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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 1 Ta 9/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 103
Sehen die Parteien eines Rechtsstreits vor dem Landesarbeitsgerichts in einem Vergleich vor, dass eine Verteilung der Kosten "2. Instanz" zu erfolgen hat, so sind die durch den Mehrvergleich entstandenen Kosten im Rahmen des Kostenausgleichs zu berücksichtigen, es sei denn, aus dem Vergleich ergibt sich, dass dies nicht der Fall sein soll.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 9/06

betr. Kostenausgleich In dem Rechtsstreit pp.

Im Beschwerdeverfahren

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 21.03.2006 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 10.11.2005 - 2 Ca 1674/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Nach dem vor dem LAG Schleswig-Holstein geschlossenen Vergleich vom 27.4.2005 - 3 Sa 617/04 - werden die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden auf 2.316,40 EUR (i.W.: zweitausenddreihundertsechzehn 40/100 Euro) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach 3 247 BGB seit dem 24.8.2005 festgesetzt.

Die Kosten der Beschwerde werden der Beklagten auferlegt. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung entstandener Kosten im Rahmen der Kostenausgleichung.

Die Parteien hatten einen Rechtsstreit geführt, den sie durch Vergleich vom 27.4.2005 vor dem Landesarbeitsgericht (3 Sa 617/04) beendet haben. Die Kostenregelung im Vergleich lautet:

Hinsichtlich der Kosten 1. Instanz verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Von den Kosten 2. Instanz trägt die Beklagte 2/3 und der Kläger 1/3.

Das LAG hat den Wert des Streitgegenstandes auf 52.186,86 EUR und für den Vergleichswert einen übersteigenden Betrag von 17.794 EUR festgesetzt.

Die Parteien haben folgende Kosten zum Ausgleich angemeldet:

1. Der Kläger: Anwaltskosten der zweiten Instanz einschließlich der durch den Mehrwert des Vergleichs verursachten höheren bzw. zusätzlichen Gebühren wie folgt:

 - 1,6 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV RVG (Wert: 52.186,86 EUR) mit1.796,80 EUR.
- 1,1 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 Ziffer 2 VV RVG (Wert 17.994,00 EUR) mit666,60 EUR,
beide Gebühren gem. § 15 Abs. 3 RVG reduziert auf insgesamt1.920,00 EUR.
- 1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3202 VV RVG (Wert 69.980,86 EUR) mit1.440,00 EUR
- 1,3 Einigungsgebühr gem. Nr. 1004 VV RVG (Wert 52.186,86 EUR ) mit1.459,90 EUR
- 1,5 Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV RVG ( Wert 17.794,00 EUR) mit909,90 EUR
beide Gebühren gem. § 15 Abs. 3 RVG reduziert auf insgesamt1.800,00 EUR
- Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG mit20,00 EUR
- Fahrtkosten gem. Nr. 7003 VV RVG mit60,00 EUR
- Tage- und Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 VV RVG mit20,00 EUR
- Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG mit841,60 EUR
gesamt6.101,60 EUR.

2. Die Beklagte: Kosten ihres Prozessvertreters ebenfalls unter Einschluss der durch den Mehrwert des Vergleichs verursachten höheren bzw. zusätzlichen Gebühren für die zweite Instanz, jedoch ohne Umsatzsteuer:

- 1,6 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV RVG (Wert: 52.186,86 EUR) mit|1.796,80 EUR. - 1,1 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 Ziffer 2 VV RVG (Wert 17.994,00 EUR) mit|666,60 EUR, beide Gebühren gem. § 15 Abs. 3 RVG reduziert auf insgesamt|1.920,00 EUR. - 1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3202 VV RVG (Wert 69.980,86 EUR) mit|1.440,00 EUR - 1,3 Einigungsgebühr gem. Nr. 1004 VV RVG (Wert 52.186,86 EUR ) mit|1.459,90 EUR - 1,5 Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV RVG ( Wert 17.794,00 EUR) mit|909,90 EUR beide Gebühren gem. § 15 Abs. 3 RVG reduziert auf insgesamt|1.800,00 EUR - Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG mit|20,00 EUR - Fahrtkosten gem. Nr. 7003 VV RVG mit|54,00 EUR - Tage- und Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 VV RVG mit|20,00 EUR gesamt|5.254,00 EUR. Das Arbeitsgericht hat von den angemeldeten Gesamtkosten beider Parteien i.H.v. 11.355,60 EUR die für den Mehrwert des Vergleichs nach einem Streitwert von 17.794,00 EUR entstandenen Kosten nicht berücksichtigt. Es hat gegen die Beklagte einen auszugleichenden Betrag von 2.071,89 EUR festgesetzt und im Übrigen die Anträge zurückgewiesen. Gegen diesen dem Kläger am 16.11.2005 und der Beklagten am 11.11.2005 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 28.11.2006 mit Fax und 29.11.2006 im Original Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig, da die Beschwer 200 EUR übersteigt.

Sie ist auch begründet, da das Arbeitsgericht bei der Durchführung des Kostenausgleichs auch die für den Mehrwert des Vergleichs entstandenen Kosten im Rahmen des Verfahrens nach § 104 ZPO hätte berücksichtigen müssen.

1.

Das Arbeitsgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass die Kostenregelung im Vergleich nicht auch die Kosten des Mehrvergleichs umfasst. Es legt dabei seiner Entscheidung zugrunde, dass im Vergleich von den "Kosten 2.Instanz" die Rede ist und meint offenbar, hieraus folge, dass damit nur die Kosten gemeint seien, die im Rahmen eines "normalen" Berufungsverfahrens vor dem LAG entstanden sind. Dies gibt der Wortlaut des Vergleichs nicht her. Vielmehr ergibt eine Auslegung des Vergleichswortlauts, dass auch die Kosten des Vergleichs erfasst sind.

Es ist dort von den "Kosten 2. Instanz" im Gegensatz zu den Kosten 1. Instanz die Rede. Hinsichtlich der Kosten 1. Instanz soll eine Änderung durch den Vergleich nicht erfolgen, was bedeutet, dass das Arbeitsgericht nicht die bereits erstellte Kostenrechnung zu ändern hat. Der Wortlaut des Vergleichs befasst sich nicht ausdrücklich mit den Mehrkosten, die durch den Vergleichsabschluss in 2. Instanz entstanden sind. Dies ist aber auch nicht erforderlich. Zu den Kosten 2. Instanz gehören nicht nur die Kosten, die bezogen auf die Berufung entstanden sind. Vielmehr erfasst eine Regelung, die die Kosten 2. Instanz betrifft, alle - notwendigen - Kosten, die in dieser Instanz angefallen sind. Dazu gehören dann auch Mehrvergleichskosten, die anfallen, weil die Parteien, was im Arbeitsgerichtsverfahren üblich ist, eine Generalbereinigung anstreben. Die Parteien regeln alle noch offenen Punkte, die aus ihrer Sicht bedeutsam sind und vermeiden hierdurch weitere Auseinandersetzungen. Wenn sie diese Regelung in 2. Instanz vornehmen, gehören die hierbei entstandenen Kosten zu denen "2. Instanz".

Die Regelung weiterer über den eigentlichen Streitgegenstand hinausgehender Streitpunkte in einem Vergleich ist generell üblich und auch zur endgültigen Befriedung sinnvoll. Sie entspricht dem Grundsatz der Prozessökonomie. Wenn daher in einem Vergleich vor dem LAG die Kosten der "2. Instanz" geregelt werden, so umfasst diese Abmachung i.d.R. sämtliche in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten. Das Gegenteil müsste ausdrücklich aufgenommen werden. Anderes mag gelten, wenn die Parteien nur über die Kosten des "Berufungsverfahrens" entscheiden. Dass die Beklagte selbst die vereinbarte Kostenregelung so verstanden hat, zeigt auch die Tatsache, dass sie selbst die aus Anlass des Vergleichsabschlusses entstandenen Mehrkosten ebenfalls zur Ausgleichung angemeldet hat.

Da die Parteien eine ausdrückliche Regelung über die Kostenerstattung vorgenommen haben, kommt es auch nicht auf die Auffassung des Arbeitsgerichts an, die weiteren Regelungspunkte seien nicht anhängig geworden.

2.

Diese Kostenregelung ist zulässig. Zwar schließt § 12a Abs. S. 1 ArbGG die Erstattung erstinstanzlich entstandener Rechtsanwaltskosten aus. Dabei wird sowohl der prozessrechtliche als auch der materiell-rechtliche Anspruch ausgeschlossen (BAG Urteil vom 27.10.2005 - 8 AZR 546/03 - NZA 2006,259). Das gilt auch für Kosten, die vor Klagerhebung entstanden sind, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt. Es bleibt aber den Parteien eines Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht unbenommen, entgegen dieser Regelung einen Kostenerstattungsanspruch zu Gunsten einer Partei zu vereinbaren. Das kann auch in einem Vergleich geschehen (LAG Düsseldorf Beschluss vom 27.5.2004 - 16 Ta 274/04 - NZA-RR 2004,550; BAG Urteil vom 27.10.2005 - 8 AZR 546/03 - NZA 2006,259). Der Ausschluss der Erstattungsfähigkeit der Kosten nach § 12a Abs. 1 ArbGG greift nur dann, wenn eine Kostenübernahme nicht bzw. nicht mit hinreichender Deutlichkeit geregelt wird (BAG Urteil vom 27.10.2005 - 8 AZR 546/03 - NZA 2006,259). Dies ist hier aber (s.o.) anders erfolgt.

3.

Die Mehrvergleichskosten sind auch im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des LAG Düsseldorf (LAG Düsseldorf Beschluss vom 27.5.2004 - 16 Ta 274/04 - NZA-RR 2004,550) ist es nicht erforderlich, dass die Ansprüche in einem Vergleich bereits der Höhe nach tituliert sind (Gerold/Schmidt-v.Eicken/Madert, Rn. 13 zu § 62 BRAGO). Eine andere Handhabung widerspräche dem Grundsatz der Prozessökonomie, der die Parteien ja gerade veranlasst, weitere Streitpunkte zu regeln.

4.

Der Kostenausgleich ist daher wie folgt vorzunehmen:

 Von den Gesamtkosten i.H.v.11.355,60 EUR
trägt die Beklagte 2/3, d.i.7.570,40 EUR
abzüglich ihrer eigenen Kosten i.H.v.5.254,00 EUR
 2.316,40 EUR.

Dieser Betrag ist gegen die Beklagte festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand nicht.

Ende der Entscheidung

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