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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 14.01.2003
Aktenzeichen: 2 Ta 224/02
Rechtsgebiete: BRAGO, GKG


Vorschriften:

BRAGO § 8 Abs. 1
BRAGO § 9 Abs. 1
BRAGO § 10 Abs. 1
GKG § 19 Abs. 1
Stellt ein Arbeitnehmer im Kündigungsrechtsstreit "für den Fall des Obsiegens" den Hilfsantrag, den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen, ist dieser unechte Hilfsantrag bei der Wertfestsetzung nicht zu berücksichtigen, wenn die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen wird. Das gilt auch für die Wertfestsetzung für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 224/02 früheres Aktenzeichen: 2 Ta 169/02

Verkündet am 14.01.2003

Im Beschwerdeverfahren

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 14.1.2003 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts Willikonsky als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen den Wertbeschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 1.10.2002 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind der Ansicht, dass der vom Kläger geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen sei.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1.8.1978 als Radladerfahrer zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 2.431,91 EUR beschäftigt. Er hatte sich zunächst gegen eine Kündigung der Beklagten vom 26.2.2002 gewandt. Später hat er, nach Zugang einer weiteren Kündigung vom 17.6.2002, die Klage insoweit erweitert. Nachdem die Beklagte in der streitigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht erklärt hat, er leite aus der Kündigung vom 26.2.2002 keine Rechte her, hat der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17.6.200w weder zum 31.10.2002 noch zum 31.1.2003 beendet wird, sondern unverändert fortbestehe,

2. im Fall des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Das Arbeitsgericht hat mit - nicht rechtskräftigem Urteil vom 28.8.2002 die Klage abgewiesen. Den Wert hat es im Urteil auf 8.665,28 EUR festgesetzt. Der Beklagtenvertreter hat am 30.8.2002 Festsetzung des Kostenstreitwerts beantragt, und hierbei ausgeführt, für den Eventualhilfsantrag auf Weiterbeschäftigung sei mindestens ein weiteres Bruttomonatsgehalt anzusetzen. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 1.10.2002 (Bl. 65 d.A.), zugestellt am 15.10.2002 (Bl. 66 d.A.), den Kostenstreitwert auf 8.665,28 EUR festgesetzt und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagtenvertreters, die er am 18.10.2002 beim Landesarbeitsgericht eingelegt hat. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 4.11.2002 der Beschwerde nicht abgeholfen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist zulässig, § 25 Abs. 2 Satz 3 GKG, aber nicht begründet. Der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts vom 1.10.2002 ist nicht zu beanstanden. Die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen.

Gem. § 9 Abs. 1 BRAGO ist die Festsetzung des Werts für die Gerichtsgebühren auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend, wenn der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt wird. Anderes gilt dann, wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeitn in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder es an einem solchen Wert fehlt, § 10 Abs. 1 BRAGO. Das bedeutet, dass der Wert für die Gerichtsgebühren von dem für die anwaltliche Tätigkeit abweichen kann. Das ist hier aber nicht der Fall.

Im vorliegenden Fall hatte das Gericht im Urteil den Wert, soweit der Streit entschieden worden war, bereits festgesetzt. Der Wertfestsetzungsantrag des Beklagtenvertreters war daher nicht zulässig.

Die Beschwerde ist aber auch unbegründet, weil der vom Kläger gestellte Hilfsantrag nicht Gegenstand der streitigen Verhandlung und der gerichtlichen Entscheidung war. Gem. § 19 Abs. 1 S. 2 GKG wird ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend. Es ist zwar sehr umstritten, ob die Vorschrift des § 19 Abs. 1 GKG auch für einen sog. unechten Hilfsantrag gilt mit der Folge, dass dieser unechte Hilfsantrag in jedem Fall bei der Wertfestsetzung gesondert zu berücksichtigen ist (für eine gesonderte Festsetzung: u.a. die vom Beklagtenvertreter zitierten Entscheidungen, s. Meier, Streitwerte im Arbeitsrecht, Rn. 248, Linck in GK zum Kündigungsrecht, Rn. 48, 49 zu § 12 ArbGG; LAG Sachsen Beschluss vom 4.4.1996 - 6 Ta 48/96 - NZA-RR 1997,150; Creutzfeldt, NZA 1996,956 ff.; gegen eine gesonderte Festsetzung: Hanau in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., Rn. 8 zu § 72 Gerichtliche Geltendmachung; Germelmann/Matthes/Prütting, 4. Aufl., Rn. 110 zu § 12 ArbGG; Becker/Glaremin, NZA 1988,207 ff; LG Hessen Beschluss vom 19.11.2001 - 15 Ta 85/01 - NZA-RR 2002,384; LAG Hessen Beschluss vom 23.4.1999 - 15/6 Ta 28/98 - NZA-RR 1999,434; LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 27.11.001 - 6 Ta 164/01; LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 26.2.2002 - 2 Ta 45/02 - ).

Gem. § 8 Abs. 1 BRAGO bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verahren, soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Hieraus folt, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 BRAGO hinsichtlich der Anwaltsgebühren auf die Wertvorschriften verweist, die für die Gerichtsgebühren gelten. Hierzu zählt auch § 19 Abs. 1 GKG. Die Regelung in § 19 GKG hat ihren Grund ersichtlich darin, dass für Anträge, mit denen das Gericht sich nicht befasst hat und entsprechend den Anträgen der Parteien auch nicht befassen sollte, Gebühren nicht erhoben werden sollen. Dies gilt nicht nur für die sog. unechten Hilfsanträge, d. h. solche Anträge, die für den Fall gestellt sind, dass der Hauptantrag erfolglos bleibt. Aufgrund der Neufassung des § 19 GKG durch Art. 1 Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 (vom 24.06.1994, BGBl. I, S. 1325) ist davon auszugehen, dass diese Regelung auch für die sog. unechten oder uneigentlichen Hilfsanträge gelten soll, d. h. Hilfsanträge, die nicht als zusätzlicher Antrag, sondern ausdrücklich nur für den Fall des Erfolgs des Hauptantrags gestellt sind (LAG Hessen, Beschluss v. 23.04.1999 - 15/6 Ta 28/98 - a.a.O.; Beschluss vom 26.06.1997 - 6 Ta 25/97 - LAGE Nr. 16 zu § 19 GKG; LAG Düsseldorf Beschluss vom 27.07.2000 - 7 Ta 249/00 - LAGE Nr. 17 zu § 19 GKG; a. A.: LAG Köln Beschluss vom 04.07.1995 - 10 Ta 80/95 - LAGE Nr. 15 zu § 19 GKG; LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 16.04.1992 - 10 Ta 76/92 - LAGE Nr. 13 zu § 19 GKG).

Nicht berücksichtigt werden kann die Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, dass eine gesonderte Berücksichtigung deshalb geboten sei, weil er dennoch gezwungen gewesen sei, sich mit dem Antrag auseinander zu setzen. Das alleine kann eine gesonderte Bewertung nicht begründen, wie z.B. die Fälle einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zeigen, für die § 12 Abs. 7 S.1, 2. HS ArbGG ausdrücklich eine Erhöhung ausschließt.

Entscheidend ist vielmehr, dass der Kläger vorliegend seinen prozessualen Willen dahingehend ausgedrückt hat, dass er eine Entscheidung über die Weiterbeschäftigung nur unter einer klaren und zulässigen Bedingung will, nämlich den Fall der Stattgabe des Feststellungsantrags. Diese in dem Klagantrag zu 2. ausdrücklich erklärte Bedingung kann nicht ignoriert werden.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Ende der Entscheidung

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