Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 25.04.2003
Aktenzeichen: 2 Ta 60/03
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 91
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1
BRAGO § 32 Abs. 1
BRAGO § 37 Nr. 7
Legt eine Partei Berufung zur Fristwahrung ein und bittet sie den Berufungsbeklagten unter Hinweis hierauf, sich noch nicht zur Akte zu legitimieren, so sind die durch eine anwaltliche Beratung des Berufungsbeklagten über die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels entstandenen Kosten notwendige Kosten i.S. des § 91 ZPO.

Aus dem Gebot der Chancengleichheit folgt, dass der Berufungsbeklagte die Erfolgsaussicht der Berufung erörtern und Überlegungen über evtl. Vergleichsverhandlungen anstellen können muss. Das gilt insbesondere bei Bestandsstreitigkeiten, wenn der Arbeitgeber erstinstanzlich zur Weiterbeschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits verurteilt worden ist.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 60/03

Verkündet am 25.04.2003

Im Beschwerdeverfahren

betr. Kostenfestsetzung

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 25.4.2003 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 18.2.2003 - 2 Ca 1967 d/01 - abgeändert:

Die auf Grund des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 23.9.2002 - 4 Sa 119/02 - von der Beklagten an die Klägerin gem. § 104 ZPO zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 307,11 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 16.1.2003.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte nach einem Beschwerdewert von 307,11 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung von zweitinstanzlich entstandenen Rechtsanwaltskosten hat.

Mit ihrer Klage vom 26.9.2001 hatte die Klägerin sich gegen eine fristgerechte Kündigung der Beklagten gewehrt. Das Arbeitsgericht hatte mit Urteil vom 20.12.2001 - 2 Ca 1967 d/01 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 17.9.2001 nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin weiterzubeschäftigen. Gegen dieses am 18.2.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte 13.3.2002 Berufung eingelegt (4 Sa 119/02). Diese Berufung hat sie am 26.3.2003 zurückgenommen. Das Landesarbeitsgericht hat mit dem am 26.9.2002 zugestellten Beschluss vom 23.9.2002 der Beklagten und Berufungsklägerin die Kosten des von ihr eingelegten Rechtsmittels auferlegt (Bl. 99 d.A.). Mit dem am 23.12.2002 eingegangenen nicht unterzeichneten Kostenfestsetzungsantrag (Bl. 104 d.A.) hat die Klägerin Festsetzung von 307,11 EUR gegen die Beklagte beantragt. Der unterzeichnete Antrag ist am 16.1.2003 beim Arbeitsgericht eingegangen.

Die Beklagte hat der Festsetzung der Kosten widersprochen. Sie hat vorgetragen, die Berufungseinlegung sei nur zur Fristwahrung erfolgt, weil noch nicht alle Unterlagen zur Prüfung der Erfolgsaussicht vorgelegen hätten. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin seien mit Schreiben vom 12.3.2002 darum gebeten worden, sich nicht in zweiter Instanz zu legitimieren, solange nicht die Durchführung der Berufung feststehe. Die Klägerin hat hierzu mitgeteilt, sie habe ihre Prozessbevollmächtigten mit der Interessenwahrnehmung im Berufungsverfahren beauftragt. Es seien nach Berufungseinlegung Gespräche betreffend das Berufungsverfahren geführt worden. Die Klägerin sei über die Sach- und Rechtslage und die Erfolgsaussichten des Berufungsverfahrens informiert worden. Daher stehe ihren Prozessbevollmächtigten eine 6,5/10 Prozessgebühr zu (§§ 31 Abs. 1 S. 1 BRAGO i.V.m. § 32 Abs. 1 BRAGO).

Das Arbeitsgericht hat den Kostenfestsetzungsantrag mit Beschluss vom 18.2.2003 zurückgewiesen und ausgeführt, es seien nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Tätigkeiten vorgenommen worden, die zu erstatten seien. Gegen diesen am 19.2.2003 zugestellten Beschluss richtet sich die am 26.2.2003 mit Fax und 28.2.2003 im Original eingelegte Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Klägerin trägt vor, sie habe ihren Prozessbevollmächtigten mit der Vollmacht vom 26.10.2001 auch Vollmacht zur Vertretung im Berufungsverfahren erteilt. Ihren Prozessbevollmächtigten sei die Berufungsschrift der Beklagten vom Landesarbeitsgericht zugesandt worden. Sie hätten diese Berufungsschrift an die Klägerin weitergeleitet und mit ihr sodann Gespräche über das Berufungsverfahren geführt und sie über die Sach- und Rechtslage sowie die Erfolgsaussichten informiert. Die Erfolgsaussicht sei ungeachtet der formellen Berufungseinlegung geprüft worden. Auch die Rücknahme der Berufung sei ihnen zugegangen. Hierbei handele es sich um Tätigkeiten, die einen Erstattungsanspruch auslösten.

Die Beklagte tritt der Beschwerde entgegen und bestreitet mit Nichtwissen, dass Gespräche über das Berufungsverfahren mit der Klägerin geführt worden seien. Eine solche Vorgehensweise sei überflüssig. Angesichts der Mitteilung mit Schreiben vom 12.3.2003, dass die Berufung nur zur Fristwahrung eingelegt worden sei, habe kein Anlass bestanden, kostenauslösende Aktivitäten zu entfalten.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen, verwiesen.

II.

Die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der ihr durch die anwaltliche Tätigkeit in der Berufungsinstanz entstandenen Kosten. Diese sind zutreffend mit insgesamt 307,11 EUR zuzüglich Zinsen geltend gemacht.

Gem. § 91 ZPO hat die Beklagte die notwendigen Kosten der Klägerin zu tragen, wie sich aus dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 23.9.2002 - 4 Sa 119/02 - ergibt. Strittig ist dabei die Frage, ob angesichts der Tatsache, dass die Beklagte die Berufung lediglich zur Fristwahrung eingelegt und dies dem Klägerinvertreter ausdrücklich mit der Bitte mitgeteilt hatte, sich vorerst nicht zu melden, die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit notwendig entstanden sind. Dabei hat die Klägerin lediglich eine 13/20 Prozessgebühr in Ansatz gebracht.

Gem. §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO fällt in der Berufungsinstanz eine 13/10 Prozessgebühr an. Endet der Auftrag, bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz, der Sachanträge enthält, eingereicht oder bevor er für seine Partei einen Termin wahrgenommen hat, so erhält er nur eine halbe Prozessgebühr, § 32 Abs. 1 BRAGO. Da der Klägerinvertreter sich nicht schriftsätzlich gemeldet hat oder anderweitig im Berufungsverfahren nach außen tätig geworden ist, steht ihm höchstens die halbe Prozessgebühr, mithin 13/20 zu.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Gebührenanspruch des Klägerinvertreters entstanden. Seine Tätigkeit gehörte nicht mehr zum erstinstanzlichen Rechtszug. Gem. § 37 Nr. 7 BRAGO gehören zum Rechtszug zwar die Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, die Einwilligung zur Sprungrevision (§ 566 Abs. 1 der Zivilprozessordnung), der Ausspruch über die Verpflichtung, die Kosten zu tragen oder eines Rechtsmittels verlustig zu sein (§§ 91 a, 269 Abs. 3 Satz 2 und 3, § 516 Abs. 3 Satz 1, § 565 der Zivilprozessordnung), die Vollstreckbarerklärung eines Urteils (§§ 537, 558 der Zivilprozessordnung), die Erteilung des Notfristzeugnisses, Rechtskraftzeugnisses, die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 54 oder § 56 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes, die erstmalige Erteilung der Vollstreckungsklausel, wenn deswegen keine Klage nach § 731 der Zivilprozessordnung erhoben wird, die Kostenfestsetzung (§§ 104, 107 der Zivilprozessordnung) ausschließlich der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, die Einforderung der Vergütung (§§ 18, 19), die Herausgabe der Handakten oder ihre Übersendung an einen anderen Rechtsanwalt.

Findet aber darüber hinaus eine Beratung der Partei über das Rechtsmittel und dessen voraussichtlich Erfolgsaussicht statt, gehört dies nicht mehr zu dieser Instanz. Vielmehr handelt es sich um Tätigkeiten, die sich auf das Berufungsverfahren beziehen.

Die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit waren auch notwendig i.S. von § 91 ZPO. Die Klägerin hatte erfahren, dass Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt worden war. Es muss ihr gestattet sein, bereits vor Vorliegen der Berufungsbegründung mit ihrem Prozessbevollmächtigten die Erfolgsaussicht der Berufung zu erörtern und Überlegungen über evtl. Vergleichsverhandlungen anzustellen. Das gebietet bereits die Chancengleichheit (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., Rn. 20 zu § 31 BRAGO; LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 23.4.2001 - 1 Ta 45 e/01 - ). Das gilt hier um so mehr, als das Urteil des Arbeitsgerichts eine Bestandsstreitigkeit betraf und nicht nur festgestellt worden war, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten aufgelöst worden war, sondern die Beklagte auch zur Weiterbeschäftigung verurteilt worden war. Gerade in einer solchen Situation muss es der Berufungsbeklagten gestattet sein, sich bereits vor Vorliegen der Berufungsbegründung über die Erfolgsaussichten der Berufung beraten zu lassen.

Der angefochtene Beschluss ist daher abzuändern. Die beantragten Kosten, deren Berechnung nicht strittig ist, sind antragsgemäß festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück