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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 16.04.2004
Aktenzeichen: 2 Ta 76/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 826
ZPO § 769
ArbGG § 62
Erhebt der Schuldner eines rechtskräftigen Titels eine auf § 826 BGB gestützte Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Schadenersatz, so kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO nicht in Betracht. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus.

Stellt der Schuldner beim Arbeitsgericht den Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, so kann dieser Antrag auch als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ausgelegt werden. Wird in diesem Fall auf mündliche Verhandlung über den Antrag entschieden, so ist hierfür nicht der Vorsitzende alleine, sondern die Kammer zuständig.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 76/04

Verkündet am 16.04.2004

Im Beschwerdeverfahren

hat die II. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Schleswig-Holstein am 16.04.2004 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichtes Willikonksy als Vorsitzende beschlossen:

Tenor:

auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 06.02.2004 - 4 Ca 181 e/04 - aufgehoben. Der Antrag des Klägers wird zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückgegeben.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Gründe:

I.

Der Beklagte wendet sich mit der Beschwerde gegen die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem - rechtskräftigen - Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 05.07.2001 (3 Ca 1298 e/01).

Der Beklagte war bei dem Kläger seit dem 20.11.2000 als Elektroinstallateur beschäftigt. Er war der einzige Arbeitnehmer. Die Bruttovergütung war mit 3.200,00 DM vereinbart. Am 22.01.2001 erhob der Beklagte vor dem Arbeitsgericht Klage mit der er Feststellung beantragte, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die schriftliche fristlose Kündigung des Klägers vom 10.01.2001 nicht aufgelöst sei. Weiter verlangte er Verurteilung zur Zahlung von 3.201,00 DM brutto sowie Fahrtkostenerstattung. Das Arbeitsgericht verkündete am 22.05.2001 ein klagstattgebendes Urteil (3 Ca 169 e/01). Auf die Berufung des damaligen Beklagten und jetzigen Klägers änderte das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 02.05.2002 (4 Sa 389/01) das Urteil des Arbeitsgerichtes Elmshorn teilweise ab und wies die Klage hinsichtlich der Kündigung vom 10.01.2001 ab. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 12.12.2002 (8 AZN 433/02) zurück.

Bereits am 18.06.2001 hatte der jetzige Beklagte eine weitere Klage auf Zahlung von 5.720,00 DM brutto erhoben (3 Ca 1298 e/01). Die Klage sowie die Ladung zum Termin am 05.07.2001 wurden dem jetzigen Kläger durch Niederlegung am 23.06.2001 zugestellt. Da der jetzige Kläger nicht zum Termin erschien, erging ein klagstattgebendes Versäumnisurteil, das durch Niederlegung am 13.07.2001 zugestellt wurde. Hiergegen legte der jetzige Kläger am 26.07.2001 Einspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Das Arbeitsgericht Elmshorn wies mit Beschluss vom 21.08.2001 den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück und verwarf den Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 20.09.2001 (1 Ta 134 a/01) zurück.

Das Arbeitsgericht hatte dem jetzigen Beklagten am 17.07.2001 eine vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils vom 5.7.2001 erteilt. Der Beklagte hat hieraus die Vollstreckung betrieben und hierbei 700,00 Euro erlangt. Am 24.05.2002 erhob der jetzige Kläger Klage mit der er erstrebte, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 05.07.2001 (3 Ca 1298 e/01) für unzulässig zu erklären (4 Ca 1079 c/02). Mit Urteil vom 15.01.2003 hat das Arbeitsgericht die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil für unzulässig erklärt. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat auf die hiergegen gerichtete Berufung das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen sowie die Revision nicht zugelassen (4 Sa 104/03).

Mit der nunmehr am 21.01.2004 erhobenen Klage stellt der Kläger folgende Anträge,

1. den Beklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil, Az. 3 Ca 1298 e/01, des Arbeitsgerichtes Elmshorn vom 05.07.2001 zu unterlassen,

2. den Beklagten zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils, Az. 3 Ca 1298 e/01, des Arbeitsgerichtes Elmshorn vom 05.07.2001 an den Kläger herauszugeben,

3. den Beklagten zu verurteilen, Euro 107,16 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

4. die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil, Az. 3 Ca 1298 e/01, des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 05.07.2001 einstweilen einzustellen.

Das Arbeitsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2004 einen Beschluss verkündet, mit dem die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichtes Elmshorn vom 05.07.2001 - 3 Ca 1298 e/01 - einstweilen eingestellt wird. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Eine Rechtsgrundlage für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ergibt sich nicht aus § 62 ArbGG. Nach § 62 ArbGG ist die vorläufige Vollstreckbarkeit aus einem Urteil des Arbeitsgerichts entweder in dem erstinstanzlichen Urteil auszuschließen oder durch das Landesarbeitsgericht einstweilen einzustellen, wobei in den Fällen des §§ 707 Abs. 1 und 719 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung nur unter denselben Voraussetzungen eingestellt werden kann. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das Versäumnisurteil, aus dem der Beklagte die Zwangsvollstreckung betreibt, ist rechtskräftig.

Eine Einstellung kommt nicht nach § 62 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 769 ZPO in Betracht. Danach kann das Prozessgericht auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in §§ 767, 768 bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und dass Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistungen aufzuheben seien. Bei den Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung, die dort genannt sind, handelt es sich um eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) oder eine Klage gegen die Vollstreckungsklausel (§ 768 ZPO). Beides liegt hier nicht vor.

Hier ist eine auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB, gestützte Klage erhoben worden. Dies ist zwar die richtige Klageart. In einem solchen Fall kommt jedoch der Erlass einer Anordnung nach § 769 ZPO nicht in Betracht. Vielmehr ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen. Diese Frage ist zwar nicht unumstritten. In den letzten Jahren hat sich jedoch die überwiegende Meinung dahingehend gebildet, dass bei einer auf § 826 BGB gestützten Schadenersatzklage bzw. Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung die Einstellung der Zwangsvollstreckung in auch entsprechender Anwendung des § 769 ZPO nicht in Betracht kommt, sondern vorläufiger Rechtsschutz in diesen Fällen nur im Wege einer einstweiligen Verfügung gewährt werden kann (vgl. u. a. LG Saarbrücken; Urteil v. 15.04.1986 - 1 O 100/85 - NJW RR 1986, 1049; OLG München, Beschluss v. 25.02.1976 - 25 W 830/76 - NJW 1976, 1748; KG Berlin, Beschluss v. 28.02.1977 - 9 W 488/77 - zit. nach Juris; LG Bochum, Beschluss v. 29.10.1998 - 5 O 298/98 - MDR 1999, 359; OLG Hamm, Beschluss v. 26.11.1986 - 11 U 251/86 - MDR 1987, 505; OLG Stuttgart, Beschluss v. 23.12.1996 - 2 W 83/96 - NJW RR 1998, 70; OLG Frankfurt, Beschluss v. 01.11.1991 - 22 W 42/91 - NJW RR 1992, 511; LAG Tübingen, Beschluss v. 30.09.1971 - 7 Ta 21/71 - ; LG Kiel, Beschluss v. 17.01.1990 - 13 T 642/89 - SchlHA 1990, 70; Musielak, Rn. 1 zu § 769 ZPO; Putzo Rn. 2 zu § 769 ZPO; a.A.: OLG Zweibrücken Beschluss v. 14.06.1991 - 7 W 39/91 - NJW 1991, 3041; Zöller-Herget, Rn. 1 zu § 769 ZPO; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 23.09.1986 - 2 WF 103/86 - zit. nach Juris; OLG Köln, Beschluss v. 24.10.1988 - 12 W 66/88 - zit. nach Juris). Eine Anwendbarkeit des § 769 ZPO muss hier schon deshalb ausscheiden, weil die Klage auf eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt ist, deren Rechtsfolge lediglich auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung gerichtet sein kann. Diese Leistungsklage ist mit den in § 769 ZPO genannten prozessualen Gestaltungsklagen nicht vergleichbar.

Der Kläger hat hier mit seiner Klage beantragt, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Dieser Antrag kann zwar als Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung angesehen werden (KG, Beschluss v. 28.02.1977 - 9 W 488/77 - zit. nach Juris). Die Entscheidung über eine solche beantragte einstweilige Verfügung ist jedoch nicht in der vorgeschriebenen Weise durch das zuständige Gremium getroffen worden. Das Arbeitsgericht hat die Entscheidung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung im Rahmen der mündlichen Verhandlung getroffen. In diesem Fall hätte das Arbeitsgericht die einstweilige Verfügung durch die vollständige Kammer erlassen müssen. Die einstweilige Verfügung ergeht im Fall einer mündlichen Verhandlung durch Endurteil, § 936 ZPO i.V.m. § 922 Abs. 1 S. 1 ZPO. In diesem Fall kann der Vorsitzende nicht alleine entscheiden. Er entscheidet zwar alleine über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, § 55 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG. Hier handelt es sich aber nicht um eine einstweilige Zwangsvollstreckung in dem dort genannten Sinne, nämlich nach § 62 ArbGG, sondern um den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben.

Ergänzend ist in diesem Zusammenhang allerdings anzumerken, dass eine sittenwidrige Inanspruchnahme eines rechtlich fehlerhaften Urteils hier durchaus angenommen werden kann, worauf das Landesarbeitsgericht bereits im Urteil vom 15.01.2004 (4 Sa 104/03) hingewiesen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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