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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 11.03.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 11/08
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 1 |
Macht der Arbeitnehmer geltend, er sei wegen einer Mobbingsituation im Betrieb erkrankt, kann dies nur berücksichtigt werden, wenn er im Detail angibt, auf welche Weise und von wem das Mobbing ausgeht. Das Schlagwort "Mobbing" alleine genügt nicht.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 2 Sa 11/08
Verkündet am 11.03.2008
In dem Rechtsstreit
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 11.03.2008 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 7.11.2007 - 4 Ca 1176 c/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der Kläger ist 1967 geboren, ledig und einer Person zum Unterhalt verpflichtet. Bei der Beklagten war er seit dem 01.09.1998 als technischer Angestellter in der Haustechnik zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.600 EUR einschließlich Sonderzahlungen, Überstundenentgelt und Zuschlägen sowie Zuschüssen beschäftigt.
Am 12.04.2006 fand eine Abteilungsbesprechung der Abteilung Haustechnik statt, auf der der Kläger kritisiert wurde. Unmittelbar im Anschluss daran meldete er sich arbeitsunfähig krank. Ab dem 27.09.2006 trat der Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme an und teilte am 09.11.2006 mit, dass er arbeitsunfähig aus der Rehabilitationsklinik entlassen worden sei und die Maßnahme nicht den erhofften Erfolg gehabt habe. Am 03.05.2007 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger, seiner Verlobten, dem Betriebsratsvorsitzenden B. und der Personalleiterin S. statt, dessen Inhalt im Einzelnen strittig ist. Frau S. übergab dem Kläger Unterlagen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement und bat den Kläger, sich bis zum 09.05.2007 zu melden. Nachdem der Kläger nicht reagierte, teilte die Beklagte ihm unter dem 22.05.2007 mit, sie gehe davon aus, dass er ein betriebliches Eingliederungsmanagement ablehne. Mit Schreiben vom 18.06.2007 (Bl. 7 d.A.) unterrichtete sie den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung und kündigte mit Schreiben vom 27.06.2007 (Bl. 4 d.A.), zugegangen am selben Tag, das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2007. Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 06.06.2007 erhobenen Klage gewehrt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozialwidrig und der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Er trägt vor, er sei durch eine gut dreieinhalb Jahre andauernde Mobbingsituation sowohl im engeren Kollegen- und Vorgesetztenkreis, als auch im weiteren Umfeld des Arbeitsbereichs in seiner körperlichen und seelischen Gesundheit derartig beeinträchtigt, dass eine intensive und lang anhaltende Behandlung erforderlich sei. Eine negative Gesundheitsprognose habe nicht bestanden, da seine behandelnden Ärzte und Therapeuten zuversichtlich seien, dass seine Gesundheit in absehbarer und für die Beklagte zumutbarer Zeit wieder hergestellt werden könnte. Er habe im Gespräch vom 03.05.2007 die betriebliche Mobbingsituation angesprochen. Da Frau S. es abgelehnt habe, sich über diesen Punkt weiter zu unterhalten, sei deutlich geworden, dass die Beklagte an einer Wiedereingliederung nicht interessiert gewesen sei. Die Betriebsratsanhörung sei nicht korrekt erfolgt, da der Sachverhalt dem Betriebsrat nicht vollständig und richtig mitgeteilt worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2007 nicht beendet wird;
2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als technischer Angestellter/Haustechnik weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Behauptung des Klägers, seine Erkrankung sei auf eine Mobbingsituation zurückzuführen, entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe gegenüber Frau S. in einem Telefonat vom 24.04.2006 erklärt, seine Erkrankung sei allein auf Knieprobleme zurückzuführen. Sie, die Beklagte, habe zahlreiche erfolglose Versuche unternommen, mit dem Kläger über seinen Gesundheitszustand und mögliche Zeithorizonte, innerhalb derer er die Arbeit wieder aufnehmen könnte, zu sprechen. Der Kläger habe zu verstehen gegeben, dass er nicht bereit sei, Gespräche mit seinem Vorgesetzten oder der Personalleitung zu führen. In dem Gespräch vom 03.05.2007 habe der Kläger letztlich erklärt, sich nicht vorstellen zu können, auf seinen alten Arbeitsplatz zurückzukehren. Im Zeitpunkt der Kündigung sei die Wiederherstellung des Klägers völlig ungewiss gewesen. Die lang andauernde Erkrankung führe zu einer erheblichen Belastung des Betriebes. Die drei Kollegen des Klägers im Bereich der Grundversorgung müssten regelmäßig Überstunden in erheblichem Umfang ableisten. Eine befristete Einstellung einer Ersatzkraft sei angesichts des Fachkräftemangels und einer Einarbeitungszeit von mindestens sechs Monaten nicht möglich.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.11.2007 abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen. Gegen dieses am 13.12.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.01.2008 mit Fax- und am 10.01.2008 im Original beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese am 06.02.2008 mit Fax- und am 08.02.2008 im Original begründet.
Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe bei der Feststellung einer negativen Prognose nicht berücksichtigt, dass es für einen medizinischen Laien nicht möglich sei, konkrete Angaben zum Krankheitsverlauf und der Wiederherstellung seiner Gesundheit zu machen. Er habe daher Beweis durch die Benennung seiner behandelnden Ärzte und Therapeuten angeboten und sei bereits zuvor - wie nun erfolgt - bereit gewesen, diese von ihrer ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden. Zudem sei er im Zeitpunkt der Kündigung erst 14 Monate erkrankt gewesen. Eine negative Prognose könne aber erst bei dem Erreichen einer zweijährigen Arbeitsunfähigkeit angenommen werden. Der Kläger behauptet, die Überstunden seiner Kollegen seien auf andere Ursachen als seiner Erkrankung zurückzuführen. Auch habe das Gericht die vorgetragene Mobbingsituation falsch bewertet. Der Kläger habe sich gerade in Behandlung begeben, um solchen Situationen im Betrieb der Beklagten in Zukunft Stand halten zu können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 07.11.2007 - 4 Ca 1176c/07 - abzuändern und im Weiteren festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2007 nicht beendet wird, und im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als technischer Angestellter/Haustechnik weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie frist- und formgemäß eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b, 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO. In der Sache hat sie jedoch nicht Erfolg.
Die Kündigung ist nicht sozialwidrig, § 1 KSchG. Die Beklagte war vielmehr berechtigt, das Arbeitsverhältnis wegen der lang andauernden Erkrankung des Klägers aus personenbedingten Gründen fristgerecht zu kündigen. Demgemäß hat das Arbeitsgericht zu Recht die Klage abgewiesen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Dem Arbeitsgericht ist zuzustimmen, dass der Vortrag des Klägers sowohl zur Erschütterung der von der Beklagten angestellten negativen Gesundheitsprognose als auch zur behaupteten Mobbingsituation völlig unzureichend ist. Die Angriffe der Berufung können ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen.
Lediglich ergänzend und auf den Sachvortrag der Parteien in der Berufungsinstanz eingehend, wird auf Folgendes hingewiesen:
Das Arbeitsgericht ist zutreffend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur sozialen Rechtfertigung von Kündigungen ausgegangen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden. Danach ist eine dreistufige Prüfung vorzunehmen. Die Kündigung ist im Falle lang anhaltender Krankheit sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG, wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte Stufe - (st. Rspr. des BAG, z.B. Urteil v. 19.04.2007 - 2 AZR 239/06 - NZA 2007, 1041 m. w. N.). Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne Weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (BAG Urteil v. 12.04.2002 - 2 AZR 148/01, BAGE 101, 39).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ergibt sich vorliegend, dass die Kündigung des Klägers aufgrund lang anhaltender Krankheit aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
Die unstreitig im Zeitpunkt der Kündigung bereits 14 Monate andauernde Arbeitsunfähigkeit indiziert eine negative Gesundheitsprognose. Entgegen der Ansicht des Klägers ist dabei nicht erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit bereits 24 Monate bestand, sondern dass in den nächsten 24 Monaten, abgestellt auf den Zeitpunkt der Kündigung, mit einer anderen Prognose, mithin der Besserung des Gesundheitszustandes, nicht gerechnet werden kann (BAG Urteil v. 12.04.2002 - 2 AZR 148/01 - a.a.O.).
Hinsichtlich der negativen Gesundheitsprognose genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast zunächst, wenn er die bisherige Dauer der Erkrankung sowie die ihm bekannten Krankheitsursachen darlegt. Dabei kann der Dauer der bisherigen Arbeitsunfähigkeit eine gewisse Indizwirkung zukommen. Wenn der Arbeitnehmer konkret, gegebenenfalls unter Entbindung seiner Ärzte von der Schweigepflicht, dartut, dass mit einer früheren Genesung zu rechnen ist, obliegt nunmehr dem Arbeitgeber der Beweis für die Berechtigung der negativen Prognose (BAG Urteil v. 12.04.2002 - 2 AZR 148/01 - a.a.O.).
Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast dadurch genügt, dass sie die Krankheitsdauer und die weiteren ihr bekannten Umstände vortrug. Der Kläger hat dagegen keine konkreten Anhaltspunkte für eine zu erwartende Besserung seines Gesundheitszustandes vorgetragen, die an der negativen Prognose zweifeln lassen. Der Kläger hat lediglich unter Hinweis auf seine behandelnden Ärzte und Therapeuten angeführt, dass diese "in absehbarer und zumutbarer Zeit" von einer Besserung ausgingen. Er hätte jedoch darlegen müssen, weshalb zukünftig trotz vorliegender Arbeitsunfähigkeit mit einer Besserung seines Gesundheitszustandes zu rechnen sei. Auch bei einem medizinischen Laien gelten diese Anforderungen an die Darlegungslast. Es reicht nicht aus, nur die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Der Kläger hätte vielmehr zusätzlich mindestens im Einzelnen konkret vortragen müssen, weshalb der jeweilige Arzt die gesundheitliche Entwicklung konkret positiv beurteilt hat (LAG Schleswig-Holstein Urteil v. 03.11.2005 - 3 Sa 320/05 - NZA-RR 2006, 129). Das ist hier nicht geschehen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, von welcher Diagnose die Ärzte ausgegangen sind, welche Behandlungen erfolgten und aufgrund welcher neuen Kausalverläufe trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit nunmehr die künftige Entwicklung positiv zu beurteilen ist. Erst nach derartigen konkreten Anhaltspunkten wäre seinem nachzugehen und Beweis zu erheben gewesen.
Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ist aufgrund der krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit des Klägers zu bejahen. Der Einwand des Klägers, die Überstunden seiner Kollegen seien auf andere betriebliche Gründe zurückzuführen, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. In Fällen lang andauernder Arbeitsunfähigkeit liegt die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen bereits darin, dass das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung auf unbestimmte Zeit gestört ist (BAG Urteil v. 21.05.1992 - 2 AZR 399/91 - NZA 1993, 491).
Auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die vom Kläger behauptete Mobbingsituation nicht berücksichtigt. Der Kläger hat nicht substantiiert vorgetragen, auf welche Weise er in den vergangenen Jahren an und im Umfeld seines Arbeitsplatzes gemobbt worden ist. Der Kläger hat sich in seinem Vortrag lediglich darauf beschränkt, er sei in der Abteilungsbesprechung vom 12.04.2006 "massiv mit unberechtigten Vorwürfen überzogen und massiv unter Druck gesetzt" worden. Weder hat er Wortlaut oder Inhalt der Kritik wiedergegeben noch weitere Vorfälle dargelegt, die auf eine dreieinhalbjährige Mobbingsituation schließen lassen. Selbst auf den gerichtlichen Hinweis des Berufungsgerichts hin hat er seinen Vortrag nicht präzisiert.
Der Kläger hat gemäß § 97 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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