzeuge weder nach ihrem Wert noch nach ihrer spezifischen Verwendbarkeit eine die Identität der wirtschaftlichen Einheit begründende Bedeutung. Dabei hat die Kammer durchaus den infolge Konkursanfechtung nachträglich vereinbarten Kaufpreis berücksichtigt.

Der Umstand, dass die Fahrzeuge zunächst zu einem unreell niedrigen Preis dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2) überlassen worden sind, hat in diesem Zusammenhang kein Gewicht. Auf den Kaufpreis der überlassenen Betriebsmittel kommt es für die Feststellung der Identität der wirtschaftlichen Einheit nicht an.

Der Kläger hat im Übrigen seine anfängliche Behauptung, die Beklagte zu 2) verwende weitere, der Gemeinschuldnerin abhanden gekommene Betriebsmittel, nicht näher spezifiziert. Es handelt sich offenbar nur um eine Vermutung. Weitere materielle Betriebsmittel der Gemeinschuldnerin waren zwar in größerem Umfang vorhanden (Werkzeug, Geräte, Material, Grundstück mit Gebäuden). Sie wurden aber, soweit ersichtlich, von der Beklagten zu 2) nicht übernommen. Das gilt auch für das im Januar 2002 von ihrem Geschäftsführer erworbene ehemalige Betriebsgrundstück. Es wird unstreitig nicht von der Beklagten zu 2) genutzt. Auf die Frage, ob der Kaufpreis dem Verkehrswert des Grundstückes entsprach, kommt es daher ebenfalls nicht an. Die nur kurzzeitige Angabe der Betriebsadresse der Gemeinschuldnerin als Adresse der Beklagten zu 2) hat - da unstreitig vor Aufnahme der eigentlichen Betriebstätigkeit im März 2001 geschehen und nicht gegenüber Kunden verwendet - keine hier ausschlaggebende Bedeutung. In Anbetracht der Relation von übernommenen materiellen Betriebsmitteln - nämlich eines Teils des Fuhrparks - zu nicht übernommenen materiellen Betriebsmitteln spricht auch dieser Gesichtspunkt eher gegen die Identität der wirtschaftlichen Einheit.

f)

Die Beklagte zu 2) hat ferner nicht einen wesentlichen Teil der Belegschaft der Gemeinschuldnerin übernommen.

Neben ihrem Geschäftsführer hat sie bis Mitte Mai 2001 sukzessive 5 Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin eingestellt. Hinzu kommt der ehemalige Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, und zwar zunächst als sogenannter Konzessionsträger und sodann ab dem 01.07.2001 als Arbeitnehmer auf Geringfügigkeitsbasis. Außerdem wurde auf Initiative und auf Kosten der Handwerkskammer eine Auszubildende weiter ausgebildet. Unter Einschluss des weiteren, erst im November eingestellten Arbeitnehmers (Sch) und der jeweiligen Geschäftsführer sind damit insgesamt 9 von 35 Beschäftigten der Gemeinschuldnerin in einem Zeitraum vom ca. 8 Monaten sukzessive bei der Beklagten zu 2) tätig geworden.

Nach dem zahlenmäßigen Verhältnis handelt es sich nicht um den Hauptteil oder wesentlichen Teil der alten Belegschaft. Auch für eine etwa aus besonderer organisatorischer Verbundenheit der übernommenen Arbeitnehmer herzuleitende Wertschöpfung (vgl. Franzen, DZWiR 1996, 397, 402; KR-Pfeiffer, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht, 6. Auflage, § 613 a BGB Rdnr. 44) hat der Kläger nichts vorgetragen. Dagegen spricht schon ihre nur nach und nach über einen längeren Zeitraum erfolgte Einstellung.

Schließlich ist hier auch aus dem Gesichtspunkt einer besonderen Sachkunde der übernommenen Arbeitnehmer, die bei handwerklicher Tätigkeit durchaus von Bedeutung sein kann, nicht auf eine betriebliche Identität zu schließen. Sowohl für den Geschäftsführer der Beklagten zu 2) als auch für die weiteren übernommenen Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin und die Auszubildende fehlt hierzu jeder Sachvortrag des Klägers. Soweit sie über eine baugewerbliche Ausbildung verfügen, handelt es sich dabei um eine auf dem Arbeitsmarkt jederzeit abrufbereit zur Verfügung stehende Qualifikation. Eine darüber hinausgehende besondere Sachkunde ist nicht ersichtlich.

Allein der ehemalige Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, verkörperte immaterielle Betriebsmittel, die für die Identität des Betriebes kennzeichnend sein können und die mit seiner Indienstnahme auf die Beklagte zu 2) übergegangen sind. Als ehemaliger Geschäftsführer vereinigte er in seiner Person in einem gewissen Maß Know how und Good will der Gemeinschuldnerin. Dies kam der Beklagten zu 2) zunächst in Form der Konzessionsträgerschaft und sodann ab dem 01.07.2001 im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses zugute. Die Eigenschaft als Konzessionsträger, d.h. als gegenüber der Handwerkskammer benannter fachlicher Betriebsleiter, mag bis zum Erwerb des Meisterbriefes durch den Geschäftsführer der Beklagten zu 2) im Frühjahr 2002 zwar unabdingbare Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle gewesen sein. Als bloße Zulassungsvoraussetzung, die jedes Baugewerbe erfüllen muss, bildet sie kein nennenswertes identitätsstiftendes Merkmal; der Konzessionsträger als solcher ist austauschbar.

Einen etwaigen Aktivposten, der mit Übernahme des ehemaligen Geschäftsführers auf die Beklagte zu 2) übergangen ist, stellen allerdings seine fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen und etwaige Geschäftsverbindungen dar. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der ehemalige Geschäftsführer bis zum 30.06.2001 ausschließlich als Konzessionsträger, d.h. nur als "benannter", nicht als tatsächlicher fachlicher Betriebsleiter fungiert hat und sodann lediglich im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig wurde. Ein darüber hinausgehender Einsatz des ehemaligen Geschäftsführers ist vom Kläger nicht näher substantiiert dargelegt worden. Dies gilt sowohl in zeitlicher und fachlicher Hinsicht (Betriebsleitertätigkeit) als auch im Hinblick auf die Aquisition neuer Aufträge. Dem Vorbringen der Beklagten zu 2), dass sämtliche neuen Aufträge von ihrem Geschäftsführer, Herrn persönlich aquiriert worden sind, hat der Kläger nur die Vermutung entgegengestellt, dass die Neuabschlüsse auf die Kundenbeziehungen des ehemaligen Geschäftsführers zurückzuführen seien. Auf diese Vermutung lässt sich die Feststellung eines Betriebsübergangs nicht gründen. Selbst wenn aber einige Neuaufträge der Beklagten zu 2) auf die Geschäftsverbindungen des ehemaligen Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin zurückzuführen sein sollten, vermag dieses verbindende Element angesichts der für eine eigenständige, neue Identität der wirtschaftlichen Einheit der Beklagten zu 2) sprechenden Gesichtspunkte nicht durchzuschlagen: Die Beklagte zu 2) hat gerade die wesentlichen materiellen Betriebsmittel und die ebenso wesentlichen bestehenden Aufträge und Baustellen nicht übernommen, sondern neu begonnen.

g)

Über die unter vorstehend f) erörterten immateriellen Betriebsmittel hinaus hat die Beklagte zu 2) keine weiteren immateriellen Betriebsmittel, etwa die Firma oder ähnliches, übernommen.

h)

Bei einer Gesamtbetrachtung überwiegen die trennenden Gesichtspunkte die verbindenden. Die für einen Betriebsübergang sprechenden Aspekte, insbesondere die Einbeziehung des ehemaligen Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin, die Einstellung einiger Mitarbeiter und die Übernahme eines Teils des Fuhrparks, sowie die Betätigung auf dem gleichen Markt und die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen zu einzelnen Kunden der Gemeinschuldnerin rechtfertigen angesichts der wesentlichen nicht übernommenen materiellen Betriebsmittel und insbesondere der fehlenden Übernahme jeglicher bestehender Aufträge und Baustellen die Annahme einer wirtschaftlichen Identität der Betriebe nicht. Es sprechen mehr Gesichtspunkte für die Begründung eines neuen Betriebes. Dies kommt insbesondere in der Mitarbeiterzahl zum Ausdruck, die von 35 auf zunächst drei und dann fünf und schließlich sieben zuzüglich der Auszubildenden anstieg. Darin dokumentiert sich der Bruch mit der für ihre wirtschaftliche Identität maßgeblichen Auftrags- und Umsatzlage der Gemeinschuldnerin, d.h. der Neuanfang.

Anhaltspunkte für die Übernahme eines abgrenzbaren Teiles des Betriebes hat der Kläger, worauf die Beklagte zu 2) mit Recht hinwies, nicht dargetan. Erforderlich hierfür wäre eine nach den oben genannten Kriterien abgrenzbare wirtschaftliche Teileinheit, etwa ein bestimmter Geschäftsbereich oder betriebliche Nebenzwecke (BAG Urteil vom 26.08.1999 - 8 AZR 718/98 - = APNr. 196 zu § 613 a BGB). Als solche muss die Teileinheit bereits vor dem Übergang existiert haben. Hierfür lässt sich dem Vortrag des Klägers nichts entnehmen. Wollte man seiner Rechtsauffassung folgen, wären mit der Annahme eines Betriebsübergangs nahezu alle 35 Arbeitnehmer auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Letztlich wird auch aus dieser hypothetischen Konsequenz deutlich, dass es an der Identität der wirtschaftlichen Einheit fehlt.

3.

Fehlt es an einem Betriebsübergang, so sind sämtliche Klageanträge unbegründet, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Die Berufung war demgemäß mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe, die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, bestanden nicht.

Ende der Entscheidung

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