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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 218/07
Rechtsgebiete: KSchG, GewO, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
GewO § 106
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 218/07

Verkündet am 19.09.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 19.09.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht .. als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.04.2007 - 2 Ca 348/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Die am ....1958 geborene ledige Klägerin ist seit dem 01.10.1992 als Verkäuferin mit einer Kassiertätigkeit bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das den Handel mit Fotoartikeln und die Durchführung von Fotoarbeiten zum Gegenstand hat. Sie unterhält eine Vielzahl von Filialen, unter anderem in Hamburg, Kiel und Lübeck. Die Firmenzentrale mit dem Sitz der Geschäftsleitung befindet sich in B. . Dort ist auch die Personalabteilung, in der die Personalentscheidungen getroffen werden.

Die Klägerin ist in einer von zwei in L. befindlichen Filialen eingesetzt. Diese hatten bis Ende Januar 2007 noch eine Personalstärke von rechnerisch insgesamt 10,8 Vollzeitbeschäftigten. Die Klägerin war schwerpunktmäßig als Fotoverkäuferin tätig. Unter Ziffer 1 Abs. 5 ihres Arbeitsvertrages heißt es:

"Der AN verpflichtet sich, nach Bedarf auch andere Arbeiten zu übernehmen und sich ggf. in eine andere Abteilung oder in eine andere Betriebsstätte versetzen zu lassen." (Bl. 4 f d.A.).

In der Zeit vom 01.05.2003 bis zum 31.12.2003 wurde die Klägerin in der Filiale der Beklagten im Hamburger Hauptbahnhof eingesetzt.

Im Dezember wurde der Klägerin als Ergänzung ihres Arbeitsvertrages eine Stellenbeschreibung vorgelegt, nach der unter anderem ihre Stelle als "Fotofachverkäufer/in / Fotoverkäufer/in" bezeichnet wird (Anlage B1 - Bl. 19 f d.A.). Die Stellenbeschreibung wurde von der Klägerin am 13.12.2006 gegengezeichnet. Zeitgleich erhielten alle Verkäufer der Beklagten eine solche Vertragsergänzung zur Unterzeichnung. Darin ist als besondere Aufgabe des Fotofachverkäufers eine Spezialisierung auf den Verkauf aller Produkte der Digitalfotografie einschließlich spezieller entsprechender Versicherungen festgelegt. Nachdem die Klägerin bei dieser Gelegenheit gegenüber der Personalleiterin zum Ausdruck gebracht hatte, von der Technik und den Digitalkameras sowie den Versicherungen zu geringe Kenntnisse zu haben, um in diesem neuen Berufsbild voll einsetzbar zu sein, wurde sie weiterhin entsprechend ihrem ursprünglichen Tätigkeitsprofil eingesetzt.

Aus Anlass der Umsatzentwicklung sowie rückläufiger Kundenanzahl - beides ist streitig - beschloss die Geschäftsführung im Januar 2007 zur Kostenreduzierung ihre Betriebsorganisation zu ändern. Sie reduzierte den Personalschlüssel der Filialen in L. von 10,8 auf rechnerisch 6,7 Vollbeschäftigte. Zur Umsetzung dieser Maßnahme führte sie am 29.01.2007 eine "Sozialauswahl L." durch (Bl. 21 d.A.), die Grundlage der am 31.01.2007 gegenüber der Klägerin ausgesprochenen ordentlichen Kündigung zum 30.06.2007 war. Filialübergreifend erstellte die Beklagte zudem im Laufe des Verfahrens eine Aufstellung der aus ihrer Sicht mit der Klägerin vergleichbaren Arbeitnehmer (Bl. 17 d.A.). Dabei erfasste sie nur Mitarbeiterinnen, die aus ihrer Sicht keine Tätigkeit als Fotofachverkäuferin, vielmehr nur eine Tätigkeit als Fotoverkäuferin erbringen. Drei aufgelistete Arbeitnehmerinnen haben eine geringere Anzahl an "Sozialpunkten". Ihnen ist jedoch nicht vorrangig gekündigt worden. Die Beklagte hat eingeräumt, sie habe auch andere sozial weniger schutzwürdige Arbeitnehmer in den einzelnen Filialen (Bl. 47,53 d.A.), die aber angesichts einer real ausgeübten Tätigkeit als Fotofachverkäuferin nicht mit der Klägerin vergleichbar seien.

Die Beklagte schult bei Produktveränderungen ihre Mitarbeiter hausintern in der Gestalt, dass sie den Filialen per Rundschreiben Produktinformationen übermittelt, Vorgesetzte Einweisungen erteilen oder ein Einsatz im Tagesgeschäft unter Anleitung des Vorgesetzten oder eines Kollegen (Training on the job) erfolgt. So geht sie seit Frühjahr 2006 vor. Eine Entsendung der Mitarbeiter auf externe Schulungsveranstaltungen erfolgt nur im Ausnahmefall.

Nachdem die Klägerin am 31.01.2007 die ordentliche Kündigung erhalten hatte, erhob sie fristgemäß am 06.02.2007 Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Sozialauswahl sei nicht ordnungsgemäß gewesen, da die Beklagte auch die Arbeitnehmer, die in der Filiale der W. des Hamburger Hauptbahnhofs tätig waren, mit habe einbeziehen müssen. Die Gesamtgruppe der Verkäufer, ohne Differenzierung zwischen Fotoverkäufer und Fotofachverkäufer, bilde den auswahlrelevanten Personenkreis. Insoweit gebe es unstreitig weniger schutzwürdige Mitarbeiter als die Klägerin, denen vorrangig habe gekündigt werden müssen. Überdies habe die Beklagte die Klägerin kraft Direktionsrechtes als Fotofachverkäuferin einsetzen können. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil vom 19.04.2007 verwiesen.

Gegen diese der Beklagten am 27.04.2007 zugestellte Entscheidung legte sie am 21.05.2007 Berufung ein, die am 27.06.2007 begründet wurde.

Die Beklagte ergänzt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie trägt vor, die Klägerin sei nicht mit den sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmern vergleichbar, denn bei diesen handele es sich um Fotofachverkäufer. Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts habe sie sehr wohl zwischen Fotoverkäufern und Fotofachverkäufern unterschieden. Da die Klägerin ihre Defizite in den Bereichen Technik, Digitalkameras und Versicherungen nicht bestritten habe, sei unstreitig, dass sie nicht als Fotofachverkäuferin einsetzbar sei. Die Beklagte habe der Klägerin durchaus entsprechende Schulungen angeboten, die diese jedoch nicht genutzt habe bzw. die erfolglos geblieben seien. Nach Aufgaben- und Tätigkeitsbereich seien sieben Arbeitnehmer mit der Klägerin vergleichbar. Hiervon seien zwei weniger als die Klägerin schutzbedürftige, in Hamburg tätige Arbeitnehmerinnen wegen der Fahrzeit von mehr als 1 Stunde 30 Minuten aus der Sozialauswahl herausgenommen worden, da die Beklagte die Klägerin insoweit nicht mittels ihres Direktionsrechtes dorthin versetzen könne. Außerdem habe das Alter für die Personengruppe ab etwa 50 Jahren bei der Sozialauswahl eine besondere Bedeutung bekommen, da diese Personengruppe auf dem Arbeitsmarkt für Verkäufer/innen - praktisch keinerlei Chancen mehr habe und deshalb schutzwürdiger sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.04.2007 (2 Ca 348/07) abzuändern und nach den Schlussanträgen der ersten Instanz zu erkennen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck (2 Ca 348/07) zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Die Beklagte habe nicht bei Ausspruch der Kündigung, sondern erst in der Berufungsinstanz im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer zwischen Fotoverkäufern und Fotofachverkäufern unterschieden. Im Übrigen sei diese Unterscheidung obsolet, da unstreitig sämtliche Mitarbeiter eine entsprechend abgeänderte Stellenbeschreibung unterschrieben haben. Hieraus gehe hervor, dass sie alle Mitarbeiter als Fotofachverkäufer bezeichne und daher auch ihre ehemaligen Fotoverkäufer entsprechend einsetzen könne. So seien sowohl in den L. Filialen, als auch in der Filiale im Hamburger Hauptbahnhof sowohl ehemalige Fotoverkäufer, als auch Fotofachverkäufer tätig. Darüber hinaus sei die Klägerin stets bereit gewesen, sich in die neuen Aufgabengebiete einzuarbeiten und sich entsprechenden Schulungsmaßnahmen zu unterziehen. Die Beklagte habe ihr jedoch nichts entsprechendes angeboten und auch nicht abverlangt. Zu keinem Zeitpunkt habe sie sich geweigert, an derartigen Veranstaltungen und Schulungen teilzunehmen. Sie sei nach wie vor dazu bereit. Nach Abschluss solcher entsprechender Schulungen benötige sie vermutlich eine Einarbeitungszeit von höchstens zwei Wochen. Schließlich sei die Sozialauswahl auch deshalb fehlerhaft, weil die ebenfalls in L. beschäftigte Kollegin R. habe gekündet werden müssen. Diese sei wesentlich jünger. Die Sozialwidrigkeit ergebe sich auch aus der unterlassenen Einbeziehung der weiteren Filialen der Beklagten in Kiel und Hamburg.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. In der Sache blieb ihr indes der Erfolg versagt. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 31.01.2007 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat, weil sie sozialwidrig ist. Dem folgt im Ergebnis auch das Berufungsgericht.

1. Die streitgegenständliche Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 - 3 KSchG rechtsunwirksam.

a. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitgebers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen in diesem Sinne gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber diese soziale Auswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG fehlerhaft durchgeführt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kann eine Kündigung auf inner- oder außerbetrieblichen Ursachen beruhen. Danach entsteht das inner- oder außerbetrieblich veranlasste Erfordernis für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG in aller Regel nicht unmittelbar oder allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktionsrückgang usw.), sondern aufgrund einer durch wirtschaftliche oder technische Entwicklungen veranlassten Entscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung). Diese Entscheidung begründet ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt. Zwar muss nicht ein bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein, Voraussetzung ist aber, dass die Organisationsentscheidung ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ist. Ist eine derartige unternehmerische Entscheidung getroffen worden, so ist sie nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige des Kündigungszugangs (BAG v. 22.09.2005 - 2 AZR 208/05 - BB 2006, 1572 ff. (1574) mit einer Vielzahl von Rechtsprechungsnachweisen). Die unternehmerische Entscheidung kann auch ein Gesamtkonzept darstellen, dass sich aus zwei gleichzeitig umgesetzten Veränderungen der bisherigen Organisation zusammensetzt. Das Konzept kann darin bestehen, dass einerseits der bisherige Beschäftigungsbedarf reorganisiert wird, indem die Verteilung der anfallenden Aufgaben auf die Arbeitsplätze verändert wird und den Arbeitnehmern nach einer neuen Struktur anfallende Arbeiten zugewiesen werden. Sie kann zeitgleich verbunden sein mit der Reduzierung der für die betrieblichen Aufgaben zur Verfügung gestellten Arbeitskapazität (BAG a.a.O.).

Die unternehmerische Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, ist hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs "Dauer" zu verdeutlichen, um dem Gericht im Hinblick auf die gesetzlich dem Arbeitgeber auferlegte Darlegungslast eine Überprüfung zu ermöglichen. Insoweit muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat. Der Arbeitgeber muss weiter substanziiert dartun, wie sich die Umsetzung seiner unternehmerischen Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten ausgewirkt hat und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können (BAG v. 17.06.1999 - 2 AZR 522/98 -; BAG v. 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 -, jew. zit. n. Juris).

b. Bereits diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Sie stellt lediglich die Entwicklung des Betriebsergebnisses für 2005 und 2006 im Verhältnis zum Vorjahr und die Anzahl der Kunden in den L. Filialen für 2005 und 2006 sowie Januar und Februar 2007 dar. Welche Auswirkungen dies auf die erwartete Arbeitsmenge und deren Bewältigung durch die verbleibenden Mitarbeiter hat, führt sie nicht aus. Es fehlt jegliches Vorbringen, wie sie ihren neuen Personalschlüssel im Einzelnen entwickelt hat und woraus sich ergeben soll, dass unter Wahrung üblicher Öffnungszeiten mit diesem Personalschlüssel der anfallende Arbeits- und Arbeitszeitbedarf mit dem verbliebenen Personal ohne über obligatorische Leistungen erledigt werden kann. Vorliegend lässt der Vortrag der Beklagten nicht erkennen, wie sich die reduzierte Kundenzahl und der reduzierte Umsatz auf den Bedarf an Mitarbeitern auswirkt, ob ggf. eine Grundlast besteht und ob die übrigen Mitarbeiter, ohne Überstunden leisten zu müssen, den Betrieb aufrechterhalten können.

2. Unabhängig davon ist auch die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG von der Beklagten nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.

a. Die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG erstreckt sich innerhalb des Betriebs nur auf Arbeitnehmer, die miteinander verglichen werden können. Die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer setzt im Einzelnen voraus, dass die unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer auf einem vorhandenen Arbeitsplatz tatsächlich und rechtlich einsetzbar sind. Daher können in die Sozialauswahl nur solche Arbeitnehmer einbezogen werden, deren Aufgabenbereich miteinander vergleichbar ist (tatsächliche Einsetzbarkeit); ferner muss der Arbeitgeber in der Lage sein, den Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz wegfällt, nach den arbeitsvertraglichen Vorgaben kraft Direktionsrecht auf den in Betracht kommenden anderen Arbeitsplatz umzusetzen bzw. zu versetzen (rechtliche Einsetzbarkeit). Schließlich können nur Arbeitnehmer auf derselben Ebene der Betriebshierarchie in die Sozialauswahl einbezogen werden, so genannte horizontale Vergleichbarkeit. Der Aufgabenbereich eines Arbeitnehmers ist gekennzeichnet durch die ausgeübte Tätigkeit und die für den Arbeitsplatz erforderliche Qualifikation. Bei einer nur partiellen Identität der Aufgabenbereiche bedarf es der Prüfung, ob die unmittelbar vom Wegfall der Arbeitsplätze betroffenen Arbeitnehmer mit solchen Arbeitnehmern, die im Betrieb eine vergleichbare Aufgabenstellung inne haben, ausgetauscht werden können (so genannte subjektive Ebene) (BAG v. 24.05.2005 - 8 AZR 398/04 -, zit. n. Juris).

Eine Austauschbarkeit ist aber nur dann anzunehmen, wenn aufgrund der fachlichen Qualifikation des unmittelbar betroffenen Arbeitnehmers oder aufgrund der Art des Arbeitsplatzes eine alsbaldige personelle Einsetzbarkeit nach einer (relativ) kurzen Einarbeitungszeit gegeben ist. Hierbei kann einem aktuellen Stand von Kenntnissen und Fähigkeiten erhebliche Bedeutung zukommen. Ein arbeitsplatzbezogener "Routinevorsprung" hat bei der Frage der Vergleichbarkeit außer Betracht zu bleiben. Welcher Einarbeitungszeitraum dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der beruflichen Vorbildung und dem Lebensalter des Arbeitnehmers. Eine Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern ist ferner nur dann gegeben, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer kraft seines Direktionsrechts einseitig auf den anderen Arbeitplatz versetzen kann (BAG a.a.O.).

b. Diesem rechtlichen Hintergrund hält die von der Beklagten durchgeführte soziale Auswahl unter mehreren Gesichtspunkten nicht stand.

aa. Maßgeblicher Betrieb ist vorliegend die Zentrale in Bremen zusammen mit den Filialen, da die Filialen dann der Zentrale zuzuordnen sind und mit dieser einen Betrieb bilden, wenn sie im Rahmen einer einheitlichen Gesamtorganisation betrieben werden. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, sind die Filialen der Beklagten als unselbstständige Betriebsteile der Zentrale in Bremen zuzuordnen. Alle Personalentscheidungen für die einzelnen Filialen werden unstreitig von der Zentrale in Bremen aus getroffen.

bb. Die Beklagte hätte die Fotofachverkäufer - und damit auch die in Hamburg in der W. eingesetzten - nicht pauschal unter Hinweis auf deren höhere Qualifikation unberücksichtigt lassen dürfen. Aufgrund der Vertragsänderung vom 13.12.2006 gilt die Klägerin formal als Fotofachverkäuferin. Alle ausschließlich im Verkauf eingesetzten Mitarbeiter haben eine diesbezügliche vertragliche Ergänzung erhalten und gegengezeichnet. Rechtlich ergibt sich insoweit eine Vergleichbarkeit der Klägerin mit allen Fotofachverkäufern.

cc. Der Beklagten ist es verwehrt, die Vergleichbarkeit der Klägerin unter subjektiven Gesichtspunkten in Frage zu stellen, weil sie nicht die erforderlichen Kenntnisse für die Tätigkeit einer Fotofachverkäuferin habe. Im vorliegenden Fall war die Klägerin unstreitig kaum mit den Aufgaben einer Fotofachverkäuferin betraut. Diese zusätzliche fachliche Spezialisierung war von ihr arbeitsvertraglich erst seit etwas mehr als einem Monat - rechtlich - geschuldet. Die Vertragsänderung datiert vom 13.12.2006, liegt daher nicht einmal zeitlich zwei Monate vor Ausspruch der Kündigung. Die Klägerin war unstreitig mit den Aufgaben einer Fotofachverkäuferin kaum betraut. Die Beklagte hat sie ihr im Zusammenhang mit der Herbeiführung der Vertragsergänzung nicht verbindlich abverlangt. Nachdem die Klägerin anlässlich der Vertragsergänzung angeführt hat, sie habe ihres Erachtens zu geringe Kenntnisse von der Technik und von den Digitalkameras sowie den Versicherungen, um in diesem neuen Berufsbild voll einsetzbar zu sein, wurde sie seitens der Beklagten nur in dem bisher üblichen, eingeschränkten Berufsbild der Fotoverkäuferin eingesetzt. Noch nicht einmal "learnig by doing" unter Einarbeitung wurde ihr abverlangt. Hieraus folgt bereits, dass unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Klägerin im Vergleich zu diversen anderen Fotofachverkäuferinnen zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bei diesen vorrangig nur ein einsatzbezogener "Routinerückstand" vorliegt. Er hat - wie oben dargelegt - außer Betracht zu bleiben.

dd. Es ist anerkannt, dass dem von der Kündigung bedrohten Arbeitnehmer eine gewisse Einarbeitungszeit zuzugestehen ist, um die Vergleichbarkeit herzustellen (von Hoyningen-Huene/Linck, 14. Auflage, § 1 Rz. 904 f.; BAG a.a.O.). Eine derartige Einarbeitungszeit hat die Beklagte der Klägerin vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung weder gegeben, noch die Inanspruchnahme einer solchen Einarbeitung/Qualifikationserweiterung abverlangt. Die Beklagte hat den betrieblichen Aufgabenbereich der Fotoverkäuferinnen betriebsweit auf den Aufgabenbereich einer "Fotofachverkäuferin" erweitert. Sie hat darüber hinaus für alle Verkäuferinnen entsprechende Arbeitsvertragsergänzungen veranlasst. Das geschah, wie bereits erwähnt, unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung. Vor diesem Hintergrund wäre die Beklagte einerseits verpflichtet gewesen, vor Ausspruch der Kündigung der Klägerin die Qualifikationserweiterung zur Bewältigung des erweiterten Aufgabenbereiches und ihre alsbaldige personelle Einsetzbarkeit als Fotofachverkäuferin nach der Vertragsänderung abzuverlangen. Gleichzeitig wäre sie unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht aber auch verpflichtet gewesen, der Klägerin diese Qualifikationserweiterung durch eine adäquate betriebliche Schulung und Einarbeitung zu ermöglichen. Wenn der Arbeitgeber den Inhalt der geschuldeten Arbeit erheblich verändert, korrespondiert damit zunächst eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung entsprechend einzuarbeiten und verbindlich zu schulen. Er muss ihm zwar keine Umschulung ermöglichen, aber unter klarer Aufzeigung etwaiger künftiger arbeitsvertraglicher Konsequenzen für den Fall des Ignorierens der Schulungs- und Einarbeitsangebote die von ihm geforderte Qualifikationserweiterung einräumen und anbieten. Jedenfalls reicht es nicht aus, allgemeine unverbindliche, die Kenntnis erweiternde Informationsangebote in den Betrieb zu streuen, ohne mit diesem Tun einen Zusammenhang zu etwaigen künftigen personellen Maßnahmen seinerseits herzustellen.

Die Beklagte hat in Anpassung an die veränderte Marktlage die Anforderungen an die Tätigkeit der Klägerin in Bezug auf technische Neuerungen und die neueingeführte Versicherung arbeitsvertraglich erheblich erweitert. Nach Darstellung der Beklagten erfolgten "Schulungen" ihrerseits grundsätzlich nur hausintern, durch Rundschreiben, Einweisungen des Vorgesetzten oder durch den Einsatz im Tagesgeschäft unter Anleitung (Training on the job). Dabei war es in der Vergangenheit stets den Arbeitnehmern überlassen, ob sie sich diesen neuen Anforderungen stellen wollten, oder ob sie sich durch entsprechenden Einsatz auf das in der Vergangenheit übliche Berufsbild der schlichten Fotoverkäuferin zurückziehen wollten. Beides war möglich und beides war arbeitsvertraglich zulässig. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Beklagte den Aufgabenbereich der Verkäufer für alle verbindlich auf den Aufgabenbereich der Fotofachverkäufer ausgedehnt hat, ist der Klägerin jedoch eine Schulung / ein Einsatz im Tagesgeschäft unter Anleitung nicht zuteil geworden, noch nicht einmal verbindlich abverlangt worden, denn sie wurde im bisher üblichen Berufsbild weiterbeschäftigt, ohne das arbeitsvertragliche Konsequenzen in den Raum gestellt wurden.

ee. Zu berücksichtigen ist vorliegend vor allem auch, dass die Beklagte die Klägerin bei Vertragsänderung nicht auf die gravierende Bedeutung der Kenntnisse der Digitalfotografie für den mittelfristigen Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses hingewiesen hat. Der Klägerin ist zu keinem Zeitpunkt deutlich und unmissverständlich mitgeteilt worden, dass die Beklagte spätestens ab der Vertragsänderung vom 13.12.2006 die Bewältigung des Aufgabenbereiches "Verkauf aller Produkte der Digitalfotografie" zur Voraussetzung für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses macht und machen wollte und dass insoweit eine diesbezügliche Einsatzmöglichkeit in kurzer Zeit erwartet werde. Der im Arbeitrecht allgemein geltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (das ultima - ratio - Prinzip) gebietet es jedoch dem Arbeitgeber, vor Ausspruch einer Beendigungskündigung die Bedeutung der formal geänderten Arbeitsbedingungen und deren Auswirkungen im Rahmen einer etwaigen Sozialauswahl auf die Vergleichbarkeit deutlich zum Ausdruck zu bringen. Das ist vorliegend jedoch nicht geschehen.

Damit ist die seitens der Beklagten gewählte Abgrenzung Fotoverkäuferin/Fotofachverkäuferin vorliegend kein zulässiges Auswahlkriterium, um die Vergleichbarkeit zu verneinen.

c. Ungeachtet dessen wären auch die Mitarbeiterinnen R. und B.-H. vorrangig zu kündigen gewesen. Diese sind nach der Auffassung der Beklagten nach altem Aufgaben- und Tätigkeitsbereich mit der Klägerin vergleichbar. Die Kriterien, mittels derer die Beklagte sie dennoch aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer ausgeschlossen hat, halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

aa. Die beiden Filialen in Hamburg-Wandsbek bzw. Hamburg-Eppendorf mit einer Fahrzeit von 1 Stunde 30 Minuten liegen nicht außerhalb des Direktionsbereiches der Beklagten. Eine solche Einschränkung des Direktionsbereiches ist aus dem Arbeitsvertrag nicht ersichtlich. Vielmehr enthält dieser mit Ziffer 1 Abs. 5 eine Klausel, die es der Beklagten erlaubt, die Klägerin an eine andere Betriebsstätte zu versetzen.

bb. Auch eine Ausübungskontrolle nach Maßgabe des § 106 GewO steht einer entsprechenden Versetzung nicht entgegen. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsbedingungen nach bewilligtem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingung nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Zwar können ggf. die Interessen des Arbeitnehmers das Ermessen des Arbeitgebers bei der Versetzung in örtlicher Hinsicht begrenzen. Es kann jedoch offen bleiben, ob das in der vorliegenden Konstellation der Fall ist. Jedenfalls ist es der Beklagten jedoch aufgrund des aus § 242 BGB folgenden Verbotes widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich vorliegend auf die räumliche Entfernung zu berufen. Denn unstreitig wurde die Klägerin in der Zeit vom 01.05.2003 bis 21.12.2003 auch in der Filiale in Hamburg Hauptbahnhof eingesetzt. Wenn die Beklagte sich nunmehr auf den Standpunkt stellt, sie könne die Klägerin wegen der Entfernung zwischen den Lübecker Filialen und den Hamburger Filialen nicht einsetzen, so ist dies ein nicht hinnehmbarer Widerspruch zu ihrem vorangegangenen Verhalten.

cc. Schließlich greift auch das von der Beklagten zur Rechtfertigung der von ihr getroffenen sozialen Auswahl angeführte Kriterium des besonderen Altersschutzes für Mitarbeiterinnen ab etwa 50 Lebensjahren nicht durch. Zunächst fällt auf, dass die Mitarbeiterinnen R. und B.-H. zur Zeit der Kündigung zwar 52,5 bzw. 55,4 Jahre alt waren, während die Klägerin das 50. Lebensjahr noch nicht erreicht hat. Die Klägerin ist mit 48,4 Jahren aber durchaus ebenfalls als "etwa 50 Jahre alt" anzusehen.

Abgesehen davon hat die Beklagte dieses Abgrenzungskriterium ohnehin nicht konsequent angewandt. Wenn ein solcher besonderer Altersschutz herangezogen wird, um ältere Mitarbeiter auf deren geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu schützen, dann muss dieser Schutz auch allen vergleichbaren Arbeitnehmern zuteil werden. Unzulässig ist es jedenfalls, nur einzelne ältere Arbeitnehmer zu schützen und andere vergleichbare ältere Arbeitnehmer aus der gleichen Altersgruppe in der Sozialauswahl zu belassen. Dass es sich bei dem Abgrenzungskriterium "etwa 50 Jahre alt" um kein berücksichtigungsfähiges justiziables Abgrenzungskriterium handelt, ergibt sich vorliegend auch aus der Tatsache, dass die Beklagte der Mitarbeiterin H. gekündigt hat, obgleich diese 58,3 Jahre alt ist. Frau H. hätte also auch dem besonderen Altersschutz zugeordnet werden müssen, wenn die Altersgrenze 50 tatsächlich ein sachliches Auswahlkriterium der Beklagten gewesen sein soll. Gleichwohl wurde ihr die Kündigung erklärt. Die Beklagte ist insoweit im Zusammenhang mit der von ihr angeführten Altersgrenze willkürlich vorgegangen.

3. Nach alledem war der Kündigungsschutzantrag begründet. Der Klage ist zu Recht stattgegeben worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

Ende der Entscheidung

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