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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 28.04.2009
Aktenzeichen: 9 Sa 425/08
Rechtsgebiete: SGB II, VTV, ArbGG, BBiG, BRTV Bau, NachwG, BGB


Vorschriften:

SGB II § 312
VTV § 6
ArbGG § 69 Abs. 2
BBiG § 21
BBiG § 21 Abs. 1
BBiG § 21 Abs. 2
BRTV Bau § 5 Nr. 2.2.2. Satz 1
NachwG § 2 Abs. 1 Nr. 5
NachwG § 2 Abs. 4
NachwG § 5
BGB § 247
BGB § 288 Abs. 1
Liegen die notwendigen Voraussetzungen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 29.07.2005 vor, kann der Arbeitnehmer Arbeitslohn nach der Lohngruppe 2 des TV Mindestlohn verlangen. Eine Abweichung hiervon kommt jedenfalls nur dann in Betracht, wenn im Arbeitsvertrag eine Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu verrichtenden Arbeiten erfolgte, wonach lediglich Hilfsarbeiten zu erbringen sind.
LANDESARBEITSGERICHT SACHSEN-ANHALT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 9 Sa 425/08

verkündet am 28. April 2009

In dem Rechtsstreit

wegen Arbeitslohn pp.

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht H. als Vorsitzende, die ehrenamtliche Richterin G. und den ehrenamtlichen Richter S. als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 17. September 2008 - 3 Ca 207/08 - abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt,

a) an den Kläger Arbeitslohn in Höhe von 711,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, und zwar auf 169,20 € brutto seit 16. September 2007, 124,40 € brutto seit 16. Oktober 2007, 184,40 € brutto seit 16. November 2007, 143,60 € brutto seit 16. Dezember 2007, 89,80 € brutto seit 16. Januar 2008 zu zahlen;

b) die Arbeitspapiere des Klägers, bestehend aus dem Anhang zur Lohnsteuerkarte 2007, dem Sozialversicherungsnachweis 2007, der Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB II und der Urlaubsbescheinigung gem. § 6 VTV, entsprechend der Lohnnachzahlung zu korrigieren und dem Kläger auszuhändigen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz trägt der Kläger zu 28 % und die Beklagte zu 72 %.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers, über die Nachzahlung von Arbeitslohn und die Korrektur diverser Arbeitspapiere.

Der 1987 geborene Kläger beendete bei der Beklagten seine berufliche Ausbildung zum Zimmerer. Der Prüfungsausschuss der Bauinnung W. gab mit der Bescheinigung vom 31. Juli 2007 bekannt, dass der Kläger die Gesellen-/Abschlussprüfung bestanden hat. Vom 1. August 2007 bis zum 21. Dezember 2007 war der Kläger bei der Beklagten als Zimmermann beschäftigt.

Die rechtliche Grundlage für das Arbeitsverhältnis der Parteien bildete der Arbeitsvertrag vom 17.07.2007. Dieser Vertrag lautet auszugsweise:

"§ 1 Beginn und Art der Tätigkeit

Der/Die Arbeitnehmer(in) wird am 01.08.2007 als Zimmermann eingestellt.

Der Arbeitgeber behält sich vor, dem/der Arbeitnehmer(in) auch eine andere Tätigkeit im Betrieb zuzuweisen, die seinen/ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht.

§ 3 Stundenlohn / Arbeitszeit / Arbeitsort

Der Arbeitgeber zahlt an den/die Arbeitnehmer(in) einen Monats-/Stundenlohn der Lohngruppe 1 (z. Zt. Ost 8,90 €/Std und West 10,30 €/Std).

Der Anspruch auf Lohn wird spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, Lohnüberzahlungen ohne Rücksicht auf eine noch vorhandene Bereicherung zurückzuzahlen.

§ 13 Anzuwendende Tarifverträge

Das Unternehmen des Arbeitgebers ist nicht tarifgebunden. Nur die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge für das Baugewerbe, insbesondere der Bundesrahmentarifvertrag (BRTV) und der Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne und sämtliche Betriebsvereinbarungen finden in ihrer jeweiligen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung."

Der Kläger, der der Ansicht ist, dass er aufgrund seiner Facharbeitertätigkeit im Beruf des Zimmermanns gemäß § 2 des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden TV Mindestlohn) vom 29. Juli 2005 ab 18. Juli 2007 Anspruch auf einen Stundenlohn in Höhe von 9,80 € hatte, hat am 17. März 2008 beim Arbeitsgericht Halberstadt Klage erhoben, mit der er die Zahlung von Arbeitslohn in Höhe der Differenz zwischen der erhaltenen Ausbildungsvergütung bzw. Lohn nach der Lohngruppen 1 des TV Mindestlohn und dem Lohn nach der Lohngruppe 2 des TV Mindestlohn verfolgt hat.

Vor der Klageerhebung hatte der Kläger den für den Zeitraum vom 18. Juli bis 21. Dezember 2007 geforderten Arbeitslohn in Höhe von insgesamt 1.135,83 € brutto mit Schreiben des Bezirksverbandes A.-B.-H. der IG Bau-Agrar-Umwelt vom 01.02.2008 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und insoweit auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 17. September 2008 - 3 Ca 207/08 - (S. 2 bis 5 des Urteils = Bl. 79 bis 82 d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Halberstadt hat die Klage kostenpflichtig abgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ausweislich § 21 BBiG ende das Ausbildungsverhältnis bei Bestehen der Prüfung mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses. Die Beklagte sei durch den Prüfungsausschuss der Bauinnung W. mit der Bescheinigung vom 31.07.2007 über das Bestehen der Prüfung durch den Kläger informiert worden. Demzufolge sei das Ausbildungsverhältnis der Parteien erst zum 31. Juli 2007 beendet worden, so dass der Kläger bereits aus diesem Grund für den Zeitraum vom 18. bis 31. Juli 2007 keinen Anspruch auf Lohn nach der Lohngruppe 2 des TV Mindestlohn habe. Für die Zeit ab 1. August 2007 habe er keinen Anspruch auf Arbeitslohn nach der Lohngruppe 2 des TV Mindestlohn, da seinem Vorbringen nicht hinreichend zu entnehmen sei, dass er tatsächlich zum überwiegenden Teil Tätigkeiten dieser Lohngruppe wahrgenommen habe. Der Kläger behaupte lediglich pauschal, dass er als Zimmermann eingestellt worden sei und dementsprechend auf zwei verschiedenen Baustellen zum einen Fachwerkbau erstellt und zum anderen einen Dachausbau vorgenommen habe. Entgegen der Auffassung des Klägers folge nicht allein aus seiner Einstellung als Zimmermann laut Arbeitsvertrag, dass er eine Tätigkeit nach der Lohngruppe 2 ausgeführt habe, zumal die Parteien die Vergütung nach der Lohngruppe 1 im Vertrag vereinbart hätten.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 7 des Urteils vom 17. September 2008 - 3 Ca 207/08 - (Bl. 82 bis 84 d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 29. September 2008 zugestellte Urteil am 20. Oktober 2008 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 18. Dezember 2008 begründet.

Der Kläger nimmt auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug. Er meint, für die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses komme es nicht darauf an, wann die schriftliche Mitteilung bei der Beklagten eingegangen sei. Es reiche es aus, dass die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages Kenntnis vom Bestehen der letzten Gesellenprüfung gehabt habe. Er sei nach Bestehen der Gesellenprüfung als Zimmermann eingestellt worden und besitze unstreitig die tarifliche Regelqualifikation für eine Eingruppierung in die Facharbeiterlohngruppe des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV Bau). Da der Tarifvertrag über die Löhne und Ausbildungsvergütungen aber nicht allgemeinverbindlich sei und die Parteien nicht tarifgebunden seien, komme eine Vergütung nur über den TV Mindestlohn infrage, was mindestens eine Eingruppierung in die Lohngruppe 2 dieses Tarifvertrages bedeute. Er sei bei der Beklagten weder als Helfer noch als Werker, Fachwerker ect. eingestellt gewesen. Es komme nicht darauf an, welche Tätigkeiten er im Einzelnen verrichtet habe. Seinen Vergütungsanspruch würde es nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 06.02.2008 - 5 Sa 366/07 - nicht berühren, wenn die Beklagte ihn nicht arbeitsvertragsgemäß beschäftigt hätte. Er habe aber ausschließlich Zimmererarbeiten verrichtet. Vom 18. Juli bis 1. Oktober 2007 sei er auf der Baustelle "Kirche E." insbesondere mit der Errichtung einer Dachkonstruktion aus Holz, dem Zuschneiden der entsprechenden Bauteile, dem Zusammensetzen der Bauteile und dem Aufsetzen der Holzkonstruktion beschäftigt gewesen. Es hätten fünf Sparrengebinde ausgebaut, alles beschädigte Holz in den Gebinden ausgewechselt und die Gebinde mit neuem bzw. altem bearbeitetem Holz saniert werden müssen. Er habe das erforderliche Holz ausgemessen, zugeschnitten und eingebaut. Er habe zusammen mit dem Zimmerergesellen F. H. gearbeitet. Nach dem 1. Oktober 2007 habe er auf der Baustelle "L. G. in Q" zusammen mit Zimmerergesellen F. Sch. an einem Fachwerkhaus mit einem dazugehörigen Torhaus gearbeitet. Seine Hauptaufgabe habe in der Sanierung der Traufebereiche und des Fachwerks bestanden. Es seien u. a. ein Gaubenrahmen angefertigt sowie Sparren angefertigt und befestigt worden. Am Torhaus seien die Dach- und Fachwerkkonstruktion komplett abgebaut, Schwellen verlegt und Stichbalken eingebaut worden. Mit den Facharbeitertätigkeiten seien untrennbar auch Hilfstätigkeiten wie die von der Beklagten aufgeführten angefallen. Der Anteil der Hilfstätigkeiten, die er auf den Baustellen verrichtet habe, habe deutlich unter 20 % gelegen.

Der Kläger beantragt

das Urteil des Arbeitsgerichtes Halberstadt (3 Ca 207/08 Hbs. vom 17.09.2008) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger für den Zeitraum vom 18.07. bis 31.07.2007 einen Betrag in Höhe von EUR 422,43 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.08.2007 zu zahlen,

2. an den Kläger für den Monat August 2007 einen Betrag in Höhe von EUR 169,20 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.09.2007 zu zahlen,

3. an den Kläger für den Monat September 2007 einen Betrag in Höhe von EUR 124,40 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2007 zu zahlen,

4. an den Kläger für den Monat Oktober 2007 einen Betrag in Höhe von EUR 184,40 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2007 zu zahlen,

5. an den Kläger für den Monat November 2007 einen Betrag in Höhe von EUR 143,60 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2007 zu zahlen,

6. an den Kläger für den Zeitraum vom 01. bis 21.12.2007 einen Betrag in Höhe von EUR 89,80 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.01.2008 zu zahlen,

7. die Beklagte zu verurteilen, die Arbeitspapiere des Klägers, bestehend aus dem Anhang zur Lohnsteuerkarte 2007, dem Sozialversicherungsnachweis 2007, der Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB II sowie der Urlaubsbescheinigung gem. § 6 VTV, entsprechend der vorzunehmenden Korrekturen zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Sie meint, für den Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses des Klägers sei es unbeachtlich, ob sie vor dem 31. Juli 2007 eine andere Auskunft über das Bestehen der Prüfung erhalten habe. Gemäß § 21 Abs. 2 BBiG ende das Berufsausbildungsverhältnis mit Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse durch den Prüfungsausschuss. Der Prüfungsausschuss habe erst durch die Bescheinigung vom 31. Juli 2007 den Tag der letzten Prüfungsleistung festgelegt. Der Kläger übersehe, dass den arbeitsvertraglichen Formulierungen im Rahmen von Eingruppierungsstreitigkeiten keine eigenständige Bedeutung zukomme. Der Kläger müsse darlegen und beweisen, welche Tätigkeiten ein Zimmerer nach dem BRTV Bau und den dort aufgeführten Lohngruppen auszuführen habe. Der Kläger behaupte zwar, nach Anweisung fachlich begrenzte Arbeiten entsprechend der Regelqualifikation (baugewerbliche Stufenausbildung nach der Stufe 1) ausgeführt zu haben, nenne jedoch keine dieser Tätigkeiten. Die Bezeichnung "Zimmermann" im Arbeitsvertrag bestimme nicht, welche Tätigkeit im Zimmerergewerk vom Arbeitnehmer entsprechend der Lohngruppe abgefordert werde. Vielmehr belege diese Bezeichnung, dass eine Beschäftigung im Zimmerergewerk die arbeitsvertraglich Geschuldete sei. Der Kläger habe zu mehr als 50 % Hilfsarbeiten im Zimmerergewerk wie den Abbruch und das Zerlegen von Dachkonstruktionen, den Transport von Bauteilen, das Zurichten von Schalungsmaterial und dessen Bearbeiten durch Sägen und Hobeln, Baustellensäuberung und Beräumung ausgeführt. Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger auf den Baustellen "Kirche E." und "L. G. in Q" Zimmerertätigkeiten durchgeführt hat.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 17.12.2008 und den Schriftsatz des Klägers vom 15.04.2009, auf die Berufungsbeantwortung vom 24.02.2009 nebst Anlage sowie auf das Protokoll vom 28. April 2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die nach dem Wert ihres Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung des Klägers ist frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 lit. b u. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. den §§ 519, 520 ZPO). Die Berufung ist zulässig.

II. Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet. Der Kläger hatte in der Zeit vom 1. August bis 21. Dezember 2007 Anspruch auf Lohn nach der Lohngruppe 2 des TV Mindestlohn. Folglich hat er gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung weiterer 711,40 € brutto.

1. Der Kläger kann trotz anderweitiger Vereinbarung in § 3 Satz 1 seines Arbeitsvertrages mit der Beklagten ab 1. August 2007 Arbeitslohn nach der Lohngruppe 2 des TV Mindestlohn verlangen, da die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind.

a) Der seit 1. September 2005 für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 29. Juli 2005, dessen Anwendung auf das Arbeitsverhältnis die Parteien unstreitig ist, weist zwei Lohngruppen aus, und zwar:

"Lohngruppe 1 - Werker/Maschinenwerker -

Tätigkeit:

- einfache Bau- und Montagearbeiten nach Anweisung

- einfache Wartungs- und Pflegearbeiten an Baumaschinen und Geräten nach Anweisung

Regelqualifikation: keine Tätigkeitsbeispiele:

- Sortieren und Lagern von Bauhilfsstoffen auf der Baustelle

- Pflege und Instandhaltung von Arbeitsmitteln

- Reinigungs- und Aufräumarbeiten

- Helfen beim Auf- und Abrüsten von Baugerüsten und Schalungen

- Mischen von Mörteln und Beton

- Bedienen von einfachen Geräten, z. B. Kompressor, handgeführte Bohr- und Schlaghämmer, Verdichtungsmaschinen (Rüttler), Presslufthammer, einschließlich einfacher Wartungs- und Pflegearbeiten

- Anbringen von zugeschnittenen Gipskarton- und Faserplatten, einschließlich einfacher Unterkonstruktionen und Dämmmaterial, das Anbringen von Dämmplatten (Wärmedämmverbundsystem) einschließlich Auftragen von einfachem Armierungsputz mit Einlegen des Armierungsgewebes

- Helfen beim Einrichten, Sichern und Räumen von Baustellen

- einfache Wartungs- und Pflegearbeiten an Baumaschinen und Geräten

- manuelle Erdarbeiten

- manuelles Graben von Rohr- und Kabelgräben

- Lohngruppe 2 - Fachwerker/Maschinisten/Kraftfahrer

Tätigkeit:

- fachlich begrenzte Arbeiten (Teilleistungen eines Berufsbildes oder angelernte Spezialtätigkeiten) nach Anweisung Regelqualifikation:

- baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe

- anerkannte Ausbildung als Maler und Lackierer, Garten- und Landschaftsbauer, Tischler

- anerkannte Ausbildung, deren Berufsbild keine Anwendung für eine baugewerbliche Tätigkeit findet

- Baumaschinistenlehrgang

- anderweitig erworbene gleichwertige Fähigkeiten"

Als Tätigkeitsbeispiele sind 1. Asphaltierer (Asphaltabdichter, Asphalteur), 2. Baustellen-Magaziner, 3. Betonstahlbieger und Betonstahlflechter (Eisenbieger und Eisenflechter), 4. Fertigteilbauer, 5. Fuger, Verfuger, 6. Gleiswerker, 7. Mineur, 8. Putzer (Fassadenputzer, Verputzer), 9. Rabitzer, 10. Rammer (Pfahlrammer), 11. Rohrleger, 12. Schalungsbauer (Einschaler), 13. Schwarzdeckenbauer, 14. Betonstraßenwerker, 15. Schweißer (Gasschweißer, Lichtbogenschweißer), 16. Terazzoleger, 17. Wasser- und Landschaftsbauer, 18. Maschinisten und 19. Kraftfahrer aufgeführt.

Gemäß § 5 Nr. 2. 2.2. Satz 1 des BRTV Bau, der ebenfalls auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, sind für die Eingruppierung des Arbeitnehmers seine Ausbildung, seine Fertigkeiten und Kenntnisse sowie die von ihm auszuübende Tätigkeit maßgebend.

b) Zur Überzeugung der erkennenden Kammer steht es fest, dass der Kläger ab 1. August 2007 bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten die tariflichen Tätigkeitsmerkmale für die Lohngruppe 2 des TV Mindestlohn erfüllte.

aa) Der Kläger schloss die Berufsausbildung zum Zimmerer durch das Bestehen der Gesellenprüfung erfolgreich ab. Er kann also in einem anerkannten Ausbildungsberuf der Bauwirtschaft eine bestandene Abschlussprüfung nachweisen. Er besitzt damit die tarifliche Regelqualifikation, die der TV Mindestlohn als Anspruchsvoraussetzung für Arbeitslohn nach der Lohngruppe 2 fordert.

bb) Der Kläger verrichtete ab 1. August 2007 überwiegend Arbeiten, die nach dem von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten BERUFENET zu den Aufgaben und Tätigkeiten eines gelernten Zimmerers gehören.

Die Beklagte führt zutreffend aus, dass die Bezeichnung der vereinbarten Arbeitsaufgabe im Arbeitsvertrag allein nicht belegt, welche Leistungen vom Arbeitnehmer tatsächlich gefordert werden. Allerdings ist der Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 NachwG dafür verantwortlich, dass in den Arbeitsvertrag eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit aufgenommen wird. Vorliegend enthält § 1 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 17.07.2007 weder eine kurze Charakterisierung noch eine Beschreibung des Inhalts der vereinbarten Tätigkeit. § 1 des Arbeitsvertrages der Parteien enthält insbesondere keine Hinweise darauf, dass der Kläger nur die bei der Arbeit des Zimmerers anfallenden Hilfstätigkeiten ausführen soll. Gemäß § 5 NachwG kann von den Vorschriften dieses Gesetzes nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Die im Arbeitsvertrag der Parteien fehlende kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Kläger zu leistenden Tätigkeit kann allein aus diesem Grund nicht durch die Vereinbarung in § 3 des Arbeitsvertrages "Der Arbeitgeber zahlt an den/die Arbeitnehmer(in) einen Monats-/Stundenlohn der Lohngruppe 1 (z. Zt. Ost 8,90 €/Std und West 10,30 €/Std)." ersetzt werden. Die Beklagte, die den Kläger ohne jede Einschränkung als Zimmermann bzw. Zimmerer eingestellt hatte, war demzufolge verpflichtet, ihn auch entsprechend zu beschäftigen.

Sollte die Beklagte den Kläger, wie sie behauptet, überwiegend mit Arbeiten von geringerem Wert beschäftigt haben, bleibt das auf den vertraglichen Vergütungsanspruch des Klägers ohne Auswirkung. Insoweit könnte es durchaus dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich Tätigkeiten von der Wertigkeit der Lohngruppe 2 TV Mindestlohn verrichtet hat.

Die erkennende Kammer schließt allerdings aus dem ergänzenden Vortrag des Klägers im Berufsverfahren, dass der Kläger ab 1. August 2007 überwiegend zumindest Teilleistungen des Berufsbildes des Zimmerers nach Anweisung erbrachte und insoweit auch das zweite Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe 2 TV Mindestlohn erfüllt ist. Nach dem von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten BERUFENET stellen Zimmerer und Zimmerinnen Holzkonstruktionen und Holzbauten aller Art her, renovieren und sanieren historische Gebäude oder Inneneinrichtungen aus Holz, stellen auch Gerüste auf oder bauen Dachgeschosse aus, legen Holzfußböden, ziehen Trockenbauwände, bekleiden Innenflächen und Fassaden. Zimmerer und Zimmerinnen haben laut dem BERUFENET u. a. hauptsächlich folgende Aufgaben:

- vorbereitende Aufgaben

unterschiedliche Hölzer auswählen und beurteilen Hölzer stapeln, trocknen und lagern Gerüste und Absperrungen bauen

- Vorplanung durchführen

Holzkonstruktionen entwerfen und berechnen

Balken, Bretter und Platten abmessen, anreißen und zurichten

Knotenpunkte aufschnüren

- Bauwerke und Bauwerksteile, Fertigbauwerke und -bauwerksteile sowie Treppen aus Holz, Holzwerk- und Trockenbaustoffen herstellen, montieren und instand halten

Bauteile mit Hilfe von CNC-gesteuerten Maschinen zurichten

einzelne Teile mit unterschiedlichen Füge- und Verbindungstechniken zusammenfügen und aufbauen

Ausbauarbeiten ausführen

Akustik- und Trockenbauarbeiten ausführen

Reparatur- und Sanierungsarbeiten an Bauwerken und Bauwerksteilen durchführen

Holzschutzarbeiten durchführen

- Verschalungen, Lattungen und Verkleidungen aus Holz, Holzwerk- und Trockenbaustoffen

herstellen und montieren

Der Kläger hat ausreichend substantiiert dargelegt, welche Arbeiten er bis 30. September 2007 auf der Baustelle "Kirche E." zusammen mit dem Zimmerergesellen F. H. und ab 1. Oktober 2007 auf der Baustelle "L. in Q" zusammen mit Zimmerergesellen F. Sch. ausführte. Danach arbeitete er auf der Baustelle "Kirche E." an der Errichtung eine Dachkonstruktion aus Holz mit, was das Zuschneiden der entsprechenden Bauteile, deren Zusammensetzen und das Aufsetzen der Holzkonstruktion, das Auswechseln von fünf Sparrengebinden, das Auswechseln alles beschädigten Holzes in den Gebinden und die Sanierung der Gebinde mit neuem bzw. altem bearbeitetem Holz umfasste, wobei der Kläger das erforderliche Holz ausgemessen, zugeschnitten und eingebaut hatte. Auf der Baustelle "L. in Q." arbeitete der Kläger an der Erstellung eines Fachwerkvorbaues mit. Er erledigte anfallende Zimmererarbeiten, die den Aufbau des Fachwerkverbundes und den Einbau des Fachwerkverbundes im Innern betrafen. Dabei wurden u. a. ein Gaubenrahmen sowie Sparren angefertigt und befestigt, am Vorbau die Dach- und Fachwerkkonstruktion komplett abgebaut, Schwellen verlegt und Stichbalken eingebaut. Bei all den vom Kläger benannten Tätigkeiten handelt es sich offensichtlich um genau solche Tätigkeiten, die laut dem BERUFENET zu den üblichen Aufgaben und Tätigkeiten eines Zimmerers gehören. Deshalb geht die erkennende Kammer davon aus, dass der Kläger ab 1. August 2007 auf Anweisung Teilleistungen des Berufsbildes Zimmerers erbrachte. Dass die Tätigkeiten des Zimmerers nicht als Tätigkeitsbeispiel in der Lohngruppe 2 aufgeführt sind, ändert daran nichts. Eine Aufzählung von Tätigkeitsbeispielen kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Soweit die Beklagte einwendet, dass der Kläger auf der Baustelle "L. in Q." Arbeiten in der Gebäudesanierung wie Ausgleichs- und Schalungsarbeiten durchgeführt, muss ihr entgegenhalten werden, dass derartige Arbeiten zum einen nach dem BERUFENET zu den Tätigkeiten eines Zimmerers gehören und zum anderen zu den Arbeiten des Tätigkeitsbeispiels Nr. 12 der Lohngruppe 2 TV Mindestlohn.

Anspruch auf Verzugszinsen besteht für den Kläger gemäß den §§ 288 Abs. 1, 247 BGB.

2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass der Kläger für den Zeitraum vom 18. bis 31. Juli 2007 weder Anspruch auf Arbeitslohn nach der Lohngruppe 1 noch nach der Lohngruppe 2 des TV Mindestlohn hat.

a) Gemäß § 21 Abs. 1 BBiG endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Ablauf der Ausbildungszeit bzw. im Falle der Stufenausbildung mit Ablauf der letzten Stufe. Bestehen Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlussprüfung, endet das Berufsausbildungsverhältnis gemäß § 21 Abs. 2 BBiG mit Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss.

b) Ob seine Ausbildungszeit bei der Beklagten durch Zeitablauf am 31. Juli 2007 geendet hätte, hat der Kläger nicht dargelegt. Er behauptet, er habe die Ausbildung zum Zimmermann am 17. Juli 2007 erfolgreich beendet. Offenbar soll ein Fall des § 21 Abs. 2 BBiG vorlegen. Insoweit endete das Berufsausbildungsverhältnis des Klägers mit der Beklagten eindeutig erst mit Ablauf des 31. Juli 2007, da der Prüfungsausschuss der Bauinnung Wernigerode mittels Bescheinigung vom 31.07.2007 bekannt gegeben hatte, dass der Kläger die Gesellenprüfung bestanden hatte. Darauf, ob die Beklagte, wie der Kläger behauptet, vor dem 31. Juli 2007 (inoffiziell) mündlich erfahren hatte, dass er die Prüfung bestanden hatte, kommt es nicht an. Hierbei handelte es sich um keine Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss im Sinne des § 21 Abs. 2 BBiG. Bis zum 31. Juli 2007 hatte der Kläger folglich Anspruch auf die vereinbarte Ausbildungsvergütung. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt.

3. Der Anspruch des Klägers auf Berichtigung und Aushändigung der im Einzelnen aufgeführten Arbeitspapiere unter Zugrundelegung des nachgezahlten Lohnbetrages folgt aus der allgemeinen Fürsorgepflicht der Beklagten als Arbeitgeberin.

Nach alldem war das Urteil des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 17. September 2008 abzuändern und, wie tenoriert, zu entscheiden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 92 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Kosten waren im Verhältnis des Obsiegens/Unterliegens der Parteien im Rechtsstreit zu teilen.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Hierfür liegen keine Gründe im Sinne der Vorschrift des § 72 Abs. 2 ArbGG vor. Auf die Möglichkeit, beim Bundesarbeitsgericht nach § 72 a ArbGG Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht einlegen zu können, werden der Kläger und die Beklagte hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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