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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 02.03.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 398/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 123
Ein Arbeitnehmer, der einen Rechtsstreit über eine Änderungskündigung führt, ist nicht in jedem Fall verpflichtet, dem Arbeitgeber im Rahmen von Vergleichsverhandlungen mitzuteilen, dass er inzwischen einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt hat.

Die Verpflichtung besteht insbesondere dann nicht, wenn die Änderungskündigung nicht auf Krankheit, sondern auf Leistungsmängel gestützt ist. Durch die - später erfolgte - befristete Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente ergibt sich keine unmittelbare Auswirkung auf den Rechtsstreit, zumal das Arbeitsverhältnis während der Rentengewährung lediglich ruht.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 2 Sa 398/03

Verkündet am 02.03.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 02.03.2004 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts Willikonsky als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter Zieboll und Ludewig als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 9. Juli 2003 - 3 Ca 1003 d/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob ein von ihnen abgeschlossener gerichtlicher Vergleich durch Anfechtung der Beklagten beseitigt worden ist.

Die Klägerin ist am ... 1944 geboren. Sie war bei der Beklagten mit Wirkung vom 01.05.2001 als Sekretärin der Geschäftsleitung eingestellt worden. Im Herbst 2002 hatte die Beklagte wiederholt Beanstandungen an der Leistung der Klägerin vorgebracht. Strittig ist, ob etwaige Arbeitsfehler auf Überlastung der Klägerin oder auf Gründe in ihrer Person zurückzuführen sind. Die Klägerin war ab dem 17.10.2002 längerfristig arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte beabsichtigte, die Klägerin nach ihrer Rückkehr auf einen anderen Arbeitsplatz zu setzen, was sie ihr mit Schreiben vom 29.11.2002 (Bl. 12 d. A.) mitteilte. Damit war die Klägerin nicht einverstanden. Die Beklagte sprach mit Schreiben vom 14.01.2003 (Bl. 8 d. A.) eine Änderungskündigung zum 28.02.2002 aus, die die Klägerin unter Vorbehalt angenommen hat. Am 29.01.2003 hat die Klägerin Klage erhoben und am 10.02.2003 hat sie auf Veranlassung der Krankenkasse einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt. In der streitigen Verhandlung vom 16.02.2003 haben die Parteien sich dahingehend verglichen, dass das Arbeitsverhältnis am 28.02.2003 ende, die Klägerin eine Abfindung von 2.750 EUR erhalte, ein Zeugnis erteilt werde und damit alles erledigt sei. Am 23.04.2003 übersandte die Klägerin der Beklagten einen Fragebogen für den Rentenantrag vom 10.02.2003. Am 19.05.2003 focht die Beklagte den Vergleich an. Mit Bescheid vom 27.05.2003 ist der Klägerin eine befristete Erwerbsminderungsrente für die Zeit vom 01.05.2003 bis 30.06.2004 bewilligt worden. Auf den Antrag der Beklagten, den Rechtsstreit fortzusetzen, hat die Klägerin hilfsweise die Klage erweitert und Feststellung verlangt, dass die Änderungskündigung sozial nicht gerechtfertigt sei und die Beklagte zur Verurteilung von 2.491,29 EUR brutto verklagt. Dabei handelt es sich um Vergütungsdifferenzen für die Zeit ab November 2002 bis Februar 2003 sowie Weihnachtsgeld 2002.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09.07.2003, auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Vergleich erledigt ist. Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt sie vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe eine Verpflichtung zur Offenlegung des Rentenantrags bestanden. Die Klägerin habe auch einen Täuschungswillen gehabt. Ihr sei eine Änderung des Arbeitsvertrages im Hinblick darauf, dass die Klägerin nach der Beobachtung der Beklagten krankheits- und altersbedingt in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich nachgelassen gehabt habe, angeboten worden. Die Klägerin habe anfangs, d. h. ab Mai 2001 sehr gute Leistungen erbracht, habe dann aber im Laufe des Jahres 2002 qualitativ und quantitativ nachgelassen. Dennoch habe man die Klägerin weiterbeschäftigen wollen und ihr deshalb die Änderung der Arbeitsbedingungen vorgeschlagen. Die Klägerin habe aber stets bestritten, dass bei ihr eine krankheits- oder altersbedingt nachlassende Leistungsfähigkeit vorgelegen habe. Sie habe sich gemobbt gefühlt. Noch in der mündlichen Verhandlung habe sie ihre volle Leistungsfähigkeit betont und auch dargetan, sie wolle an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Angesichts dieses Verhaltens sei davon auszugehen, dass die Klägerin bewusst unzutreffend vorgetragen habe. Es sei daher objektiv der Tatbestand des Prozessbetrugs gegeben. Die Tatsache des Rentenantrags sei eine so wichtige Information, dass die Klägerin sie habe offen legen müssen. Ein Vergleich wäre von ihr, der Beklagten, so nicht abgeschlossen worden. Die Klägerin habe auch gewusst, dass die Mitteilung für die Arbeitgeberseite wichtig gewesen sei. Sie habe sie deshalb bis nach der Verhandlung vom 16.04.2003 zurückgehalten. Auch der Ablauf der Vergleichsgespräche zeige dies. Der Klägerin sei nämlich angeboten worden, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, wenn ein Arbeitsmediziner eine Leistungsfähigkeit der Klägerin attestiere. Die Klägerin habe dann aber schließlich eine Beendigung gegen Zahlung einer Abfindung gewünscht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 09.07.2003 aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Neumünster - 3 Ca 1003 d/03 - durch den Vergleich vom 16.04.2003 nicht erledigt ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, eine Erklärung über den Rentenantrag habe sie nicht abgeben müssen. Im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses habe sie lediglich im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht gegenüber der Krankenkasse bei der B. einen Antrag auf Rente gestellt. Eine Bewilligung sei noch nicht erfolgt gewesen, weshalb sie im Termin vom 16.04.2003 keinerlei Gewissheit gehabt habe, ob ihrem Antrag auf Rente stattgegeben werde. Sie sei auch noch gewillt gewesen, in ihr Arbeitsverhältnis zurückzukehren und ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Sie habe zunehmenden Druck am Arbeitsplatz empfunden, habe deshalb nachts keine Ruhe mehr gefunden und sei deshalb schließlich am 17.10.2002 krankgeschrieben worden. Immer habe sie darauf hingewiesen, dass sie, sobald sich das Betriebsklima verbessere, ihre Arbeit wieder aufnehmen könne. Deshalb habe sie auch ihre behandelnden Ärzte von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Sie bleibe nach wie vor dabei, dass sie wieder leistungsfähig sein werde, wenn die Bedingungen am Arbeitsplatz wieder stimmten und sie nicht einer ständigen Überlastung ausgesetzt sei. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sie durch Zustimmung zu dem abgeschlossenen Vergleich, der unter Punkt 4 eine Generalquittung enthalte, auf Zahlungsansprüche von insgesamt 2.491,29 EUR brutto verzichtet habe. Dabei habe es sich um 934,24 EUR Gehaltsdifferenz und 1.557,05 EUR anteiliges Weihnachtsgeld gehandelt. Für den Fall eines Obsiegens in dem Verfahren gegen die ausgesprochene Änderungskündigung würde sich dieser Betrag sogar noch erhöhen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass Gründe für eine Anfechtung des Prozessvergleichs vom 16.04.2003 nicht gegeben sind. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung greift hier nicht durch. Auch mit dem Vortrag in der Berufungsbegründung hat die Beklagte nicht schlüssig dargelegt, dass die Klägerin eine Täuschung durch Unterlassung begangen hat. Insoweit wird zu Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch eine Verpflichtung zur Offenbarung des Rentenantrages vorliegend nicht gesehen werden kann. Dabei ist die besondere prozessuale Situation in diesem Rechtsstreit zu sehen. Die Beklagte hatte eine Änderungskündigung ausgesprochen, die sie auf fehlerhafte Arbeitsleistungen der Klägerin gestützt hat. Es handelte sich dabei nicht um eine verhaltensbedingte, sondern um eine personenbedingte Änderungskündigung. Dabei ging es auch nicht darum, ob die Klägerin wegen längerfristiger und wiederholter Arbeitsunfähigkeit entlassen werden sollte. Es ging um Leistungsmängel, deren Ursache strittig war. Dementsprechend hatte das Arbeitsgericht den Parteien aufgegeben, zu den Leistungsmängeln vorzutragen, nicht aber zu etwaigen Krankheitszeiten und deren Auswirkungen auf den Betriebsablauf. Eine unmittelbare Auswirkung auf den Rechtsstreit über die Änderungskündigung ergab sich daher durch die Tatsache eines Rentenantrages nicht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Zeitrente nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern nur zu dessen Ruhen führt. Der Streit um die Frage, zu welchen Bedingungen das Arbeitsverhältnis der Parteien fortgesetzt werden sollte, hätte sich mithin durch eine Rentenbewilligung nicht erledigt.

Es kann auch anhand des Vortrags der Beklagten in der Berufungsbegründung nicht festgestellt werden, dass Anhaltspunkte bei der Klägerin für einen Täuschungswillen vorlagen. Dass die Rente tatsächlich bewilligt werden würde, stand in diesem Zeitpunkt nicht fest. Selbst wenn der Gang der Verhandlung vom 16.04.2003 den von der Beklagten geschilderten Verlauf gehabt haben sollte, besagt dies nicht, dass die Klägerin deshalb den Abschluss eines Abfindungsvergleichs vorgeschlagen hat, um die Beklagte zu täuschen und zu schädigen. Vielmehr ist dabei zu berücksichtigen, dass die Klägerin, wenn es auch strittig ist, sich im Betrieb der Beklagten gemobbt gefühlt hat. Es war daher konsequent, dass sie sich als voll leistungsfähig ansah. Dass sie sich dann doch dergestalt mit der Beklagten einigte, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung beendet wurde, ist tägliche Praxis vor den Arbeitsgerichten, sei es, weil die Arbeitnehmer sich dem Druck eines Rechtsstreits nicht mehr gewachsen sehen oder sie inzwischen für sich andere Möglichkeiten entdeckt haben.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Parteien nicht eine unverhältnismäßig hohe Abfindung vereinbart haben. Bei einer Beschäftigungszeit von etwa 20 Monaten hat die Klägerin eine Abfindung erhalten, die etwas über einem Jahresentgelt lag, wobei noch Streit über die anteilige Zahlung eines Weihnachtsgeldes und der Höhe des Gehaltes bestand. Eine auch in Ansehung des Prozessrisikos zu hohe Abfindung hat die Beklagte damit nicht ausgeworfen. Es ist daher auch nicht ersichtlich, dass das Prozessrisiko von der Beklagten falsch eingeschätzt und deshalb eine überhöhte Abfindung vereinbart worden wäre.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da nicht ersichtlich ist, dass der Rechtsstreit in seiner Bedeutung über den Einzelfall hinausgeht.



Ende der Entscheidung

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