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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 19.04.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 36/06
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 33
RVG § 23 Abs. 3

Entscheidung wurde am 26.07.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert und ein Orientierungssat wurde hinzugefügt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 36/06

Im Beschwerdeverfahren

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 19.4.2006 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende:

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 29.9.2005 - 5 BV Ga 13 d/05 - in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 20.2.2006 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung durch das Arbeitsgericht in einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit.

Die Antragstellerin (Bet. Zu 1) betreibt ein Pflegeheim, in dem ein Betriebsrat gebildet ist. Der Beteiligte zu 2. war der geschäftsführende Betriebsrat, der Bet. zu 4 sein Vorsitzender. Der Bet. zu 3. war der Wahlvorstand und die Bet. zu 5. die geschäftsführende stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats und die stellvertretende Vorsitzende des Wahlvorstandes.

Die Antragstellerin hatte am 15.4.2005 mit Fax den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren gegen die Bet. zu 2 bis 5 beantragt. Diese sollten verpflichtet werden, Sitzungen des Betriebsrats und/oder des Wahlvorstandes und entspr. Tätigkeiten mindestens 72 Stunden vorher anzukündigen, es sei denn die besondere Dringlichkeit fordere eine kürzere Frist.

Der Antrag lautet wie folgt:

Die Beteiligten zu 2.) bis 5.) werden verpflichtet, Sitzungen des Betriebsrates und/oder des Wahlvorstandes und/oder sonstige Betriebsratstätigkeiten und/oder sonstige Wahlvorstandstätigkeiten der Antragstellerin zu Händen der Heimleiterin M. mindestens 72 Stunden vorher anzukündigen. Dies gilt nur dann nicht, wenn wegen der besonderen Dringlichkeit einer Sitzung oder Tätigkeit deren Einberufung und/oder Planung kurzfristiger erforderlich ist. In diesem Falle werden die Beteiligten zu 2.) bis 5.) verpflichtet, solche Sitzungen und/oder Tätigkeiten unverzüglich der Antragstellerin zu Händen der Heimleiterin M. vorher anzukündigen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird den Antragsgegnern Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht, gegenüber den Beteiligten zu 2.) und 3.) mit der Maßgabe, dass diese an dem Vorsitzenden B. zu vollstrecken ist.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.4.2005 ohne mündliche Verhandlung die begehrte einstweilige Verfügung erlassen und in dieser Entscheidung den Wert auf 4.000 EUR festgesetzt. Am 21.4.2005 hat die Antragstellerin einen Bestrafungsantrag, weitere am 22.4.2005 und 27.4.2005 gegen die Bet. zu 2 bis 5 gestellt. Die Bet. zu 2 bis 5 haben am 29.4.2005 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 3.5.2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 15.4.2005 zurückgewiesen und den Beschluss vom 18.4.2005 aufgehoben.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Bet. zu 2 bis 5 hat am 10.5.2005 beantragt, den Wert festzusetzen. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 29.9.2005 den Wert "für das Verfahren insgesamt" auf 19.000 EUR festgesetzt. Dieser Beschluss ist mit Schreiben vom 12.10.2005 zugestellt worden. Die Antragstellerin hat am 27.10.2005 Beschwerde "gegen den Wertfestsetzungsbeschluss vom 12.10.2005" eingelegt und beantragt, einen Wert von 4.000 EUR anzusetzen. Das Arbeitsgericht hat im Nichtabhilfebeschluss vom 20.2.2006 den Wert auf 12.000 EUR festgesetzt und im Übrigen nicht abgeholfen.

Mit dem am 18.4.2006 eingegangenen Schriftsatz hat der Betriebsrat mitgeteilt, er entziehe dem Rechtsanwalt S. alle laufenden und abgeschlossenen Rechtsangelegenheiten des Betriebsrats.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin hat, soweit das Arbeitsgericht ihr teilweise stattgegeben hat, nicht Erfolg.

1.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist, obwohl sie in der Beschwerde den Beschluss mit einem unzutreffenden Datum benannt hat, zulässig. Der Beschluss stammt vom 29.9.2005 und ist mit Schreiben vom 12.10.2005 der Antragstellerin zugestellt worden. Die Angabe in der Beschwerde, es werde gegen den "Wertfestsetzungsbeschluss vom 12.10.2005" Beschwerde eingelegt, bezeichnet daher den angefochtenen Beschluss ausreichend.

2.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

2.1 Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war das Arbeitsgericht berechtigt, trotz der im Beschluss vom 18.4.2005 erfolgten Wertfestsetzung eine weitere Wertfestsetzung vorzunehmen.

Das Arbeitsgericht hatte in dem Beschluss vom 18.4.2005, in dem die einstweilige Verfügung erlassen worden war, gleichzeitig den Wert festgesetzt. Eine Wertfestsetzung in der Endentscheidung, wie dies in § 61 Abs. 1 ArbGG für das Klageverfahren geregelt ist, ist für das Beschlussverfahren nicht vorgesehen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin und Beschwerdeführerin ist diese Wertfestsetzung nicht maßgeblich. Weder aus der einstweiligen Verfügung noch aus der weiteren Akte ergibt sich, nach welchen rechtlichen Gesichtspunkten das Arbeitsgericht im Beschluss vom 18.4.2005 den Wert festgesetzt hat. Eine Wertfestsetzung für das gerichtliche Verfahren scheidet aus, da die Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht kostenfrei sind, § 2 Abs. 2 GKG. Damit ist dieser Wert auch nicht für die Vergütung des Beschwerdegegners gem. § 32 RVG maßgeblich.

Dass es sich um eine Wertfestsetzung zur Ermittlung der Gebühren der Verfahrensbevollmächtigten gem. § 33 RVG handeln sollte, ist nicht ersichtlich, zumal der Verfahrensbevollmächtigte der Bet. zu 2 bis 5 sich zu dieser Zeit noch nicht zur Akte gemeldet hatte. Ihn konnte die Wertfestsetzung in keinem Fall betreffen. Vielmehr ging die Wertfestsetzung in dem - später aufgehobenen - Beschluss vom 18.4.2005 ins Leere.

2.2 Die Wertfestsetzung auf 12.000 EUR, wie im Nichtabhilfebeschluss geschehen, ist nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, dass das Arbeitsgericht bei der Bemessung das ihm zustehende Ermessen nicht ausreichend gewahrt hat.

Vorliegend handelt es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit, bei der der Wert gem. § 23 Abs. 3 RVG für nicht vermögensrechtliche Gegenstände zu bestimmen ist. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 EUR, anzunehmen. Da der Gesetzgeber es bislang unterlassen hat, für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren spezielle Wertvorschriften zu normieren, ist der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit in einem Beschlussverfahren auf den Hilfs- bzw. Auffangwert von 4000 Euro nach § 23 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 RVG festzusetzen, es sei denn, dieser Betrag erweist sich im Lichte der konkreten wertbestimmenden Faktoren als unangemessen. Wertbestimmende Faktoren sind auch betriebsverfassungsrechtliche Rechtspositionen, um deren Klärung es im Beschlussverfahren geht (LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 21.12.2004 - 5 Ta 236/04 - NZA-RR 2005,385).

Gründe, die zu einer Ermäßigung oder Erhöhung führen, sind nicht der Arbeitsaufwand des Gerichts (LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 29.7.2005 - 1 Ta 53/05) oder des Prozessbevollmächtigten. Maßgeblich sind vielmehr die Bedeutung der jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Positionen (LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 13.12.2005 - 1 Ta 263/05 -; LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 6.4.2006 - 2 Ta 66/06 -).

Maßgeblich für die Bestimmung des Wertes sind hier nur die Anträge, die im Verfahren auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt worden sind, nicht die Bestrafungsanträge. Gegenstand des Verfahrens war - nur - die Durchführungen von Sitzungen des Betriebsrates, des Wahlvorstandes oder andere Betriebsrats- bzw. Wahlvorstandstätigkeiten.

Unter Berücksichtigung der Anträge der Antragstellerin ist von 2 verschiedenen Streitgegenständen auszugehen, nämlich gegen den Betriebsrat und gegen den Wahlvorstand sowie, dazugehörend, die vertretungsberechtigten Personen. Hierbei handelt es sich, auch wenn verschiedene Adressaten in Anspruch genommen sind, nur um 2 betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungstatbestände, nämlich das Recht des Betriebsrats und das des Wahlvorstandes, Sitzungen und Betriebrats- bzw. Wahlvorstandstätigkeiten durchzuführen. Die Bet. zu 4 und 5 nehmen dabei nicht eigene betriebsverfassungsrechtliche Positionen wahr, sondern handeln im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in dem jeweiligen Mitbestimmungsgremium.

Dieses Recht des Betriebsrats und des Wahlvorstandes wird durch die einstweilige Verfügung tiefgreifend berührt. Das Verlangen, Sitzungen und andere betriebsrats- bzw. wahlvorstandsbezogene Tätigkeiten nur nach vorheriger Ankündigung auszuführen, schränkt die Tätigkeit des jeweiligen Mitbestimmungsorgans so erheblich ein, dass eine Erhöhung des Ausgangswertes um 50 % geboten ist. Somit ergibt sich ein Wert von insgesamt 12.000 EUR.

Ein Abschlag im Hinblick darauf, dass es sich um ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren handelt, kommt nicht Betracht. Denn die begehrte einstweilige Verfügung wirkt sich im Fall des Erlasses sofort auf die Tätigkeit des Gremiums aus. Ihre Wirkung ist nicht anders als eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin als Beschwerdeführerin gem. § 97 ZPO. Anders als die Wertfestsetzung, § 33 Abs. 9 RVG, ist die Beschwerde nicht kostenfrei (LAG Hamburg Urt. v. 30.6.2005 - 8 Ta 5/05 - LAG-Report 2005,352).

Eine weitere Beschwerde ist nicht gegeben, § 33 Abs. 6 RVG.

Ende der Entscheidung

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