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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 24.03.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 139/05
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 2 Sa 139/05

Verkündet am 24.03.2005

In dem Rechtsstreit

auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 24.03.2005 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.03.2005 - 3 Ga 12 c/05 - wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Verfügungsbeklagte zu 1) hat es zu unterlassen, zu Boykottmaßnahmen, die im Zusammenhang mit den Arbeitskampfmaßnahmen an Bord der Fährschiffe "MS X" und "MS Y" stehen, aufzurufen oder diese aktiv, etwa durch Herausgabe von Flugblättern oder sonstigen unterstützenden Maßnahmen, aufrecht zu erhalten oder zu unterstützen.

2. Die Verfügungsbeklagte zu 1) wird verpflichtet, auf die "MS X" Boykottierenden sowie auf die sonst dort aufgestellten Streikposten in geeigneter Weise einzuwirken, um diese von den unter Ziff. 1. genannten Maßnahmen abzuhalten und sie zu deren Aufhebung zu bringen sowie auf sie einzuwirken, jegliche rechtswidrige Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Boykottaufruf zu unterlassen bzw. zu beenden.

3. Der Verfügungsbeklagten zu 1) wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziff. 1. enthaltene Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, angedroht.

4. Die Zustellung wird zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen zugelassen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten der Beklagten zu 2. - 5. tragen die Klägerinnen als Gesamtschuldner.

Die Kosten des Rechtstreits im Übrigen tragen die Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen zu 30 % und die Beklagte zu 1. zu 70 %.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung um die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen.

Die Klägerin war Eigentümerin der Frachtfähren MS T., MS A und MS B. Diese Frachtfähren hat sie Anfang des Jahres 2004 veräußert. Die MS A. und MS B. sind in Y und X umbenannt worden. Aus Anlass der Veräußerung der Schiffe ist ein Tarifvertrag für die Beschäftigten auf MS A. MS B. mit Datum vom 10.03.2004 abgeschlossen worden (Bl. 58 d. A.), in dem es u. a. heißt:

"Präambel:

Die Gesellschaft verkauft ihre Frachtfähren MS T., MS A. und MS B. Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, dass der Verkauf der vorgenannten Schiffe einen Fall des § 613 a BGB darstellt, mit der Folge, dass die Heuerverhältnisse der betroffenen Beschäftigten mit dem Käufer der vorgenannten Schiffe fortgesetzt werden, es sei denn, dass die Beschäftigten diesem Betriebsübergang ausdrücklich widersprechen.

Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, die dem Betriebsübergang nicht widersprechen, in einem Tarifvertrag (collective bargaining agreement, cba) zwischen ver.di und den zuständigen norwegischen Gewerkschaften auf der einen und dem Erwerber auf der anderen Seite geregelt werden. Dabei ist angestrebt, dass die Bedingungen dieses cba denen des HTV/MTV-See entsprechend und für alle jetzt und zukünftig fahrenden Seeleute auf den zwischen Deutschland und Finnland verkehrenden Schiffen MS A. und MS B. gelten sollen. ...

§ 3

Dieser Tarifvertrag tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft und gilt so lange, wie die genannten Schiffe zwischen Finnland und Deutschland verkehren, längstens bis zum Abschluss eines entsprechenden collective bargaining agreement zwischen den zuständigen norwegischen Gewerkschaften und ver.di auf der einen und dem neuen Arbeitgeber auf der anderen Seite."

Mit Datum vom 08.03.2004 ist ein collective bargaining agreement zwischen ... International ltd. einerseits und den norwegischen Gewerkschaften sowie ver.di andererseits geschlossen worden. Dieser Tarifvertrag gilt für "Officers and Ratings onboard "B." and "A" registered in NIS and in trade between Germany and Finland" (Bl. 60 f. d. A.). In § 18 ist eine Gültigkeitsdauer vom 01.03.2004 bis 31.12.2004 und danach jeweils für ein Jahr vorgesehen, sofern nicht entweder von ... International ltd. auf der einen oder den norwegischen Gewerkschaften auf der anderen Seite mit einer Dreimonatsfrist gekündigt wird. Bei der Kündigungsregel ist handschriftlich hinzugesetzt "and ver.di". Dies ist von dem Beklagten zu 3, der als Vertreter der ver.di tätig war, nachträglich hinzugesetzt und von ihm paraphiert worden, jedoch nicht durch die anderen vertragsschließenden Parteien gegengezeichnet worden. Der Tarifvertrag vom 8.03.2004 ist durch die norwegischen Gewerkschaften zum Ablauf des Jahres 2004 gekündigt worden. Am 30.11.2004 und 27.01.2005 haben Treffen in ... zwischen den norwegischen Gewerkschaften und ver.di einerseits sowie ... International ltd. andererseits stattgefunden, in denen über die Verlängerung des bestehenden Agreement verhandelt wurde. Eine Einigung wurde nicht erzielt. ... International ltd. hat mit Wirkung vom 01.01.2005 ein "Agreement for polish seafarers onboard NIS Vessels" mit den norwegischen Gewerkschaften und der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc abgeschlossen (Bl. 76ff. , 105 ff. d. A.). Die Klägerseite ist der Auffassung, dass durch diese Vereinbarung der Tarifvertrag vom 08.03.2004 ersetzt wird, während die Beklagtenseite diese Vereinbarung für unwirksam hält. Die Heuer nach dem Agreement für polnische Seefahrer liegt um etwa 60 % unter der deutschen Heuertafel.

Die Beklagte zu 1. hat mit einem Flugblatt (Bl. 19 d. A.) alle Beschäftigten im ...er Hafen aufgerufen, die X und Y so lange nicht abzufertigen, bis es verbindliche Zusagen des Reeders gebe.

Am Sonntag, den 13.03.2005 lief das MS X abends in T. ein und wurde festgemacht. Etwa 20 oder 25 Funktionäre der ITF und der Verfügungsbeklagten zu 1. stellten sich landseitig nebeneinander auf die Rampe. Fünf sog. Selbstfahrer und ein privater Pkw erhielten die Möglichkeiten, das Schiff zu verlassen. Mehrere Gewerkschaftsfunktionäre betraten das Schiff. Sodann fand eine Bordversammlung statt, auf der die Seeleute beschlossen, die Arbeit niederzulegen. Gegen 22.00 Uhr wurde die Schiffsluke so weit geschlossen, dass eine Entladung von großem Frachtgut nicht stattfinden konnte. Das Betreten und Verlassen des Schiffes durch den Spalt der leicht geöffneten Klappe war weiterhin möglich.

Die Verfügungsklägerinnen haben beim Arbeitsgericht Lübeck den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagten beantragt, mit der sie Unterlassung von Boykottmaßnahmen und von Aufrufen zu Boykottmaßnahmen erstrebt haben. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.03.2005, auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, die Anträge zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung, mit der die Verfügungsklägerinnen weiter verfolgen.

Die Verfügungsklägerinnen tragen vor, die Verfügungsklägerin zu 2., eine Gesellschaft norwegischen Rechts, sei Eignerin der Fährschiffe MS X und MS Y. Zur Glaubhaftmachung hat sie in der Berufungsverhandlung beglaubigte Ablichtungen der Eignerzertifikate der beiden Schiffe des norwegischen Schiffsregisters vorgelegt. Die Verfügungsklägerin zu 1. habe beide Schiffe gechartert und betreibe sie im Ro-Ro-Verkehr zwischen T. und ... (Finnland). Das wirtschaftliche Risiko liege bei der Verfügungsklägerin zu 1., die die Risiken arbeitskampfbedingter Nutzungsausfälle trage. Zwar werde ein bestreiktes Schiff "off hire" gestellt, d. h. es werde den Vercharterern so lange zurückgegeben, wie es nicht zur Verfügung stehe. Die wirtschaftlichen Folgen aus den nicht erfüllten Transportverträgen trage aber sie, die Verfügungsklägerin zu 1. Sie sei nicht Arbeitgeberin der Besatzung, sondern habe das Schiff mitsamt Besatzung gechartert. Die Besatzung auf der MS X, mit Ausnahme des Kapitäns, sei fast ausschließlich polnisch. Die polnischen Seeleute seien weiterhin in der polnischen Sozialversicherung. Die Vergütung werde nach dem Konzerntarifvertrag gewährt. Zwar seien in Appendix E des Tarifvertrages die MS X und die MS Y nicht ausdrücklich genannt. Die Geltung erstrecke sich dennoch auf die beiden Schiffe, wie sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn L. und der Bestätigung des Advokaten B. ergebe. Der Aufruf der Verfügungsbeklagten zum Boykott sei rechtswidrig. Die Blockade der MS X habe auch am 21.03.2005 angedauert. Die Verfügungsbeklagte zu 1. habe mit einem Flugblatt, gerichtet "an alle ...er Reederei- und Hafenbetriebe" darüber informiert, dass mit Boykottaktionen der ...er Hafenarbeiter als solidarischer Reaktion zu rechnen sei und es auch zu Beeinträchtigungen an anderen Anlegern kommen werde. Die Verfügungsklägerin zu 1. sei wirtschaftliche Leidtragende der Maßnahmen. Es sei daher der Erlass einer einstweiligen Verfügung geboten. Auch die Verfügungsklägerin zu 2. sei hiervon betroffen, da sie Eignerin sei.

Der Streik auf den Fährschiffen sei nach norwegischem Recht nicht zulässig. Der Boykottaufruf der Verfügungsbeklagten zu 1. verstoße gegen die Friedenspflicht. Auch sei der Grundsatz der Kampfparität verletzt. Arbeitskampfmaßnahmen verletzten hier das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die wirtschaftlichen Schäden stünden außer Verhältnis zu dem Ziel der Verfügungsbeklagten.

Es sei auch ein Verfügungsgrund gegeben, da die Mitarbeiter der Gesamthafenbetriebsgesellschaft die Be- und Entladung des Schiffes verweigerten.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17. März 2005 - Aktenzeichen 3 Ga 12 c/05 - aufzuheben.

2. Die Verfügungsbeklagten haben es zu unterlassen, zu Boykottmaßnahmen, die im Zusammenhang mit den Arbeitskampfmaßnahmen an Bord der Fährschiffe MS X und MS Y stehen, aufzurufen oder diese aktiv, etwa durch Herausgabe von Flugblättern, Unterrichtung von Mitgliedern der Antragsgegnerin zu 1. oder sonstige unterstützende Maßnahmen, aufrecht zu erhalten oder zu unterstützen.

3. Die Verfügungsbeklagten werden verpflichtet, es zu unterlassen, im Rahmen des von ihnen herausgegebenen Boykottaufrufes

a) Streikende, Streikposten oder Hindernisse vor dem Schiff "MS X", Liegeplatz ...kai, T., in einer Weise aufzustellen oder aufstellen zu lassen, dass dadurch eine mindestens fünf Meter breite gerade und in einem Luftraum von mindestens sechs Meter Höhe und auf dem Erdboden von Hindernissen freie Gasse der ungehinderte Zugang bzw. die ungehinderte Zufahrt sowie Zu- und Abgang und -fahrt von Menschen und Fahrzeugen von und aus dem Schiff "MS X" über das Gelände des ...kais bis zum öffentlichen Verkehrsnetz nicht sicher gestellt ist;

b) Fahrzeuge gleich welcher Art, insbesondere Schienenfahrzeuge und LKW, bei der Ein- oder Ausfahrt von dem ...kai und/oder "MS X" anzuhalten, zu kontrollieren, sonst zu behindern oder dieses zu veranlassen;

c) Personen, die "MS X" betreten oder verlassen wollen, durch körperliche Gewalt daran zu hindern oder versuchen daran zu hindern, "MS X" zu betreten oder zu verlassen oder Dritte zu veranlassen, diese Handlungen vorzunehmen;

d) es zu unterlassen, insbesondere alle ...er Hafenarbeiter aufzurufen, die Schiffe "MS X" und "MS Y" so lange nicht abzufertigen, bis es verbindliche Zusagen des Reeders gibt.

4. Die Verfügungsbeklagten werden verpflichtet, auf die "MS X" boykottierenden sowie die auf die sonst dort aufgestellten Streikposten - insbesondere soweit es sich um Mitglieder der Verfügungsklägerin zu 1. handelt - in geeigneter Weise einzuwirken, um diese von den unter Ziff. 1 und 2. genannten Maßnahmen abzuhalten und sie zu deren Aufhebung zu bewegen sowie unverzüglich in sonstiger Weise auf sie einzuwirken, jegliche rechtswidrige Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Boykottaufruf zu unterlassen bzw. zu beenden,

5. Den Verfügungsbeklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Nr. 1. und Nr. 2. enthaltenen Verpflichtungen bzw. Unterlassungsverpflichtungen ein Ordnungsgeld von bis zu € 250.000,00 oder - für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann - Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt werden kann,

6. Die Zustellung der Entscheidung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen zuzulassen.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und tragen weiter vor, die Berufungsbeklagten zu 2. bis 5. seien nicht passiv legitimiert. Die Berufungsbeklagte zu 1. werde nur durch den Bundesvorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die Verfügungsbeklagten zu 2. bis 5. seien auch nicht Unterorganisationen. Über den Aufruf zum Arbeitskampf beschließe der Bundesvorstand. Die Beklagten rügen, dass für die Berufungsklägerin zu 2. keine eigene Geschäftsadresse angegeben ist und bestreiten, dass die Verfügungsklägerin zu 1. Charterin und die Verfügungsklägerin zu 2. Eignerin der Schiffe sei.

Weiter vertreten sie die Auffassung, dass der Berufungsantrag zu 2. (ursprünglicher Antrag zu 1. aus der Antragsschrift) zu unbestimmt sei. Er enthalte keinen Bezug auf einen konkreten Boykottgegner. Hierfür sei ein Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben. Für die weiteren Anträge sei ein Rechtschutzbedürfnis nicht vorhanden. Soweit die Verfügungsklägerinnen Heuerverträge vorgelegt hätten, sei zu berücksichtigten, dass dies nicht die aktuellen Heuerverträge seien. Mit dem Chief Officer P. sei am 02.03.2005 ein neuer Heuervertrag abgeschlossen worden, dessen Vergütung etwa 60 % geringer sei als nach dem früheren Vertrag. Das collective bargaining agreement (cba) von 2005 sei nicht auf MS X und MS Y anwendbar. In Appendix E seien diese beiden Schiffe ausdrücklich nicht genannt. Dies sei auf Verlangen von Solidarnosc ausdrücklich so vereinbart worden. Solidarnosc habe dies den Rechtsanwälten V. mit Schreiben vom 18.03.2005 bestätigt. Tarifvertragliche Grundlage für die Besatzungsmitglieder MS Y und MS X sei der ursprüngliche Tarifvertrag zwischen der Verfügungsbeklagten zu 1. und dem Verband deutscher Reeder vom 10.03.2004. An diesen Verbandstarifvertrag sei zumindest die Berufungsklägerin zu 1. gebunden. Dieser Tarifvertrag sei so lange in Kraft, wie die beiden Schiffe zwischen Finnland und Deutschland verkehren, und zwar so lange es hierzu kein entsprechendes neues cba zwischen der Berufungsbeklagten zu 1. und den zuständigen norwegischen Gewerkschaften einerseits und dem Arbeitgeber andererseits gebe. Da die Berufungsklägerin zu 1. nach dem fort geltenden Tarifvertrag vom 10.03.2004 das deutsche Heuerniveau sicher zu stellen habe, dürfe sie es auch als Charterer der Schiffe nicht zulassen, dass die Besatzungen nur nach einem um 60 % niedrigerem NIS-Heuertarifvertrag entlohnt werden. Dementsprechend seien die Besatzungsmitglieder berechtigt, ihre Arbeit an Bord so lange niederzulegen, wie die Berufungsklägerin zu 1. die entsprechend höhere Entlohnung nicht sichergestellt habe. Die Besatzungsmitglieder machten mithin von ihrem vertraglichen Zurückbehaltungsrecht Gebrauch. Auf das norwegische Tarif- und Arbeitskampfrecht komme es nicht an. Es gehe nicht um ein Erstreiken einer Fortschreibung des cba 2004 und auch nicht um die Frage zur Nachwirkung dieses cba. Eine Blockade der Rampe oder des Schiffes habe es nicht gegeben, auch nicht am Morgen des 21.03.2005. Niemand sei daran gehindert worden, das Schiff zu betreten. Ein Sympathiearbeitskampf liege nicht vor. Ziel der Aktion sei die Sicherstellung des deutschen Heuerniveaus auf der Grundlage des Tarifvertrages vom 10.03.2004.

In der Berufungsverhandlung vom 24.03.2005 sind von den Parteien verschiedene Unterlagen eingereicht worden. Außerdem ist gemäß Beweisbeschluss vom selben Tag Beweis erhoben worden über die Behauptung der Beklagten, der Begriff "on behalf of the owner" in den norwegischen Heuerverträgen sei so zu verstehen, dass der Eigentümer Arbeitgeber sei, nach norwegischem Recht könne ein Tarifvertrag auf Arbeitgeberseite nur durch den Arbeitgeber oder eine Gewerkschaft abgeschlossen werden sowie auch nach norwegischem Recht sei bei Lohnrückständen die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts zulässig, durch Vernehmung des von der Beklagten gestellten sachverständigen Zeugen S.. Weiter ist hierzu der von der Klägerinseite gestellte Zeuge E. vernommen worden. Hinsichtlich der Einzelheiten der überreichten Unterlagen sowie der Bekundungen dieser Zeugen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll sowie die eingereichten Unterlagen, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg.

1.

Die deutschen Gerichte sind für die Entscheidung über die Streitigkeit zuständig, da die Verfügungsbeklagten sämtlich ihren allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland haben und im Streit die Berechtigung von Maßnahmen ist, die die Verfügungsbeklagte zu 1. in Deutschland getroffen hat. Hinzu kommt, dass das vom Boykottaufruf der Verfügungsbeklagten zu 1 betroffene MS X sich auf dem Gebiet des Uferstaates befindet (Geffken, NJW 1979,1739).

2.

Auf das Verfahren ist zwar deutsches Recht anzuwenden. Auch eine evtl. Anspruchsgrundlage gegenüber der Beklagtenseite kann sich aus deutschem Recht ergeben. Die Berechtigung des von der Verfügungsbeklagten zu 1. angestrebten Arbeitskampfes beurteilt sich indes nach norwegischem Recht. Denn MS X und MS Y sind im norwegischen Schiffsregister eingetragen. Die auf diesen Schiffen stattfindenden Streitigkeiten, sei es nun Arbeitskampf oder die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, stellen innere Bordangelegenheiten dar. Hieraus folgt, dass die Berechtigung eines Arbeitskampfes auf diesen Schiffen ebenso wie die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts nach dem Recht der Flagge zu beurteilen ist (Geffken, NJW 1979, 1739, 1741).

3.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind beide Verfügungsklägerinnen antragsbefugt.

3.1

Die Antragsbefugnis der Klägerin zu 1. ergibt sich aus der Tatsache, dass sie Charterin beider betroffenen Schiffe ist. Durch die Maßnahmen der Beklagten zu 1. ist die Verfügungsklägerin zu 1. in ihren Rechten aus dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB, betroffen. Sie hat zwar in den Charterbedingungen vereinbart, dass das Schiff zurückgegeben wird, wenn es nicht zur Verfügung steht, wozu auch Arbeitskampf gehört. Sie ist jedoch nach wie vor auch aufgrund der von ihr abgeschlossenen Frachtverträge berührt. Diese kann sie nicht erfüllen mit der Folge, dass Schadenersatzforderungen drohen.

Die Verfügungsklägerin zu 1. hat den Sachverhalt zum Chartervertrag durch eidesstattliche Versicherung ihres Vorstandes Jan Klüver sowie durch Einreichen von Kundenschreiben, die die Nichterfüllung des Frachtvertrages beanstanden, glaubhaft gemacht.

3.2

Die Verfügungsklägerin zu 2. ist Eigentümerin der beiden betroffenen Schiffe MS X und MS Y. Dies hat sie glaubhaft gemacht durch Vorlage der beglaubigten Ablichtungen der Zertifikate aus dem norwegischen Schiffsregister. Die Verfügungsklägerin zu 1. ist zwar nicht unmittelbar Adressatin der Maßnahmen der Verfügungsbeklagten zu 1. Sie ist jedoch ebenfalls hierdurch betroffen, da sie als Eigentümerin gehindert ist, frei über ihre Schiffe zu verfügen, solange Boykottmaßnahmen betrieben werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach Erklärung der Verfügungsbeklagten zu 1. "das Schiff" bestreikt wird. Dies hat die Verfügungsbeklagte zu 1. in der Berufungsverhandlung wiederholt auf Frage des Gerichts, wer Adressat der Arbeitskampfmaßnahmen der Verfügungsbeklagten zu 1. sei, erklären lassen. Hieraus folgt ebenfalls eine Betroffenheit der Verfügungsklägerin zu 1.

4.

Soweit die Verfügungsklägerinnen sich auch gegen die Verfügungsbeklagten zu 2. bis 5. richten, sind diese nicht die richtigen Adressaten des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Verfügungsbeklagten zu 2. bis 5. haben lediglich als Arbeitnehmer oder Organe der Verfügungsbeklagten zu 1. gehandelt und sind für diese tätig geworden, § 831 BGB.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie über ihren von der Verfügungsbeklagten zu 1. erteilten Auftrag hinaus tätig geworden sind. Auch deliktische Maßnahmen, für die sie selbst verantwortlich wären, sind nicht dargelegt.

5.

Vorab ist zu bemerken, dass die nach der Berufungsverhandlung erlassene einstweilige Verfügung sich nicht gegen den Streik der Seeleute an Bord des MS X richtet, sondern den Boykottaufruf des Verfügungsbeklagten zu 1. und die hieraus resultierenden Begleitmaßnahmen betrifft. Anspruchsgrundlage ist der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, §§ 1004, 823 Abs. 2, 31 BGB.

5.1

Die Verfügungsklägerinnen haben gegen die Verfügungsbeklagte zu 1. einen Anspruch auf Unterlassung des Boykottaufrufs, da derzeit ein Arbeitskampf unzulässig ist. Die Untersagung eines gewerkschaftlichen Boykotts als Maßnahme des Arbeitskampfes kann im Weg einer einstweiligen Verfügung erfolgen, wenn an der Rechtswidrigkeit der Boykottmaßnahmen keine vernünftigen Zweifel denkbar sind (LAG Baden-Württemberg Urteil vom 8.8.1973 - 4 Sa 29/73 - AuR 1974,316). Dies ist hier der Fall.

Aufgrund der Berufungsverhandlung steht fest, dass die Verfügungsklägerin zu 1. im Frühjahr 2004 die beiden Schiffe MS X und MS Y veräußert hat. Der Tarifvertrag vom 10.03.2004, der aus Anlass der Veräußerung der Schiffe abgeschlossen wurde, dient der Regelung der sich aus § 613 a BGB ergebenden Folgen. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten zu 1. ist nicht ersichtlich, dass er auch für alle nach der Veräußerung neu eingestellten Seeleute gelten sollte. Es heißt zwar "dabei ist angestrebt, dass die Bedingungen dieses cba denen des HTV-MTV See entsprechen und für alle jetzt und zukünftig fahrenden Seeleute auf den zwischen Deutschland und Finnland verkehrenden Schiffen MS Fi. und MS F. gelten sollen". Hierbei handelt es sich aber lediglich um eine Absichtserklärung, was sich aus der Formulierung "angestrebt" ergibt. Die eigentlichen Folgen des Tarifvertrages ergeben sich aus seinem § 1, der eine Verpflichtung der Verfügungsklägerin zu 1. gegenüber den beschäftigten Besatzungsmitgliedern und Kapitänen enthält, für etwaige finanzielle Nachteile aufzukommen, die sich daraus ergeben können, dass die materiellen tariflichen Arbeitsbedingungen insgesamt schlechter sind als nach dem jeweils gültigen HTV/MTV See. Dort ist, anders als in der Präambel, nicht von den "jetzt und zukünftig fahrenden" Seeleuten die Rede, was dafür spricht, dass die Verpflichtung der Verfügungsklägerin zu 1. sich nur auf die im Zeitpunkt der Veräußerung Beschäftigten bezieht. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Tarifvertrag in erster Linie der Umsetzung des § 613 a BGB dient. Diese Vorschrift dient aber dem Schutz der im Zeitpunkt des Betriebsübergangs beschäftigten Arbeitnehmer.

5.2

Der Tarifvertrag vom 08.03.2004 dient, obwohl er ein früheres Datum trägt als der vom 10.03.2004, dem Vollzug des Tarifvertrages vom 10.03.2004. Die Kammer geht nach der Berufungsverhandlung von der Zulässigkeit dieser Vereinbarung und ihrer Wirksamkeit aus.

Der Tarifvertrag vom 08.03.2004 ist als collective bargaining agreement (cba) abgeschlossen worden zwischen ... International ltd. einerseits und den norwegischen Gewerkschaften (Norwegian Maritime Officers Association, The norwegian Union of Marine Engineers, Norwegian Seamens Unions) sowie ver.di andererseits und betrifft die Offiziere und Besatzungsmitglieder auf den beiden Schiffen F. und Fi., die im norwegischen Register erfasst sind und zwischen Deutschland und Finnland verkehren.

Wie die Berufungsverhandlung ergeben hat, ist dieser Tarifvertrag durch ... International ltd. abgeschlossen worden, obwohl diese selbst nicht Arbeitgeberin der auf den Schiffen Beschäftigten sein will. Die Kammer geht jedoch nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung davon aus, dass dieser Tarifvertrag wirksam abgeschlossen worden ist, obwohl ... International ltd. nicht Arbeitgeber und auch nicht Arbeitgeberverband ist. Wie die Aussage des sachverständigen Zeugen H. ergeben hat, ist, wie nach deutschem Recht, Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite entweder der Arbeitgeber oder ein Arbeitgeberverband. Weiter ergibt sich aus der Aussage dieses Zeugen, dass auch eine Bevollmächtigung nicht ausgeschlossen ist. Der Zeuge geht zwar davon aus, dass, wenn eine Konzernmutter einen Tarifvertrag abschließt, in dem auch steht, dass er für alle Tochtergesellschaften gelten soll, nicht ohne weiteres eine Tarifbindung zustande kommt. Er hält eine Tarifbindung aber dann für möglich, wenn die Muttergesellschaft Vollmachten der Tochtergesellschaften hat. Dass derartige Vollmachten im Konzern ... vorhanden sind, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen G., der ausdrücklich bekundet hat, es sei Bestandteil der Regelungen im Konzern, dass ... International ltd. Tarifverträge für die Tochtergesellschaften abschließe, was auch schriftlich festgelegt worden sei. Selbst wenn eine Bevollmächtigung in dem betreffenden Tarifvertrag nicht ausdrücklich festgehalten ist, erscheint dies der Kammer ausreichend. Angemerkt sei, dass auch der Verfügungsbeklagten zu 1. diese Vollmacht auszureichen scheint. Denn auch in der Berufungsverhandlung bestand nach wie vor Bereitschaft auf Seiten der Verfügungsbeklagten zu 1. bzw. ihres für einen Tarifabschluss zuständigen Vertreters, des Verfügungsbeklagten zu 3., mit dem Zeugen G. einen Tarifvertrag zu unterzeichnen.

Die Kammer geht nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung davon aus, dass dieser Tarifvertrag (cba) vom 08.03.2004 zwar gekündigt ist, das aber die Verfügungsbeklagte zu 1. noch einer Friedenspflicht unterliegt. Die Kündigung war lediglich durch die norwegischen Gesellschaften ausgesprochen worden. Dies ist aber unschädlich, da für die Verfügungsbeklagte zu 1. ein Kündigungsrecht in dem Tarifvertrag nicht vorgesehen gewesen war. Wie sich aus der Erklärung des Verfügungsbeklagten zu 3., der seinerzeit auf Seiten von ver.di für den Abschluss des Tarifvertrages zuständig war, ergibt, hat er zwar nachträglich in den Tarifvertrag eine Kündigungsmöglichkeit für die Verfügungsbeklagte zu 1. eingefügt und abgezeichnet. Diese Einfügung ist aber nicht von den anderen Tarifvertragsparteien gegengezeichnet worden, so dass eine entsprechende Abänderung des bereits zustande gekommenen Tarifvertrages nicht erfolgt ist. Hieraus folgt, dass die Kündigung wirksam ausgesprochen worden ist.

5.3

Dieser Tarifvertrag ist nicht durch den Tarifvertrag aus dem Jahr 2005 zwischen ... International ltd. und Solidarnosc abgelöst worden.

Der Tarifvertrag (cba) mit Solidarnosc bindet nach Auffassung der Kammer nicht die Beklagte zu 1. Es handelt sich um einen Tarifvertrag zwischen ... International ltd. einerseits und Solidarnosc sowie den norwegischen Gewerkschaften andererseits. Nach dem Ergebnis der Vernehmung des Zeugen H. erscheint es zweifelhaft, dass dieser Tarifvertrag mit Wirkung für die Verfügungsbeklagte zu 1. den vorhergehenden Tarifvertrag vom 08.03.2004 ersetzen konnte. Dies folgt insbesondere daraus, dass der Tarifvertrag aus dem Jahr 2005 durch eine andere Gewerkschaft abgeschlossen worden ist, mag diese auch die Gewerkschaft sein, in der die polnischen Besatzungsmitglieder - auch - organisiert sind. Hinzu kommt, dass der Tarifvertrag nur für die polnischen Besatzungsmitglieder abgeschlossen ist. Wenn dieser Tarifvertrag auch mit Wirkung gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 1. maßgeblich sein sollte, dann wäre die Verfügungsbeklagte zu 1. nicht berechtigt, zu Arbeitskampfmaßnahmen aufzurufen, da sich aus einem laufenden Tarifvertrag Friedenspflichten auch nach norwegischem Recht ergeben, wie sich aus der Aussage des sachverständigen Zeugen H. ergibt.

5.4

Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht an, da sich in jedem Fall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungsverhandlung noch eine für die Beklagte bestehende Friedenspflicht aus dem cba vom 08.03.2004 ergibt. Wie der Zeuge H. bekundet hat, besteht Friedenspflicht bei einem noch laufenden Tarifvertrag und auch bei einem nachwirkenden Tarifvertrag, es sei denn, dieser Tarifvertrag ist gekündigt, es ist weiter ein Arbeitskampf angekündigt und es haben Verhandlungen vor der Schlichtungskommission stattgefunden.

Der Tarifvertrag vom 08.03.2004 ist gekündigt, stellt also nicht einen laufenden Tarifvertrag dar. Es kann sein, dass bereits im Jahr 2004 und auch im Januar 2005 Arbeitskampfmaßnahmen angekündigt worden sind. Dies ist seitens der Beklagten in der Berufungsverhandlung erklärt und von den Verfügungsklägerinnen nicht bestritten worden. Aus den Protokollen der Treffen vom 30.11.2004 (Bl. 74 d. A.) und 27.01.2005 (Bl. 75 d. A.) ergibt sich dies nicht explizit. Nach diesen Protokollen haben die Parteien lediglich ihre wechselseitige Sicht dargestellt, und zwar hatte im November 2004 die Gewerkschaftsseite eine Verlängerung des bestehenden cba verlangt, während ... International ltd. eine Beschäftigung nach "normalen" norwegischen agreements vorgeschlagen hatte, d. h. norwegische Heuerhöhe für norwegische Bürger und ein "... Nis-Agreement" für polnische Bürger. Entsprechend haben die Parteien des Treffens vom 27.01.2005 ihre Auffassung dargestellt. Unterstellt, bei dieser Gelegenheit wäre von der Verfügungsbeklagten zu 1. die Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen angekündigt worden, würde dies noch nicht ausreichen, die Friedenspflicht aus dem nachwirkenden Tarifvertrag zu beseitigen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass auch die Schlichtungskommission angerufen worden ist. Dass diese beiden Treffen vom November 2004 und Januar 2005 der Erfüllung dieser notwendigen Schiedsverfahren gedient haben sollten, ist nicht vorgetragen.

Aus der Tatsache, dass die Verfügungsbeklagte zu 1. aus dem nachwirkenden Tarifvertrag (cba) vom 08.03.2004 eine Friedenspflicht trifft, ist die Verfügungsbeklagte zu 1. derzeit noch nicht berechtigt, Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere zu einem Arbeitskampf aufzurufen.

5.5

Entgegen der Darstellung der Verfügungsbeklagten kommt es nicht darauf an, ob die Seeleute an Bord der MS X ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Es mag zwar sein, dass den Seeleuten nach dem Tarifvertrag vom 08.03.2004 Ansprüche zustehen, die nach dem Tarifvertrag aus dem Jahr 2005 mit Solidarnosc hinausgehen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass tatsächlich ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird. Eine entsprechende Erklärung der Seeleute gegenüber dem Arbeitgeber, wer immer dies sein mag, ist nicht dargelegt und auch nicht glaubhaft gemacht. Hinzu kommt, dass der Ablauf der Geschehnisse, nämlich zunächst der Boykottaufruf durch die Verfügungsbeklagte zu 1., dann die Betriebsversammlung und sodann der Ausstand dafür spricht, dass tatsächlich ein Arbeitskampf durch die Seeleute durchgeführt werden soll. Ob dies der Fall ist, kann indes offen bleiben, denn der Zeitablauf spricht dafür, dass der Boykottaufruf der Verfügungsbeklagten zu 1. ursächlich war für die Blockade des Schiffes.

Zwar ist der Boykott und der Aufruf zu einem Boykott im Rahmen eines Arbeitskampfes, insbesondere bei Seeschiffen, grundsätzlich zulässig (ArbG Bremen Urteil vom 7.11.1999 - 9 Ga 79/99 - NZA-RR 2000,35; BAG Urteil vom 19.10.1976 - 1 AZR 611/75 - EzA § 1 TVG Nr. 7 = DB 1977,405; Birk, AuR 1974,289). Es muss in diesem Zusammenhang auch hingenommen werden, dass auch Dritte betroffen werden, weil sonst bei Seeschiffen und der Gestaltung der Eigner- und Charterverhältnisse die Durchführung eines Arbeitskampfes, dessen Recht sich aus Artikel 9 GG ergibt und bei dem es sich um ein Menschenrecht handelt, praktisch nicht möglich wäre. Es ist also grundsätzlich zulässig, auf einem Schiff in Ausstand zu treten, wenn es auch ggf. Dritte treffen mag. Derartige Folgen ergeben sich auch sonst bei Arbeitskämpfen und sind von Dritten hinzunehmen, z. B. wenn Lieferanten und Kunden wegen der Folgen des Arbeitskampfes ihre Materialien nicht liefern oder Ware abholen können.

Aus der Tatsache, dass die Verfügungsbeklagte zu 1. derzeit noch eine Friedenspflicht trifft, folgt jedoch, dass die Verfügungsbeklagte verpflichtet ist, Boykottaufrufe zu unterlassen (LAG Baden-Württemberg a.a.O.).

6.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten zu 1. ist der Antrag zu 2. - Antrag zu 1 aus 1. Instanz - hinreichend bestimmt. Der Antrag bezieht sich auf die derzeitigen Boykottmaßnahmen, nicht auf sämtliche in aller Zukunft. Er betrifft nur solche Maßnahmen, die im Zusammenhang mit den Arbeitskampfmaßnahmen an Bord der beiden Fährschiffe MS X und MS Y stehen.

Da die Verfügungsbeklagte ihren Boykottaufruf für beide Schiffe herausgegeben hat, muss sich die Verfügung insoweit auch auf beide Schiffe beziehen. Die Verfügungsbeklagte hat es insoweit zu unterlassen, zu Boykottmaßnahmen aufzurufen oder diese durch Herausgabe von Flugblättern aufrecht zu erhalten oder zu unterstützen.

Nicht verlangen können die Verfügungsklägerinnen, dass der Verfügungsbeklagten zu 1. auch untersagt wird, ihre Mitglieder zu unterrichten. Es kann der Verfügungsbeklagten zu 1. nicht verwehrt werden, über ihren Arbeitskampf sowie den Rechtsstreit zu informieren. Würde ihr dies untersagt, wäre sie auch nicht berechtigt, den Mitgliedern mitzuteilen, dass ihr Boykottmaßnahmen untersagt worden sind. Abgesehen davon würde sie auch gehindert, ihre Auffassung darzutun, obwohl ihr Meinungsfreiheit zur Seite steht.

7.

Soweit die Verfügungsklägerinnen verlangen, dass den Verfügungsbeklagten aufgegeben wird, den Zugang nicht zu behindern (Antrag zu 3. a bis d) ist nicht ersichtlich, dass hierfür ein Verfügungsanspruch besteht. Der bisherige tatsächliche Ablauf lässt nicht erwarten, dass derartiges in Zukunft geschehen wird. Zwar ergibt sich aus der von den Verfügungsklägerinnen eingereichten eidesstattlichen Versicherung des S., dass dieser den Ablauf als Blockade bewertete. Anderseits ergibt sich aus den eidesstattlichen Versicherungen des Gewerkschaftssekretärs A. und des P., dass sich zwar Streikposten an der Rampe befanden, die auch Sicherheitswesten mit ver.di-Emblem trugen. Nach deren Erklärung zum Ablauf, auch zum Gespräch mit dem Zeugen S. kann aber eine Blockade des Schiffes und der Rampe nicht angenommen werden. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist insoweit nicht erforderlich.

8.

Die Verfügungsbeklagte zu 1. ist aber zu verpflichten, auf die Personen, die die MS X boykottieren sowie auf sonst aufgestellte Streikposten in geeigneter Weise einzuwirken, um sie von der Durchführung eines Boykotts abzuhalten und sie zu deren Aufhebung zu bringen. Dies steht im Zusammenhang mit der Verpflichtung, Boykottaufrufe zu unterlassen. Denn der Boykottaufruf der Verfügungsbeklagten zu 1. war ursächlich für das spätere Verhalten.

Die Androhung eines Ordnungsgeldes folgt aus § 890 ZPO.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO, wobei den Verfügungsklägerinnen zu 1. die Kosten der Verfügungsbeklagten zu 2. bis 5. aufzuerlegen waren.

Ende der Entscheidung

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