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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 01.09.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 210/04
Rechtsgebiete: BetrVG 1972, KSchG


Vorschriften:

BetrVG 1972 § 102
KSchG § 1 Abs. 2
Arbeitgeber, im Kündigungsprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhaltes hinausgehen ( mit BAG vom 7.11.2002- 2 AZR 599/01).

2. Will der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung im Prozess zur Darlegung unzumutbarer wirtschaftlicher Belastungen auf die Höhe der Entgeltfortzahlungskosten stützen, muss der dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren Angaben zu den aufgelaufenen Entgeltfortzahlungskosten machen. Jedenfalls muss er dem Betriebsrat mindestens die durchschnittliche monatliche Vergütung oder die Lohngruppe des Arbeitnehmers nennen. Anderenfalls kann er sich auf die Höhe der Entgeltfortzahlungskosten als wirtschaftlich unzumutbare Belastung nicht im anschließenden Prozess berufen.

3. Der Betriebsrat ist nicht verpflichtet, die Vergütungshöhe selbst zu ermitteln und sich die Entgeltfortzahlungskosten selbst auszurechnen.

4. Im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG können Angaben des Arbeitgebers zu den betrieblichen Auswirkungen der Fehlzeiten des Arbeitnehmers nur dann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn Betriebsratsmitglieder den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers und die konkreten Auswirkungen seiner Fehlzeiten kennen. Steht fest, dass zusätzlich zu hohen Fehlzeiten des zu kündigenden Arbeitnehmers beträchtliche krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten anderer Arbeitnehmer in der gleichen Abteilung zu verzeichnen sind, muss der Arbeitgeber im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zumindest grob vortragen, welche Folgen der wiederholten Ausfälle er dem zu kündigenden Arbeitnehmer zuordnet und das bzw. warum er deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für unzumutbar hält. Unterlässt er dieses, ist er mit diesbezüglichem Vortrag im Kündigungsprozess ausgeschlossen.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 210/04

Verkündet am 01.09.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 01.09.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht H. als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter V. als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter T. als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Neumünster vom 15.1.2004 - 4 Ca 1335 b/03 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung und in diesem Zusammenhang vorab darüber, ob der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört wurde bzw. welcher Vortrag der Beklagten im vorliegenden Gerichtsverfahren berücksichtigungsfähig ist.

Der Kläger ist am .....1961 geboren, mithin zurzeit 43 Jahre alt. Er ist seit dem 01.11.1990 als Mitarbeiter im Hauptlager/Gabelstapler bei der Beklagten beschäftigt und erhält durchschnittlich 2.200,00 Euro brutto monatlich. Er ist verheiratet und hat keine Kinder.

Seit 1994 weist der Kläger folgende Arbeitsunfähigkeitszeiten auf:

 199442 Arbeitstageca. 8 1/2 Wochen
199546 Arbeitstageca. 9 Wochen
199622 Arbeitstage4 Wochen (ohne Unfall)
199715 Arbeitstage3 Wochen
199818 Arbeitstageca. 3 1/2 Wochen
199939 Arbeitstageca. 8 Wochen
200029 Arbeitstageknapp 6 Wochen
200138 Arbeitstageknapp 8 Wochen
200245 Arbeitstage 9 Wochen
bis 31.06.2003 25 Arbeitstage5 Wochen im ersten Halbjahr.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 15 bis 18 d. A. verwiesen.

Wie zweitinstanzlich durch Vorlage einer Bescheinigung seiner Krankenkasse belegt, beruhen zumindest seit Mitte 1999 die Arbeitsunfähigkeitszeiten im Wesentlichen auf 2 Gruppen von Krankheitsursachen. Danach war der Kläger einerseits aufgrund verschiedenster Magenleiden wiederholt erkrankt. Zudem ergeben sich wiederholte Arbeitsunfähigkeitszeiten aus Beeinträchtigungen des Stütz- und Bewegungsapparates (Rückenschmerzen, Lumboischialgie, Zerrung von Gelenken, Krankheiten der Sehnen (Bl. 110 f. d. A.). Die Beklagte zahlte unstreitig seit dem Jahr 2000 Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von insgesamt 11.706,94 Euro, und zwar

für das Jahr 2000 2.251,22 Euro

für das Jahr 2001 3.090,36 Euro

für das Jahr 2002 3.976,11 Euro

für das Jahr 2003 bis 30.06. 2.389,25 Euro.

Im Lager der Beklagten arbeiten einschließlich des Klägers 6 Gabelstaplerfahrer. Von diesen Gabelstaplerfahrern weist unstreitig der Mitarbeiter M., 49 Jahre alt und seit 22 Jahren im Betrieb, vergleichbare krankheitsbedingte Fehlzeiten auf wie der Kläger. (Bl. 39, 56, 59 d. A.).

Im Betrieb der Beklagten existiert ein 11-köpfiger Betriebsrat. 6 Betriebsratsmitglieder arbeiten im Lager. U. a. der Lagerleiter ist Betriebsratsmitglied.

Am 23.06.2003 hörte die Beklagte den Betriebsrat zum beabsichtigten Ausspruch einer fristgemäßen Kündigung wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten an. In dem Anhörungsschreiben sind Name, Vorname, Geburtsdatum, Anschrift, Familienstand und Steuerklasse, Beschäftigungsbeginn, Tätigkeit und Tätigkeitsbereich sowie Kündigungsfrist angegeben, die Vergütungsgruppe oder die Vergütungshöhe nicht. Ferner heißt es wie folgt:

"Die Kündigung ist aus folgendem Grund erforderlich: Häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten laut Anlage. Mündlicher Vortrag bleibt vorbehalten.

Wir bitten um Stellungnahme". (Bl. 29 d. A.)

Dieser Betriebsratsanhörung war eine krankheitsbedingte Abwesenheitsliste des Klägers betr. den Zeitraum 13.03.1994 bis 03.05.2003, aufgegliedert nach Abwesenheitstagen sowohl in Form von Arbeitstagen, als auch in Form von Kalendertagen beigefügt. Dieser Fehlzeitenliste sind auch die Entgeltfortzahlungszeiträume zu entnehmen, nicht jedoch Angaben zur Höhe der Entgeltfortzahlungskosten (Bl. 30 d. A.). Eine mündliche Erläuterung oder Ergänzung dieser schriftlichen Betriebsratsanhörung seitens der Beklagten erfolgte unstreitig nicht. Der Betriebsrat gab zur streitbefangenen Kündigung keine inhaltliche Stellungnahme ab.

Fallen Mitarbeiter im Lager aus, vertreten u. a. unstreitig im Lager an sich als Kommissionierer tätige Mitarbeiter diese Gabelstaplerfahrer. Bei den Kommissionierern fehlt sodann eine Person an seinem Arbeitsplatz.

Der Kläger hat zwei ärztliche Stellungnahmen zur Akte gereicht. Mit Schreiben vom 16.10.2003 teilt der den Kläger behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin S. mit, dass bei im Einzelnen angegebenen Arbeitsunfähigkeitszeiten von insgesamt 112 Arbeitstagen in der Zeit vom 06.03.2000 bis 20.01.2003 "es sich um Akuterkrankungen ohne Folgeschaden handelte, die mit Abschluss der Arbeitsunfähigkeit ausgeheilt waren" (Bl. 42 d. A.). Ferner bescheinigte ihm der Facharzt für Orthopädie Dr. G. am 20.11.2003, dass in Folge einer Arbeitsunfähigkeit vom 14.04.2003 bis 03.05.2003 wegen Nackenbeschwerden mit einer dauerhaften Einschränkung der Belastbarkeit nicht zu rechnen sei (Bl. 48 d. A.).

Die Beklagte sprach am 30.06.2003 die streitbefangene Kündigung zum 30.11.2003 aus und beschäftigte den Kläger zunächst nicht mehr als Gabelstaplerfahrer. Hiergegen erhob der Kläger am 18.07.2003 Kündigungsschutzklage. Mit Urteil vom 15.01.2004 gab das Arbeitsgericht der Klage im Wesentlichen mit der Begründung statt, die Beklagte habe den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört, da sie dem Betriebsrat lediglich die Fehlzeiten mitgeteilt habe, jedoch keine Ausführungen zu Betriebsablaufstörungen und erheblichen wirtschaftlichen Belastungen gemacht habe. Das sei auch nicht trotz der Tatsache, dass 6 Betriebsratsmitglieder im Lager tätig sind, ausnahmsweise entbehrlich gewesen, da das Personal nur selten im Lager vollständig anwesend sei und der Betriebsablauf auch durch den häufig erkrankten Kollegen M. beeinträchtigt werde. Insoweit sei es erforderlich gewesen, die Auswirkungen der Fehlzeiten des Klägers gegenüber dem Betriebsrat im Einzelnen darzulegen.

Seit Verkündung des Urteils wird der Kläger vorläufig weiterbeschäftigt.

Gegen dieses am 23.04.2004 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 19.05.2004 (Eingang) Berufung ein, die nach Fristverlängerung bis zum 07.07.2004 am 07.07.2004 begründet wurde (Bl. 93 d. A.). Sie ergänzt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Betriebratsanhörung sei ordnungsgemäß. Dem Betriebsrat sei bekannt, in welche Lohngruppe Gabelstaplerfahrer eingruppiert werden, sodass er sich durchaus selbst ein Bild von den wirtschaftlichen Beeinträchtigungen durch Entgeltfortzahlungsleistungen an den Kläger habe machen können. Im Übrigen habe Herr B., Betriebsratsmitglied und Lagerleiter, dem Betriebsratsgremium gegenüber auf die Betriebsablaufstörungen verwiesen. Da allein 6 Mitglieder des Betriebsrates im Lager beschäftigt seien, sei der Betriebsrat eingehend mit der Problematik, die sich aus dem häufigen Fehlen des Klägers ergeben habe, aus eigener Anschauung vertraut gewesen. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte in der Betriebsratsanhörung nicht ausdrücklich zu den Betriebsablaufstörungen vortragen müssen. Die Fehlzeiten des Herrn M. seien unbeachtlich, da dieser angesichts seiner Betriebszugehörigkeit sowie seines Lebensalters nicht mit dem Kläger vergleichbar sei. Die krankheitsbedingte Kündigung sei auch begründet, da sich aus der Vielzahl der Krankheitsursachen sowie der Anzahl der Fehlzeiten eine negative Zukunftsprognose ergebe. Diese negative Gesundheitsprognose habe der Kläger nicht widerlegt. Da die bei Ausfallzeiten von Gabelstaplerfahrern einzusetzenden Kommissionierer eine erheblich geringere Leistung erbringen würden als ein geübter Gabelstaplerfahrer, verursachten die häufigen Fehlzeiten des Klägers empfindliche Störungen des Betriebsablaufes mit darauf zurückzuführenden langsameren Auftragsabarbeitungszeiten und sonstigen Reibungsverlusten. Das sei für die Beklagte nicht mehr zumutbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster - 4 Ca 1335 b/03 - vom 15.01.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklage beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil in jeder Hinsicht für zutreffend. Seines Erachtens ist die Betriebsratsanhörung mangels Mitteilung von Betriebsablaufstörungen nicht ordnungsgemäß. Das gelte auch unter Berücksichtigung etwaiger Kenntnisse einzelner Betriebsratsmitglieder betreffend die Vertretungssituation im Lager. Auf Fehlzeiten des Klägers zurückzuführende Betriebsablaufstörungen seien nicht existent. Jedenfalls seien etwaige Betriebsablaufstörungen nicht ausschließlich auf sein Fehlen zurück zu führen. Im Übrigen gäbe es keinen Anlass zur ernsthaften Besorgnis weiterer Erkrankungen. Die einzelnen Krankheitsursachen seien ausgeheilt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlichen vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 01.09.2004 sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache blieb der Berufung jedoch der Erfolg versagt. Die Kündigung ist zwar nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Sie ist aber als krankheitsbedingte Kündigung sozial nicht gerechtfertigt. Zum kündigungsrechtlich relevanten Sachverhalt der wirtschaftlichen und betrieblichen Beeinträchtigungen der Beklagten durch die Fehlzeiten des Klägers ist dem Betriebsrat nichts mitgeteilt worden, mit der Folge, dass die Beklagte ein diesbezügliches Vorbringen nicht im Kündigungsschutzprozess nachschieben darf. Der vor diesem Hintergrund verbleibende verwertbare Sachverhalt rechtfertigt die Kündigung nicht.

1) Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

a)

Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Die Betriebsratsanhörung hat eine objektive und eine subjektive Seite. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nur diejenigen Kündigungsgründe mitteilen, auf die er die Kündigung stützen will; die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend gewesen sind. Eine bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Gründe hat nicht die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG zur Folge. Denn Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG ist es, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, ohne eigene zusätzliche Ermittlungen anstellen zu müssen, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht aus der Sicht der Arbeitnehmerseite dem Arbeitgeber zur Kenntnis zu bringen, damit dieser bei seiner Entscheidung die Stellungnahme des Betriebsrates, insbesondere dessen Bedenken oder dessen Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung, berücksichtigen kann. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, benötigt der Betriebsrat nicht die Kenntnis von Tatsachen, die für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung gewesen sind (BAG v. 24.11.1983 - 2 AZR 347/82 = AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972; BAG v. 07.11.2002 - 2 AZR 599/01 - m.w.N, vgl. auch BAG vom 7.11.2002 - 2 AZR 599/01 - zitiert nach Juris).

Eine andere Frage ist, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess noch Tatsachen nachschieben darf, die ihm zum Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits bekannt gewesen sind, zu denen er aber den Betriebsrat nicht angehört hat (BAG vom 24.11.1983, a.a.O.). Eine in diesem Sinne objektiv unvollständige Anhörung verwehrt es dem Arbeitgeber allerdings, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhaltes hinausgehen( BAG vom 7.11.2002 - 2 AZR 599/01) - siehe hierzu unter 3).

b)

Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat die Beklagte nicht gegen § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verstoßen. Sie hat dem Betriebsrat als Kündigungsgrund nicht nur "häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten" genannt, sondern diese durch Überreichung einer Anlage im Einzelnen auch spezifiziert. Dieser Anlage ist zu entnehmen, wie oft und wie lange der Kläger jeweils in der Zeit von März 1994 bis Ende Mai 2003 arbeitsunfähig erkrankt war und deshalb seine Arbeitsleistung nicht erbracht hat. Mit dieser Mitteilung gegenüber dem Betriebsrat hat die Beklagte ein Gesamtbild der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers seit 1994 gezeichnet. Sie hat durch die Auflistung deren Häufigkeit und die krankheitsbedingt ausgefallenen Arbeitstage zum Ausdruck gebracht. Sie hat mit der Einleitung des Anhörungsverfahrens signalisiert, dass sie aus den bisherigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers für sich die Besorgnis weiterer Erkrankungen in der Zukunft ableitet und die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses deshalb nicht mehr für zumutbar hält. Dieses Vorbringen ist ausreichend, da sich die Beklagte zur Begründung ihrer Kündigung ersichtlich auf das Gesamtbild häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten seit dem Jahre 1994 stützen wollte.

c)

Die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist vorliegend auch nicht deshalb als fehlerhaft anzusehen, weil die Beklagte dem Betriebsrat keinerlei Angaben zu den Entgeltfortzahlungskosten gemacht hat. Gegenüber dem Betriebsrat fehlen insoweit jegliche Informationen seitens der Beklagten. Die Beklagte hat dem Betriebsrat weder die Höhe der Entgeltfortzahlungskosten in einem Gesamtbetrag, noch aufgeschlüsselt nach Entgeltfortzahlungszeiträumen mitgeteilt.

aa)

Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ist a) die Darlegung häufiger Kurzerkrankungen in der Vergangenheit mit der sich daraus ergebenden Folge einer negativen Zukunftsprognose sowie b) - als Teil des Kündigungsgrundes - das Vorhandensein einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch erhebliche wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers, etwa zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer derartigen erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen (BAG v. 07.11.2002 - 2 AZR 599/01 = AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 - Krankheit).

bb)

Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab ergibt sich aus der Tatsache, dass die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat keinerlei Angaben zur Höhe der Entgeltfortzahlungskosten für die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers gemacht hat, dass diese sich gegenüber dem Betriebsrat zur Rechtfertigung der krankheitsbedingten Kündigung nicht auf das Vorliegen erheblicher Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen durch wirtschaftliche Belastungen in Form von Entgeltfortzahlungskosten berufen hat und berufen wollte. Das macht die Anhörung nach § 102 BetrVG vorliegend nicht fehlerhaft, weil eine im Sinne der Rechtsprechung des BAG (07.11.2002 - 2 AZR 599/01) nur unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Es ist dem Arbeitgeber lediglich verwehrt, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen.

Will ein Arbeitgeber die krankheitsbedingte Kündigung im Kündigungsschutzverfahren bei der Darlegung einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen auf erhebliche wirtschaftliche Belastungen durch Entgeltfortzahlungskosten stützen, muss er dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren im Rahmen seiner Unterrichtungspflicht Angaben zu den aufgelaufenen Entgeltfortzahlungskosten machen. Unterlässt er dieses, kann er sich im anschließenden Kündigungsschutzprozess zur Rechtfertigung der Kündigung nicht auf erhebliche wirtschaftliche Belastungen durch hohe Entgeltfortzahlungskosten als Teil des Kündigungsgrundes berufen, da er im Anhörungsverfahren nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass wirtschaftliche Belastungsgesichtspunkte durch Entgeltfortzahlungskosten aus seiner subjektiven Sicht für seinen Kündigungsentschluss maßgebend waren.

cc)

Da sich eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen jedoch auch aus anderen als den rein wirtschaftlichen Belastungsgesichtspunkten ergeben kann, führt allein das Fehlen jeglicher Angaben zur Höhe der Entgeltfortzahlungskosten nicht zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG.

d)

Auch die Tatsache, dass die Beklagte dem Betriebsrat gegenüber keine sonstigen Angaben zum Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen gemacht hat, macht vorliegend die Kündigung nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. In der Offenlegung der wiederholten krankheitsbedingten Fehlzeiten und der einzelnen Zeiträume kann zugleich die unausgesprochene Erklärung des Arbeitgebers gesehen werden, für ihn sei die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses wegen der damit verbundenen negativen Auswirkungen nicht mehr möglich oder zumutbar. Aus der Sicht der Arbeitnehmerseite ist es dem Betriebsrat insoweit durchaus objektiv möglich, sich zu dieser geäußerten subjektiven Bewertung des Arbeitgebers zu äußern, die Stichhaltigkeit der genannten Kündigungsgründe zu überprüfen und entsprechende Einwendungen zu erheben.

3)

Die Kündigung ist allerdings nicht aus personenbedingten Gründen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, da die Betriebsratsanhörung hinsichtlich der Mitteilung einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen objektiv unvollständig war und es der Beklagten nunmehr verwehrt ist, im Kündigungsschutzprozess diesbezüglichen Tatsachenvortrag nachzuschieben.

a)

Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes dürfen vom Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess nur Tatsachen nachgeschoben werden, die ohne den Kündigungssachverhalt wesentlich zu verändern, nur der Erläuterung und Konkretisierung der dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe dienen. Im Übrigen sind nachgeschobene Tatsachen, die dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden sind, grundsätzlich zumindest dann nicht zu verwerten, wenn sie dem Arbeitgeber bereits vor der Einleitung des Anhörungsverfahrens bekannt gewesen sind, dem mitgeteilten Kündigungssachverhalt überhaupt erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere, selbständig zu würdigende Kündigungsgründe betreffen (BAG v. 24.11.1983 - 2 AZR 347/82 = AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972 m.w.N).

Bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen kommt es darauf an, ob zum Zeitpunkt der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen rechtfertigen. Dabei ist zur Kündigung nur ein Sachverhalt geeignet, der die betrieblichen Interessen unzumutbar beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ist bereits Teil des Kündigungsgrundes (BAG a.a.O; BAG v. 07.11.2002; 2 AZR 599/01 = AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit m.w.N). Trägt der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht die Tatsachen vor, aus denen sich eine erhebliche Beeinträchtigung und/oder wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers aufgrund der Fehltage und der zu erwartenden Ausfallzeiten ergeben sollen, unterlässt er es, dem Betriebsrat einen Teil des Kündigungsgrundes mitzuteilen. Bei den vom Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess nachgeschobenen Tatsachen, aus denen sich die betrieblichen Beeinträchtigungen und wirtschaftlichen Belastungen ergeben sollen, handelt es sich dann nicht um eine Erläuterung und Substantiierung des Kündigungsgrundes, sondern um einen erstmaligen Vortrag eines Sachverhaltes, mit dem zusammen der dem Betriebsrat vorgetragene Sachverhalt erst kündigungsrechtlich relevant wird. Aus diesem Grunde ist in einem solchen Fall das Nachschieben der wirtschaftlichen und betrieblichen Beeinträchtigungen des Arbeitgebers unzulässig mit der Folge, dass der Klage stattzugeben ist, weil der verwertbare Sachverhalt die Kündigung nicht rechtfertigt (BAG v. 24.11.1983, 2 AZR 347/82 AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972).

b)

Vorliegend hat die Beklagte im Zusammenhang mit der Betriebsratsanhörung vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung den Betriebsrat nichts zu den betrieblichen Beeinträchtigungen und den wirtschaftlichen Belastungen mitgeteilt. Ausweislich des Anhörungsschreibens wurde vielmehr ausschließlich eine Fehlzeitenliste, aufgegliedert nach einzelnen Fehlzeiten und Entgeltfortzahlungszeiträumen ohne Angabe der Vergütungshöhe des Klägers sowie der einzelnen Entgeltfortzahlungskosten oder der Gesamtsumme der Entgeltfortzahlungskosten überreicht. Es hat auch keine mündliche Ergänzung dieser Betriebsratsanhörung gegeben. Über betriebliche und wirtschaftliche Beeinträchtigungen ist zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten schlicht nicht kommuniziert worden. Damit ist insoweit ein Teil des Kündigungsgrundes, der im Prozess vorgetragen wurde, dem Betriebsrat nicht genannt worden.

c)

Ausnahmsweise ist ein Nachschieben der wirtschaftlichen und/oder betrieblichen Beeinträchtigungen des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess dann zulässig, wenn der Betriebsrat den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers und die Folgen der wiederholten Ausfälle genau kennt. In einem solchen Fall kann die Angabe der Fehlzeiten ausnahmsweise ein ausreichender Hinweis auf die betrieblichen Auswirkungen sein (BAG v. 24.11.1983 - 2 AZR 347/82 m.w.N). Ist dem Betriebsrat der Kündigungssachverhalt bekannt, braucht der Arbeitgeber ihm diesen bei der Anhörung nach § 102 BetrVG nicht erneut mitzuteilen. Hat der Betriebsrat den erforderlichen Kenntnisstand, um sich über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe ein Bild zu machen, wäre es eine kaum verständliche Förmelei, vom Arbeitgeber dann gleichwohl noch eine detaillierte Begründung zu verlangen (BAG v. 28.08.2003 - 2 AZR 377/02 - zitiert nach Juris). Braucht der Arbeitgeber aufgrund der Vorkenntnisse des Betriebsrates im Rahmen des Anhörungsverfahrens bestimmte Sachverhalte nicht mehr ausdrücklich mitzuteilen, verhindern diese Vorkenntnisse ausnahmsweise, dass ein nachgeschobener Tatsachenvortrag zu Teilen des Kündigungsgrundes als ausgeschlossen gilt. Allerdings spricht keine Erfahrungsregel dafür, dass der Betriebsrat Kenntnis von den betrieblichen und wirtschaftlichen Belastungen infolge der Fehlzeiten hat (BAG vom 24.11.1983 - 2 AZR 347/082). Dass der Betriebsrat derartige Vorkenntnisse hatte, muss der Arbeitgeber im Prozess hinreichen konkret darlegen und beweisen (BAG v. 28.08.2003 - 2 AZR 377/02 m.w.N).

d)

Auch unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Situation ist vorliegend der Beklagten ein Nachschieben der wirtschaftlichen und betrieblichen Beeinträchtigungen verwehrt. Es ist nicht erkennbar und auch seitens der Beklagten nicht substantiiert vorgetragen, dass der Betriebsrat die Folgen der wiederholten Ausfälle des Klägers kannte und sich damit bei seiner Entscheidungsfindung auseinandergesetzt hat.

aa)

Nach dem Wortlaut des Anhörungsschreibens hat die Beklagte dem Betriebsrat lediglich die im Einzelnen aufgeschlüsselten Fehlzeiten seit 1994 als Kündigungsgrund mitgeteilt. Das Anhörungsschreiben enthält keinerlei Auswertungen dieser tatsächlichen Fehlzeiten. Dem Wortlaut, dem Sachzusammenhang, vor allem dem Anlass der Betriebsratsanhörung ist lediglich zu entnehmen, dass die Beklagte aufgrund der im Einzelnen aufgelisteten Fehlzeiten und Entgeltfortzahlungszeiträume die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht für weiter zumutbar hält und deshalb das Arbeitsverhältnis beenden will. Wie sich die Fehlzeiten des Klägers auswirken und worauf die Unzumutbarkeit aus Sicht der Beklagten beruht, ist dem Wortlaut des Anhörungsschreibens nicht zu entnehmen. Auch aus der Reaktion des Betriebsrates lassen sich keine Rückschlüsse daraus ziehen, womit sich der Betriebsrat im Zusammenhang mit dem Kündigungsbegehren auseinandergesetzt hat. Der Betriebsrat hat vielmehr keine inhaltliche Stellungnahme abgegeben, sodass auch aus dem Sachzusammenhang heraus nicht feststellbar ist, ob und ggf. welche betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen der Betriebsrat bezogen auf die Fehlzeiten des Klägers kannte und ob und womit er sich in diesem Zusammenhang auseinandergesetzt hat. Damit lässt sich aus dem Anhörungsschreiben sowie der Reaktion des Betriebsrates nicht feststellen, ob und vor allem mit welchem konkreten Inhalt der Betriebsrat über die betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen in Folge der Fehlzeiten des Klägers informiert war.

bb)

Ein Nachschieben der Entgeltfortzahlungskosten als unzumutbare Belastung ist unzulässig, da die Beklagte die Höhe dieser aufgelaufenen Kosten dem Betriebsrat unstreitig nicht mitgeteilt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch nicht davon auszugehen, dass der Betriebsrat bzw. maßgebliche Betriebsratsmitglieder diese wirtschaftlichen Folgen der Fehlzeiten des Klägers kannten und ausgewertet haben. Hierfür fehlt jeglicher substantiierter Sachvortrag.

Erst recht kann nicht vom Betriebsrat verlangt werden, dass er sich das Ausmaß der wirtschaftlichen Beeinträchtigungen des Arbeitgebers durch die Fehlzeiten des zu kündigenden Arbeitnehmers, das Teil des Kündigungsgrundes darstellt, vorliegend selbst ermittelt bzw. selbst hätte ermitteln können, sodass es deshalb als bekannt und damit nicht ausdrücklich nennenswert vorauszusetzen wäre. Will der Arbeitgeber sich im Kündigungsschutzprozess als Teil des Kündigungsgrundes darauf berufen, dass die häufigen Kurzerkrankungen in Folge hoher Entgeltfortzahlungskosten zu nicht mehr tragbaren wirtschaftlichen Belastungen führen, so muss er dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren die Höhe der aufgelaufenen Entgeltfortzahlungskosten mitteilen. Jedenfalls muss er dem Betriebsrat mindestens im Anhörungsbogen und sei es nur bei den persönlichen Daten, die durchschnittliche monatliche Vergütung oder die Lohngruppe, in die der zu kündigende Arbeitnehmer einzugruppieren ist, und die einzelnen Entgeltfortzahlungszeiträume benennen, damit sich der Betriebsrat einen Überblick über die Entgeltfortzahlungskosten verschaffen kann. Im Kündigungsprozess kann der Arbeitgeber nicht darauf verweisen, der Betriebsrat habe Zugang zu betrieblichen Unterlagen gehabt, aus denen er die individuelle Vergütungshöhe des zu kündigenden Arbeitnehmers ermitteln und sich so die Entgeltfortzahlungskosten selbst ausrechnen konnte, so dass konkrete Angaben entbehrlich seien. Der Betriebsrat ist nicht verpflichtet, ohne erkennbaren Anlass die Tatsachen, die für den Arbeitgeber ggf. im Kündigungsschutzprozess kündigungsrelevant sein könnten, weil sie Teil des Kündigungsgrundes sind, selbst zu ermitteln.

Da vorliegend die Beklagte im Zusammenhang mit der Betriebsratsanhörung weder die durchschnittliche Vergütungshöhe, noch die Eingruppierung des Klägers, noch die tatsächlich aufgelaufenen Entgeltfortzahlungskosten, sei es in der Endsumme, sei es in Einzelsummen, gegenüber dem Betriebsrat genannt hat, ist es ihr verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess zur Darlegung einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen in Form nicht mehr zumutbarer wirtschaftlicher Belastungen auf die Entgeltfortzahlungskosten, die die Fehlzeiten des Klägers verursacht haben, zu berufen.

cc)

Vorliegend darf die Beklagte auch die sonstigen, im Prozess angeführten betrieblichen Beeinträchtigungen aus Anlass von Fehlzeiten (Einsatz von Kommissionierern, geringere Produktivität etc) nicht ausnahmsweise deshalb nachschieben, weil sie als beim Betriebsrat bekannt vorausgesetzt werden konnten. Von letzterem kann nicht ausgegangen werden.

Zwar haben 6 von 11 Betriebsratsmitgliedern, darunter der Lagerleiter, den Arbeitsplatz des zu kündigenden Arbeitnehmers gekannt und auch sicherlich unzweifelhaft Auswirkungen von Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers zu spüren bekommen. Gleichwohl reicht dieses im vorliegenden Fall nicht aus, um davon ausgehen zu können, dass dem Betriebsrat die konkreten betrieblichen Auswirkungen der Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers hinreichend bekannt waren. Unstreitig ist das Gabelstaplerpersonal nur selten vollständig. Unstreitig springen die Kommissionierer für die Gabelstapler bei Abwesenheitszeiten - worauf diese auch immer beruhen - regelmäßig ein. Unstreitig hat darüber hinaus der Gabelstaplerfahrer M. ebenfalls krankheitsbedingte Fehlzeiten aufzuweisen, die der Größenordnung des Klägers entsprechen. Auch er verursacht mithin Betriebsablaufstörungen. Bei einer derartigen Fallkonstellation musste die Beklagte die dem Kläger zuzurechnenden Betriebsablaufstörungen gegenüber dem Betriebsrat benennen, um sie in den Kündigungsschutzprozess einführen zu können.

Auch wenn Betriebsratsmitglieder den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers kennen, ist im Anhörungsverfahren ein Vortrag des Arbeitgebers zu betrieblichen Beeinträchtigungen und / oder wirtschaftlichen Belastungen nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn feststeht, dass diese Auswirkungen nur auf die Fehlzeiten des zu kündigenden Arbeitnehmers, nicht aber auf sonstige Umstände oder Fehlzeiten anderer Personen zurückzuführen sind. Nur dann kann ausnahmsweise davon ausgegangen werden, dass auch ohne konkrete Nennung durch den Arbeitgeber von diesem ggf. gedachte, aber nicht geäußerte Teile des Kündigungsgrundes identisch sind mit denen, die der Betriebsrat kannte und in Kenntnis des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers bei seiner Entscheidung ggf. zugrunde gelegt hat. Steht fest, dass zusätzlich zu hohen Abwesenheitszeiten des zu kündigenden Arbeitnehmers beträchtliche krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten anderer Arbeitnehmer in der gleichen Abteilung zu verzeichnen sind, muss der Arbeitgeber im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zumindest grob vortragen, welche Folgen der wiederholten Ausfälle er dem zu kündigenden Arbeitnehmer zuordnet und das bzw. warum er deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für unzumutbar hält. Unterbleibt ein diesbezüglicher Vortrag des Arbeitgebers im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der den Arbeitplatz des Arbeitnehmers kennende Betriebsrat die Folgen der wiederholten Ausfälle genau kennt. Ist ein diesbezüglicher differenzierter Vortrag zu den betrieblichen Beeinträchtigungen seitens des Arbeitgebers im Anhörungsverfahren unterblieben, ist es dem Arbeitgeber verwehrt, im anschließenden Kündigungsschutzprozess betriebliche Beeinträchtigungen nachzuschieben.

Bereits aus diesem Grunde kann das Vorbringen der Beklagten zu den sonstigen betrieblichen Beeinträchtigungen, anlässlich der Fehlzeiten des Klägers in Form des Erfordernisses des Einsatzes von Kommissionierern und deren geringerer Leistungskapazität als Gabelstapler nicht als verwertbarer Sachverhalt zur Rechtfertigung der krankheitsbedingten Kündigung berücksichtigt werden.

dd)

Im Übrigen ist nicht von der Beklagten substantiiert vorgetragen, von welchen Vorkenntnissen der Betriebsrat bzgl. der Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, verursacht durch die Fehlzeiten des Klägers, ausgegangen ist bzw. ausgegangen sein soll.

Dass der Betriebsrat derartige Vorkenntnisse hatte, ist seitens des Arbeitgebers im Prozess hinreichend konkret darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG v. 28.08.2003 - 2 AZR 377/02). Letzteres ist vorliegend nicht hinreichend substantiiert geschehen. Die Beklagte hat nur vorgetragen, dass Betriebsratsmitglied B. (Lagerleiter) habe das Gremium über die Betriebsablaufstörungen informiert (Bl. 26/56 d. A.). Der diesbezügliche Vortrag ist jedoch bezogen auf vom Kläger verursachte Betriebsablaufstörungen unsubstantiiert. Der Betriebsrat hat auch keine Stellungnahme abgegeben, die auslegungsfähig wäre und Rückschlüsse auf seine Kenntnisse und Entscheidungsfindung erlauben würde. Mangels Dokumentation im Anhörungsbogen verfügte er nachweisbar definitiv nur über Kenntnisse bzgl. der genannten Fehlzeiten und der einzelnen Entgeltfortzahlungszeiträume. Das erlaubte ihm dahingehende Rückschlüsse, dass wiederholte Kurzerkrankungen feststellbar sind, sowie wiederholtes Anfallen von Entgeltfortzahlungskosten. Es finden sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, welche betrieblichen Beeinträchtigungen der Betriebsrat den Fehlzeiten des Klägers als Gabelstapler im Lager zugeordnet hat und anlässlich erheblicher Abwesenheitszeiten anderer Gabelstapler zuordnen konnte. Welche Vorkenntnisse des Betriebsrates Grundlage im Anhörungsverfahren gewesen sein sollen, lässt sich weder dem Anhörungsbogen entnehmen, noch dem Vortrag der Beklagten. Den Zeugen B. hierzu zu befragen, hieße, ihn dahingehend auszuforschen, was dem Betriebsrat als dem Kläger zuzurechnende, von der Beklagten nicht erwähnte und damit nicht eingegrenzte Betriebsablaufstörungen zugrunde gelegt hat. Eine diesbezügliche Beweisaufnahme durchzuführen, hieße, einen unzulässigen Ausforschungsbeweis vorzunehmen. Das pauschale Vorbringen der Beklagten, das Betriebsratsmitglied B. habe das Gremium über die Betriebsablaufstörungen informiert, erfüllt daher nicht die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten. Es ist mithin unsubstantiiert.

4)

Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund hätte die Beklagte vorliegend die konkreten Umstände, die aus ihrer Sicht zu einer unzumutbaren betrieblichen Belastung durch die Fehlzeiten des Klägers geführt haben sollen, im Anhörungsverfahren anführen müssen, um sie im nachfolgenden Prozess verwertbar zu machen. Das ist nicht geschehen. Das hat zur Folge, dass ein Nachschieben der wirtschaftlichen und betrieblichen Beeinträchtigungen der Beklagten aufgrund der Fehlzeiten des Klägers unzulässig ist. Damit sind betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigungen des Arbeitgebers anlässlich der Fehlzeiten des Klägers vorliegend nicht als existent anzusehen. Der noch verwertbare Sachverhalt rechtfertigt die Kündigung nicht. Es fehlt ein Teil des seitens der Beklagten darzulegenden Kündigungsgrundes.

Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob es sich bei den Fehlzeiten des Klägers um erhebliche Fehlzeiten handelt, aus denen sich eine negative Zukunftsprognose ableiten lässt. Die Beklagte geht vorliegend davon aus, der Kläger habe die sich aus den Fehlzeiten des Klägers ergebende negative Gesundheitsprognose zu widerlegen. Das ist unzutreffend. Der Arbeitnehmer muss die negative Gesundheitsprognose lediglich erschüttern ( vgl. BAG v. 07.11.2002 - 2 AZR 599/01). Ob die sich aus den erheblichen, über lange Jahre hinziehenden Fehlzeiten des Klägers ergebende negative Zukunftsprognose durch den pauschalen Vortrag des Klägers, die Einzelerkrankungen seien ausgeheilt, künftig sei nicht mehr mit solchen krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen, unter Einbeziehung der von ihm zur Akte gereichten ärztlichen Stellungnahmen als hinreichend erschütternd einzuordnen ist, erscheint der Berufungskammer höchst fraglich, da eine gewisse Krankheitsanfälligkeit des noch jungen Klägers ersichtlich ist. Hierauf kommt es vorliegend jedoch nicht mehr an.

5)

Insgesamt war daher die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Revision war gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, da es sich bzgl. der Frage, ob ausnahmsweise im Anhörungsverfahren die Nennung betrieblicher Beeinträchtigungen durch Fehlzeiten des Arbeitnehmers entbehrlich ist, wenn der Betriebsrat zwar den Arbeitsplatz des Arbeitsnehmers und Folgen von Arbeitnehmerausfällen kennt, aber nicht nur der zu kündigende Arbeitnehmer diese Ausfallfolgen verursacht, um eine noch nicht geklärte entscheidungserhebliche Rechtsfrage handelt.

Ende der Entscheidung

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