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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 09.08.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 173/05
Rechtsgebiete: BGB, TVG


Vorschriften:

BGB § 611
TVG § 4
§ 9 Nr. 1 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Metallindustrie in Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein verbietet nicht die Einführung eines Prämienlohnes, der dazu führt, dass der effektive Bruttolohn unter den Verdienstsicherungsbetrag fällt.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 2 Sa 173/05

Verkündet am 09.08.2005

In dem Rechtsstreit pp.

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 09.08.2005 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und die ehrenamtliche Richterin ... sowie den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 17.02.2005 - 2 Ca 1534 d/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, wie die Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer nach dem Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Schleswig-Holstein (MTV) zu berechnen ist.

Der Kläger ist am ....1949 geboren. Er ist Mitglied der IG Metall. Bei der Beklagten ist seit 1.11.1985 als Kernmacher beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt in der Produktion etwa 80 Arbeitnehmer sowie etwa 20 Leiharbeitnehmer. Außerdem sind 20 Angestellte beschäftigt. Die Betriebsparteien haben am 11.12.2002 eine Betriebsvereinbarung "Prämienlohn" abgeschlossen (Bl. 39 d. A.), die eine Umstellung von Akkord- auf Prämienlohn mit Wirkung vom 1.1.2003 vorsieht. Der Kläger, der zuvor im Einzelakkord tätig war, ist seither in einer Gruppe im Prämienlohn beschäftigt.

Nach der Betriebsvereinbarung "Prämienlohn" setzt sich die Vergütung der Mitarbeiter künftig wie folgt zusammen:

- Grundlohn gemäß § 3 LRTV

- Grundprämie von 16 %

- Qualitätsprämie von 4 bis maximal 12 % des jeweiligen Grundlohnes

- Leistungsprämie von 4 bis maximal 12 % des jeweiligen Grundlohnes,

so dass ein Mitarbeiter insgesamt eine Vergütung von 140 % erreichen kann. Zum Ausgleich der Differenz zwischen dem bisherigen Verdienst aus Akkordlohn und dem eingeführten Prämienlohn werden gemäß Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung Ausgleichszulagen gezahlt (Bl. 40 d. A.). Diese Ausgleichszulagen werden nach dem Durchschnitt der Monate Juni, August und September des Jahres 2002 ermittelt und in Höhe von 1 bis maximal 15 % gezahlt. Dabei ist ein schrittweiser Abbau der Ausgleichszulage vorgesehen.

Die Qualitätsprämie wird, bezogen auf den Gesamtausschuss, ermittelt und an alle Mitglieder der Leistungslohngruppe gleichermaßen gezahlt. Die Leistungsprämie wird unter Bezugnahme auf die Rohgussverkaufswerte im Verhältnis zur Anwesenheitszeit aller Mitarbeiter ermittelt und an sämtliche Mitarbeiter ausgekehrt.

§ 9 MTV sieht für ältere Arbeitnehmer, d. h. diejenigen die im 55. Lebensjahr stehen oder älter sind, und dem Betrieb oder dem Unternehmen mindestens fünf Jahre angehören, eine Verdienstsicherung vor. § 9 MTV sieht Folgendes vor:

§ 9 MTV

Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer

1. Gewerbliche Arbeitnehmer

1.1 Anspruchsvoraussetzungen

Arbeitnehmer, die im 55. Lebensjahr stehen oder älter sind und dem Betrieb oder dem Unternehmen mindestens 5 Jahre angehören, haben eine Verdienstsicherung nach folgenden Bestimmungen:

1.2 Berechnungsgrundsatz

Für die nachfolgenden Bestimmungen gelten bei der Berechnung des Durchschnittsverdienstes die jeweiligen gültigen Bestimmungen des Manteltarifvertrages.

Bei tariflichen Lohnerhöhungen im Berechnungszeitraum ist vom erhöhten Verdienst auszugehen. Zukünftige Tariflohnerhöhungen sind entsprechend zu berücksichtigen.

1.3 Zeitlohnarbeiter

Zeitlohnarbeiter haben einen Anspruch auf ihren Durchschnittsstundenverdienst, errechnet aus den letzten 12 abgerechneten Kalendermonaten.

1.4 Leistungslohnarbeiter

1.4.1 Akkordlohnarbeiter

Bei Umstellung auf den Entlohnungsgrundsatz Zeitlohn wird der Verdienst nach 1.2 berechnet mit der Maßgabe, daß der durchschnittliche Zeitgrad der letzten 36 abgerechneten Kalendermonate zugrunde gelegt wird.

Bei Weiterbeschäftigung im Akkordlohn richtet sich der Verdienst nach dem persönlich erbrachten Zeitgrad, jedoch mindestens nach dem durchschnittlichen Zeitgrad gemäß Absatz 1.

1.4.2 Sonstige Leistungslohnarbeiter

Bei sonstigen Leistungslohnarbeitern ist 1.4.1 entsprechend anzuwenden.

Durch die Einführung des Prämienlohnsystems mit Wirkung vom 1.1.2003 ergab sich für den Kläger ein niedrigerer Zeitgrad - die 146,09 % in der Abrechnung für Januar 2003 beziehen sich auf den im Dezember 2002 erreichten Zeitgrad -. Dadurch ergab sich eine geringere monatliche Bruttovergütung. Mit der Aufstellung (Bl. 6 d. A.) hat die Beklagte einen Zeitgrad von 144,32 % für die letzten drei Jahre vor Erreichen des 55. Lebensjahres bescheinigt. Die seither gezahlte Vergütung hat diesen Betrag aufgrund der Einführung der Qualitäts- und Leistungsprämien nicht erreicht.

Nachdem der Kläger erfolglos die Differenzbeträge für die Monate November 2003 bis Juni 2004 schriftlich geltend gemacht hat, hat er am 6.7.2004 die vorstehende Klage erhoben, mit der er Nachzahlung der Differenz zu dem sich bei einem Zeitgrad von 144,32 % ergebenden Vergütung fordert.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn EURO 1.749,78 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

auf EURO 168,52 seit dem 1.11.2003,

auf EURO 168,54 seit dem 1.12.2003,

auf EURO 133,60 seit dem 1.1.2004,

auf EURO 188,49 seit dem 1.2.2004,

auf EURO 228,06 seit dem 1.3.2004,

auf EURO 245,23 seit dem 1.4.2004,

auf EURO 258,72 seit dem 1.5.2004,

auf EURO 74,50 seit dem 1.6.2004,

auf EURO 284,09 seit dem 1.7.2004, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Absenkung der Vergütung aufgrund der Einführung des Prämienlohnes verstoße nicht gegen § 9 MTV.

Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 17.2.2005 die Klage abgewiesen und ausgeführt, § 9 Nr. 1 MTV stehe der Absenkung des Entgeltes aufgrund der Einführung des Prämienlohnes nicht entgegen.

Gegen dieses am 24.3.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt er vor, es treffe zwar zu, dass das Bundesarbeitsgericht es für zulässig halte, dass eine Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer nicht dazu führen dürfe, dass ältere Arbeitnehmer dann besser gestellt würden, wenn die Absenkung des Arbeitsentgeltes durch die allgemeine Einkommensentwicklung erfolge. Gleichzeitig habe das BAG aber in seinem Urteil vom 11.11.1997 (3 AZR 675/95) ausdrücklich betont, dass die Verdienstsicherung dann erhalten bleibe, wenn nicht auszuschließen sei, dass die Lohnkürzung auf der verminderten Leistungsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers beruht. Dies sei aber vorliegend der Fall. Die Qualitätsprämie sei abhängig vom Umfang des Ausschusses. Je mehr fehlerhafte Stücke gegossen werden, um so geringer sei die ausgelobte Prämie. Mit seiner Arbeit als Kernmacher trage er, der Kläger, direkt mit zur Höhe des Ausschusses und damit zur Höhe der Qualitätsprämie bei. Leistungsminderungen könnten sich direkt auf die Qualität des gegossenen Werkstücks niederschlagen. Auch die Leistungsprämie sei abhängig von seiner Arbeitsleistung. Wenn sich der Umfang der erbrachten Arbeitsleistungen aufgrund von altersbedingter Leistungsminderung reduziere, ergebe sich zwangsläufig ein geringerer Umfang an gegossener Tonage, was sich auf die ausgezahlte Leistungsprämie auswirke.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 17.2.2005 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.749,78 brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

auf € 168,52 seit dem 1.11.1003,

auf € 168,54 seit dem 1.12.2003,

auf € 133,60 seit dem 1.01.2004,

auf € 188,49 seit dem 1.02.2004,

auf € 228,06 seit dem 1.03.2004,

auf € 345,23 seit dem 1.04.2004,

auf € 258,72 seit dem 1.05.2004,

auf € 74,50 seit dem 1.06.2006,

auf € 284,09 seit dem 1.07.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat nicht Anspruch auf Nachzahlung der begehrten 1.749,78 EUR brutto.

Das Arbeitsgericht hat sich zutreffend auf den Standpunkt gestellt, die auf der Einführung des Leistungslohnes beruhende Reduzierung der Vergütung sei nicht darauf zurückzuführen, dass die Prämien sich zumindest mittelbar auf die Leistung des Klägers beziehen.

In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht geht die Kammer davon aus, dass die Einführung des Prämienlohns durch die Betriebsvereinbarung Nr. 7/2002 vom 11.12.2002 sich im Rahmen der Regelungen des Manteltarifvertrages, auch des § 9 MTV hält und dass die Absenkung des allgemeinen Verdienstes bei der Beklagten auch im Rahmen der Verdienstsicherung zu berücksichtigen ist.

Zweck der Regelung in § 9 Nr. 1 MTV ist es, ältere Arbeitnehmer davor zu schützen, dass sie durch altersbedingte Leistungsabnahme Verdiensteinbußen erleiden (u. a. BAG Urt. v. 16.5.1995 - 3 AZR 627/97 - EzA TVG § 4 Nr. 1; BAG Urt. v. 7.2.1995 - 3 AZR 402/95 - EzA TVG § 4 Nr. 30 Tariflohnerhöhung -; BAG Urt. 11.11.1997 - 3 AZR 675/96 - EzA TVG § 4 Nr. 5 Verdienstsicherung). Der Kläger als betroffener Arbeitnehmer ist deshalb aber nicht davor geschützt, dass die künftige Lohnentwicklung in einer Absenkung besteht (BAG Urt. v. 16.5.1995 a.a.O.; BAG Urt. v. 28.7.1999 - 4 AZR 295/97 - EzA TVG § 4 Nr. 7 Verdienstsicherung), wie es hier durch die Einführung des Prämienlohnes der Fall ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind weder die Qualitäts- noch die Leistungsprämie tatsächlich auf die Leistung des Klägers bezogen. Die Qualitätsprämie wird zwar am Umfang des produzierten Ausschusses orientiert. Sie wird aber in gleicher Höhe an alle in der Produktion tätigen Mitarbeiter ausgekehrt. Etwaige Leistungsminderungen des Klägers können sich dementsprechend nicht auswirken.

Auch die sog. Leistungsprämie stellt tatsächlich nicht eine auf die Leistung der betroffenen Mitarbeiter bezogene Prämie dar. Sie ist vielmehr abhängig von dem Rohgussverkaufswert in Euro und den Mitarbeiteranwesenheitsstunden. Zwar kann sich hier auch die Menge der produzierten Güter auswirken. Gleichfalls wirken sich aber auch die Stahlpreise auf den Rohgussverkaufswert aus. Steigen die Stahlpreise steigt auch der Rohgussverkaufswert, während umgekehrt bei einem Absinken der Preise auf dem Weltmarkt auch der Rohgussverkaufswert und damit die Leistungsprämie sinkt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Ergebnis der Monate Februar bis August 2003 ergibt, dass die Absenkung der Vergütung durch die Einführung des Prämienlohnes nicht alters- bzw. leistungsbezogen ist. Der Kläger hat nämlich in den Monaten vor Erreichen der tarifvertraglichen Alterssicherung bereits einen erheblich niedrigeren Zeitgrad erreicht.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision ist zuzulassen, da der Rechtsstreit des Klägers nur einer von mehreren im Betrieb der Beklagten ist, so dass die Durchführung der Revision geeignet ist, für Rechtsfrieden im Betrieb zu sorgen.



Ende der Entscheidung

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