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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 31.03.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 556/04
Rechtsgebiete: TV Ratio, BetrVG, BGB, MTV, KSchG


Vorschriften:

TV Ratio § 1
TV Ratio § 1 Abs. 1
TV Ratio § 1 Abs. 2
TV Ratio § 1 Abs. 2 Nr. 1
TV Ratio § 2
TV Ratio § 3
TV Ratio § 3 Abs. 1
TV Ratio § 3 Abs. 4
TV Ratio § 4
TV Ratio § 5
TV Ratio § 5 Abs. 1
TV Ratio § 5 Abs. 2
TV Ratio § 6
TV Ratio § 7
TV Ratio § 11 Abs. 1
BetrVG § 95
BetrVG § 95 Abs. 3
BetrVG § 95 Abs. 3 Satz 1
BetrVG § 99 Abs. 1
BGB § 315
MTV § 6
KSchG § 1
KSchG § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT SACHSEN-ANHALT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 9 Sa 556/04

verkündet am 31. März 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Versetzung

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2005 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Heinecke als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter Bischof und Seliger als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 14. Juli 2004 - 12 Ca 3285/03 - abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ab 1. August 2003 durch die Beklagte vorgenommenen Versetzung des Klägers zur P-Agentur.

Der am 22. September 1968 geborene Kläger ist seit 1. September 1985 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger beschäftigt, zuletzt seit 1. Oktober 2002 als Teamleiter Front Office Hotline (FO) in der Niederlassung Halle. Die Tätigkeit des Klägers ist seit 1. Juli 2001 in die Entgeltgruppe T 6 der Anlage 1 zum Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV) der Deutschen Telecom AG eingruppiert. Das monatliche Gehalt des Klägers beträgt 3.146,65 € brutto.

Aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge der Deutschen Telecom AG Anwendung, darunter der mit Wirkung vom 31. Juli 2002 in Kraft getretene Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio).

Der TV Ratio enthält folgende Regelungen, die vorliegend von Interesse sind:

"Abschnitt I

Schutzregelungen für Arbeitnehmer der Deutschen Telecom AG

Unterabschnitt 1

Besondere Schutzregelungen für Arbeitnehmer in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von mindestens zwei Jahren

§ 1 Sachlicher Geltungsbereich

(1) Zur Erhaltung, Sicherung und Steigerung sowohl der Wettbewerbsfähigkeit als auch der Marktanteile der Deutschen Telecom AG sind wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen erforderlich, um eine kontinuierliche Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung sowie eine flexible Anpassung an technologische und nachfragebezogene Veränderungen sicherzustellen. Dieser Tarifvertrag dient der sozialverträglichen Umsetzung dieser Maßnahmen.

(2) Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 sind

a) Änderungen der Aufbauorganisation

b) Änderungen der Ablauforganisation

c) Maßnahmen zur Nutzung des technischen Fortschritts

d) andere personalwirtschaftliche Maßnahmen

(3) Eine Verringerung des Personalbedarfs, die durch gesamtwirtschaftlich bedingten allgemeinen Verkehrsrückgang ausgelöst ist, zählt nicht zu den Maßnahmen nach Absatz 2.

Ausführungsbestimmungen zu Absatz 2:

1. zu Buchstabe a):

Unter Aufbauorganisation ist die Bildung von Organisationseinheiten, die Zuteilung von Aufgaben zu diesen Einheiten, die Aufgabenverteilung innerhalb der Einheiten sowie die Festlegung ihrer Zuständigkeiten zu verstehen. Sie umfasst z. B. die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Ressorts oder Abteilungen, die Aufgabenverteilung auf Niederlassungen oder Ressorts sowie die Arbeitsverteilung auf Funktionsträger

2. zu Buchstabe b) und c)

Die Ablaufordnung ist die Ordnung für das zeitlich-räumliche Hinter- und Nebeneinander von Arbeitsvorgängen zur Erfüllung der im Rahmen der Aufbauorganisation vorgesehenen Aufgaben. Sie umfasst die Gestaltung von Arbeitsverfahren, Arbeitsvorschriften, Arbeitsfeldern und Arbeitsplätzen sowie den Einsatz von Arbeitsmittel.

3. Betrieblich veranlasste Maßnahmen, in deren Folge die Gesamttätigkeit, die der Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend ausübt, einer niedrigeren Entgeltgruppe zuzuordnen ist (anforderungsändernde Maßnahmen) werden ebenfalls von diesem Tarifvertrag erfasst.

§ 2 Persönlicher Geltungsbereich

Dieser Unterabschnitt gilt für Arbeitnehmer,

a) die unter den Geltungsbereich des MTV und des ERTV der Deutschen Telecom AG fallen und

b) die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Deutschen Telecom AG stehen,

c) soweit dieses Arbeitsverhältnis seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen besteht.

§ 3 Identifizierung

(1) Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird, so werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. von der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl (Identifizierung) richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

(2) ...

(3) Wenn im Falle des Absatzes 1 und 2 innerhalb der Organisationseinheit andere gleiche Arbeitsplätze bestehen, die nicht von einer Maßnahme im Sinne des § 1 betroffen sind, so können die darauf beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. von der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen werden. Die erforderlich werdende Auswahl (Identifizierung) richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

(4) Bei einer nach Absatz 1 und 3 erforderlich werdenden Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern (Identifizierung) sind die persönlichen und sozialen Gesichtspunkte nebst Verfahren gemäß Anlage 1 und die Punktetabelle gemäß Anlage 2 heranzuziehen. Diese sind abschließend.

(5)

Protokollnotiz:

Bei der nach den Absätzen 3 und 4 vorzunehmenden Auswahlentscheidung handelt es sich nicht um eine Sozialauswahl im Sinne des § 1 KSchG.

§ 4 Clearingstelle

(1) Für eine nach § 3 erforderlich werdende Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern (Identifizierung) wird eine ständige Clearingstelle bei der Organisationseinheit eingerichtet.

(2) Die Clearingstelle ist mit Arbeitgebervertretern und Mitgliedern des Betriebsrats der jeweils betroffenen Organisationseinheit paritätisch zu besetzen.

(3) In der Clearingstelle ist mit dem Ziel einer Einigung eine umfassende Erörterung und Beratung vorzunehmen. .

(4) Die Clearingstelle hat innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung eine Empfehlung abzugeben, welche Arbeitnehmer in den Fällen des § 3 Absatz 1 und 3 identifiziert werden sollen. Kommt es zu keiner Empfehlung, entscheidet der Arbeitgeber allein über die Identifizierung; die Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes gelten.

(5)

§ 5 Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit (* Arbeitstitel)

(1) Der nach den §§ 3 und 4 identifizierte Arbeitnehmer wird in die Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit (VQE) (*Arbeitstitel) versetzt. Diese Versetzung ist zumutbar und gleichwertig."

Die Zentrale der Beklagten wies der Kundenniederlassung Halle im September 2002 unter Bezugnahme auf die vorgesehene "Teilmigration der AufgGr 225 SoCallC in die AufGr 222 Front Office" für diese Maßnahme für die Aufgabengruppe 222 20 zum 1. Oktober 2002 einen Personalbedarf von 4,7 Personaleinheiten für Teamleiter Front Office Hotline und von 55,5 Personaleinheiten für Agenten Front Office Hotline zu (Schreiben vom 25.09.2002 nebst Anlage 4, Bl. 92 bis 96 d. A.) Im Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens vom 25.09.2002 waren in der Kundenniederlassung Halle fünf Teamleiter Front Office Hotline vollzeitig beschäftigt, drei im Kundenzentrum (im Folgenden: KC) H und zwei im KC D.

Am 7. Juli 2003 führte die bei der Kundenniederlassung H eingerichtete Clearingstelle das Auswahlverfahren (Identifizierung) unter den von der Maßnahme betroffenen Teamleitern Front Office Hotline durch und empfahl die Versetzung des Klägers in die Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit (Bl. 90/91, 97/98 d. A.).

Der in der Kundenniederlassung H der Beklagten bestehende Betriebsrat stimmte der Versetzung des Klägers in den Bereich PSA / 9996 am 16. Juli 2003 zu (Bl. 99 d. A.). Der Übergangsbetriebsrat der PSA Telecom stimmte der Versetzung des Klägers am 13. August 2003 zu.

Mit Schreiben vom 19.08.2003 (Bl. 6/7 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit:

"... mit Wirkung vom 01. August 2003 werden Sie aus dienstlichen Gründen von der Kundenniederlassung H zur P-Agentur versetzt.

In Ihrer Niederlassung sind Personalbedarfe weggefallen. Aus diesem Grund wurde ein Clearingverfahren nach Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) durchgeführt.

Im Rahmen dieses Clearingverfahrens wurden Sie ausgewählt (identifiziert) und werden deshalb gemäß § 5 TV Ratio von der Kundenniederlassung Halle zur Personalservice-Agentur (PSA) versetzt. Sie werden dezentral der nächstgelegenen Organisationseinheit der PSA zugeordnet.

Geschäftsstelle neu: Ost

Regelarbeitsstelle neu: M, Leipziger Str. 58

Kostenstelle neu: Y9453333

Der Betriebsrat wurde beteiligt und hat der Versetzung zugestimmt. ...."

Der Kläger hat am 27. August 2003 beim Arbeitsgericht Magdeburg gegen die Versetzung Klage erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Versetzung sei unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei, eine Maßnahme im Sinne von § 1 TV Ratio nicht vorliege, der ZIA 2002 nicht einschlägig und sein Arbeitsplatz nicht entfallen sei. Die Beklagte wolle lediglich seinen Kündigungsschutz umgehen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die als Versetzung zur P-Agentur

bezeichnete Maßnahme, gemäß Schreiben vom 19.08.2003, mit Wirkung zum 01.08.2003, unwirksam ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Teamleiter Hotline Office tatsächlich zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Arbeitsplatz des Klägers sei aufgrund der zwischen ihr und dem Gesamtbetriebsrat für den Bereich 222 FO abgestimmten, zentral vorgegebenen sowie auf den ZIA 2002 beruhenden Rationalisierungsmaßnahmen, welche vor Ort umgesetzt worden seien, entfallen. Der Übergangsbetriebsrat der P-Agentur habe der Maßnahme ebenfalls zugestimmt. Eine Umgehung des Kündigungsschutzes liege nicht vor. Das Direktionsrecht sei in zulässiger Weise per Tarifvertrag erweitert ausgestaltet worden. Es sei ein ordnungsgemäßes, jegliche Willkür ausschließendes Verfahren durchlaufen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen im ersten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Protokolle des Arbeitsgerichts verwiesen.

Das Arbeitsgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 14.Juli 2004 festgestellt, dass die als Versetzung zur P-Agentur bezeichnete Maßnahme, gemäß Schreiben vom 19.08.2003, mit Wirkung zum 01.08.2003, unwirksam ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Teamleiter Hotline Office tatsächlich zu beschäftigen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die zu überprüfende Maßnahme, bestehend aus der Entziehung des bisherigen Dauerarbeitsplatzes und der Zuweisung zur P-Agentur der Beklagten, mittlerweile als Vivento bezeichnet, stelle eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG dar und unterliege dem Direktionsrecht. Sie sei unwirksam. Denn, damit überhaupt der sachliche Geltungsbereich des TV Ratio berührt sei, mehr aber noch, damit von einer zutreffenden Interessenabwägung ausgegangen werden könne, bedürfe es seitens der Beklagten nicht nur einer reinen Auswahlentscheidung zur Identifizierung einer nach Gutdünken zentral festgelegten Anzahl an Arbeitnehmern, sondern zunächst erst einmal der plausiblen Darlegung eines tatsächlich bestehenden, auch den Arbeitsplatz des Klägers erfassenden Personalüberhangs. Das gehe aus dem Vortrag der Beklagten nicht hervor. Ein entsprechender Personalüberhang sei aber Voraussetzung für eine wirksame Versetzung des Klägers zu Vivento. Denn ende der tarifliche Kündigungsschutz irgendwann und habe der Kläger bis dahin keinen neuen Arbeitsplatz gefunden, befinde er sich, dem möglicherweise ohne dem im Gegenzug eingeräumten zeitweiligen Kündigungsschutz gar nicht hätte betriebsbedingt gekündigt werden können, in einer prozessual wesentlich schlechteren Lage. Er werde sich dann nämlich bei der im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses stattfindenden Überprüfung, ob ein dringendes betriebliches Bedürfnis für seine Kündigung vorliege, kaum noch erfolgreich auf die Möglichkeit, ihn auf einen im August 2003 entzogenen Arbeitsplatz bei der Kundenniederlassung Halle zu beschäftigen, berufen können. Eine derartige Schlechterstellung könne nur dann gerechtfertigt sein, wenn ein verständiger Arbeitgeber tatsächlich zum Zeitpunkt der Versetzung eine betriebsbedingte Kündigung hätte in Erwägung ziehen dürfen.

Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe (Bl. 176 bis 186 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 3. August 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. August 2004 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 3. November 2004 begründet.

Die Beklagte nimmt auf ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Sie rügt, dass das Arbeitsgericht dem Feststellungsantrag des Klägers stattgegeben hat, obwohl für diesen Antrag angesichts des Weiterbeschäftigungsantrags das erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse fehle. Die Feststellung des Arbeitsgerichts, die als Versetzung des Klägers zur P-Agentur bezeichnete Maßnahme sei unwirksam, hält die Beklagte für rechtsfehlerhaft. Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Prüfungsmaßstäbe des Kündigungsschutzes nach dem KSchG zu Unrecht angewandt, da keine Kündigung, sondern lediglich eine Versetzung zu beurteilen sei. Sie meint, einen den Arbeitsplatz des Klägers erfassenden Personalüberhang plausibel dargelegt zu haben. Ergänzend führt die Beklagte aus, die der Versetzung des Klägers zugrunde liegende Maßnahme sei nach Maßgabe des ZIA 2002 erfolgt. Die Tätigkeit des Klägers als Teamleiter Hotline Office mit der Aufgabengruppennummer (AT Nr.) 222 20 sei eine Tätigkeit innerhalb der Aufgabengruppe 222 FO. Demzufolge seien die Rationalisierungsmaßnahmen einschlägig, die diese Aufgabengruppe beträfen. Die Konkretisierung des Reduzierungsumfangs auf einzelne Organisationseinheiten sei durch die mit dem Gesamtbetriebsrat abgestimmten Einzelanweisungen erfolgt. Vorliegend sei die mit Schreiben vom 25.09. 2002 erfolgte Einzelanweisung maßgeblich. Es sei, um die Call-Mengen entsprechend ihres Ursprungs "verursachergerecht" in den Kundenzentren der Kundenniederlassungen bearbeiten zu können, die unternehmerische Entscheidung getroffen worden, aus der Aufgabengruppe 225 SoCallC Aufgaben in die Aufgabengruppe Front Office zu verlagern (Teilmigration). Als Folge dieser Entscheidung sei der Kundenniederlassung H zum 1. Oktober 2002 ein Personalbedarf an Teamleitern Front Office Hotline (FO) von 4,7 Personaleinheiten zugewiesen worden. Die Aufteilung des zugewiesenen Bedarfs sei vor Ort durch die Entscheidung der Geschäftsleitung unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten erfolgt. Aufgrund der tatsächlich zu leistenden Arbeiten seien 2,7 Personaleinheiten auf das KC H und 2 Personaleinheiten auf das KC D aufgeteilt worden. Ein Bedarf an der Beschäftigung von 5 Teamleitern FO hätte nur bestanden, wenn 5 entsprechende Personaleinheiten zugewiesen worden wären. Da dem nicht so gewesen sei und ein Teamleiter FO 10 bis 15 Agenten FO zu führen habe, habe sie entschieden, die Führung der der Kundenniederlassung Halle zugewiesenen 55,5 Agenten FO mit vier Teamleitern FO zu bewältigen. Die in der Kundenniederlassung H eingerichtete Clearingstelle habe in das entsprechend den tariflichen Vorschriften durchgeführte Clearingverfahren die drei im KC H tätigen Teamleiter FO einbezogen und sich für die Versetzung des Klägers entschieden, weil er die wenigsten Sozialpunkte aufzuweisen habe.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 14.07.2004 (Aktenzeichen: 12 Ca 3285/03) abzuändern und nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen,

2. die Kosten des Rechtsstreits der berufungsbeklagten Partei aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger nimmt ebenfalls auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug. Er hält an seiner Auffassung, die Versetzung unterlaufe den Kündigungsschutz, fest. Er ist der Ansicht, für den gestellten Feststellungsantrag mangele es nicht am Rechtsschutzinteresse, und rügt den ergänzenden Vortrag der Beklagten zur Organisationsmaßnahme, die auch seinen Arbeitsplatz betreffe, als verspätet. Der Kläger weist darauf hin, dass dieser Vortrag seine Vermutung der Willkür im Zusammenhang mit der "Unternehmerentscheidung" nicht zu beseitigen vermöge und die als Beweismittel vorgelegte Anlage BK 1, deren Abstimmung er mit den zuständigen Betriebsräten ausdrücklich bestreitet, sowie die vorgelegte Anlage BK 2 nicht geeignet seien, den angeblich bestehenden Personalüberhang zu belegen. Er habe zuletzt 10 Mitarbeiter anzuleiten gehabt. Zwei davon seien zum gleichen Zeitpunkt wie er "gecleart" worden.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 03.11.2004 nebst Anlagen (Bl. 260 bis 323 d. A.), auf die Berufungsbeantwortung vom 29.11.2004 (Bl. 327 bis 329 d. A.) und das Protokoll vom 31.03.2005 (Bl. 354/355 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 u. 2 lit. b ArbGG) und zulässig. Sie wurde von der Beklagten frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 2 lit. b, Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO).

II. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Denn die von der Beklagten mit Schreiben vom 19.08. 2003 rückwirkend zum 1. August 2003 vorgenommene Versetzung des Klägers zur P-Agentur, seit September 2003 als Personalserviceeinheit Vivento bezeichnet, ist wirksam.

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die von der Beklagten gegenüber dem Kläger zum 1. August 2003 ergriffene Maßnahme eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG darstellt, die gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedarf.

a) Nach § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist eine Versetzung im Sinne dieses Gesetzes die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches, die voraussichtlich die Dauer eines Monats überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Der Begriff Arbeitsbereich ist nach ständiger Rechtsprechung funktional zu verstehen. Er umfasst mehr als den Ort der Arbeitsleistung, nämlich die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Es liegt jedenfalls dann eine Versetzung vor, wenn dem Arbeitnehmer auf Dauer ein neuer Tätigkeitsbereich zugewiesen wird, so dass der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung ein anderer wird und sich deshalb das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert (BAG Beschluss vom 10.04.1984 - 1 ABR 67/82 - AP Nr. 4 zu § 95 BetrVG 1972 (B 1. der Gründe)). Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches kann auch vorliegen, wenn der Arbeitnehmer in eine andere organisatorische Einheit des Betriebes eingegliedert wird (BAG Beschluss vom 18.02. 1986 - 1 ABR 27/84 - AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972 (B II. 1 b der Gründe)).

b) Bei Anlegung dieser Maßstäbe stellt der von der Beklagten angewiesene Wechsel des Klägers aus der Kundenniederlassung Halle, KC H, zur P-Agentur (jetzt Vivento) eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dar. Denn der Kläger ist in eine andere organisatorische Einheit des beklagten Unternehmens eingegliedert worden, bei der ein eigener Betriebsrat besteht, und er ist anderen Vorgesetzten unterstellt. In diesem Sinne ist dem Kläger ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen worden. Darüber hinaus haben sich die Art der Tätigkeit des Klägers und sein Platz in der betrieblichen Organisation geändert. Dem Kläger ist auf Dauer die bisher ausgeübte Führungstätigkeit entzogen worden. Seine neuen Arbeitspflichten bestehen im Wesentlichen darin, zur Weitervermittlung auf einen neuen dauerhaften Arbeitsplatz sowohl innerhalb als auch außerhalb des Konzerns der Beklagten zur Verfügung zu stehen, sich auf entsprechende Ausschreibungen zu bewerben, bis zur Weitervermittlung vorübergehend zumutbare Tätigkeiten, auch in Form von Zeit- bzw. Leiharbeit, innerhalb und außerhalb des Konzerns der Beklagten auszuführen, sich ggf. einer Qualifizierungsmaßnahme zu unterziehen (§ 5 Abs. 3 TV Ratio i. V. m. der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 5 TV Ratio). Der Gegenstand der der Beklagten geschuldeten Leistung ist damit ein anderer geworden. Das Gesamtbild der Tätigkeit und die Stellung des Klägers im Betrieb haben sich völlig verändert.

c) Der Betriebsrat des abgebenden Betriebes, der Kundenniederlassung H, stimmte der Versetzung des Klägers am 16. Juli 2003 zu. Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes, der P-Agentur, tat dies am 13. August 2003. Der Versetzung des Klägers zur Personalserviceeinheit Vivento stehen folglich keine kollektivrechtlichen Hindernisse (§§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG) entgegen.

2. Die mit Schreiben der Beklagten vom 19.08.2003 gegenüber dem Kläger rückwirkend zum 1. August 2003 ausgesprochene, auf § 5 Abs. 1 TV Ratio beruhende Versetzung zur Personalserviceeinheit Vivento, ist wirksam.

2.1. Der TV Ratio ist auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar.

Nach § 2 TV Ratio gilt dieser Tarifvertrag für Arbeitnehmer, die a) unter den Geltungsbereich des MTV und des ERTV der Deutschen Telekom AG fallen, die b) in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Deutschen Telekom AG stehen, soweit c) dieses seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen besteht. Diese Voraussetzungen sind für den Kläger erfüllt: Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung. Demzufolge fällt der Kläger unter den persönlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages (MTV) sowie unter den des Entgeltrahmentarifvertrages (ERTV) der Deutschen Telekom AG. Der Kläger steht seit 1985 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Deutschen Telekom AG.

2.2. Die tariflichen Voraussetzungen für eine Versetzung des Klägers zu der bei der Beklagten bestehenden Personalserviceeinheit Vivento sind erfüllt.

a) Eine wirksame Versetzung des Klägers setzt die Erfüllung der in § 1 Abs. 1 u. 2, § 3 Abs. 1 u. 4 TV Ratio geregelten Voraussetzungen voraus.

§ 1 Abs. 1 u. 2 TV Ratio:

Die in den einzelnen Organisationseinheiten der Beklagten durchzuführenden Rationalisierungsmaßnahmen werden zwischen dem Vorstand der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat abgestimmt und in Interessenausgleichen und Sozialplänen (nachfolgend: ZIA) festgehalten. Die Anlagen der ZIA beinhalten jeweils eine Maßnahmeübersicht, bezogen auf die Aufgabengruppen, und eine Darstellung der Auswirkungen der Maßnahmen in Zahlen auf den Personalbedarf in den verschiedenen Unternehmensbereichen der Beklagten. Die Konkretisierung des Umfangs des Personalabbaus in den einzelnen Organisationseinheiten erfolgt im ZIA jeweils durch die mit dem Gesamtbetriebsrat abgestimmten "Einzelanweisungen".

Die der Versetzung des Klägers zugrunde liegende Maßnahme erfolgte nach Maßgabe des ZIA 2002 (Bl. 162 bis 168 d. A.). Der Kläger ist (zuletzt) als Teamleiter Front Office Hotline in der Kundenniederlassung H, KC H (Regelarbeitsstelle M) tätig gewesen. Bei der Tätigkeit des Klägers mit der Aufgabenträgernummer (At-Nr.) 222 20 handelt es sich eine Tätigkeit innerhalb der Aufgabengruppe 222 FO. Um die Call-Mengen effektiver und entsprechend ihres Ursprungs "verursachergerecht" in den Kunden Centern ihrer Niederlassungen bearbeiten zu können, entschied die Beklagte, zum 1. Oktober 2002 einen Teil der Aufgaben aus der Aufgabengruppe 225 Sondercallcenter in die Aufgabengruppe 222 Front Office zu verlagern (Bl. 41 bis 43 d. A.). Den (quantifizierten) Personalbedarf für diese Maßnahme gab der Vorstand der Beklagten den Kundenniederlassungen mit Schreiben vom 25.09.2002 bekannt, forderte diese auf, die Personalbedarfsänderung bis zum 31. Oktober 2002 zu dokumentieren und wies darauf hin, dass die Personalvorgaben grundsätzlich die Obergrenzen darstellen, die nach Einschätzung der Niederlassungsleiter aufgrund der örtlichen Verhältnisse unterschritten und unter bestimmten Randbedingungen überschritten werden können (Personalvorgaben, Anlage 4 zum Schreiben vom 25.09.2002, Bl. 45 d. A). Der Kundenniederlassung H wurde im Hinblick auf die Tätigkeit "Teamleiter Front Office Hotline" ein Bedarf von 4,7 Personaleinheiten und im Hinblick auf die Tätigkeit "Agenten Front Office Hotline" ein Bedarf von 55,5 Personaleinheiten vorgegeben. Im September 2003 beschäftigte die Beklagte im KC H der Niederlassung H drei Teamleiter Front Office Hotline, deren Tätigkeit der At-Nr. 222 20 zugeordnet war. Die Geschäftsleitung der Niederlassung Halle entschied, die Teamleiter Front Office Hotline betreffend, aufgrund der tatsächlich zu leistenden Arbeit 2,7 Personaleinheiten auf das KC H sowie 2,0 Personaleinheiten auf das KC D aufzuteilen, im KC H die Stelle eines Teamleiters Front Office Hotline abzubauen und zur Führung der 55,5 Agenten Front Office Hotline künftig vier Teamleiter Front Office Hotline zu beschäftigen. Ein Teamleiter hat in der Regel 10 bis 15 unterstellte Mitarbeiter zu führen.

Bei den für den festgelegten Abbau der Stellen der Teamleiter Front Office Hotline (At-Nr. 222 20) und der Agenten Front Office Hotline (At-Nr. 222 27) innerhalb der Aufgabengruppe 222 FO ursächlichen Maßnahmen (Verlagerung von Aufgaben aus der Aufgabengruppe 225 SonCallC in die Aufgabengruppe 222 Front Office, verbunden mit der vorausgegangener Verkürzung abzufragender Calls) handelt es sich um Maßnahmen im Sinne von § 1 Abs. 1 u. 2 Nr. 1 TV Ratio. Diese Maßnahmen haben den Wegfall eines Arbeitsplatzes "Teamleiter Front Office Hotline" zur Folge gehabt.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass das Arbeitsgerichts völlig zutreffend ausgeführt hat, dass die Wiedergabe des Inhalts der ihren Schriftsätzen beigefügten Anlagen durch die Beklagte, insbesondere des in der Anlage 4 zum ZIA 2002 festgehaltenen Zahlenwerks, nicht ausreicht, um einen Personalüberhang, der zur Einleitung eines Identifizierungsverfahrens nach § 3 Abs. 4 TV Ratio berechtigt, nachvollziehen zu können. Vorliegend hat die Beklagte jedoch die unternehmerische Entscheidung getroffen, in der Niederlassung H, KC H, auf Dauer mit zwei bzw. in beiden Kunden Centern der Niederlassung mit vier Teamleiterin Front Office Hotline (At-Nr. 222 20) in der Aufgabengruppe 222 FO zu arbeiten. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist zulässig (vgl. BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - und - 2 AZR 522/98 - AP Nr. 101, 102 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). In Anbetracht des Umstandes, dass in der Niederlassung Halle nunmehr noch 55,5 Agenten Front Office Hotline (At-Nr. 222 27) in der Aufgabengruppe 222 FO zu führen sind, erscheint es der erkennenden Kammer plausibel, dass hierfür vier Teamleiter ausreichen. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass er zuletzt 10 Agenten Front Office Hotline zu führen hatte, von denen zwei zur selben Zeit wie er "gecleart" wurden.

§ 3 Abs. 1 u. 4 TV Ratio

Vorliegend sind in der Niederlassung H, KC H, der Beklagten drei Arbeitsplätze "Teamleiter Front Office Hotline" (At-Nr. 222 20) innerhalb der Aufgabengruppe 222 von einer Maßnahme im Sinne von § 1 TV Ratio betroffen gewesen, wobei nur ein Arbeitsplatz weggefallen ist. Gemäß § 3 Abs. 1 TV Ratio waren alle auf diesen drei Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer in die erforderliche Auswahl (Identifizierung) einzubeziehen. Das hat die Beklagte getan. Sie bezog den Kläger (Alter: 34 Jahre, Betriebszugehörigkeit 16 Jahre, ledig, keine Kinder) sowie die Teamleiter FO Hotline Walter V. (Alter: 47, Betriebszugehörigkeit: 32, ledig, keine Kinder) und Ellen W. (Alter: 51, Betriebszugehörigkeit: 34, verheiratet, keine Kinder) in die Auswahl ein. Die gemäß § 4 TV Ratio gebildete Clearingstelle führte das Auswahlverfahren gemäß § 3 Abs. 4 TV Ratio und den dazugehörigen Anlagen 1 u. 2 am 4. Juli 2003 durch (Bl. 90/91, 97, 98 d. A.). Sie wählte (identifizierte) den Kläger für die Versetzung zur (damals noch) P-Agentur aus, weil dieser die wenigsten Sozialpunkte aufzuweisen hatte.

2.3. Die Beklagte war befugt, die Versetzung des Klägers in Ausübung des Direktionsrechts ohne Ausspruch einer Änderungskündigung vorzunehmen.

a) Einer Änderungskündigung bedarf es nicht, wenn der Arbeitgeber aufgrund des ihm zustehenden Direktionsrechts zur Änderung der Arbeitsbedingungen berechtigt ist. Der Umfang des Direktionsrechts ist abhängig von den einzelvertraglichen Abreden der Parteien, aber auch von Betriebsvereinbarungen und tariflichen Bestimmungen und kann daher mehr oder weniger weit sein. Bei der Ausübung des Direktionsrechts ist der Arbeitgeber nicht frei. Soweit das Direktionsrecht nicht ohnehin durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder auch durch einzelvertragliche Abrede beschränkt ist, darf es im Übrigen gemäß § 315 BGB nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden (KR, 7. Aufl., - Rost -§ 2 Rz. 37, 43 b).

b) Vorliegend ergibt sich die Versetzungsbefugnis der Beklagten aus § 6 des Manteltarifvertrages für den Bereich der Deutschen Telekom AG (MTV) und § 5 Abs. 1 TV Ratio. Gemäß § 5 Abs. 1 TV Ratio wird der gemäß den §§ 3 und 4 dieses Tarifvertrages identifizierte Arbeitnehmer in die Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit VQE (= PSA = Vivento) versetzt, wobei diese Versetzung als zumutbar und gleichwertig anzusehen ist. Bei der Versetzung des Klägers in die Personalserviceeinheit Vivento hat sich die Beklagte folglich im Rahmen ihres tariflich erweiterten Direktionsrechts gehalten, wie es durch den TV Ratio im Einzelnen ausgestaltet ist, und deshalb auch nicht in eine arbeitsvertragliche Rechtsposition des Klägers rechtswidrig eingegriffen. Wenn der Arbeitgeber im Rahmen der tariflichen Grenzen von dem ihm zustehenden Direktionsrecht Gebrauch macht und dem Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit zuweist, bedarf es dazu, wie der Tarifvertrag selbst bestimmt, keiner Änderungskündigung nach § 2 KSchG (vgl. BAG vom 22.05.1985 - 4 AZR 427/83 -, AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge Bundesbahn).

Die Versetzung des Klägers widerspricht auch nicht billigem Ermessen. Eine Leistungsbestimmung ist dann nicht unbillig, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Ob der zur Bestimmung der Leistung Berechtigte diese Grundsätze beachtet hat, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. auch BAG vom 15.01.1987 - 6 AZR 58984 -, AP Nr. 21 zu § 75 BPersVG). Diesen Anforderungen ist die Beklagte bei der Versetzung des Klägers in die Personalserviceeinheit Vivento gerecht geworden. Entscheidend ist, dass der Arbeitsplatz für einen Teamleiter Front Office Hotline im KC H der Kundenniederlassung H infolge von Maßnahmen im Sinne von § 1 TV Ratio weggefallen ist und der Kläger aus den hiervon betroffenen drei Arbeitnehmern gemäß § 3 Abs. 1 u. 4 TV Ratio für die Versetzung zu Vivento ausgewählt worden ist. An der Beschäftigung des Klägers besteht damit bei der Beklagten kein Bedarf mehr. Trotzdem hält die Beklagte sein Arbeitsverhältnis wie die Arbeitsverhältnisse einer Vielzahl ihrer Beschäftigten, für die der Beschäftigungsbedarf entfallen ist, zu den bisherigen Lohnbedingungen aufrecht und ist bemüht, sie gemäß § 5 Abs. 2 TV Ratio auf dauerhafte Arbeitsplätze zu vermitteln. Bei dieser Sachlage und tarifvertraglich gestalteten Rechtslage wäre die Versetzung des Klägers in die Personalserviceeinheit Vivento nur unbillig, wenn sie durch die Bereitstellung eines freien, der Ausbildung, den Fähigkeiten und Fertigkeiten des Klägers entsprechenden und ihm von den Lohnbedingungen her zumutbaren Arbeitsplatzes vermeidbar gewesen wäre. Dass im Zeitpunkt der Versetzung des Klägers ein solcher freier Arbeitsplatz vorhanden war, ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht. Die von ihm als gleichwertig bezeichneten Arbeitsplätze/Tätigkeiten "Leiter Team Premium Front Office" und "Teamleiter CC Vertrieb" sind zum einen in eine höhere Entgeltgruppe eingruppiert und zum anderen erst zum 1. März 2005 bzw. 1. April 2005 frei.

3. Dass durch die gemäß § 5 Abs. 1 TV Ratio erfolgte Versetzung des Klägers der Kündigungsschutz umgangen werden soll, wie der Kläger meint, vermag die erkennende Kammer des Berufungsgerichts nicht festzustellen.

Der Verstoß einer Tarifnorm gegen höherrangiges und zwingendes Gesetzesrecht, z. B. gegen das Kündigungsschutzgesetz, führt zu ihrer Unwirksamkeit. § 1 KSchG gewährt dem Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen Schutz vor sozial ungerechtfertigten ordentlichen Kündigungen des Arbeitsverhältnisses. Hiervon zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichende Vereinbarungen sind unwirksam. Der TV Ratio stellt in diesem Sinne keine "abweichende" Vereinbarung dar. Bei ihm handelt es sich um einen Rationalisierungsschutz(tarif)vertrag, der die Arbeitnehmer der Beklagten, deren Aufgabengebiete, Arbeitsplätze rationalisierungsbedingt wegfallen, eben gerade vor Beendigungskündigungen schützen soll. Nach § 11 Abs. 1 TV Ratio sind bis zum 31. Dezember 2004 betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen. Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden, werden mit dem Ziel, ihnen dauerhaft andere Arbeitsplätze zu vermitteln, zur Personalserviceeinheit Vivento versetzt und in dieser Zeit nach der bisherigen Entgeltgruppe entlohnt. Der Kläger war, wie oben ausgeführt, als Teamleiter Front Office Hotline im KC H der Niederlassung H der Beklagten tätig. Eine solche Stelle ist weggefallen und hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne die durch § 5 Abs. 1 TV Ratio eröffnete Versetzung die betriebsbedingte Kündigung eines dieser Teamleiter nach sich gezogen. Entscheidend ist also, dass dem Kläger keine Kündigung erklärt werden musste. Willkürliche Handlungen der Beklagten, wie sie der Kläger vermutet, erlaubt der TV Ratio im Übrigen nicht. Denn die formalen und materiellen Voraussetzungen für die Versetzung eines Arbeitnehmers in die Personalserviceeinheit Vivento durch Ausübung des Direktionsrechts sind im TV Ratio eindeutig festgelegt. Die Versetzung eines Arbeitnehmers erfordert das Vorliegen konkreter Voraussetzungen und ist an die Einhaltung eines geregelten Verfahrens gebunden. Die §§ 1, 3, 5, 6 und 7 TV Ratio sowie die Anlagen 1 und 4 zur Auswahl (Identifizierung), zur Zumutbarkeit der Vermittlung, zum Rückkehrrecht u. m. grenzen das Direktionsrecht der Beklagten ein, verwenden eindeutige und justiziable Kriterien und machen es gerichtlich überprüfbar. Die Versetzung des Arbeitnehmers in die Personalserviceeinheit Vivento stellt zwar eine Maßnahme dar, die in der Regel in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, entsprechend seinem Arbeitsvertrag auch tatsächlich beschäftigt zu werden eingreift. Dieser Eingriff ist allerdings in Anbetracht des Zweckes und der konkreten Ausgestaltung des TV Ratio (noch) angemessen.

Nach alldem war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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