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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 21.09.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 250/04
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB IV


Vorschriften:

ArbGG § 72a
SGB IV § 28 e S. 4
SGB IV § 28 g
SGB IV § 28 o
SGB IV § 28 o Abs. 1
SGB IV § 280
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 2 Sa 250/04

Verkündet am 21.09.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 21.09.2004 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 21.4.2004 - 4 Ca 646/03 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu erstatten.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf die angefochtene Entscheidung vom 21.04.2004 verwiesen, gegen die die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet hat.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt sie vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Aussage des Ehemannes der Beklagten nicht für glaubhaft erachtet. Sie, die Beklagte, habe ihre Pflichten nach § 28 o SGB IV weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Die Begründung zum Gesetzentwurf des § 28 g SGB IV besage, dass die Regelung der Sätze 2 und 3 insbesondere dann als unbillig empfunden werde, wenn ein geringfügig Beschäftigter den Arbeitgeber schuldhaft über das Bestehen weiterer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse und damit über das Eintreten von Beitragspflichten im Unklaren gelassen habe. Auch müssten die Auskünfte zur Durchführung des Meldeverfahrens und zur Beitragszahlung erforderlich sein. Dies sei der Fall, wenn der Arbeitgeber die Daten nicht habe oder nur mit größerem Aufwand als über den Beschäftigten beschaffen könne. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Dem Kläger wäre es ein Leichtes gewesen, sie, die Beklagte, nach ihrer Vergütung bei dem Zeugen K. zu fragen.

Die Beklagte beantragt,

das am 21.04.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck - Az. 4 Ca 646/03 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit ihm stattgegeben worden ist und trägt weiter vor, es sei nicht nachvollziehbar, warum das Arbeitsgericht ihm lediglich den hälftigen Betrag der geltend gemachten Klageforderung zugesprochen habe. Ihm stehe der volle Betrag in Höhe von 1.892,55 Euro als Schadensersatz bzw. aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Sein Anspruch ergebe sich aus § 28 e S. 4 in Verbindung mit § 28 o Abs. 1 SGB IV. Es sei durch die Vernehmung des Zeugen K. vor dem Arbeitsgericht nicht bewiesen worden, dass die Verteilung der Vergütung zwischen dem Kläger und dem Ehemann der Beklagten so abgestimmt worden sei, dass die Geringverdienergrenze nicht überschritten werde. Für ein entsprechendes Telefonat habe keine Veranlassung bestanden. Das der Beklagten gezahlte Gehalt sei aus den monatlich erteilten Abrechnungen hervorgegangen. Es habe auch ein entsprechendes Telefonat nicht gegeben. Für die Annahme eines Mitverschuldens bestehe kein Grund. Richtig sei, dass die Beklagte ihren Pflichten nach § 28 o Abs. 1 SGB IV zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Sie habe die Höhe ihrer Vergütung bei beiden Arbeitgebern gekannt und hätte dem Kläger mitteilen müssen, dass sie bei ihrem Ehemann um 300,00 DM monatlich verdiente. Dies habe sie aber nicht getan. Ihn, den Kläger, habe keine Verpflichtung getroffen, die Beklagte hierzu zu fragen. Er habe die Höhe der von ihm selbst gezahlten Vergütung gekannt und daher davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte ihn bei Überschreitung der Geringverdienergrenze informieren würde. Die Beklagte habe daher grob fahrlässig gehandelt. Ihn selbst treffe kein Mitverschulden.

Der Kläger beantragt,

das am 21.04.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck, Az. 4 Ca 646/03, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.892,55 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass hinsichtlich der beiden geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse eine Abstimmung erforderlich gewesen sei. Die erteilten Lohnabrechnungen hätten hierfür nicht ausgereicht.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in vollem Umfang Erfolg. Die Anschlussberufung des Klägers hingegen ist abzuweisen.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die Sozialversicherungsbeiträge in der durch das Arbeitsgericht ausgeurteilten Höhe zu erstatten. Zwar ergibt sich gem. § 28 g SGB IV ein Anspruch des Arbeitgebers gegen den Beschäftigten auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Jedoch kann der Anspruch nur durch Abzug von Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den nächsten 3 Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden. Das gilt nur dann nicht, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Die Voraussetzung des fehlenden Verschuldens des Arbeitgebers ist dann entbehrlich, wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 280 Abs. 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt. Nach § 28 o SGB IV ist der Beschäftigte verpflichtet, dem Arbeitgeber die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforderlichen Angaben zu machen und, soweit erforderlich, Unterlagen vorzulegen.

Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich nicht, dass der Abzug ohne sein Verschulden unterblieben ist. Aus der allgemeinen Gesetzesregelung in § 28 g SGB IV und der Tatsache, dass dort das fehlende Verschulden als Ausnahme erfasst ist ergibt sich, dass das fehlende Verschulden vom Arbeitgeber darzulegen und ggf. nachzuweisen ist. Hierzu sind Anhaltspunkte nicht gegeben. Der Kläger hat keinerlei Details zu Gesprächen zwischen ihm und der Beklagten über die Bestimmung der Höhe der Vergütung und ggf. Fragen nach Details des 2. Arbeitsverhältnisses vorgetragen. Das fehlende Verschulden des Arbeitgebers ergibt sich hier nicht bereits daraus, dass er die Höhe des 2. Einkommens, wie er behauptet, nicht kannte. Denn der Kläger wusste, dass die Beklagte ein 2. Arbeitsverhältnis eingegangen war. Schon deshalb kann ein Verschulden des Klägers hier nicht ohne weiteres verneint werden.

Der Kläger kann sich auch nicht deshalb darauf berufen, dass er das fehlende Verschulden nicht nachweisen müsse, weil die Beklagte ihren Pflichten nach § 28 o Abs. 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Für das Vorliegen von Vorsatz sind Gesichtspunkte nicht dargelegt. Aber auch grobe Fahrlässigkeit ist nicht ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwar der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforderlichen Angaben zu machen und ggf. Unterlagen vorzulegen. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass der Beschäftigte von sich aus gehalten ist, auf den Arbeitnehmer zuzukommen und ihm unaufgefordert die Höhe des jeweiligen Zweiteinkommens mitzuteilen. Vielmehr ergibt sich aus der Tatsache, dass das Meldeverfahren vom Arbeitgeber durchzuführen, dass er auch verpflichtet ist, die hierfür erforderlichen Informationen zu beschaffen und ggf. von sich aus den Arbeitnehmer zu befragen. Dass dies geschehen ist, ist nicht ersichtlich.

Anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Beklagte dem Kläger jeweils jährlich Steuerfreistellungsbescheinigungen vorgelegt hat. Diese Steuerfreistellungsbescheinigungen werden für das betreffende Jahr, d. h. also für die Zukunft, erteilt. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf verlassen, dass die der Bescheinigung zugrunde liegenden Daten während des gesamten laufenden Jahres gelten.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte jeweils am Jahresende hätte merken müssen, dass sie die Freigrenze überschritten habe. Es ist zwar vom Arbeitnehmer auch zu erwarten, dass er seine Abrechnungen durchsieht und überprüft. Dies begründet aber nicht die Annahme, dass wegen unterlassener Überprüfung die Auskunfts- und Vorlagepflichten nach § 28 o Abs. 1 SGB IV verletzt worden sind.

Auf die Berufung der Beklagten ist daher das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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