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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 24.11.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 268/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 148
Hat ein Arbeitnehmer erstinstanzlich in einem Kündigungsrechtstreit nicht rechtskräftig obsiegt und erhebt er anschließend Klage auf Zahlung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, so ist im Falle einer Aussetzungsentscheidung auch zu berücksichtigen, ob Berufung des Arbeitgebers in der Bestandsstreitigkeit Erfolgsaussicht eingeräumt wird.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 268/06

Im Beschwerdeverfahren

betr. Aussetzung

in den Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Schleswig-Holstein am 24.11.2006 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 20.09.2006 - 4 Ca 1745/06 aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten vorliegend um die Frage, ob der Rechtstreit wegen Vorgreiflichkeit des Verfahrens 3 Ca 3262/05, ArbG Lübeck bzw. 5 Sa 299/06, LAG Schleswig-Holstein, auszusetzen ist.

Der Kläger war bei dem Beklagten in dessen Klinik H. in T. mit Wirkung vom 01.06.2004 als Chefarzt eingestellt worden. Das Gehalt betrug zuletzt 8.000,00 EUR brutto monatlich. Mit Schreiben vom 31.10.2005 hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31.01.2006 gekündigt. In dem deswegen geführten Rechtstreit hat das Arbeitsgericht Lübeck (3 Ca 3262/05 bzw. LAG Schleswig-Holstein 5 Sa 299/06) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 31.10.2005 nicht aufgelöst worden ist. hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Termin zur Berufungsverhandlung ist anberaumt auf den 09.01.2007.

Mit der vorliegend am 10.07.2006 erhobenen Klage macht der Kläger Ansprüche auf Vergütung für die Monate Februar bis April 2006 in Höhe von insgesamt 24.000,00 EUR brutto geltend. Hierauf lässt sich gezahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 4.715,10 EUR anrechnen. Das Arbeitsgericht hatte mit Beschluss vom 15.08.2006 den Rechtstreit ausgesetzt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg (2 Ta 177/06). Der Beklagte hat anschließend erneut beantragt, den Rechtstreit auszusetzen. Der Kläger ist diesem Antrag entgegengetreten, wobei er deutlich gemacht hat, dass es ihm auch um die Absicherung seiner Forderung gehe. Wenn der Beklagte 20.000,00 EUR hinterlege, sei er mit einer Aussetzung einverstanden.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20.09.2006 den Rechtstreit ausgesetzt und ausgeführt, dass Vortrag des Klägers, er benötige das Geld für die Lebensführung aufgrund seiner andauernden Arbeitslosigkeit, weiter gehe es ihm um die Sicherung seines Anspruchs, da der Beklagte im Sommer höhere Erträge zu verzeichnen habe, rechtfertige nicht den Verfahrensfortgang ohne Entscheidung in der vorgreiflichen Sache. Der Kläger befürchte nicht Insolvenz des Beklagten, sondern sehe lediglich eine leichtere Vollstreckungsmöglichkeit in einem bestimmten Zeitkorridor. Auch erhalte er Arbeitslosengeld. Gegen diesen am 28.09.2006 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 12.10.2006 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers ist der angefochtene Beschluss aufzuheben, da die Aussetzung des vorliegenden Rechtstreits bis zur Erledigung der Bestandsstreitigkeit nicht zulässig ist. Sie widerläuft dem Beschleunigungsgrundsatz des § 9 ArbGG.

Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder dem Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtstreits auszusetzen ist. Wie bereits in dem Beschluss vom 15.08.2006 (2 Ta 177/06) ausgeführt, ist dem Gericht ein Ermessen eingeräumt, das nicht frei sondern rechtlich gebunden ist. Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalles. Zu den Umständen des Einzelfalles gehören unter anderem

- der Stand der beiden Verfahren, vor allem auch der des vorgreiflichen Rechtstreits und dessen voraussichtliche Dauer und damit die voraussichtliche Dauer der Aussetzung,

- die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klagepartei in jedem Rechtstreit, auch ob bereits ein Urteil zu ihren Gunsten ergangen ist und wie die Aussichten eines Rechtsmittels zu beurteilen sind,

- die wirtschaftliche Situation beider Parteien,

- die Notwendigkeit für die Klagpartei, ihre Ansprüche mit Hilfe eines gerichtlichen Titels durchsetzen zu müssen,

- das Verhalten der Klagepartei.

Das Arbeitsgericht hat diese Gesichtspunkte nicht sämtlich in seiner Entscheidung berücksichtigt. Es hat zwar ausgeführt, dass die wirtschaftliche Situation des Klägers eine alsbaldige Entscheidung in dem Folgerechtstreit nicht erzwinge. Dieser Auffassung des Arbeitsgerichts kann jedoch nicht beigetreten werden. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger zuvor eine Vergütung von 8.000,00 EUR brutto monatlich zur Verfügung hatte, während er jetzt Arbeitslosengeld in Höhe von 1.571,70 EUR monatlich bezieht. Bei diesem krassen Unterschied zwischen dem sich aus 8.000,00 EUR ergebenden Nettoeinkommen und dem momentan zur Verfügung stehenden Betrag kann nicht von einer wirtschaftlichen Absicherung die Rede sein.

Darüber hinaus ist nicht eine Bewertung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Bestandsstreitigkeit erfolgt. Das Arbeitsgericht hat sich weder in dem Aussetzungs- noch in dem Nichtabhilfebeschluss mit dieser Frage befasst. Zu bedenken ist, dass, wenn der Kläger sogleich in seiner Kündigungsschutzklage den Annahmeverzugslohn klagweise geltend gemacht hätte, das Arbeitsgericht voraussichtlich diesem Klagantrag zusammen mit dem Feststellungsantrag stattgegeben hätte. Es wäre also bei seiner Entscheidung hierüber davon ausgegangen, dass ein etwaiges Rechtsmittel nicht Erfolg hätte. Diese Frage ist auch im Rahmen einer Aussetzungsentscheidung zu prüfen. In dem Aussetzungsbeschluss ist nicht einmal deutlich geworden, ob das Arbeitsgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass die Berufung des Beklagten in der Bestandsstreitigkeit Erfolg haben wird.

Da das Arbeitsgericht diese Prüfung nicht vorgenommen hat, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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