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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 23.03.2004
Aktenzeichen: 2 Ta 51/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 124 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 51/04

Im Beschwerdeverfahren

betr. PKH

in dem Rechtsstreit

hat die II. Kammer des Landesarbeitsgerichts am 23.03.2004 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 21.01.2004 - 5 Ca 2135/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe.

Der Kläger ist am ....1964 geboren. Bei der Beklagten wurde er mit Wirkung vom 05.05.1994 eingestellt. Er ist in zweiter Ehe verheiratet und zahlt für zwei Kinder aus erster Ehe Unterhalt. Aus zweiter Ehe hat er ein weiteres Kind, für das er unterhaltspflichtig ist. Seine Ehefrau ist nicht berufstätig. Der Kläger ist wegen einer psychischen Erkrankung schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 %.

In den Jahren seit seiner Einstellung war der Kläger wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahr 1998 fehlte er an 91 Arbeitstagen, 1999 an 107 Arbeitstagen, 2000 an 85 Arbeitstagen, 2001 an 162 Arbeitstagen, 2002 an 128 Arbeitstagen und im Jahr 2003 bis zum 22.05. an 54 Arbeitstagen. Die Beklagte holte wegen einer beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung des Integrationsamtes ein, die mit - nicht rechtskräftigem - Bescheid vom 04.06.2003 (Bl. 31 d. A.) erteilt wurde. Der Betriebsrat wurde am 12.06.2003 von der beabsichtigten Kündigung unterrichtet (Bl. 35/36 d. A.) und hat ihr widersprochen (Bl. 5 d. A.).

Mit der am 27.06.2003 beim Gericht eingereichten Klage hat der Kläger Sozialwidrigkeit der Kündigung gerügt, sich auf die fehlende Bestandskraft der Zustimmung des Integrationsamtes berufen und mit Nichtwissen bestritten, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden sei. Gleichzeitig hat er Bewilligung der Prozesskostenhilfe beantragt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist dem Kläger in der Verhandlung vom 19.09.2003 zurückgegeben worden mit der Auflage, sie bis zum 17.10.2003 vollständig ausgefüllt und mit Belegen versehen zurückzureichen. Der Kläger hat am 15.10.2003 die vervollständigte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und verschiedene Belege eingereicht. Das Arbeitsgericht hatte mit Beschluss vom 21.10.2003 Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, kausal für seine Arbeitsunfähigkeitszeiten seit 1998 seien die zur Behandlung des psychischen Leidens erfolgten Maßnahmen gewesen, er sei aber vom 24.04. bis 22.05.2003 erfolgreich insoweit behandelt worden, als eine medikamentöse Einstellung vorgenommen worden sei, die kontinuierliches Arbeiten ermöglichen werde und überwiegend wahrscheinlich mache, dass mit nennenswerten krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht mehr gerechnet werden müsse, die gesundheitliche Prognose für den Kläger sei nach Auffassung seiner behandelnden Ärzte daher günstig, durch Einholung einer schriftlichen Auskunft des behandelnden Arztes Dr. med. R. in H.. Dr. R. hat mit Schreiben vom 17.11.2003 (Bl. 59/60 d. A.) Auskunft erteilt und abschließend erklärt: "Das Krankheitsbild des Patienten lässt eine zuverlässige Prognose über Arbeitsfähigkeit bzw. Ausfallzeiten in Zukunft nicht zu". Mit Beschluss vom 21.01.2004 hat das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht versagt. Hiergegen richtet sich die am 10.02.2004 eingelegte sofortige Beschwerde, mit der der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe nach Vorliegen der Prozesskostenhilfeunterlagen nicht sogleich entschieden, sondern die Entscheidung bis nach Durchführung der Beweisaufnahme zurückgestellt. Zutreffend sei es zwar, dass der behandelnde Arzt ausgeführt habe, das Krankheitsbild lasse eine zuverlässige Prognose über eventuelle künftige Fehlzeiten nicht zu. Die weitere Entwicklung des Gesundheitszustandes sei ungewiss geblieben, was aus Gründen der Beweislastverteilung zu Lasten der Beklagten gehen müsse. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers hat nicht Erfolg. Das Arbeitsgericht ist in seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Durchführung der Kündigungsschutzklage nicht besteht.

Voraussetzung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist gemäß § 114 ZPO nicht nur, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind, sondern dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht kann hier nicht gesehen werden.

Die Beklagte hat die Kündigung wegen wiederholter Fehlzeiten des Klägers ausgesprochen, wobei sie den Schwerpunkt auf die hohen Entgeltfortzahlungskosten legt. Die Sozialwidrigkeit (§ 1 KSchG) einer wegen häufiger Kurzerkrankungen ausgesprochenen Kündigung ist in drei Stufen zu prüfen:

1. Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich,

2. die zu erwartenden Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen,

3. im Rahmen der Interessenabwägung ist zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Beweisaufnahme betraf die erste Stufe, nämlich die negative Gesundheitsprognose. Bereits aus den umfangreichen Fehlzeiten des Klägers ergibt sich eine negative Indizwirkung. Aus den krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit wird die die Gefahr künftiger Erkrankungen indiziert (BAG, Urt. v. 17.06.1999 - 2 AZR 639/98 - EZA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 4).

Es oblag nunmehr dem Kläger, vorzutragen, weshalb bei Zugang der Kündigung trotz der aufgetretenen Fehlzeiten mit seiner baldigen oder bereits erfolgten Gesundung zu rechnen war. Es bestehen bereits Bedenken, ob das Vorbringen des Klägers überhaupt ausreichend war, diesen Schluss ziehen zu können. Jedenfalls aber ergibt sich aus der Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R., der den Kläger behandelt hat, dass die Behauptung des Klägers nicht den Tatsachen entspricht. Mit keinem Wort äußert sich dieser Arzt zu der Behauptung des Klägers, er sei medikamentös so eingestellt worden, dass ein kontinuierliches Arbeiten ermöglicht werde und überwiegend wahrscheinlich sei, dass mit nennenswerten krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht mehr zu rechnen sei, es bestehe daher eine günstige Prognose. Im Gegenteil ergibt sich aus der Stellungnahme, dass der Kläger sich nach seinen eigenen Angaben nur noch bedingt arbeitsfähig fühlt.

Die Fehlzeiten des Klägers führen auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Die von der Beklagten vorgetragenen Entgeltfortzahlungskosten liegen weit über dem durchschnittlichen Maß. Selbst wenn hierin Zeiten enthalten sein sollten, in denen der Kläger statt Entgeltfortzahlung von der Beklagten Krankengeld von der Krankenkasse hätte erhalten müssen (welche Zeiten dies sein sollen, hat der Kläger nicht präzisiert), liegen sie doch in einem derartigen Maß, dass jedenfalls eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vorliegt. Auf die weiter von der Beklagten vorgetragene Störung der betrieblichen Abläufe durch die Fahlzeiten kommt es daher nicht an.

Schließlich spricht im Rahmen der Interessenabwägung das verhältnismäßig niedrige Lebensalter des Klägers zugunsten der Beklagten. Wegen der negativen Prognose muss die Beklagte auf nicht absehbare Zeit mit erheblichen krankheitsbedingten Ausfällen und Entgeltfortzahlungskosten rechnen. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger schwer behindert, ferner überschuldet ist und in erheblichem Umfang Unterhaltspflichten zu tragen hat, kann hier nicht mehr angenommen werden, dass es der Beklagten zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die Fehlzeiten haben ein derartiges Maß erreicht, dass hier eine Sinnentleerung des Arbeitsverhältnisses droht.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe trotz fehlender Erfolgsaussicht nicht deshalb in Betracht, weil das Arbeitsgericht die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag verzögert hätte. Maßgebend für die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe sind immer die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung. Zwar ist im Fall einer Verzögerung des Gerichts der Zeitpunkt maßgeblich, der einer Entscheidung im ordnungsgemäßen Verfahrensverlauf entsprochen hätte (Putzo/Reichold, Rnr. 4 zu § 119 ZPO). Jedoch hätte bereits im Oktober 2003, als alle Unterlagen vorlagen, eine positive Entscheidung nicht erfolgen können. Es war nämlich Sache des Klägers, die sich aus seinen Fehlzeiten ergebende Indizwirkung zu erschüttern. Angesichts des zeitlichen Zusammenfalles der behaupteten Genesung bzw. Wiederherstellung seiner Arbeitskraft gerade mit der Kündigung, war zumindest eine Nachfrage bei dem behandelnden Arzt geboten. Dies galt um so mehr, als der Kläger lediglich pauschal behauptet hatte, er sei medikamentös neu eingestellt worden, was zur Wiederherstellung seiner Arbeitskraft geführt habe. Hinzu kommt, dass der Kläger zwar die die Behauptung der medikamentösen Neueinstellung und der positiven Gesundheitsprognose durch die Ärzte in den Raum gestellt hat, damit aber offensichtlich nicht seiner Wahrheitspflicht entsprochen hat (§ 138 Abs. 1 ZPO), worauf bereits das Arbeitsgericht hingewiesen hat. Das hätte eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe gem. § 124 Nr. 1 ZPO begründet.

Der Klage fehlt auch insoweit hinreichende Erfolgsaussicht, als der Kläger zunächst bestritten hatte, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei (§ 102 BetrVG). Insoweit hatte die Beklagte ausführlich vorgetragen, ohne dass der Kläger dem entgegengetreten wäre.

Auch der Hinweis auf den Sonderkündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch (§ 85 SGB IX) greift hier nicht. Die Zustimmung des Integrationsamtes liegt vor und ist allenfalls noch nicht rechtskräftig.

Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da nicht ersichtlich ist, dass die Bedeutung der Streitsache über den Einzelfall hinausgeht.

Ende der Entscheidung

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