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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 03.06.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 54/08
Rechtsgebiete: BGB, KSchG
Vorschriften:
BGB § 626 | |
KSchG § 23 |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil
Im Namen des Volkes
Aktenzeichen: 2 Sa 54/08
Verkündet am 03.06.2008
In dem Rechtsstreit
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 03.06.2008 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufungen der beiden Parteien gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 18.12.2007 - 6 Ca 2425/07 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 33 % und die Beklagte zu 67 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten in der Berufung über die Wirksamkeit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte.
Der Kläger ist 1954 geboren. Er ist von Beruf Kfz.mechanikermeister. Bei der Beklagten war er seit dem 1.1.2004 als Außendienstmitarbeiter - Verkäufer mit Mechanikertätigkeiten im Innen- und Außendienst - zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.800 EUR beschäftigt. Die Beklagte befasst sich mit dem Vertrieb von Ersatzteilen für Nieder, Flur- und Nutzfahrzeuge. Zu ihren ständigen Lieferanten gehören die Firma S. in T. A., I., die Spezialbauteile auf der Grundlage von Konstruktionszeichnungen der Beklagten fertigt, und die Fa. T. OY F.. Die Beklagte vertreibt die von diesen gefertigten Spezialbauteile.
Am 9.9.2007 übermittelte die Fa. S. der Beklagten ein Fax (Bl. 16 d.A.), mit dem eine Fa. H. "H.- und V." in englischer Sprache mitteilte, dass sie an der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen interessiert sei. Dabei wurden interne Artikelnummern der Beklagten für die von der Beklagten gehandelten Produkte genannt. Dieses Schreiben wurde unstreitig von dem Faxgerät, das die Beklagte dem Kläger zur Verfügung gestellt hatte, an die Firma S. versendet. Unterzeichnet war das Fax mit "I. P. Handels Beratung und Vertriebs Gesellschaft". Wegen dieses Faxschreibens hat die Beklagte mit Einverständnis des Klägers bei diesem eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Dem Kläger wurde bei dieser Gelegenheit deutlich gemacht, dass er evtl. mit einer Kündigung rechnen müsse. Bei dem Zeugen P. erfolgte eine polizeiliche Hausdurchsuchung, wobei u.a. der PC vorläufig beschlagnahmt wurde.
Außerdem ist am 8.9.2007 von dem Faxgerät des Klägers ein Schreiben in englischer Sprache an die Fa. T. OY F. versandt worden (Bl. 151 d.A.), in dem ebenfalls nach der Lieferung von Teilen gefragt wurde, die von der Beklagten gehandelt werden.
Die Beklagte forderte den Kläger auf, zu einer Anhörung am 14.9.2007 zu erscheinen. Diesen Termin nahm der Kläger auf anwaltlichen Rat hin nicht wahr. Die Beklagte sprach daraufhin mit Schreiben vom 14.9.2007 (Bl. 4 d.A.) eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.
Diese Kündigung hat der Kläger mit Klage vom 20.9.2007 angegriffen. In dieser Klage hat er außerdem Zahlung der Vergütung für September 2007 gefordert. Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 18.12.2007, auf das hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags und der Begründung verwiesen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis erst am 31.10.2007 endete. Hiergegen haben beide Parteien rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet.
Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe die außerordentliche Kündigung nicht in eine fristgerechte Kündigung umdeuten dürfen. Die Kündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen erfolgt. Daher könne sie nicht in eine ordentliche betriebsbedingte umgedeutet werden. Aber auch wenn eine Umdeutung möglich wäre, komme diese nicht in Betracht. Denn die Beklagte beschäftige regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Das Unternehmen bestehe aus 2 juristischen Personen, die unter einheitlicher Leitung am gleichen Standort gleichartige Tätigkeiten ausübten. Bei der Beklagten seien 7 Vollzeitkräfte, bei der R. GmbH seien 5 Vollzeitkräfte und 2 Aushilfskräfte beschäftigt. Damit finde das KSchG Anwendung.
Der Kläger beantragt zur eigenen Berufung,
das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck - 6 Ca 2425/07 - vom 18.12.2007 abzuändern und festzustellen, dass die mit Schreiben vom 14.09.2007 ausgesprochene fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung der Beklagten rechtswidrig ist und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Kündigungsschutzgesetz finde nicht Anwendung. Sie betreibe nicht ein gemeinsames Unternehmen mit der Fa. R. GmbH. Die Kündigung sei als außerordentliche berechtigt. Denn der Kläger habe sich an einer wettbewerbswidrigen Handlung zum Nachteil der Beklagten beteiligt. Zumindest habe er vorsätzlich Beihilfe geleistet. Die Darstellung des Klägers sei nicht glaubhaft. Der Kläger sei in die Pläne der Herren M. und P. eingeweiht gewesen. Er habe gewusst, dass die angeschriebenen Firmen Lieferanten der Beklagten seien. Selbst wenn er die englische Sprache nicht beherrschen sollte, hätte er anhand der Artikelnummern feststellen können, dass es sich um für die Beklagte gefertigte Produkte handelte. Die Artikelnummern in dem Fax an die Fa. T. OY fänden sich sämtlich im Katalog der Beklagten, der dem Kläger bekannt sei. Die fristlose Kündigung sei daher zulässig.
Die Beklagte beantragt zur eigenen Berufung,
das Teilurteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er erwidert, er habe nicht betriebsrelevante Daten ausgespäht oder verwertet. Die Artikelnummern seien ihm nicht bekannt gewesen. Zugang zu Daten im Betrieb habe er nicht gehabt. Da der Zeuge P. nicht bei der Beklagten beschäftigt sei, habe er, der Kläger, auch keinen Zusammenhang annehmen müssen, zumal er die englische Sprache nicht beherrsche.
In der Berufungsverhandlung ist der Zeuge I. P. erneut zu dem erstinstanzlichen Beweisthema vernommen worden. Hinsichtlich der Einzelheiten seiner Bekundungen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 3.6.2008 verwiesen. Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die beiden Berufungen sind zwar zulässig. Sie haben jedoch beide nicht Erfolg.
1. Die Kündigung ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht als fristlose wirksam. Gem. § 626 BGB kann ein Arbeitsverhältnis gekündigt werden, wenn so schwerwiegende Gründe vorliegen, dass es dem Kündigenden nicht mehr zugemutet werden kann, auch nur die Kündigungsfrist einzuhalten.
Der Verdacht, ein Arbeitnehmer habe während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, stellt an sich einen zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Sachverhalt dar. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat kann nicht nur eine erwiesene erhebliche Vertragspflichtverletzung, sondern auch der dringende schwerwiegende Verdacht der Verletzung von erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichten einen wichtigen Grund zur außerordentlich Kündigung gegenüber einem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen. Jedoch sind an die Darlegung und Qualität der schwerwiegende Verdachtsmomente besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr besteht, dass ein "Unschuldiger" betroffen ist (BAG Urteil v. 29.11.2007 - 2 AZR 724/06 - DB 2008, 709 = ArbRB 2008, 136). Die Ausübung von Konkurrenztätigkeit während des laufenden Arbeitsverhältnisses stellt grundsätzlich eine Verletzung des Arbeitsvertrages dar (KR-Griebeling Rd.-Nr. 493 zu § 1 KSchG; KR-Fischermeyer, Rd.-Nr. 460 zu § 626 BGB, 462; ErfK-Müller-Glöge, Rd.-Nr. 102 - 105 zu § 262 BGB). Dadurch wird die Existenz des Arbeitgeberbetriebes beeinträchtigt oder zumindest gefährdet. Der Arbeitnehmer verstößt hierdurch gegen die Treuepflicht.
Der Kläger hat durch die Versendung der beiden Faxschreiben in denen nach der Lieferung von Waren gefragt wird, die die Beklagte für sich herstellen lässt und handelt, den Verdacht erweckt, dass er in Wettbewerb zur Beklagten treten wolle. Dieses Fax stammt von einer Firma H., die sich, wie aus dem Faxschreiben deutlich wird als Wettbewerber der Beklagten auf dem Markt etablieren wollte, auch wenn die Beklagte nicht als Mitbewerberin genannt wird. Jedenfalls wollte diese Firma auf demselben Sektor wie die Beklagte tätig werden.
Ob der von der Beklagten gegenüber dem Kläger geäußerte Verdacht berechtigt ist, konnte letztlich auch durch Vernehmung des Zeugen P. nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Das Faxschreiben stellt lediglich einen ersten Anhaltspunkt dar. Zugunsten des Klägers spricht, dass beide Faxschreiben in englischer Sprache verfasst waren. Erstinstanzlich hat der Kläger ein Hauptschulzeugnis vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass er in der Schule nicht Englischunterricht genossen hat. Dass er danach die englische Sprache erlernt hätte, hat der Kläger abgestritten. Die Beklagte hat keine Anhaltspunkte vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass der Kläger dennoch über entsprechende Sprachkenntnisse verfügt.
Unterstellt, der Kläger beherrscht tatsächlich die englische Sprache nicht, ändert dies allerdings nichts daran, dass in beiden Faxschreiben Artikelnummern genannt werden, die sich aus dem Katalog der Beklagten ergeben. Dass der Kläger die beiden Faxschreiben durchgelesen oder -gesehen hat, kann aber nicht unterstellt werden. Der Kläger selbst behauptet, er habe sich die beiden Faxschreiben nicht angesehen, sondern sie lediglich ausgedruckt, auf das Fax gelegt und versandt. Unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen P. über die Einbindung des Klägers in die Gründung der H. scheint dies nicht völlig abwegig.
Wie sich aus der Aussage des Zeugen P. ergibt, beabsichtigte dieser, sich selbstständig zu machen und wurde dabei von dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn M., der sein Jugendfreund ist, unterstützt. Von diesem hat er auch die Artikelnummern erhalten. Die Kammer hatte zwar den Eindruck, dass der Zeuge P. bemüht war, den Kläger zu entlasten, ist aber aufgrund des Inhalts der Aussage und des Eindrucks von dem Zeugen davon überzeugt, dass der Kläger, wenn er überhaupt an der Gründung der Firma H. beteiligt gewesen sein sollte, eine kleine Randfigur war. Es spricht für die Kammer alles dafür, dass maßgeblich der Zeuge P. und Herr M. beteiligt waren. Der Kläger hat, wie der Zeuge P. auch in dieser Instanz bekundet hat, bereits etwa einen Monat vor dem versenden der Faxschreiben erklärt, er sei nicht an einer Beteiligung an der neuzugründenden H. interessiert, sondern wolle bei der Beklagten weiterarbeiten. Nach dem Eindruck, den die Kammer in der persönlichen Anhörung des Klägers in der Berufungsverhandlung gewonnen hat, erscheint dies nachvollziehbar. Der Kläger wollte ersichtlich bis zum Beginn der Rente noch eine sichere Stelle haben, die er bei der Firma H. nicht sah.
Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass der Kläger tatsächlich die Absicht hatte, in Wettbewerb zur Beklagten zu treten oder einen Wettbewerber der Beklagten zu unterstützen. Das Versenden der beiden Faxschreiben stellt zwar dennoch eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar, die aber auch unbedacht geschehen sein mag. Ob dieses Verhalten insgesamt daher eine ordentliche Kündigung rechtfertigt, braucht angesichts der Tatsache, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht Anwendung findet, nicht geprüft zu werden. In jedem Fall kann das Verhalten des Klägers nicht als so schwerwiegend angesehen werden, dass es der Beklagten nicht zugemutet werden könnte, die Kündigungsfrist abzuwarten. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2007 gekündigt werden konnte.
Die Einhaltung der Kündigungsfrist ist auch zumutbar, wenn berücksichtigt wird, dass der Kläger an Lieferanten der Beklagten Faxschreiben versandt hat. Es ist nicht zu erwarten, dass der Kläger während der noch laufenden Kündigungsfrist weitere gleichartige Handlungen begehen würde, zumal ihm alsbald deutlich geworden ist, dass die angeschrieben Lieferanten die Beklagte unterrichten würden.
2. Die Kündigung ist aber, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, als fristgerechte wirksam.
Es ist nicht ersichtlich, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, § 23 KSchG. Der Kläger hat nicht ausreichend dargelegt, dass die Beklagte tatsächlich regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte selbst hat nicht mehr als 10 Arbeitnehmer. Die weitere von dem Kläger genannte Firma R. GmbH beschäftigt ebenfalls nicht mehr als 10 Arbeitnehmer. Dass es sich bei den beiden um einen gemeinsamen Betrieb handelt, ist vom Kläger nicht im Einzelnen dargelegt. Der Kläger behauptet zwar eine einheitliche Firmenleitung, schlüsselt diese Behauptung aber nicht auf. Selbst wenn beide Unternehmen identische Geschäftsführer haben sollten, bedeutet dies nicht, dass ein gemeinsamer Betrieb vorhanden ist. Dieser verlangt vielmehr eine Leitungsvereinbarung (BAG Urteil vom 11.12.2007 - 1 AZR 824/06 - DB 2008,1163 = NZA-RR 2008,298), zu der der Kläger nichts vorgetragen hat.
Die Kündigung vom 14.9.2007 ist daher als fristgerechte zulässig.
Soweit der Kläger meint, eine Umdeutung sei nicht zulässig, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat die Kündigung als hilfsweise fristgerechte ausgesprochen, was deutlich macht, dass sie sich in jedem Fall vom Kläger trennen wollte. Wieso die fristgerechte Kündigung dann eine betriebsbedingte sein sollte, erschließt sich nicht. Die Beklagte beruft sich auch in diesem Fall auf das Versenden der Faxschreiben, nicht auf betriebliche Gründe. Abgesehen davon ist eine Begründung der Kündigung angesichts der Tatsache, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht Anwendung findet, nicht erforderlich.
Dass die Beklagte ein Mindestmaß an billigen Erwägungen hier nicht vorgenommen habe, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Beide Berufungen sind daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Berufung ergibt sich aus § 92 ZPO entsprechend dem wechselseitigen Unterliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Ende der Entscheidung
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