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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 19.04.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 78/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, NachwG, EStG, SGB IV
Vorschriften:
ZPO § 114 | |
BGB § 611 | |
BGB § 612 | |
NachwG § 1 | |
EStG § 40 Abs. 3 | |
EStG § 40a | |
SGB IV § 14 Abs. 2 S. 2 |
Der Regelfall ist die Bruttovergütung. Die Ausnahme ist vom Arbeitnehmer zu beweisen.
Auch wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen worden ist, verlagert sich dadurch nicht die Beweislast für das (Nicht-)Zustandekommen einer Nettolohnvereinbarung auf den Arbeitgeber.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss
Aktenzeichen: 2 Ta 78/06
betr. Prozesskostenhilfe in dem Rechtsstreit pp.
Im Beschwerdeverfahren
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 20.4.2006 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende:
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 14.3.2006 - 5 Ca 2236 d/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe, soweit er einen Betrag von mehr als 355 EUR klageweise geltend macht.
Der Kläger ist Rentner. Er war bei dem Beklagten vom 16.3. bis 10.11.2005 als geringfügig beschäftigte Restaurantkraft tätig. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen worden. Der Beklagte hat von der monatlichen Vergütung Steuern in Abzug gebracht. Der Kläger verlangt Nachzahlung und ist der Meinung, dass der Beklagte die Vereinbarung einer Bruttovergütung nachweisen müsse.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 14.3.2006 Prozesskostenhilfe hinsichtlich eines Teilbetrags von 355 EUR bewilligt, sie im Übrigen aber mangels Erfolgsaussicht versagt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die sofortige Beschwerde des Klägers hat nicht Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Erfolgsaussicht verneint, § 114 ZPO.
Ein Anspruch auf Nachzahlung von Vergütungsbestandteilen aus dem Arbeitsvertrag besteht nicht mehr. Der Beklagte hat die Vergütung abgerechnet, den sich zu Gunsten des Klägers ergebenden Teil an diesen ausgezahlt und die Steueranteile abgeführt. Auch insoweit, als der Beklagte die Steuern nicht an den Kläger, sondern das Finanzamt geleistet hat, ist er gegenüber dem Kläger von der Verpflichtung zur Leistung wegen Erfüllung freigeworden.
Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer, § 38 Abs. 2 EStG. Der Arbeitgeber behält sie für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn ein (§ 38 Abs. 3 EStG). Hier ergibt sich nichts anderes, auch wenn der Beklagte in seinen Abrechnungen einen pauschalen Steuerbetrag abgezogen hat.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger deshalb Anspruch auch auf Auszahlung der Steueranteile hat, weil dies so vereinbart worden wäre. Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht der Beklagte beweispflichtig für die Vereinbarung eines Bruttolohnes. Vielmehr stellt der Bruttolohn den Regelfall dar (BAG Urteil vom 19.10.2000 - 8 AZR 20/00 - EzA BGB § 286 Nr. 1; BAG Urteil vom 16.6.2004 - 5 AZR 521/03 - DB 2004,2272 = NZA 2004,1274 = EzA EStG 1990 § 42d Nr. 1; ErfK-Preis Rn. 597 zu § 611 BGB). Eine Nettolohnvereinbarung ist eine Ausnahme und daher von demjenigen, der sich auf diese Tatsache beruft, zu beweisen. Anders verhält es sich bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen. Hier fingiert § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV, der zur Bekämpfung der Schwarzarbeit eingeführt worden war, die Vereinbarung eines Nettoarbeitsentgelts (BAG Urteil vom 26.2.2003 - 5 AZR 690/01 - DB 2003,1581 = BB 2004,447 = NZA 2004, 313). Aber auch dies zeigt, dass die Bruttovereinbarung der Regelfall ist, sonst wäre eine gesonderte Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV nicht erforderlich gewesen.
Auch für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gilt, dass die Bruttovereinbarung der Regelfall ist. Besonders seit der Einführung der sog. 400-Euro-Jobs ab dem 1.4.2003 besteht grundsätzlich für geringfügige Beschäftigungen Steuerpflicht. Dabei hat der Arbeitgeber zwar nach § 40a EStG die Möglichkeit, den Steuerabzug pauschal zu übernehmen. Dann wird er auch selbst Schuldner der pauschalen Lohnsteuer, §§ 40a Abs. 5, 40 Abs. 3 EStG. Er ist dazu aber nicht verpflichtet. Dabei handelt es sich lediglich um eine Vereinfachung der Abwicklung steuerlicher Vorgänge bei kurzfristig oder geringfügig Beschäftigten.
Ein Erstattungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht wegen des pauschalierten Steuerabzugs. Gem. § 40 Abs. 3 S. 1 EStG hat der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen. Dabei ist die Übernahme nicht Voraussetzung der Pauschalierung, sondern nur deren Rechtsfolge (Blümich, Rn. 113 zu § 40a EStG). Der Arbeitgeber übernimmt durch gesetzliche Regelung die Verpflichtung zur Steuerzahlung gegenüber dem Staat. Diese Regelung ersetzt die früher von der Rechtsprechung geforderte Übernahmeerklärung (Blümich, Rn. 113 zu § 40a EStG). Steuerschuldner ist in diesem Fall nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber. Hierbei handelt es sich indes um eine steuerrechtliche, nicht arbeitsrechtliche Regelung. Diese wirkt sich nicht zwingend auf das Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien aus. Vielmehr ist im Innenverhältnis eine gesonderte Regelung erforderlich. Weicht diese von dem üblichen, nämlich dem Bruttolohn, ab, dann trägt der Arbeitnehmer die Beweislast hierfür.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, der Beklagte sei für die Vereinbarung einer Bruttovergütung beweispflichtig, weil ein schriftlicher Nachweis nicht erstellt worden war. Das NachwG verpflichtet zwar den Arbeitgeber, einen schriftlichen
Nachweis über die arbeitsvertraglichen Bedingungen zu erteilen, hat hieran jedoch nicht Sanktionen geknüpft. Eine Sanktionierung im Gesetz oder durch die Rechtsprechung ist auch, jedenfalls soweit die Höhe der Vergütung betroffen ist, nicht erforderlich. Ist eine Vergütungsvereinbarung nicht getroffen, so ist § 612 BGB maßgeblich. Vorliegend existiert ein allgemeinverbindlicher Manteltarifvertrag, der auf den Lohntarifvertrag verweist, so dass die übliche Vergütung ohne weiteres ermittelt werden kann.
Auch aus Gründen der Beweiserleichterung ist eine Umkehr der Beweislast wegen Verletzung der Nachweispflicht nicht geboten. Der Kläger hat ohne weiteres die Möglichkeit, wenn denn weitere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen sollten, die Vernehmung des Beklagten und seiner selbst als Partei zu beantragen. Dann hat das Gericht die Möglichkeit, aus dem Ergebnis der Vernehmung seine Überzeugung zu gewinnen. Ein solcher Beweisantritt ist indes nicht erfolgt.
Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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