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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 08.09.2006
Aktenzeichen: 2 SHa 3/06
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 233
ArbGG § 61
Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist, wenn die Fristversäumnis darauf gestützt wird, dass noch Unterlagen der Lebensgefährtin, nicht Lebenspartnerin nach § 1 LPartG, benötigt worden seien.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 SHa 3/06

Im Prozesskostenhilfeverfahren

in dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 8.9.2006 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende:

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger ist am ...1946 geboren und war bei der Beklagten ab dem 01.01.1979, zuletzt als stellvertretender Gruppenleiter in der Hausverwaltung, beschäftigt. Sein Aufgabengebiet umfasste die Durchführung und Koordination von Instandhaltungsmaßnahmen sowie die Erstellung und Auswertung von Ausschreibungen für Neu- und Umbauten von sparkassengenutzten Gebäuden und Geschäftsräumen. Vorgesetzter des Klägers war Herr H.. Im Jahr 2003 verdiente der Kläger jahresdurchschnittlich EUR 3.989,76; sein tarifliches Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt EUR 3.225,78. Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung bestand eine Versorgungszusage.

Am 16.05.2003 wurde die Durchsuchung der Geschäftsräume der Beklagten im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens betreffend den Verdacht der Steuerhinterziehung gegen den Kläger angeordnet (Kopie des Durchsuchungsbeschlusses Bl. 33 d.A.). Am 26.08.2003 fand aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts vom selben Tag erneut eine Durchsuchung statt im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger und seinen Vorgesetzten H., wiederum wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung (Kopie des Durchsuchungsbeschlusses Bl. 35 d.A.). Eine dritte Durchsuchung der Geschäftsräume erfolgte am 16.12.2003. Als Grund für die Durchsuchung wird im Beschluss des Amtsgerichts (Bl. 37 f d.A.) u.a. ausgeführt:

"Die Beschuldigten H. und U. sind leitende Angestellte der ...bank. Sie sind verdächtig, für die Vergabe von Aufträgen im Zusammenhang mit Umbaumaßnahmen der ...bank in nicht rechtsverjährter Zeit Provisionszahlungen der beauftragten Firmen direkt oder über die ... Consulting ... erhalten zu haben. Es besteht daher der Verdacht der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gegen die Beschuldigten sowie alle Verantwortlichen der beauftragten Firmen, die Provisionen oder Schmiergelder an die Beschuldigten H. und U. über die ... Consulting ... bzw. den Beschuldigten W. gezahlt haben, damit sie die Aufträge erteilt bekamen."

Am 19.12.2003 wurden Mitarbeiter der Beklagten durch einen leitenden Staatsanwalt sowie einen Ermittlungsbeamten des LKA als Zeugen vernommen. U.a. wurde eine Rechnung des Klägers an die Firma B. (Kopie Bl. 39 d.A.) vorgelegt, mit der angeblich Planungsarbeiten des Klägers anlässlich eines Auftrags der Beklagten an die Firma B. berechnet wurden. Entsprechende Zusammenhänge wurden zwischen verschiedenen Bau-/Umbaumaßnahmen der Beklagten und Zahlungen an den Kläger festgestellt. Am 27.01.2004 befragten der Vorstandsvorsitzende der Beklagten P., der Leiter der Innenrevision K. sowie der Personalleiter Sch. und Herr Wo. den Kläger und seinen Vorgesetzten Herrn H. in getrennten Gesprächen zu den Vorwürfen. Dem Kläger wurde nach seinen Erklärungen eine fristlose Kündigung durch die Beklagte in Aussicht gestellt. Was im Einzelnen von dem Kläger auf die Vorhaltungen der Beklagten geäußert wurde und insbesondere, ob der Vorstandsvorsitzende P. den Kläger über seinen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung täuschte, ist streitig.

Im Anschluss an das Gespräch suchten der Kläger und Herr H. gemeinsam den Rechtsanwalt A. M. auf, um sich dort beraten zu lassen.

Am 29.01.2004 überbrachte Rechtsanwalt M. dem Personalleiter Sch. der Beklagten eine schriftliche Eigenkündigung des Klägers zum 31.01.2004. Herr Sch. händigte Herrn M. ein Schreiben der Beklagten aus (Anlage B 7, Bl. 75 d.A.), in dem diese dem Kläger bestätigte, er erhalte bezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens zum 31.01.2004 eine unverfallbare Anwartschaft seiner Betriebsrente. Bereits mit Schreiben vom 02.01.1989 (Anlage B 9, Bl. 104 d.A.) war dem Kläger bescheinigt worden, dass er die Voraussetzungen für die Zahlung einer Unterstützung nach dem Ausscheiden gemäß der Versorgungsordnung der ... Bank erfüllt habe.

Ab 01.02.2004 war der Kläger arbeitslos. Mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.02.2006 hat der der Kläger seine Kündigungserklärung wegen arglistiger Täuschung und Drohung angefochten. Mit der am 21.2.2006 erhobenen Klage verlangt er u.a. Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Eigenkündigung vom 28.1.2004 nicht beendet worden sei. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 8.6.2006 die Klage abgewiesen. Dieses Urteil ist dem Kläger zu Händen seines Prozessbevollmächtigten am 14.6.2006 zugestellt worden. Am 1.8.2006 hat er beantragt, ihm für eine beabsichtigte Berufung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. zu bewilligen. Er hat eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit verschiedenen Unterlagen, u.a. zu den Einkommensverhältnissen seiner Lebensgefährtin, sowie einen Entwurf der Berufung mit Begründung beigefügt. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und ausgeführt, er habe die für den Nachweis der wirtschaftlichen Verhältnisse notwendigen Unterlagen erst zusammenstellen müssen. Mit dem Fax vom 4.9.2006 hat er eine eidesstattliche Versicherung seiner Lebensgefährtin eingereicht, dass diese ihm ihre Unterlagen am 28.7.2006 übergeben habe.

II.

Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat nicht Erfolg. Die Voraussetzungen einer hinreichenden Erfolgsaussicht für die Durchführung der Berufung sind nicht gegeben.

1.

Der Kläger hat den Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach Ablauf der Berufungsfrist gestellt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt hier nicht in Betracht.

Die Berufungsfrist endete am 14.7.2006, § 66 Abs. 1 ArbGG. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger weder Berufung eingelegt noch einen Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gestellt.

Dem Kläger kann nicht Wiedereinsetzung hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist gewährt werden. Gem. § 233 ZPO ist einer Partei, die ohne ihr Verschulden gehindert war, eine Notfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das durch die Bedürftigkeit einer Partei begründete Unvermögen, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, stellt kein Verschulden dar, wenn sie nur alles in ihren Kräften Stehende und ihr Zumutbare getan hat, um die Frist zu wahren (Zöller-Greger, Rn. 23 zu § 233 ZPO "Prozesskostenhilfe"). Die Partei muss ihr vollständiges Gesuch um Prozesskostenhilfe unter Verwendung der vorgeschriebenen Vordrucke und Beifügung aller erforderlichen Unterlagen innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht einreichen oder innerhalb der Frist des § 234 darlegen, dass sie hierzu nicht in der Lage war (Zöller-Greger, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall.

Hat eine Partei die Berufungsfrist versäumt, weil sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur teilweise aufbringen kann, ist die Fristversäumung auch dann unverschuldet, wenn der vollständige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist, sondern bis zum Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO eingegangen ist, und die Fristversäumung nicht auf einem Verschulden beruht (BGH Beschluss vom 31.8.2005 - XII ZB 116/05 - NJW-RR 2006,140). Auch dies kann nicht festgestellt werden.

Der Kläger hat das Gesuch erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingereicht. Die Versäumung dieser Frist zur rechtzeitigen Einreichung des Antrags hat er zu verschuldet. Er behauptet, er habe die Frist nicht einhalten können, weil er Unterlagen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Lebensgefährtin benötigt habe. Dies stellt indes keinen Grund dar, die Frist zu versäumen. Denn die Lebensgefährtin des Klägers ist weder für ihn unterhaltspflichtig noch kommt es aus anderen Gründen bei der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf ihre Einkommenssituation an. Diese Unterlagen waren überflüssig, um die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers beurteilen zu können. § 115 Abs. 1 Ziff. 2a ZPO berücksichtigt nur gesetzliche Unterhaltsansprüche. Die dort genannten Lebenspartner sind solche nach § 1 LPartG (Zöller-Philippi, Rn. 32 zu § 115 ZPO), d.h. eingetragene Partnerschaften. Andere Personen, die zusammenleben, sind nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger hat die Versäumung der Frist verschuldet. Ob ihm selbst bekannt war, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Lebensgefährtin nicht vorzutragen sind, ist unerheblich. Über die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe muss sich der Antragsteller selbst kundig machen (BFH Beschluss vom 9.12.2005 - VII S 50/05 - (PKH)). Zudem war der Kläger anwaltlich vertreten. Sein Prozessbevollmächtigter, dessen Kenntnisse er sich zurechnen lassen muss, wusste offenbar selbst nicht, dass Unterlagen der Lebensgefährtin nicht notwendig sind, da er die Beibringung der Unterlagen der Lebensgefährtin als Grund der doppelten Fristversäumnis angegeben hat.

2.

Die Klage hat darüber hinaus keine hinreichende Erfolgsaussicht.

Der vom Kläger behauptete Inhalt des Gespräches vom 27.1.2004 - die Richtigkeit seiner Darstellung zu seinen Gunsten unterstellt - kann nicht als widerrechtliche Drohung oder eine arglistige Täuschung gewertet werden. Sollte die Beklagte, wer auch immer für sie gesprochen haben sollte, zugesagt haben, im Fall einer Eigenkündigung des Klägers werde die Versorungsanswartschaft erhalten bleiben, stellt dies ein Angebot dar, das eine adäquate Gegenleistung darstellen dürfte. Ein Arbeitgeber kann auch bei Annahme besonders schwerwiegender Vertragsverletzungen eine Versorgungszusage "widerrufen". Das kommt in Betracht, wenn sich die erbrachte Betriebstreue rückschauend als wertlos erweist (u.a. BAG Urteil vom 3.4.1990 - 3 AZR 211/89 - EzA BetrAVG § 1 Nr. 2 "Rechtsmissbrauch"; LAG Hamburg Urteil vom 18.8.2004 - 5 Sa 21/04 - LAG-Report 2005,254; OLG München Urteil vom 25.1.2005 - 18 U 3299/03 - DB 2005,2198). Sollte die Beklagte daher die Altersversorgung angesprochen haben, was strittig ist, stellt dies nicht per se ein widerrechtliches oder arglistiges 'Verhalten dar.

Zudem ist eine Kausalität zwischen dem Inhalt des Gespräches vom 27.1.2004 - aus Sicht des Klägers dargestellt - und der am 29.1.2004 ausgesprochenen Eigenkündigung nicht ersichtlich. Die Eigenkündigung des Klägers beruht auf dem Inhalt der anwaltlichen Beratung durch Rechtsanwalt M.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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