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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: 2 Ta 31/05
Rechtsgebiete: SGB IV, BGB, ArbSchG, BMT-G, TVG


Vorschriften:

SGB IV § 104
SGB VII § 8 Abs. 1
BGB § 615
BGB § 618
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 847 a.F.
BGB § 253
ArbSchG § 12
BMT-G § 63
TVG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 31/05

Verkündet am 02.06.2005

Im Beschwerdeverfahren

betr. Prozesskostenhilfe

in dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 2.6.2005 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des ArbG Elmshorn vom 28.12.2004 - 2 Ca 1208 e/04 - teilweise abgeändert:

Das Prozesskostenhilfeverfahren wird dem Arbeitsgericht Elmshorn zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin mit der Maßgabe zurückgegeben, dass hinreichende Erfolgsaussicht für die Anträge zu 3 und 4 in folgender Form besteht:

3. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin den Schaden ersetzen muss, der in der Zeit ab einschließlich 1.12.2003 daraus entstanden ist, dass die Klägerin beginnend 1997 bei der Beklagten mit Nitro-Universal-Verdünner der ...-Einkaufsgemeinschaft mindestens eine Stunde am Tag gearbeitet hat.

4. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin 66 % des Schadens ersetzen muss, der in der Zeit ab einschließlich 1.12.2003 daraus an ihrem Körper entstanden ist, dass sie beginnend 1997 Duschen und Sanitäranlagen mit ...-Sanitärreiniger etwa 1 Stunde täglich reinigte und dabei entgegen der Anweisung des Herstellers mit heißem statt mit kaltem Wasser arbeitete.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin erstrebt mit ihrer Beschwerde Bewilligung der Prozesskostenhilfe.

Die Klägerin ist am ...1945 geboren. Bei dem Beklagten wurde sie mit Wirkung vom 1.4.1997 als Reinigungskraft eingestellt. Die Klägerin wurde in der Schule S. eingesetzt. Zu den Aufgaben der Klägerin gehörte auch die Reinigung der Sporthalle. Hier wurde unter anderem ...-Reiniger eingesetzt. Strittig ist, ob für die Reinigungsarbeiten Handschuhe zur Verfügung standen, wie oft der Reiniger eingesetzt wurde und ob der Reiniger sachgerecht verwendet wurde.

Seit Ende 2001 war die Klägerin fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Sie sah hierfür einen Zusammenhang zwischen ihrer Erkrankung und den bei ihrer Tätigkeit eingesetzten Reinigungsmitteln. Die Klägerin wurde am 12.7.2002 von dem Allgemeinarzt und Umweltmediziner Dr. J. untersucht. Dessen Stellungnahme vom 18.7.2002 (Bl. 12 d.A.) lautete:

1. Verdacht auf toxisch induzierte obstruktive Lungenerkrankung

2. Verdacht auf neuro-toxisches Lösemittelsyndrom

Weiter hat der Arzt festgestellt:

"Seit vier Jahren wird mit Nitro-Universal-Verdünner der ...-Einkaufsgemeinschaft mindestens eine Stunde am Tag gearbeitet. Es werden in der Sporthalle damit die Streifen der Turnschuhe beseitigt. Handschuhe werden nur selten getragen.

Es werden die Duschen und Sanitäranlagen mit ... Sanitärreiniger gereinigt, in den Monaten vor der Arbeitsunfähigkeit für 2-3 Monaten verstärkt, d.h. etwa 1 Stunde am Tag. Es erfolgte entgegen der Anweisung des Herstellers eine unsachgemäße Anwendung mit heißem statt mit kaltem Wasser.

In den Sommer Ferien erfolgte die Grundreinigung mit einer unbekannten Substanz."

Er hat ferner ausgeführt, bei Weglassen aller Noxen sei die Krankheitsprognose langfristig gut.

Die Klägerin hat am 15.1.2003 Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Dieser Antrag ist abgelehnt worden. Der Widerspruch der Klägerin ist mit Bescheid vom 8.7.2003 (Blatt 17 d.A.) zurückgewiesen worden. Die Klägerin wurde unter Berücksichtigung der Diagnosen und der erhobenen Befunde für fähig gehalten, noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen 6 Stunden täglich und mehr, ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere nervliche Belastung, ohne besondere Gefährdung durch Atemwegsreizstoffe, und häufiges Bücken, ohne übermäßige Hebebelastung, ohne häufige Überkopfarbeiten und ohne Zwangshaltungen auszuführen. Nach Ende des Krankengeldbezuges meldete sich die Klägerin beim Arbeitsamt arbeitssuchend. Das beklagte Amt verzichtete auf sein Direktionsrechts als Arbeitgeber. Seit dem 20.1.2004 erhält die Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 165,86 EUR.

Mit ihrer Klage erstrebt die Klägerin eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses und Leistung von Schadenersatz. Sie beabsichtigt, erstinstanzlich folgende Anträge zu stellen:

1. festzustellen, dass die Klägerin bei dem beklagten Amt zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses weiter beschäftigt ist,

2. das beklagte Amt zu verurteilen, an die Klägerin fortlaufend ein Gehalt nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages (BMT-G II) vom 31.1.1992 und den Sondervereinbarungen oder den bezirklichen Regelungen für Wärter und Straßenhilfsarbeiter mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweiligen Fassung zu zahlen

3. festzustellen, dass das beklagte Amt der Klägerin sämtlichen Schaden ersetzen muss, der daraus entstanden ist, dass die Klägerin beginnend 1997 bei dem beklagten Amt mit Nitro-Universal-Verdünner der ...-Einkaufsgemeinschaft mindestens eine Stunde am Tag gearbeitet hat,

4. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin sämtlichen Schaden ersetzen muss, der daraus an ihrem Körper entstanden ist, dass sie beginnend 1997 Duschen und Sanitäranlagen mit ...-Sanitärreiniger reinigte, und zwar etwa eine Stunde am Tag. Entgegen der Anweisung des Herstellers erfolgte eine unsachgemäße Anwendung mit heißem statt mit kaltem Wasser;

5. das beklagte Amt kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin zum Ausgleich des immateriellen Schadens eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Summe zu zahlen, die mindestens 10.000 EUR beträgt.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28.12.2004 Prozesskostenhilfe versagt. Die Entscheidung hat es darauf gestützt, eine hinreichende Erfolgsaussicht sei nicht gegeben. Im Einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen. Gegen diesen am 3.1.2005 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 31.1.2005 Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Mit der Beschwerde kündigt die Klägerin folgenden Hilfsantrag zu 1) an: das beklagte Amt zu verurteilen, an die Klägerin 31.570,78 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auf den sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind.

Hierbei soll es sich um die Vergütung für die Zeit ab 1.1.2002 bis zum 31.1.2005 handeln.

Weiter trägt die Klägerin vor, ihr sei durch die Vorarbeiterin Frau O. die Weisung erteilt worden, das Reinigungsmittel ... mit heißem Wasser zu verdünnen. Auch der Mitarbeiterin G. L. sei diese Weisung erteilt worden. Keiner habe die Hinweise auf der Flasche gelesen. Es treffe auch nicht zu, dass regelmäßig für die Reinigung Handschuhe zur Verfügung gestanden hätten. Die Vorarbeiterin habe sich sogar über Mitarbeiter lustig gemacht, die ihre eigenen Handschuhe zur Arbeit mitbrachten.

Das beklagte Amt tritt dieser Darstellung entgegen. Es hält die Klage für teils unzulässig, teils unbegründet. Das Arbeitsverhältnis bestehe weiter. Das Amt trägt vor, ein Gesundheitsschaden der Klägerin lasse sich nicht auf die Verwendung des Nitro-Verdünners zurückführen. Die Klägerin sei zunächst in der Grundschule S. beschäftigt worden. Frau O., die nicht Vorarbeiterin gewesen sei, habe die Klägerin dort eingewiesen. Es sei dort aber nicht mit ... gearbeitet worden. Die Klägerin sei später auf eigenen Wunsch in die Turnhalle gewechselt, weil ihr die Arbeit in der Schule zu schwer gewesen sei. Dort sei Frau O. nie tätig gewesen. Frau R., mit der die Klägerin dort gearbeitet habe, habe keine Anweisungen zur Verwendung von ... gegeben. Sie habe auch das Mittel selbst nicht mit heißem Wasser verdünnt. Schutzhandschuhe hätten zur Verfügung gestanden und seien ggf. vom Hausmeister beschafft worden. Die Klägerin selbst habe sich dagegen gewendet, dass der Nitroverdünner nicht mehr eingesetzt werde. Denn das habe für sie mehr Arbeit bedeutet. Die Stellungnahme des Dr. J. enthalte im Wesentlichen Vermutungen zu den Ursachen der Beschwerden. Der ... Reiniger sei höchsten 30 Minuten täglich eingesetzt worden. Zudem habe Dr. J. nicht berücksichtigt, dass die Klägerin starke Raucherin sei. Schließlich sei die Ausschlussfrist zu beachten. Die Klägerin habe diese nicht eingehalten.

Die Klägerin erwidert, sie sei zunächst ca. 3 Monate in der Grundschule gemeinsam mit Frau O. tätig gewesen. Dort seien weder ... noch Nitrolösung verwendet worden. Anschließend sei sie in der Sporthalle gemeinsam mit Frau L. eingesetzt worden. Etwa im Jahr 2001 habe sie in den Duschräumen der Schwimmhalle in S.gearbeitet. Auch hier seien die Nitrolösung sowie ... unsachgemäß verwendet worden. Bei ihrer Einstellung im Jahr 1997 sei sie vom Hausmeister an Frau O. verwiesen worden. Diese habe sie in die Arbeit eingewiesen. Für die Tätigkeit in der Turnhalle sei sie von der Mitarbeiterin L. in die Verwendung von ... und der Nitrolösung eingewiesen worden. Frau L. habe ausdrücklich erklärt, ihr sei durch Frau O. erklärt worden, sie solle ... mit heißem Wasser verwenden. Das solle sie auch der Klägerin mitteilen. Handschuhe seien nicht zur Verfügung gestellt worden. Als sie, die Klägerin, eigene Handschuhe mitgebracht habe, habe Frau O. ihr gesagt, sie solle diese künftig nicht verwenden.

Sie sei zwar Raucherin, rauche aber nicht über die Lunge. Daher sei es ausgeschlossen, dass ihr Gesundheitszustand hierdurch (mit-)beeinflusst worden sei.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen, verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat nur teilweise Erfolg. Eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage ist nur in geringem Umfang vorhanden.

1.1 Soweit die Klägerin beantragt, festzustellen, dass sie weiterhin bei dem beklagten Amt beschäftigt sei, ist ein Rechtsschutzinteresse hierfür nicht gegeben. Das beklagte Amt hat ausdrücklich mit Schriftsatz vom 15.4.2005 erklärt, dass das Arbeitsverhältnis weiter bestehe.

1.2 Soweit die Klägerin hilfsweise Zahlung von 31.570,78 EUR brutto verlangt, ist ein Anspruch nicht dargelegt. Die Klägerin war seit Ende des Jahres 2001 arbeitsunfähig erkrankt. Dass sie gesundheitlich wieder in der Lage ist, ihrer Tätigkeit nachzugehen, ist nicht ersichtlich.

2. Auch dem Antrag, das beklagte Amt zu verurteilen, an die Klägerin fortlaufend nach den tariflichen Bestimmungen ein Gehalt zu zahlen, fehlt die Erfolgsaussicht. Aus dem Arbeitsvertrag ist das beklagte Amt zwar grundsätzlich verpflichtet, an die Klägerin Gehalt zu zahlen. Das gilt allerdings i. d. R. nur dann, wenn die Klägerin auch ihrer Tätigkeit nachgeht. Weder ist ersichtlich, dass sich das beklagte Amt in Annahmeverzug, § 615 BGB, befindet, noch sind andere Anspruchsgrundlagen gegeben.

3. Für den Antrag, festzustellen, dass das beklagte Amt der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der daraus entstanden ist, dass die Klägerin mit Nitro-Universal-Verdünner gearbeitet hat, ist hinreichende Erfolgsaussicht gegeben.

Zwar ist grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch § 104 SGB VII anzuwenden. Diese Vorschrift kann hier der Klägerin indes nicht entgegen gehalten werden, da nicht Ansprüche aus einem Unfall, sondern aus einer fortdauernden Einwirkung geltend gemacht werden. Ein Unfall i.S. des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII erfordert zwar keine Plötzlichkeit, jedoch einen Vorgang von maximaler Dauer einer Arbeitsschicht (BSGE 15,112,113).

Auch ist das Leiden der Klägerin nicht als Berufskrankheit anerkannt. Als Berufskrankheiten sind solche Krankheiten anzusehen, die durch Rechtsverordnung als Berufskrankheiten bezeichnet sind und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erlitten hat (ErfK/Rolfs, Rn. 14 zu § 104 SGB VII). Dabei handelt es sich um Krankheiten, die typischer Weise durch dauernde Berufsausübung infolge der Besonderheiten der Tätigkeiten bei diesen Arbeitnehmern in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerungen zu Gesundheitsstörungen führen können. Dass das Leiden der Klägerin hierzu zählt, ist nicht ersichtlich.

Ein möglicher Anspruch kann sich aus § 618 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und § 12 ArbSchG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und aus weiteren Vorschriften zum Arbeitsschutz, z.B. der GefahrstoffVO ergeben. Nach § 618 BGB hat der Arbeitgeber die Pflicht, die Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und die Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Nach § 12 ArbSchG hat der Arbeitgeber die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. Die Unterweisung umfasst Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind. Die Unterweisung muss bei der Einstellung, bei Veränderungen im Aufgabenbereich, der Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen Technologie vor Aufnahme der Tätigkeit der Beschäftigten erfolgen. Die Unterweisung muss an die Gefährdungsentwicklung angepasst sein und erforderlichenfalls regelmäßig wiederholt werden.

Nach dem Vortrag der Klägerin ist diesen Vorschriften nicht ausreichend Genüge getan. Auch das Vorbringen des beklagten Amtes lässt nicht deutlich erkennen, wann und von wem die Klägerin vor Aufnahme ihrer Tätigkeit über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen unterwiesen worden ist. Es kommt also in Betracht, dass hier eine Pflichtverletzung vorliegt, die (mit-)ursächlich für den Gesundheitszustand der Klägerin ist.

Im Hauptsacheverfahren wird zu klären sein, wie der Gesundheitszustand der Klägerin sich darstellt, wie er sich entwickelt hat und welche Prognose besteht. Dass nach der Aussage des Dr. J. bei Weglassen aller Noxen die Prognose langfristig gut sein wird, wird dabei ebenfalls zu berücksichtigen sein. Es kann aber dem Anspruch nicht grundsätzlich entgegengehalten werden.

Dass der verwendete Reiniger ... und der ...-Nitro-Universalverdünner bei unsachgemäßer Anwendung zu Gesundheitsschäden führen können, ergibt sich aus den jeweiligen Sicherheitsdatenblättern. Ob überhaupt eine unsachgemäße Anwendung beider Mittel erfolgt ist, ob Gesundheitsschäden aufgetreten sind und ob eine Kausalität in der Verwendung von ... und/oder Nitroverdünner liegt, muss ebenfalls das Hauptsacheverfahren klären.

Es ist zwar nicht auszuschließen, dass auch die Tatsache, dass die Klägerin Raucherin ist, die Gesundheitsschäden mit verursacht hat und dass hier die Klägerin ein Mitverschulden trifft. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, kann jedoch nicht im Prozesskostenhilfeverfahren abschließend geklärt werden. Die Prüfung der Ursächlichkeit muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Ein Durchentscheiden im Prozesskostenhilfeverfahren widerspräche dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit (BVerfG Beschluss vom 7.4.2000 - 1 BvR 81/00 - EzA § 114 ZPO Nr. 6 = NZA 2000,900).

Bei dem geltend gemachten Anspruch ist zwar die Ausschlussfrist des § 63 BMT-G zu beachten. Nach § 63 BMT-G verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit vom Arbeiter oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen. Aus dem Wortlaut "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" ergibt sich, dass die Ausschlussfrist auch deliktische Ansprüche erfasst. Spätestens nach dem Schreiben des Dr. J. vom 12.7.2002 wusste die Klägerin von den Voraussetzungen des Anspruchs. Dass die Klägerin vor Erhebung ihrer Klage am 16.6.2004 ihren Anspruch geltend gemacht hat, ist von ihr trotz Hinweises des beklagten Amtes auf die Ausschlussfristen nicht vorgetragen worden. Da eine etwaige Schadensentwicklung aber noch nicht abgeschlossen ist, sind nur die vor dem Dezember 2003 liegenden in Betracht kommenden Ansprüche verfallen.

4. Der Antrag festzustellen, dass das beklagte Amt wegen der Verwendung von ...-Sanitärreiniger mit heißem Wasser Schadenersatz zu leisten hat, hat nur teilweise Erfolg.

Hinsichtlich der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage wird auf die vorstehenden Ausführungen zu 3. verwiesen.

Jedoch wird der Klägerin in jedem Fall ein Mitverschulden anzulasten sein. Denn die Klägerin hat selbst das Etikett des ...-Reinigers abgelöst. Sie hatte die Flasche zur Verfügung und konnte die Aufschriften und Warnungen zur Kenntnis nehmen. Sie hätte daher ohne weiteres feststellen können, dass dort die ausdrückliche Anweisung stand, das Präparat nicht mit heißem Wasser zu verwenden. Dass sie dennoch heißes Wasser benutzte, führt zu einem Mitverschulden, das jedenfalls mit 1/3 zu bewerten ist. Dies schließt nicht aus, dass ggf. im Hauptsacheverfahren auch ein höherer Grad des Mitverschuldens, vorausgesetzt, das beklagte Amt trifft überhaupt eine Verantwortlichkeit, festgestellt wird.

Auch hier ist die Ausschlussfrist des § 63 BMT-G zu beachten. Im Einzelnen wird auf die Ausführungen zu 4. verwiesen. Da eine etwaige Schadensentwicklung aber noch nicht abgeschlossen ist, sind die vor dem Dezember 2003 liegenden in Betracht kommenden Ansprüche verfallen.

5. Eine hinreichende Erfolgsaussicht für den Antrag, das beklagte Amt zu verurteilen, an die Klägerin zum Ausgleich des immateriellen Schadens eine Summe von mindestens 10.000 EUR zu zahlen, ist ebenfalls zu verneinen.

Als Anspruchsgrundlage kommt nur § 847 BGB in Betracht. Der geltend gemachte Anspruch kann nicht auf § 253 BGB gestützt werden. Mögliche Schmerzensgeldansprüche sind nach der Gesetzeslage zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses, also spätestens mit dem Tag, nach dem die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben wurde, d. h. Ende 2001, zu beurteilen, Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB. Die durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 aufgehobene Norm des § 847 BGB und die Verlagerung und inhaltliche Ausdehnung in den Teil des Allgemeinen Schuldrechts (§ 253 Abs. 2 BGB) kommt deshalb hier nicht in Betracht.

Ein etwaiger Anspruch ist nach § 63 BMT-G verfallen. Nach § 63 BMT-G verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit vom Arbeiter oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen. Die Vorschrift entspricht § 70 BAT. Aus dem Wortlaut "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" ergibt sich, dass die Ausschlussfrist auch deliktische Ansprüche erfasst. Spätestens nach dem Schreiben des Dr. J. vom 12.7.2002 wusste die Klägerin von den Voraussetzungen des Anspruchs. Dass die Klägerin vor Erhebung ihrer Klage am 16.6.2004 ihren Anspruch geltend gemacht hat, ist von ihr trotz Hinweises des beklagten Amtes auf die Ausschlussfristen nicht vorgetragen worden. Etwaige Schmerzensgeldansprüche sind daher verfallen.

Eine Kostenentscheidung ist angesichts der Regelung in § 127 Abs. 4 ZPO entbehrlich.

Ende der Entscheidung

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