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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 03.04.2008
Aktenzeichen: 2 Ta 51/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 139 Abs. 1
ZPO § 573 Abs. 3
BGB § 123
BGB § 123 Abs. 1, 2. Fall
ArbGG § 61a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 51/08

03.04.2008

Im Beschwerdeverfahren

betr. Prozesskostenhilfe

in dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 3.4.2008 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts .... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 8.1.2008 - 5 Ca 2818/07 - aufgehoben, soweit die Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht versagt worden ist.

Das Verfahren wird zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an das Arbeitsgericht zurückgegeben. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Klägerin Bewilligung der Prozesskostenhilfe.

Die Klägerin ist 1974 geboren, ledig und hat keine Kinder. Sie war seit dem 15.04.1998 bei der Beklagten, die drei Altenheime betreibt, beschäftigt. Zuletzt war sie als Hauswirtschafterin und Springkraft in sämtlichen drei Heimen eingesetzt. Das zuletzt erzielte Monatseinkommen betrug 1.566,89 Euro.

Am 30.08.2007 fand zwischen der Klägerin und der Heimleiterin der Beklagten, Frau J. R., ein etwa 10minütiges Gespräch statt. Dabei unterzeichnete die Klägerin einen Vertrag zur einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2007 (Anlage K 2, Bl. 7 d. A.). Die Einzelheiten, wie es zu dem Abschluss des Auflösungsvertrages gekommen ist, sind zwischen den Parteien strittig. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 23.10.2007 erklärte die Klägerin die Anfechtung dieses Auflösungsvertrages.

Die Klägerin hat mit Fax vom 01.11.2007 Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben und beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Auflösungsvertrag vom 30.08.2007 nicht beendet worden ist und die Beklagte sie zu unveränderten Bedingungen als Hauswirtschafterin weiter zu beschäftigen sowie entsprechende Lohnzahlungen zu leisten hat. Zugleich hat sie beantragt, ihr hierfür Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei in dem Gespräch vom 30.08.2007 durch die Heimleiterin, Frau R., unter Androhung einer fristlosen Kündigung sowie unter Androhung der Ausstellung eines schlechten Arbeitszeugnisses zur Unterzeichnung des Auflösungsvertrages gezwungen worden.

Die Beklagte hat den von der Klägerin geschilderten Gesprächsverlauf bestritten. Die Heimleiterin habe der Klägerin erklärt, es sei durch rückläufige Belegungszahlen und die Fremdvergabe hauswirtschaftlicher Dienstleistungen ein Personalüberhang entstanden, bei dessen Abbau auch der Arbeitsplatz der Klägerin betroffen sei. Der Klägerin sei erläutert worden, dass es die Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine fristgerechte betriebsbedingte Kündigung oder durch die Vereinbarung der Auflösung gäbe. Daraufhin habe sich die Klägerin für einen Auflösungsvertrag entschieden und um eine sofortige Freistellung sowie eine Abfindung gebeten.

Mit Beschluss vom 08.01.2008 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Die Klägerin habe es versäumt, ihren Vortrag über den Gesprächsablauf am 30.08.2007 nach dem qualifizierten Bestreiten durch die Beklagte weiter zu substantiieren und Beweis anzubieten. In der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2008, in der die Parteien sich verglichen haben, hat die Klägerin erstmalig Beweis durch Parteivernehmung angeboten. Die Beklagte hat der Parteivernehmung der Klägerin widersprochen. Das Arbeitsgericht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass das Beweisangebot verspätet sei, da die Zeugin R... nicht geladen worden sei.

Gegen den Beschluss, mit dem der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wurde, hat die Klägerin am 30.01.2008 Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Klägerin meint, sie habe ausreichend vorgetragen und Beweis durch die eigene Vernehmung als Partei angeboten. Diesem Antrag hätte stattgegeben werden müssen. Das Arbeitsgericht habe auch weder einen richterlichen Hinweis zur Parteivernehmung gegeben noch zur Vorbereitung des Kammertermins auf die Folgen verspäteten Vortrags hingewiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

In der Sache hat sie derzeit Erfolg, soweit Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt worden ist.

Gem. § 114 ZPO erhält eine Partei Prozesskostenhilfe, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Vorschrift verlangt nicht Erfolgsgewissheit, sondern lediglich hinreichende Aussicht auf Erfolg, wobei die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nicht überspannt werden dürfen. Es reicht aus, wenn bei einer vorläufigen Prüfung der Parteivortrag als vertretbar bezeichnet werden kann, der Erfolg also eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Keineswegs ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich (LAG Düsseldorf, 29.11.1999 - 15 Ta 553/99 - LAGE § 114 ZPO Nr. 36). Kommt eine Beweisaufnahme für den schlüssigen Vortrag ernsthaft in Betracht, darf die Prozesskostenhilfe nicht versagt werden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für ein negatives Ergebnis vorliegen (BVerfG v. 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04 - NJW-RR 2005, 140 m. w. N.).

Die hinreichende Erfolgsaussicht kann vorliegend nicht verneint werden. Das Arbeitsgericht hat die Anforderungen an die Voraussetzungen der Erfolgsaussichten im Rahmen des § 114 ZPO überspitzt und die Möglichkeit der Beweisbarkeit ihres Vortrages durch Parteivernehmung fehlerhaft nicht berücksichtigt.

Die hinreichende Erfolgsaussicht hängt davon ab, ob die Klägerin den Auflösungsvertrag wirksam angefochten hat, § 123 Abs. 1, 2. Fall BGB. Die Klägerin hat sich darauf berufen, die Heimleiterin der Beklagten habe ihr im Gespräch vom 30.08.2007 widerrechtlich mit einer fristlosen Kündigung und der Ausstellung eines schlechten Arbeitszeugnisses gedroht und sie dadurch zum Abschluss des Auflösungsvertrages veranlasst.

Eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1, 2. Fall BGB ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, d.h. eines Nachteils, dessen Eintritt nach Auffassung des Bedrohten vom Willen des Drohenden abhängt (Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl. 2008, § 123 Rz. 15 f.). Die Ankündigung, in einem bestimmten Fall eine Kündigung auszusprechen, stellt eine Drohung dar. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat die Klägerin ausreichend beweisbar dargelegt, dass die von ihr behauptete Drohung mit einer fristlosen Kündigung widerrechtlich erfolgte. Der Tatsachenvortrag der Klägerin bezüglich des streitbefangenen Gespräches vom 30.08.2007 ist zwar allgemein gehalten, genügt jedoch den Anforderungen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast im vorliegenden Fall.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Androhung einer ordentlichen oder fristlosen Kündigung dann widerrechtlich im Sinne von § 123 Abs. 1, 2. Fall BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Auf den tatsächlichen Erfolg der in Aussicht gestellten Kündigung im Falle einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung kommt es dabei nicht an (BAG v. 06.12.2001 - 2 AZR 396/00 - NZA 2002, 731). Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles davon ausgehen muss, dass die angedrohte Kündigung im Fall ihres Ausspruchs mit großer Wahrscheinlichkeit einer solchen Überprüfung nicht standhalten wird, darf er die außerordentliche Kündigung nicht in Aussicht stellen, um den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen (BAG Urteil vom 15.12.2005 - 6 AZR 197/05 - NZA 2006,841). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der eindeutigen Regelung des § 123 BGB, anders als um Kündigungsschutzprozess, der Arbeitnehmer im Anfechtungsprozess diejenigen Tatsachen vortragen und beweisen muss, aus denen er sein Anfechtungsrecht herleitet. Dazu gehören auch die Umstände, welche die Widerrechtlichkeit begründen (BAG v. 06.12.2001, a. a. O.).

Zwar handelt es sich bei der Widerrechtlichkeit der Androhung einer Kündigung um einen Negativbeweis, für den zunächst eine entsprechende pauschale Behauptung genügt. Deshalb hat der Anfechtungsgegner nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast substantiiert zu bestreiten und dabei positiv darzulegen, aus welchen Gründen er in vertretbarer Weise einen außerordentlichen Kündigungsgrund annehmen durfte. Nur diese vorgetragenen Umstände braucht der beweispflichtige Arbeitnehmer dann zu widerlegen (BAG vom 28.11.2007 - 6 AZR 1108/06 - BB 2008,564 = NZA 2008,348).

Die Klägerin hat in ihrer Klagschrift zwar lediglich behauptet, die Heimleiterin der Beklagten habe ihr "gedroht, es gäbe angeblich genug Gründe, um eine sofortige fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen, genannt hat sie (Frau R.) die Gründe allerdings nicht" und dieses Vorbringen auch nach dem abweichenden, detaillierten Vortrag der Beklagten unter Zeugenbenennung sich darauf beschränkt, den Vortrag der Beklagten insgesamt zu bestreiten und zu betonen, dass die Zeugin R... sich so verhalten habe, "wie in der Klagschrift beschrieben". Aufgrund der abgestuften Darlegungslast im vorliegenden Fall hat die Klägerin damit jedoch ausreichend schlüssig eine widerrechtliche Drohung vorgetragen. Nach ihrem Vortrag wurden die angeblichen Gründe der in Aussicht gestellten fristlosen Kündigung nicht mitgeteilt.

Soweit die Klägerin vorträgt, ihr sei angedroht worden "ein entsprechendes schlechtes Zeugnis auszustellen", kommt ebenfalls eine rechtswidrige Drohung in Betracht. Die Ankündigung, kein gutes Zeugnis auszustellen, stellt grundsätzlich keine rechtswidrige Drohung dar (LAG Brandenburg v. 16.10.1997 - 3 Sa 196/97 - NZA-RR 1998, 248). Es besteht lediglich Anspruch auf ein wahrheitsgemäßes, nicht ein "gutes Zeugnis". Anders ist es, wenn das "gute Zeugnis" der entsprechenden Leistung der Klägerin entsprach. Die Klägerin hat jedoch vorgetragen, ihr sei ein "entsprechendes schlechtes Zeugnis" angekündigt worden, wobei sich das "entsprechend" auf die fristlose Kündigung bezog. Damit ist auch insoweit schlüssig ein Anfechtungsgrund vorgetragen.

Die Prüfung der Erfolgsaussicht führt auch zu dem Ergebnis, dass die Klägerin eine hinreichende Aussicht hatte, ihr Vorbringen zu beweisen. Sie stand als Partei zur Vernehmung zur Verfügung, was angesichts der Tatsache, dass es sich um ein Vieraugengespräch handelte, ein zulässiger Beweisantritt ist (BAG v. 22.05.2007 - 3 AZN 1155/06, BB 2007, 1851). Auf der anderen Seite war die Heimleiterin als Zeugin benannt. Die Tatsache widersprechenden Vortrags kann nicht dazu führen, dass das Ergebnis der Beweisaufnahme vorweggenommen gewürdigt wird. Vielmehr ist der persönliche Eindruck des Gerichts vom Inhalt der Beweisaufnahme maßgeblich für die Überzeugungsbildung.

Dass die Klägerin erst in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2008 Beweis durch Parteivernehmung angetreten hat, kann ihr nicht entgegengehalten werden. Denn das Gericht hatte den Parteien nicht eindeutige Auflagen i.S. des § 61a ArbGG unter Hinweis auf die Folgen der Versäumung der gesetzten Fristen gemacht. Es bestehen daher erhebliche Bedenken, ob dieser Beweisantritt der Klägerin als verspätet hätte zurückgewiesen werden dürfen. Auch hat das Gericht sie nicht gem. § 139 Abs. 1 ZPO darauf hingewiesen, dass ihr Vorbringen für unschlüssig gehalten wird, sondern diese Auffassung erst im Beschluss vom 08.01.2008 deutlich gemacht.

Da die Klägerin die Anfechtungsvoraussetzungen des § 123 Abs. 1, 2. Fall BGB mit Beweisantritt schlüssig dargelegt hat, kann eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden.

Das Verfahren ist jedoch zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an das Arbeitsgericht zurückzugeben, § 573 Abs. 3 ZPO. Die Erklärung der Klägerin weist verschiedene Ungereimtheiten auf, die eine endgültige Entscheidung nicht ermöglichen. So hat die Klägerin zwar das Vorhandensein eines Kraftfahrzeuges als Vermögen verneint, aber die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehenden Belastungen eingetragen. Auch sind die Angaben zum Bausparvertrag nicht nachvollziehbar.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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