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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 1 Sa 319/07
Rechtsgebiete: BGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 260 Abs. 2
BGB § 615
BGB § 615 Satz 1
BGB § 615 Satz 2
HGB § 74 c Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 1 Sa 319/07

Verkündet am 29.11.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2007 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen dass Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 16.05.2007 - 5 Ca 2488/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Verzugslohnansprüche des Klägers für die Zeit vom 26.06.2004. bis 12.12.2004.

Es steht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 12.12.2004 aufgrund ordentlicher Kündigung endete (Vergleich vom 07.12.2006 in dem Berufungsverfahren 1 Sa 309/06 ).

Der Kläger war vom 01.04. bis 25.06.2004 durchgehend arbeitsunfähig krank. Für die Zeit ab dem 01.04.2004 bezog der Kläger Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 282,03 EUR wöchentlich, insgesamt 7.614,81 EUR netto. Durch rechtskräftiges Teil-Urteil vom 10.12.2006 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Entgeltfortzahlung in Höhe von EUR 3.047,45 abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes verurteilt.

Die Parteien streiten noch darüber, ob dem Kläger für die Zeit nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit ab 26.06.2004 Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug hat. Der Kläger erzielte bis zum 12.12.2004 anderweitigen Verdienst über dessen Höhe die Parteien streiten. Ferner streiten die Parteien darüber, ob der Kläger es unterlassen hat, weiteren Verdienst zu erzielen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 06.10.2005 folgende Zwischenverdienste vorgetragen:

Juli 2004 - Firma F... 165,00 EUR (15 Stunden)

Juli 2004 - Firma S... 165,00 EUR (15 Stunden)

August 2004 - Firma S... 400,00 EUR (40 Stunden)

September 2004 - Firma B & B... 400,00 EUR (40 Stunden)

Oktober 2004 - Firma B & B... 400,00 EUR (40 Stunden)

November 2004 - Firma B & B... 400,00 EUR (40 Stunden)

Dezember 2004 - Firma B & B... 400,00 EUR (40 Stunden)

insgesamt 2.330,00 EUR

Mit Schriftsatz vom 31.08.2006 hat er unter Vorlage von Kopien von Lohnabrechnungen (Bl. 64 - 68 d.A.) seine Angaben dahin korrigiert, im Zeitraum von Juli bis Dezember 2004 insgesamt 2.096,00 EUR netto hinzu verdient zu haben. Davon entfielen auf den Monat Juli 2004 160,00 EUR netto, August 2004 400,00 EUR netto, September 2004 336,00 EUR netto sowie für Oktober, November und Dezember 2004 jeweils 400,00 EUR netto. Seinerzeit hätten ihm die Abrechnungen noch nicht komplett vorgelegen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Verzugslohn in Höhe von 12.132,54 EUR brutto abzüglich an den Kläger gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 7.614,81 EUR sowie abzüglich 2.096,00 EUR netto Hinzuverdienstes zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Höhe des vom Kläger angegebenen Hinzuverdienstes bestritten und den Kläger aufgefordert, die Richtigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern. Außerdem hat sie behauptet, der Kläger habe anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als zum jetzigen Zeitpunkt nicht begründet abgewiesen. Dem Kläger stehe grundsätzlich gemäß § 615 Satz 1 BGB bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die vereinbarte Vergütung zu. Der Kläger hat, obwohl die Beklagte das gefordert hat, die von ihm in diesem Rechtsstreit gemachten Angaben bezüglich seines Hinzuverdienstes bislang nicht an Eides statt versichert, so dass die Klage aufgrund des der Beklagten zustehenden Zurückbehaltungsrechtes abzuweisen sei.

Gegen dieses ihm am 03.07.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.08.2007 durch Telekopie und am 03.08.2007 durch Originalschriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 03.10.2007 am 28.09.2007 durch Telekopie und am 01.10.2007 durch Originalschriftsatz begründet.

Der Kläger trägt vor:

Die Annahme des Arbeitsgerichts, dass die Beklagte ihn, den Kläger, zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung aufgefordert habe, sei nicht ganz zutreffend. Die Beklagte habe mit Schriftsatz vom 22.09.2006 beantragt, ihm, dem Kläger, aufzugeben, die Richtigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern. Im Protokoll vom 16.05.2007 sei dann festgehalten worden, dass die Beklagte darauf bestehe, dass der Kläger die Richtigkeit seiner Angaben an Eides statt versichere und dass er, der Kläger. bereit sei, diese eidesstattliche Versicherung abzugeben. Dann habe das Arbeitsgericht das Schlussurteil erlassen.

Mit Datum vom 26.07.2007 habe er, der Kläger, eine entsprechende eidesstattliche Versicherung abgegeben (Anlage K1 - Bl. 123 d.A.). Mit Schreiben vom 02.08.2007 habe sein Prozessbevollmächtigter an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten die eidesstattliche Versicherung übersandt und zum Nachrechnen und Auszahlen aufgefordert (Beweis: Kopie des Schreibens vom 02.08.2007 - Anlage K 2 - Bl. 124 d.A.). Damit sei das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten entfallen.

Der Kläger beantragt,

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Lübeck - 5 Ca 2488/05 - vom 16.05.2007, zugestellt am 3. Juli 2007, abzuändern und der Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Verzugslohn in Höhe von 12.132,54 € brutto abzüglich an den Kläger gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 7.614,81 € sowie abzüglich 2.096,-- € netto Hinzuverdienste zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, sie habe weiterhin ein Leistungsverweigerungsrecht. Der Kläger verschweige erzielten Zwischenverdienst. Seine bisherigen Angaben seien unvollständig. Daher sei die eidesstattliche Versicherung nicht geeignet, seine Klage begründet erscheinen zu lassen.

Der Kläger verschweige nach wie vor, dass er über die von ihm eingereichten Beträge hinaus Zwischenverdienste erzielt habe. Seine Angaben seien unglaubwürdig und unvollständig.

Sie, die Beklagte, habe in ihrer Klageerwiderung vorgetragen, dass der Kläger wiederholt mit verschiedenen Zugmaschinen ab Juli 2004 unterwegs gewesen und beobachtet worden sei. Erstmals mit Schriftsatz vom 06.10.2005 habe der Kläger eingeräumt, Einkünfte aus Aushilfstätigkeiten bei verschiedenen Speditionen erzielt zu haben. Im Schriftsatz vom 06.10.2005 habe er dann eingeräumt, insgesamt 2.330,00 EUR brutto eingenommen zu haben. Diese Angaben habe ihr Prozessbevollmächtigter beanstandet und den Kläger aufgefordert, die vollständigen Firmierungen und Anschriften der von ihm benannten Arbeitgeber zu benennen und die erteilten Arbeitsbescheinigungen und Lohnabrechnungen vorzulegen. Ohne seine Angaben zu korrigieren habe der Kläger mit Schriftsatz vom 25.11.2005 die Firmen genannt, für die er tätig gewesen sein wolle, Angaben zur Höhe aber nicht gemacht.

Zwischen der eidesstattlichen Versicherung, die der Kläger nunmehr eingereicht habe und seinen bisherigen Angaben bestünden Widersprüche, die der Kläger nicht aufgeklärt habe:

Für Juli 2004 habe der Kläger zunächst angegeben, er habe bei der Firma F... und der Firma S... jeweils Einkünfte in Höhe von 165,00 EUR erzielt (jeweils 15 Stunden). In seiner eidesstattlichen Versicherung tauchen die 165,00 EUR, die er als Einkünfte bei der Firma S... angegeben habe, nicht mehr auf. Der Kläger sei aber offenbar für die Firma S... im Juli 2004 gefahren. Am 05. Juli 2004 habe nämlich vor dem Haus des Klägers eine weiße Zugmaschine der Firma S... Transporte gestanden. Das habe ihr Mitarbeiter O... beobachtet. Außerdem habe der Kläger nicht erklärt, wieso er bei der Firma F... nunmehr 160,00 EUR und nicht - wie vorher angegeben - 165,00 EUR verdient haben wolle.

Für September 2004 habe der Kläger erstinstanzlich zunächst einen Zwischenverdienst bei der Firma B & B... in Höhe von 400,00 EUR angegeben. In seiner eidesstattlichen Versicherung gebe er jedoch nunmehr Einkünfte in Höhe von 360,00 EUR bei der Firma S... an. Offensichtlich unterschlage der Kläger seine zusätzliche Einnahme in Höhe von 400,00 EUR bei der Firma B & B....

Im Übrigen habe der Kläger auch anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen. Der Kläger würde bei einer ernsthaften Bewerbung jederzeit einen neuen Arbeitsplatz als Kraftfahrer im Güterfernverkehr erhalten, da ein erheblicher Bedarf in dem fraglichen Zeitraum bestanden habe. Sie habe auch Unternehmen im Lübecker Raum benannt, die Kraftfahrer im internationalen Güterverkehr in der Zeit vom 01.04. bis 12.12.2004 gesucht hätten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache ist sie jedoch nicht gerechtfertigt.

1. Das Arbeitsgericht hat in seinem Schlussurteil zu Recht die Klage als zurzeit unbegründet zurückgewiesen hat. Der Kläger hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht di geforderte und angekündigte eidesstattliche Versicherung nicht abgeben.

2. Die Berufung ist unbegründet. Die Klage ist unbegründet, weil der Kläger den von ihm erzielten Zwischenverdienst auch im zweiten Rechtszug nicht glaubhaft gemacht hat.

a) Nach § 615 S. 2 BGB muss sich der Arbeitnehmer auf den Annahmeverzugslohn den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste als sog. Zwischenverdienst erwirbt. Der Zwischenverdienst vollzieht sich regelmäßig allein in der Sphäre des Arbeitnehmers. Dem Arbeitgeber sind die näheren Umstände sowie die Höhe des Verdienstes in aller Regel nicht bekannt. Dem an sich für den Zwischenverdienst beweisbelasteten Arbeitgeber wird daher ein Auskunftsanspruch in entsprechender Anwendung von § 74 c Abs. 2 HGB zugebilligt. Außerdem hat der Arbeitgeber bei Zweifeln Anspruch auf Abgabe auf eidesstattliche Versicherung analog § 260 Abs. 2 BGB zur Glaubhaftmachung (Bundesarbeitsgericht, 29.97.19999, AP Nr. 52 zu § 615 BGB). Der Kläger hat zwar unter dem 26.07.2007 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Diese ist jedoch nicht geeignet, die Höhe des erzielten Zwischenverdienstes glaubhaft zu machen.

b) Dass der Kläger auch im Berufungsverfahren trotz Abgabe der eidesstattlichen Versicherung seinen Zwischenverdienst gemäß § 615 BGB nicht ausreichend glaubhaft gemacht (§ 293 ZPO), ergibt sich daraus, dass zwischen seinen ursprünglichen Angaben im ersten Rechtszug und dem Inhalt seiner eidesstattlichen Versicherung Widersprüche bestehen, auf die die Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Die Beklagte hat die Tatsachen, aus denen sich die Zweifel ergeben, im Einzelnen vorgetragen. Im Rahmen der Darlegungs- und Erwiderungslast gem. § 138 Abs. 2 ZPO wäre es nunmehr Sache des Klägers gewesen, diese Widersprüche aufzuklären, um damit zu erreichen, dass seine eidesstattliche Versicherung für eine Glaubhaftmachung geeignet ist. Diese Darlegungslast hat der Kläger nicht erfüllt. Sein Prozessbevollmächtigter konnte auch im Berufungstermin hierzu keinerlei Angaben machen.

3. Das Berufungsgericht weist vorsorglich darauf hin, dass die Beklagte nicht berechtigt wäre, die Zahlung des Annahmeverzugslohns wegen sog. Unterlassens anderweitigen Erwerbs des Klägers zu verweigern (§ 615 S. 2, 2. Alt. BGB). Ein gekündigter Arbeitnehmer muss sich sog. hypothetische Verdienste nur dann anrechnen lassen, wenn er böswillig anderweitigen Erwerb unterlässt. Um böswilliges Unterlassen handelt es sich, wenn der Arbeitnehmer grundlos zumutbare Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm zumutbare Arbeit angeboten wird. Der Arbeitnehmer unterlässt böswillig anderweitigen Verdienst, wenn er vorsätzlich grundlos Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird. Dabei reicht nicht einmal aus, dass der Arbeitnehmer unterlassen hat, sich beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden. Nur wenn der Arbeitnehmer Arbeitsangebote ausschlägt oder sie verhindert, ist er als böswillig zu behandeln. Will der Arbeitgeber sein Entgeltrisiko im Annahmeverzug mindern, so hat er die hierfür erforderlichen Handlungen selbst vorzunehmen, zum Beispiel den Arbeitnehmer auf konkrete Stellenangebote zu informieren, ihn dadurch in "Zugzwang" zu setzen und zu Bewerbungen veranlassen, um gegebenenfalls die Ansprüche aus Annahmeverzug kürzen zu können. Der Arbeitnehmer schuldet auch nicht aufgrund seiner Treuepflicht eigene Bemühungen zur Stellensuche (vgl. zum ganzen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2000 - 9 AZR 203/99 -, BAGE 94, 343).

Aus den dargelegten Gründen war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Revision lagen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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