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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: 3 Sa 259/08
Rechtsgebiete: BGB, TVöD
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 157 | |
BGB § 611 | |
TVöD § 20 Abs. 2 |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 3 Sa 259/08
Verkündet am 14.01.2009
In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 14.01.2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 22.05.2008 - 1 Ca 413 d/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über eine restliche Sonderzuwendung für 2007 und in diesem Zusammenhang vorrangig darum, ob die Klägerin einen Anspruch kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung aus § 20 Abs. 2 TVöD hat oder nur einen Anspruch aus einem Firmentarifvertrag.
Die Klägerin ist seit dem 01.10.1995 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Klinik W. GbR beschäftigt. Sie ist nicht tarifgebunden. Die damalige Arbeitgeberin, die Klinik W. GbR, war es ebenfalls nicht. § 2 des für die Parteien maßgeblichen Formulararbeitsvertrages vom 24.12.1994 lautet wie folgt:
"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen."
(Anlage 1 - Bl. 5 d. A.)
Die zunächst in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene Klinik W. ist nach diversen im Jahre 2000 eingeleiteten gesellschaftsrechtlichen Zwischenschritten der D. AG zugehörig. Sie wurde sodann unter anderem nach Umfirmierung die jetzige Beklagte. Die D. AG war und ist tarifgebunden. Sie schloss mit Geltungsbereich für die Beklagte mit Datum vom 27.03.2007 mit den Gewerkschaften ver.di und NGG einen Firmentarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung (im Folgenden: Firmen-TV Sonderzahlung). Danach bemisst sich die Höhe einer Sonderzahlung nach der Höhe der Entwicklung des Betriebsergebnisses (EBITDA) des Konzerns der D. AG. Gemäß § 5 Ziffer 12 dieses Tarifvertrages ist Mitgliedern der Gewerkschaften ver.di und der NGG im Jahre 2007 mindestens eine Jahressonderzahlung von 70 % eines durchschnittlichen Monatsgehaltes garantiert, Nichtgewerkschaftsmitgliedern hingegen nur ein wesentlich geringerer Faktor - 2007 hochgerechnet rund 28 % eines durchschnittlichen Monatsgehaltes -. In § 6 TV Sonderzahlung heißt es unter anderem:
"Diese Vereinbarung ersetzt folgende Tarifverträge und tarifliche Regelungen:
§ 20 TVöD/TVöD-Ost
..."
(Anlage 1 - Bl. 65 d. A.).
Die Klägerin erhielt anstelle der früheren Sonderzuwendungszahlungen nach BAT/TVöD als Nichtgewerkschaftsmitglied auf Basis des Firmentarifvertrages für das Jahr 2007 zunächst nur 651,32 EUR brutto. Sie begehrt mit der vorliegenden Klage die Jahressonderzuwendung nach § 20 TVöD in Höhe von 90 % des in den Kalendermonaten Juli, August und September 2007 durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgeltes, das sind 2.326,13 EUR. Mit der vorliegenden, am 4. März 2007 eingegangenen Klage hat die Klägerin daher erstinstanzlich nach außergerichtlicher Geltendmachung vom 17.12.2007 restliche 1.674,81 EUR brutto geltend gemacht (2.326,13 EUR abzüglich 651,32 EUR = 1.674,81 EUR).
Zwischen den Instanzen hat die Beklagte weitere 86,67 EUR brutto gezahlt.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Klausel in ihrem Arbeitsvertrag sei konstitutiv und begründe einen Anspruch auf Erhalt einer Jahressonderzuwendung gemäß § 20 TVöD. Der Firmentarifvertrag sei nicht in Bezug genommen worden. Außerdem enthalte letzterer eine unzulässige Differenzierung zwischen Gewerkschafts- und Nichtgewerkschaftsmitgliedern.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.674,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Klausel um eine Gleichstellungklausel im Sinne der alten BAG-Rechtsprechung handele. Bei diesem Charakter führe ihre Auslegung zur Anwendung des nunmehr am 27.03.2007 geschlossenen Firmentarifvertrages. Die Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern in diesem Tarifvertrag sei zulässig.
Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, der TVöD sei kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anzuwenden. Der Arbeitsvertrag erfasse in ergänzender Auslegung auch den den BAT ersetzenden TVöD. Der Firmentarifvertrag stelle keinen den BAT/TVöD ergänzenden oder ablösenden Tarifvertrag dar, da schon die Tarifvertragsparteien nicht identisch seien. Die D. sei erkennbar kein öffentlicher Arbeitgeber und ebenso wenig wie die Rechtsvorgängerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tarifgebunden gewesen. § 2 des Arbeitsvertrages sei mangels dieser Tarifbindung auch nicht als Gleichstellungsabrede anzusehen. Auf die Frage der Zulässigkeit der Differenzierung zwischen Gewerkschafts- und Nichtgewerkschaftsmitgliedern komme es vorliegend nicht an. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Kiel vom 22.05.2008 verwiesen. Gegen diese der Beklagten am 15.07.2008 zugestellte Entscheidung legte sie am 21.07.2008 Berufung ein, die nach Fristverlängerung bis zum 15.10.2008 am 14.10.2008 per Fax/15.10.2008 im Original begründet wurde.
Sie ergänzt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ihres Erachtens ist aus der Bezugnahme auf den BAT zu schließen, dass die Parteien auch die Ablösung durch einen Firmentarifvertrag vereinbart haben. Es sei unbeachtlich, dass letzterer auch von der Gewerkschaft NGG mit abgeschlossen wurde, da in jedem Fall auch die Gewerkschaft ver.di, die Tarifvertragspartei des öffentlichen Dienstes ist, ebenfalls tarifvertragsschließende Partei des Firmentarifvertrages war. Da sich die Arbeitsvertragsparteien der Verbandstarifentwicklung unterworfen hätten, auf die der Arbeitgeber kaum Einfluss habe, hätten sie sich erst Recht der einschlägigen tariflichen Firmentarifvertragsentwicklung unterworfen und unterwerfen wollen. Diese Auslegung widerspreche auch nicht dem Transparenzgebot. Die Unklarheitenregelung des § 305 c BGB komme vorliegend nicht zur Anwendung, da es nicht um Inhaltskontrolle, sondern ihr vorausgehende Vertragsauslegung gehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 20.05.2008 - 1 Ca 413 d/08 - abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Die Klägerin hat den Rechtstreit in der Hauptsache in Höhe von 86,67 EUR brutto für erledigt erklärt und beantragt darüber hinaus,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Da die Klägerin nicht tarifgebunden sei, finde der Firmentarifvertrag keine Anwendung. Anderenfalls würde sie, trotz fehlender Tarifbindung - aufgrund dieses an sich nicht anwendbaren Firmentarifvertrages gerade wegen ihrer fehlenden Tarifbindung schlechter behandelt, obwohl arbeitsvertraglich ausdrücklich das Gegenteil vereinbart worden sei. Für eine diesbezügliche Auslegung des § 2 des Arbeitsvertrages sei kein Raum. Die Klägerin habe kraft ihres Arbeitsvertrages so behandelt werden sollen, als sei sie im öffentlichen Dienst tätig, obgleich beide Vertragspartner nicht tarifgebunden waren. Von dieser Vereinbarung könne sich die Beklagte nicht einseitig lösen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und auch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden.
In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat für das Jahr 2007 einen Anspruch auf weitere Sonderzahlung in Höhe von zuletzt noch 1.588,14 EUR brutto. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 2 des Arbeitsvertrages vom 24.12.1994 i. V. m. § 20 TVöD. Der Firmentarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung vom 27.03.2007 ist auf das Arbeitsverhältnis der nichttarifgebundenen Klägerin nicht anwendbar. Das hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt. Dem folgt das Berufungsgericht nicht nur im Ergebnis, sondern auch in wesentlichen Teilen der Begründung.
A. Die Beklagte schuldet der Klägerin restliche Sonderzahlung in Höhe 1.588,14 EUR brutto aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag vom 24.12.1994 sowie § 20 TVöD.
1. Obgleich der TVöD im Wortlaut des § 2 des Arbeitsvertrages nicht ausdrücklich erwähnt ist, erfasst die Reichweite der vorliegenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nicht nur den BAT sondern auch den TVöD. Das ergibt die Auslegung des § 2 des Arbeitsvertrages.
a) Da Bezugnahmeklauseln Bestandteil des Arbeitsvertrages sind, finden die allgemeinen Grundsätze der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) Anwendung. Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordert. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG vom 20.09.2006 - 10 AZR 715/05 m. w. N. - zitiert nach JURIS; vergl. auch BAG vom 14.11.2007 - 4 AZR 861/06, Rz. 17, zitiert nach JURIS). Anhaltspunkte für das wirklich Gewollte können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte, dem Zweck des Vertrages und der bei Vertragsschluss vorliegenden Interessenlage sowie den weiteren Äußerungen der Parteien im Zusammenhang mit der Erklärung ergeben (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. nur BAG vom 31.07.2002 - 10 AZR 513/01 - zitiert nach JURIS).
b) Die Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass § 2 des Arbeitsvertrages auch den TVöD und damit den sich aus § 20 TVöD ergebenden Sonderzuwendungsanspruch erfasst.
aa) Dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel fehlt die eindeutige Aussage, ob auch die den BAT-Sonderzuwendungsregelungen nachfolgenden Regelungen des TVöD maßgeblich für die Sonderzuwendungsansprüche der Klägerin sein sollen. Die Bezugnahmeklausel enthält gerade nicht die Formulierung, dass auch auf die den BAT ersetzenden Bestimmungen verwiesen wird.
bb) Sinngehalt und Gesamtzusammenhang der Vertragsklausel ergeben jedoch, dass die insoweit als sogenannte "kleine dynamische Verweisung" einzuordnende vertragliche Vereinbarung der Normen des BAT eine Verweisung auf die diese Regelungen ersetzenden TVöD-Normen beinhaltet. Beim Übergang vom BAT auf den TVöD handelt es sich um einen Fall der sogenannten "Tarifsukzession" und nicht um einen klassischen "Tarifwechsel". Diese Tarifsukzession wurde von den gleichen Tarifvertragsparteien herbeigeführt, auf deren Vereinbarungen ursprünglich Bezug genommen wurde. Sie erfolgte auch innerhalb des bisherigen Anwendungsbereiches des BAT-Tarifvertrages (hierzu Möller/Welkoborksy, Bezugnahmeklausel bei Wechsel vom BAT zum TVöD, NZA 2006, S. 1382 ff., 1384 mit Rechtsprechungsnachweisen; LAG Hamm vom 03.05.2007 - 11 Sa 2041/06 - zitiert nach JURIS, Rz. 48; LAG Schleswig-Holstein vom 05.06.2008 - 3 Sa 94/08 - zitiert nach JURIS, Rz. 30; LAG Rheinland-Pfalz vom 22.08.2008 - 9 Sa 198/08 - zitiert nach JURIS, Rz. 53). Beim Übergang vom BAT zum TVöD handelt es sich bei Wahrung der Identität der Tarifvertragsparteien um eine Umstrukturierung eines in sich geschlossenen Tarifsystems des öffentlichen Dienstes unter gleichzeitiger Namensänderung (Werthebach, Tarifreform im öffentlichen Dienst - zur Entbehrlichkeit einer Tarifwechselklausel, NZA 2005, S. 1224 ff., 1226; Fieberg, NZA 2005, 1226 f.). Angesichts dessen ist es unschädlich, dass vorliegend in der vertraglichen Bezugnahmeklausel nicht ausdrücklich erwähnt wurde, dass auch die den BAT als Tarifwerk umstrukturierenden und sukzessive "ersetzenden" Flächentarifverträge des öffentlichen Dienstes auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden sind.
cc) Bei einer anderen Auslegung würde auch der Charakter der formularmäßigen arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel grundlegend verändert. Die in der Bezugnahmeklausel angelegte Dynamik der Anwendung der für den Bereich des öffentlichen Dienstes "jeweils gültigen Bestimmungen" ginge verloren, wenn das spätere für den Bereich des öffentlichen Dienstes abgeschlossene Tarifwerk TVöD keine Anwendung finden könnte. Die ursprünglich zweifelsfrei dynamische Bezugnahmeklausel würde dann zu einer statischen Klausel. Das war von den Arbeitsvertragsparteien ersichtlich nicht gewollt.
Aus dem oben Genannten ergibt sich, dass die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages den BAT und auch das diesen Flächentarifvertrag ergänzende, ändernde und umstrukturierende Tarifwerk des TVöD erfasst.
2. Ausgehend von ihrer tariflichen Eingruppierung hat die Klägerin gem. § 20 Abs. II TVöD einen tariflichen Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung von 90% des ihr in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts. Insoweit ergibt sich rechnerisch korrekt berechnet und unstreitig ein Jahressonderzuwendungsbetrag für 2007 in Höhe von insgesamt 2326,13 EUR brutto. Hierauf hat die Beklagte 651,32 EUR und 86,67 EUR gezahlt, so dass sich letztendlich ein nach § 20 Abs. II TVöD verbleibender Restanspruch in Höhe von 1588,14 EUR ergibt.
B. Der Firmen-TV Sonderzahlung verdrängt nicht den Anspruch der Klägerin aus § 20 TVöD.
1. Der Firmen-TV Sonderzahlung vom 27.03.2007 findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine unmittelbare Anwendung im Sinne des § 4 Abs. 1 TVG. Die Klägerin war und ist nicht tarifgebunden.
2. Der Geltungsbereich der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bezieht den Firmen-TV Sonderzahlung vom 27.03.2007 nicht ein. Letzterer kann daher nicht den sich aus § 20 TVöD ergebenden Anspruch der Klägerin auf eine Sonderzuwendung ablösen.
a) Die Auslegung der Vertragsklausel hat auch insoweit nach den bereits vorstehend unter A 1 a) Grundsätzen zu erfolgen.
b) Aus dem Wortlaut des Arbeitsvertrages lässt sich unmittelbar keine Anwendbarkeit des Firmen-TV Sonderzahlung vom 27.03.2007 entnehmen. In § 2 des Arbeitsvertrages haben die Parteien lediglich vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen bestimmt. Die Anwendbarkeit von spezielleren Firmentarifverträgen ist diesem Wortlaut nicht zu entnehmen. Ebenso wenig haben sie im Wortlaut des Arbeitsvertrages festgelegt, dass den BAT "ersetzende" Tarifverträge Anwendung finden sollen. Letztendlich besagt der Wortlaut auch nicht, dass für den Arbeitgeber jeweils einschlägige Tarifverträge maßgeblich für das Bestehen bzw. Nichtbestehen etwaiger Ansprüche sein sollen (sogenannte Jeweiligkeitsklausel).
c) § 2 des Arbeitsvertrages kann nicht über seinen Wortlaut hinaus dahingehend - ergänzend - ausgelegt werden, dass er entweder als kleine dynamische Bezugnahmeklausel mit erweitertem Einbeziehungsinhalt in Bezug auf Firmentarifverträge anzusehen ist oder gar als sogenannte große dynamische Verweisung. § 2 des Arbeitsvertrages lässt die Anwendbarkeit des Firmen-TV Sonderzahlung vom 27.03.2007 abweichend von seinem Wortlaut ohne Tarifbindung der Klägerin nicht zu. Für eine diesbezügliche erweiternde Auslegung gibt es keine Anhaltspunkte.
aa) Ohne das Vorliegen besonderer Umstände kann eine dynamische Verweisung auf einen bestimmten Tarifvertrag nicht in eine Bezugnahme auf einen anderen Tarifvertrag umgedeutet werden (LAG Rheinland-Pfalz vom 22.08.2008 - 9 Sa 198/08 - Rz. 54 m. w. N. - zitiert nach JURIS). Die Bezugnahme auf das Tarifwerk einer bestimmten Branche kann über ihren Wortlaut hinaus nur dann als sogenannte große dynamische Verweisung, d. h. als Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich geltenden Tarifvertrag ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt. Während sich die Dynamik bei der sogenannten kleinen dynamischen Bezugnahmeklausel auf das zeitliche Moment beschränkt, wirkt die "große dynamische Verweisung" oder "Tarifwechselklausel" auch betrieblich und fachlich dynamisch (BAG vom 15.04.2008 - 9 AZR 159/07 Rz. 60 mit einer Vielzahl von Nachweisen; BAG vom 29.08.2007 - 4 AZR 767/06 - Rz. 17 m. w. N.BAG vom 29.08.2007 - 4 AZR 765/06- Rz. 29 ; BAG vom 25.09.2002 - 4 AZR 294/01 - Rz. 19 - jeweils zitiert nach JURIS). Da die Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit haben, die Rechtsfolge eines Tarifwechsels ausdrücklich vereinbaren zu können, kann der Wille zum Tarifwechsel nicht schlicht unterstellt werden. Die Arbeitsvertragsparteien bestimmen mit ihrer vertraglichen Abrede den Umfang der Inbezugnahme (vgl.BAG vom 29.08.2007 - 4 AZR 767/06 - Rz. 17; BAG vom 29.08. 2007 - 4 AZR 765/06 - Rz. 29). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitsvertrag mit einem privaten Krankenhausträger auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes und die diese ersetzenden Tarifverträge und damit nicht einschlägige Bestimmungen verweist (Reinecke, Vertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge in der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, BB 2006, 2637 ff., 2644 mit Hinweis auf BAG vom 25.09.2002 - 4 AZR 294/01).
bb) Diese Auslegungsgrundsätze gelten auch für die Feststellung, ob eine dynamische Verweisung auf einen Flächentarifvertrag in eine Bezugnahme auf das Tarifwerk eines bestimmten Einzelarbeitgebers, auf einen Firmentarifvertrag ausgelegt oder umgedeutet werden kann. Bei arbeitsvertraglicher kleiner dynamischer Bezugnahme auf für beide Parteien mangels Tarifbindung nicht einschlägige Tarifverträge sind spätere Firmentarifverträge ohne das Vorliegen besonderer Umstände nicht anwendbar.
cc) Es gibt vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsvertragsparteien vom BAT/TVöD abweichende Firmentarifverträge in den Geltungsbereich des Arbeitsvertrages einbeziehen wollten. Aus den Gesamtumständen ergibt sich vielmehr, dass die von Beklagtenseite erwünschte Auslegung von den Vertragsparteien gerade nicht gewollt war.
(1) Die für den öffentlichen Dienst übliche Vertragsklausel:
"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BAT vom 23.02.1961 und diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen"
stellt von ihrer Reichweite her im Regelfall die klassische sogenannte kleine dynamische Bezugnahmeklausel dar. Bei ihr liegt der Schwerpunkt auf dem zeitlichen Moment, während die sogenannte große dynamische Verweisung oder Tarifwechselklausel auch betrieblich, fachlich oder tariflich dynamisch wirkt. Wie bereits erwähnt enthält der Wortlaut des § 2 keinen Hinweis auf etwaige Firmentarifverträge, die den BAT/TVöD teilweise ersetzen sollen bzw. wollen. Schon gar nicht enthält er den Hinweis auf die Anwendbarkeit "jeweils für den Betrieb einschlägiger Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung".
(2) Zu berücksichtigen ist, dass die vorliegende Bezugnahmeklausel keine Gleichstellungsabrede darstellt. Eine Gleichstellungsabrede ist eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag. Das setzt die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Bezugnahme auf den Tarifvertrag voraus (ständige Rechtsprechung des BAG, hier nur: BAG vom 01.12.2004 - 4 AZR 50/04, Rz. 15; BAG vom 25.09.2002 - 4 AZR 294/01 - Rz. 18; BAG vom 05.04.2006 - 4 AZR 390/05, Rz. 32, jeweils zitiert nach JURIS). Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses waren weder die Klägerin noch die Rechtsvorgängerin der Beklagten tarifgebunden. Damit kann über den klassischen Gleichstellungszweck die vorliegende Bezugnahmeklausel nicht auf für die Beklagte einschlägige Tarifverträge und damit auf den Firmen-Sonderzuwendungstarifvertrag vom 27.03.2007 ausgedehnt werden.
(3) Zweck der am 24.12.1994 vereinbarten arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel zwischen den beiderseits nicht tarifgebundenen Parteien war, dass die nicht zum öffentlichen Dienst, sondern zur Privatwirtschaft gehörende Beklagte kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Anwendung der nicht einschlägigen Flächentarifverträge des öffentlichen Dienstes vereinbaren wollte und vereinbart hat. Die Beklagte hat sich insoweit einem branchenfremden Tarifvertrag unterworfen. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag hat daher konstitutive Wirkung hinsichtlich der Anwendbarkeit der Flächentarifverträge des öffentlichen Dienstes. Die vereinbarten Tarifregelungen galten für beide Parteien des Arbeitsverhältnisses nicht normativ, sondern Kraft individualrechtlicher konstitutiver Vereinbarung. Das spricht nicht für, sondern gerade gegen eine gewollte erweiterte Vereinbarung der Einbeziehung von nicht näher spezifizierten Firmentarifverträgen.
(4) Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Firmen-TV Sonderzahlung noch nicht einmal ausschließlich von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen wurde, die auch den BAT/TVöD vereinbart haben. Die NGG ist weder Tarifvertragspartei des BAT noch des TVöD. Die Anwendbarkeit des Firmen-TV Sonderzahlung würde daher für die Klägerin zu einem aufgezwungenen teilweisen Tarifwechsel mittels Auslegung führen.
(5) Eine derart weitgehende Auslegung ist auch unzulässig. Art. 2 Abs. 1 GG schützt die Privatautonomie und wirkt über §§ 133, 157 BGB auf das Privatrecht und die rechtliche Auslegung und Anwendung der Privatrechtsordnung ein. Er ist daher Prüfungsmaßstab für Auslegungsgrenzen. Schon unter diesem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt bestehen Grenzen für die Auslegung von Verweisungen rechtsgeschäftlicher Art insoweit, als diese nicht in einer Weise ausgedehnt werden dürfen, die für die Parteien des Rechtsgeschäfts zum Zeitpunkt seines Abschlusses keineswegs mehr voraussehbar sind (vergl. Reinecke, Vertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge in der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, BB 2006, 2637 ff., 2643; BVerfG vom 23.04.1986 - 2 BvR 487/80 - Rz. 35, zitiert nach JURIS).
(6) Die Einbeziehung eines Firmen-Sonderzuwendungstarifvertrages, der unter anderem mit einer anderen Tarifvertragspartei von einem zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses nicht tarifgebundenen Arbeitgeber geschlossen wurde, in die Reichweite einer konstitutiven Bezugnahmeklausel mittels schlichter Auslegung, ohne dass die Klausel auch nur einen Hinweis auf einen möglichen Tarifwechsel enthält, war für die Arbeitsvertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages im Jahre 1994 keineswegs mehr voraussehbar. Ein diesbezüglicher Wille der Arbeitsvertragsparteien zum möglichen Wechsel von der Anwendbarkeit eines Flächentarifvertrages auf einen für eine Vertragspartei nicht einschlägigen Firmentarifvertrag ist nicht ersichtlich. Damit ist für eine diesbezügliche von Beklagtenseite gewünschte Auslegung der in § 2 des Arbeitsvertrages vereinbarten Bezugnahmeklausel kein Raum.
(7) Einem solchen Auslegungsergebnis stünde letztendlich auch der in § 305 c Abs. 1 BGB enthaltene Rechtsgrundsatz des Überraschungsschutzes entgegen, der bei der Auslegung des Formularvertrages vom 24.12.1994 zu berücksichtigen ist. Der Arbeitsvertrag ist zweifelsfrei ein Formularvertrag, mit der Folge, dass seine Bestimmungen nach den Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind. Die gewünschte erweiterte Auslegung der vereinbarten formularmäßigen Bezugnahmeklausel auf die von der damals nicht tarifgebundenen Beklagten angestrebte Geltung eines im März 2007 abgeschlossenen Firmentarifvertrages, ohne dass die Möglichkeit eines Tarifwechsels in der Klausel Erwähnung findet, ist für die Klägerin als Vertragspartnerin in jeder Hinsicht überraschend. Das gilt erst Recht unter Berücksichtigung des sich dann aus dieser ergänzenden Auslegung ergebenden Ergebnisses. Die Klägerin, die nach dem Wortlaut ihres Arbeitsvertrages kraft konstitutiver arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel Ansprüche nach den Flächentarifverträgen des öffentlichen Dienstes haben sollte, obwohl ihr insoweit Tarifbindung fehlt, erhielte bei dieser von Beklagtenseite gewünschten Auslegung gerade das Gegenteil. Trotz dieser konstitutiven, ihre fehlende Tarifbindung ersetzenden Bezugnahmeklausel erhielte sie in Anwendung des Firmen-TV Sonderzahlung gerade wegen ihrer fehlenden Tarifbindung nur rund 1/3 der Sonderzuwendung, die Tarifgebundene bekommen. Auch wenn letzteres die Anwendbarkeit des Firmen-TV Sonderzahlung voraussetzt, ist dieses Auslegungs-Endergebnis unzulässig.
3. Aus den genannten Gründen ist der Firmen-TV Sonderzahlung der Beklagten vom 27.03.2007 nicht vom Geltungsbereich der Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrages der Klägerin erfasst. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob die Differenzierungsklauseln in diesem Firmen-TV Sonderzahlung wirksam oder unwirksam sind. Das kann in diesem Rechtstreit, anders als in dem vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein abgeschlossenen Verfahren 6 Sa 424/07 (Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 4 AZR 491/08) dahingestellt bleiben.
4. Nach alledem war der Zahlungsantrag begründet. Der Klage ist zu Recht stattgegeben worden. Die Berufung war daher, soweit der Rechtstreit nicht seitens der Klägerin - rechtlich korrekt - bereits infolge der zwischenzeitlichen Zahlung von 86,67 EUR brutto für erledigt erklärt worden ist, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden (§ 72 Abs. 2 Ziff.1 ArbGG). Die streitgegenständliche formularmäßige Bezugnahmeklausel berührt eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen, unter anderem bei der Beklagten.
Ende der Entscheidung
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