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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 23.05.2005
Aktenzeichen: 2 SHa 4/05
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, BBiG
Vorschriften:
BGB § 242 | |
KSchG § 4 | |
BBiG § 15 Abs. 2 |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss
Aktenzeichen: 2 SHa 4/05
Verkündet am 23.05.2005
Im Prozesskostenhilfeverfahren
in dem Rechtsstreit
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 23.5.2005 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 22.2.2005 - 6 Ca 4408/04 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen ein Teilurteil des Arbeitsgerichts, mit dem seine gegen eine Kündigung gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
Der Kläger ist am ...1982 geboren. Bei dem Beklagten hatte er am 1.8.2001 eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker begonnen. Der Kläger war im August mehrere Tage arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Am 17.8.2004 wollte er seine Tätigkeit wieder aufnehmen. Bei dieser Gelegenheit brachte er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit. Der Kläger wurde in das Büro gerufen. Ihm wurde mitgeteilt, dass der Beklagte das Ausbildungsverhältnis kündigen wolle. Dem Kläger wurde die schriftliche Kündigung vorgelegt. Nachdem der Kläger den Erhalt der Kündigung quittiert hatte, nahm der Beklagte den Kugelschreiber und das Kündigungsschreiben wieder an sich.
Der Kläger unternahm zunächst nichts gegen die Kündigung. Seine Prozessbevollmächtigten wandten sich am 4.10.2004 an den Beklagten und forderten ihn auf, entweder eine fristgerechte Kündigung auszusprechen oder zu erklären, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestehe. Am 20.10.2004 stellte der Kläger beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe (4 Ha 24/04). Diesen nahm er nach Hinweis des Gerichts auf den Ausschuss für Lehrlingsstreitigkeiten wieder zurück. Nach dem 18.11.2004 rief der Kläger den bei der Innung ... gebildeten Ausschuss zur Schlichtung von Lehrlingsstreitigkeiten an. Dieser stellte am 14.12.2004 fest, dass das Ausbildungsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet sei. Diesen Spruch erkannte der Beklagte nicht an, woraufhin der Kläger am 23.12.2004 Klage vor dem Arbeitsgericht erhob. Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 22.2.2005 die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags abgewiesen. Gegen dieses am 14.3.2005 zugestellte Teilurteil hat sich der Kläger mit Fax vom 14.4.2005 an das Landesarbeitsgericht gewandt und beantragt, ihm für die Durchführung der Berufung Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung zu bewilligen.
II.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, da eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Durchführung der Berufung nicht gegeben ist, § 114 ZPO.
Dem Arbeitsgericht ist insoweit zuzustimmen, als es ausgeführt hat, die Kündigung sei unwirksam. Unstreitig war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und war deshalb nicht unentschuldigt der Ausbildung ferngeblieben. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Kläger seine Klage verspätet erhoben.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind hier sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment gegeben. Die Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung. Durch die Annahme der Verwirkung wird das Vertrauen des Geschäftspartners darin, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht werden wird, geschützt. Auch im Prozessrechtsverhältnis gilt der Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kündigung am 17.08.2004 wirksam zugegangen. Der Beklagte hat dem Kläger zwar das Kündigungsschreiben nicht dauerhaft überlassen. Dies ist aber nicht erforderlich. Sowohl nach § 623 BGB als auch nach § 15 Abs. 3 BBiG muss eine Kündigung schriftlich ausgesprochen werden. Ein Schriftstück ist unter Anwesenden als Erklärung zugegangen, wenn das Schriftstück übergeben wird, so dass der Empfänger in der Lage ist, von dem Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist, dass der Empfänger der Erklärung sich über deren Inhalt informieren kann. Das ist dann der Fall, wenn der Empfänger das Schriftstück lesen kann. Nicht erforderlich ist, dass er es tatsächlich durchliest (BAG Urteil vom 4.11.2004 - 2 AZR 17/04 - NZA 2005, 513). Diesen Anforderungen ist hier genügt. Dem Kläger war die Kündigung vorgelegt worden. Er hatte sie auch in Händen, was sich daraus ergibt, dass er auf dem Kündigungsschreiben den Empfang quittiert hat. Zudem hatte er nicht nur Gelegenheit, das Schreiben durchzulesen, sondern der Beklagte hatte ihm vorher noch erklärt, dass eine Kündigung ausgesprochen werde. Der Kläger war also über den Inhalt des Schreibens unterrichtet.
Das Zeitmoment der Verwirkung ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger nach Zugang der Kündigung fast sieben Wochen abgewartet hat, bis er sich wieder an den Beklagten wandte. Nach einem derart langen Zeitraum muss nicht mehr damit gerechnet werden, dass die Kündigung noch durch Klage angegriffen werden wird. Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Kündigungen innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang durch Klage anzugreifen sind, § 4, § 13 Absatz 1 Satz 2 KSchG. Da vorliegend zunächst der Schlichtungsausschuss anzurufen war, hätte innerhalb derselben Frist zumindest dieser Ausschuss bemüht werden müssen.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 4.10.2004 deutlich gemacht, dass er die Kündigung nicht hinnehmen werde. Zum einen hat der Kläger mit diesem Schreiben nicht erklärt, dass er die Kündigung für unwirksam halte. Vielmehr hat er den Beklagten aufgefordert, entweder klarzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis fortbestehe oder eine Kündigung auszusprechen. Dass der Kläger unbedingt am Ausbildungsverhältnis festhalten wollte, ergibt sich jedenfalls hieraus nicht.
Auch das Umstandsmoment ist zu bejahen. Hierzu wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Soweit der Kläger auf sein jugendliches Alter und seinen Gesundheitszustand hinweist, kann dies der Annahme der Verwirkung nicht entgegenstehen. Der Kläger war im Zeitpunkt der Kündigung 21 Jahre alt und befand sich im letzten Jahr seiner Ausbildung. Aufgrund dieser Situation kann eine Hilflosigkeit des Klägers nicht unterstellt werden. Dass der Kläger sich im Januar 2004 in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden hat, bedeutet nicht, dass er auch im Herbst des Jahres unter derselben Erkrankung litt. Auch ist nicht dargelegt, dass der Kläger deshalb gehindert gewesen wäre, gegen die Kündigung vorzugehen und dass der Beklagte noch mit einer Klage rechnen musste.
Da eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Durchführung der Berufung nicht gesehen wird, ist der Antrag zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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