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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 30/05
Rechtsgebiete: BGB, SBG IX


Vorschriften:

BGB § 276
BGB § 280
BGB § 823 Abs. 2
SBG IX § 81 Abs. 4 Satz 1
SBG IX § 81 Abs. 4 Satz 2
SBG IX § 81 Abs. 4 Satz 3
SBG IX § 81 Abs. 4 Ziff. 1
SBG IX § 81 Abs. 3 Satz 1
1. Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner gesteigerten Fürsorgepflicht gegenüber dem schwerbehinderten Menschen nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 1 SGB IX verpflichtet, die dem schwerbehinderten Menschen verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten und damit seine behindertengerechten Einsatzmöglichkeiten feststellen zu lassen, es sei denn insoweit bestehen keinerlei Unklarheiten.

2. Der Arbeitgeber trägt, soweit er sich auf das Fehlen einer behindertengerechten Einsatzmöglichkeit beruft, ohne seiner Feststellungspflicht nachgekommen zu sein, die Darlegungs- und Beweislast über den Umfang der real beim schwerbehinderten Menschen verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten und die sich daraus ergebenden Auswirkungen für eine behindertengerechte Beschäftigung sowie ggfs. deren Unzumutbarkeit und Nichterfüllbarkeit.

3. Der Arbeitgeber muss versuchen, den Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine behindertengerechte Beschäftigung ggfs. auch durch Umorganisation zu erfüllen. Insoweit kann der Arbeitgeber auch verpflichtet sein, durch Umorganisation einen behindertengerechten Arbeitsplatz zu schaffen, an dem der vertragliche Beschäftigungsanspruch erfüllt werden kann (mit BAG vom 29.1.1997 - 2 AZR 9/96 - AP Nr. 32 zu § 1 KSchG 1969-Krankheit; LAG Niedersachsen vom 1.7.2003 - 13 Sa 1853/02).

4. Sind die verbliebenen Fähigkeiten noch nicht vollständig abgeklärt, ist jedoch klar, eine sinnvolle Beschäftigung an sich möglich, ist der Arbeitgeber verpflichtet, konstruktiv und ernsthaft zu prüfen, ob und wie er ggfs bis zur abschließenden Abklärung der langfristigen Einsatzfähigkeit oder bis zu einer angestrebten Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einschaltung des Integrationsamtes durch eine Umorganisation zumindest vorübergehend eine behindertengerechte Beschäftigung ermöglicht.

5) Verstößt er gegen seine Feststellungs- und Erkundigungspflicht, und/ oder ist er zu keinerlei an sich zumutbaren ggfs. nur vorübergehenden Umorganisationsmaßnahmen bereit und schickt statt dessen den schwerbehinderten Menschen, der keinen Annahmeverzug auslösen kann, nach Hause, macht sich der Arbeitgeber ggfs. schadensersatzpflichtig.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 30/05

Verkündet am 08.06.2005

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 08.06.2005 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 28.10.2004 - 2 Ca 318 e/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Vergütung für den Zeitraum 15.04.2003 bis 15.10.2003 aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger nahm am 02.03.1992 bei der Beklagten die Arbeit als Busfahrer auf. Er hat eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete darüber hinaus bei einem anderen Arbeitgeber zuvor längere Zeit im Fahrkartenprüfdienst. Er ist am ...1957 geboren und erhielt als Busfahrer durchschnittlich 2.536,42 € brutto monatlich.

Vom 02.12.2001 bis zum 11.04.2003, mithin für die Dauer von 16 Monaten, war er wegen orthopädischer Beschwerden arbeitsunfähig krank. Seit November 2002 ist er einem Schwerbehinderten gleichgestellt (Anlage K 6, Bl. 75 d. A.).

Die Beklagte beschäftigte im Jahre 2003/2004 rund 556 Arbeitnehmer.

Davon waren im Jahre 2003 im Fahrkartenprüfdienst 8 Arbeitnehmer und im Jahre 2004 als Fahrscheinprüfer 12 Arbeitnehmer beschäftigt. 3 dieser Fahrkartenprüfer wurden im Zeitraum Dezember 2003 bis Februar 2004 zu keinem Zeitpunkt als Busfahrer eingesetzt; 3 weitere Mitarbeiter hatten in diesem Zeitraum an einem Tag einen Einsatz als Busfahrer, 2 Mitarbeiter wurden 2x als Busfahrer eingesetzt. In der Vergangenheit hatte die Beklagte bereits in einem Fall, in dem wegen Trunkenheit im Verkehr und anschließendem Führerscheinentzug für einen Arbeitnehmer der Zeitraum von rund 1 Jahr überbrückt werden musste, den Mitarbeiter kurzfristig als Lehrfahrer eingesetzt. Auch für andere Arbeitnehmer waren schon mal- allerdings zeitlich begrenzt - Überbrückungstätigkeiten bei Fahrdienstuntauglichkeit gefunden worden.

Bereits im Januar/Februar 2003 korrespondierten die Parteien über eine mögliche zukünftige Beschäftigung des Klägers außerhalb des Einsatzbereiches als Busfahrer. Der Inhalt im Einzelnen ist nicht bekannt. Mit Schreiben vom 03.04.2003 kündigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dessen Arbeitsfähigkeit ab 14.04.2003 an. U.a. um Einsatz im Fahrkartenprüfdienst bittend, überreichte er gleichzeitig eine ärztliche Bescheinigung vom 01.04.2003, in der es u. a. wie folgt heißt:

"Nach umfänglichen krankengymnastischen Maßnahmen ist eine Stabilisierung des Befindens eingetreten. Somit ist zu erwarten, dass zum 14.04.2003 Arbeitsfähigkeit eintreten wird.

Die Ausübung der Tätigkeit als Busfahrer wird allerdings nicht möglich sein. Die ausführbaren Arbeiten könnten sein:

..." (Anlage B 2, Bl. 19 d. A.)

Hierauf erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 10.04.2003, sie könne dem Kläger keinen anderen dauerhaften Arbeitsplatz anbieten. Insbesondere halte sie auch die von dem Kläger gewünschte Tätigkeit in der Fahrausweisprüfdienstgruppe für medizinisch ausgeschlossen. Wegen des Inhaltes wird auf die Anlage BB 1, Bl. 112 d. A., Bezug genommen. Gleichzeitig bot die Beklagte dem Kläger die Möglichkeit des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages an.

Am 14.04.2003 erschien der Kläger im Betrieb der Beklagten, meldete sich gesund und bot die Arbeitskraft an. Die Personalleiterin lehnte eine Beschäftigung ab und schickte ihn nach Hause. In der nachfolgenden Zeit wurde das Kündigungsverfahren eingeleitet. Am 19.05.2003 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur fristgemäßen Kündigung an. Dieser widersprach am 28.05.2003 der beabsichtigten Kündigung unter Hinweis darauf, der Kläger könne als Fahrscheinprüfer eingesetzt werden (Bl. 3 d. A.). Ebenfalls am 19.05.2003 beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Erteilung der Zustimmung zur fristgemäßen Kündigung des Klägers. Im August 2003 kam es sodann zu einem Gespräch zwischen dem Kläger, der Beklagten, sowie dem Sachbearbeiter des Integrationsamtes über Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers. Auf dessen Anregung wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten beim Betriebsärztlichen Dienst in Auftrag gegeben. Der Gutachter Dr. H. kam am 19.09.2003 zu dem Ergebnis, dass der Kläger uneingeschränkt körperlich leistungsfähig sei und sowohl die bisherige Tätigkeit als Linienbusfahrer, als auch die gewünschte Tätigkeit als Fahrscheinprüfer ausüben könne (Bl. 61 d. A.). Auf das Gutachten vom 19.09.2003 wird Bezug genommen (Bl. 139-155 d. A.).

Danach bot der Kläger die Arbeitskraft als Busfahrer an. Seit dem 16.10.2003 arbeitet er wieder in Vollzeit als Busfahrer. Die Beklagte nahm den Antrag beim Integrationsamt auf Erteilung der Zustimmung zur Kündigung zurück.

Der Kläger bezog im Zeitraum 15.04.2003 bis 15.10.2003 Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt 7.019,60 €. Unter dem 06.02.2004 erhob er nach erfolgloser außergerichtlicher Aufforderung die vorliegende Zahlungsklage. Das Arbeitsgericht gab ihr statt. Es verneinte einen Zahlungsanspruch aus Annahmeverzug, bejahte jedoch einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB in Verbindung mit § 81 Abs. 4 SGB IX, da sich die Beklagte unter Verletzung ihrer Fürsorgepflicht und ihrer Mitwirkungspflicht nicht um eine behindertengerechte Beschäftigung des einem Schwerbehinderten gleichgestellten Klägers bemüht habe. Sie habe es pflichtwidrig unterlassen, die genauen, tatsächlichen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers abzuklären. Ungeachtet dessen sei sie auch verpflichtet gewesen, den Kläger in der fraglichen Zeit als Fahrkartenprüfer auch ohne Einsatzmöglichkeit als Busfahrer zu beschäftigen. Insoweit sei sie darlegungs- und beweisfällig geblieben, dass ihr diese Beschäftigung des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 28.10.2004 verwiesen. Gegen diese der Beklagten am 22.12.2004 zugestellte Entscheidung legte sie am 18.01.2005 Berufung ein, die am 21.02.2005 per Fax/22.02.2005 im Original begründet wurde.

Die Beklagte trägt vor, sie sei angesichts des vorgelegten Attestes davon ausgegangen, dass der Kläger nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer nicht mehr als Busfahrer eingesetzt werden könne. Insoweit habe sich für sie die Frage der Suche nach einer Überbrückungsmöglichkeit nicht gestellt. Ein Dauerarbeitsplatz ohne jegliche Einsatzmöglichkeit als Busfahrer sei weder vorhanden gewesen, noch habe sie einen solchen für den Kläger schaffen müssen. Der Kläger habe aus ihrer Sicht und nach ihrem Kenntnisstand nicht als Fahrscheinprüfer eingesetzt werden können, da es sich insoweit um einen gemischten Arbeitsplatz handele, bei dem durchschnittlich 50% Busfahrertätigkeit anfalle. Der vom Kläger angeführte Zeitraum Dezember 2003 bis Februar 2004 sei bedingt durch die Jahreszeit nicht repräsentativ für die Ermittlung der tatsächlich für Fahrscheinprüfer durchschnittlich anfallenden Busfahrereinsätze. Der Kläger sei auch nicht in der Kundenberatung, als Lehrfahrer, im Kundendienst, in der Verwaltung, oder ausschließlich als Zivilkontrolleur einsetzbar gewesen. Sie habe keine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Der Kläger trage die Darlegungslast bezüglich seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit ab 14.04.2003. Er habe die Beklagte im April darauf hinweisen müssen, dass er nur vorübergehend nicht als Busfahrer einsetzbar sei. Eine diesbezügliche eigene Aufklärungspflicht habe sie angesichts des vorgelegten Attestes nicht gehabt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 28.10.2004 (2 Ca 318 e/04), zugestellt am 22.12.2004, wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Er benennt diverse einzelne Tätigkeiten, die er habe verrichten können. Die Beklagte habe ihn insbesondere im Fahrkartenprüfdienst einsetzen können und einsetzen müssen. Soweit die Fahrscheinprüfer auch zu Busfahrten eingesetzt würden, geschehe dieses nur gelegentlich. Derartige gelegentliche Busfahrten habe er auch übernehmen können, abgesehen davon, dass die Beklagte bei entsprechendem Willen auch in der Lage gewesen sei, den Einsatz im Fahrscheinprüfdienst so zu organisieren, dass auf ihn für Busfahrertätigkeiten nicht hätte zurückgegriffen werden müssen. Das habe der Betriebsrat der Beklagten wiederholt aufgezeigt. Im Übrigen habe die Beklagte diese Organisationsmöglichkeit u. a. selbst im Zusammenhang mit dem Busfahrer, der den Führerschein verloren hatte, bewiesen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlangen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. In der Sache konnte sie keinen Erfolg haben.

Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Lediglich ergänzend und auch auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend wird folgendes ausgeführt:

1)

Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass dem Kläger kein Lohnanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§§ 615, 296 BGB) zusteht. Voraussetzung für den Annahmeverzug des Arbeitgebers ist, dass der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Leistung, so wie sie zu bewirken ist (§ 294 BGB), auch tatsächlich anbietet und zur Bewirkung der vertraglich geschuldeten Leistung auch im Stande ist (§ 297 BGB). Nach dem unstreitigen Vorbringen beider Parteien hat der Kläger unter Bezugnahme auf die ärztliche Bescheinigung vom 01.04.2003 gerade nicht die vertraglich geschuldete Leistung als Busfahrer angeboten. Er ist als Busfahrer eingestellt, hat jedoch unstreitig schwerpunktmäßig, - ob ausschließlich ist streitig - die Tätigkeit als Fahrscheinprüfer angeboten. Damit hat er die Beklagte nicht in Annahmeverzug versetzt.

2)

Der Kläger hat jedoch gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe der arbeitsvertraglich geschuldeten Vergütung als Busfahrer abzgl. erhaltenen Arbeitslosengeldes.

a)

Versäumt es der Arbeitgeber schuldhaft, die Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 1 SGB X zu ermöglichen, kommt wegen der dem Arbeitnehmer entgangenen Vergütung ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung sowie aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX eine Schadensersatzpflicht in Betracht. § 81 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 1 SGB IX ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Daneben konkretisiert die Norm die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den schwerbehinderten Menschen (BAG v. 03.12.2002 - 9 AZR 462/01 - m.w.N - zit. nach Juris).

b)

Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 1 SGB IX haben die schwerbehinderten Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern einen Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Diese Vorschrift gibt dem Schwerbehinderten im bestehenden Arbeitsverhältnis einen klagbaren Anspruch darauf, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten so beschäftigt zu werden, dass er entsprechend seiner Vorbildung und seines Gesundheitszustandes seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann. Diese Norm beinhaltet auch und vor allem eine privatrechtlich gesteigerte Fürsorgepflicht gegenüber dem schwerbehinderten Menschen (BAG v. 10.07.1991 - 5 AZR 383/90 = AP Nr. 1 zu § 14 SchwbG 1986 - zu dem wörtlich identischen § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG a. F.).

Diese gesteigerte Fürsorgepflicht ergibt sich auch aus § 81 Abs. 3 Satz 1 SGB IX. Danach sind die Arbeitgeber verpflichtet, den Betrieb so zu regeln, dass eine möglichst große Anzahl schwerbehinderter Menschen in ihren Betrieben dauernde Beschäftigung finden können. Die Norm begründet im bestehenden Arbeitsverhältnis mit den Schwerbehinderten eine Erweiterung der im Arbeitsverhältnis begründeten Fürsorgepflicht und gewährt dem schwerbehinderten Menschen ebenso wie § 81 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 1 SGB IX - vormals § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG) einen klagbaren Anspruch. Seine Grenzen findet diese Pflicht nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX dort, wo ihre Erfüllung mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden und daher unzumutbar ist (vgl. BAG v. 10.07.1991 - AP Nr. 1 zu § 14 SchwbG 1996).

c)

Die gesteigerte Fürsorgepflicht führt dazu, dass der Arbeitgeber auf die körperliche Konstitution des schwerbehinderten Menschen Rücksicht nehmen muss. Dazu gehört es auch, die dem schwerbehinderten Menschen verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten festzustellen (BAG v. 03.12.2002 - 9 AZR 462/01- zitiert nach Juris). Die Beklagte hätte sich hierzu gem. § 81 Abs. 4 Satz 2 SGB IX der Unterstützung der Arbeitsämter und der Integrationsämter bedienen können und müssen. Die nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 1 SGB IX geschuldete besondere Fürsorge verpflichtet den Arbeitgeber, seine Erkenntnismöglichkeiten zu nutzen und insbesondere auch mit den schwerbehinderten Menschen dessen Einsatzmöglichkeiten konstruktiv zu erörtern (vgl. BAG v. 03.12.2002 - 9 AZR 462/01 zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG a. F.).

3)

Diese dem Kläger als schwerbehinderten Menschen gegenüber obliegende gesteigerte besondere Fürsorgepflicht hat die Beklagte bei Meldung der - vermeintlichen - gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers im Frühjahr 2003 und anschließender Ablehnung einer behindertengerechten Beschäftigung verletzt.

a)

Sie ist ihrer Verpflichtung zur Feststellung der verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten nicht nachgekommen. Sie hat sich vielmehr pauschal auf die Bescheinigung des Arztes vom 01.04.2003 zurückgezogen, wonach die Ausübung der Tätigkeit als Busfahrer allerdings nicht möglich sein werde, ohne abzuklären, was tatsächlich unter medizinischen, vor allen Dingen unter arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten hierunter zu verstehen ist. Sie hat keinerlei arbeitsmedizinische Feststellungen veranlasst und auch nicht ansatzweise in Erwägung gezogen, das Integrationsamt und das Arbeitsamt gem. den Vorgaben des § 81 Abs. 4 Satz 2 SGB IX zur Abklärung des weiteren Vorgehens in dieser Angelegenheit sowie zur Unterstützung einzuschalten. Sie hat vielmehr insoweit schlichtweg nichts unternommen, sondern nur jeweils gegenüber Vorschlägen, Angeboten, Ideen des Klägers Ablehnung geäußert. Damit hat sie ihre gesteigerte Fürsorgepflicht verletzt, die ein konstruktives, initiatives Verhalten des Arbeitgebers erfordert, im Rahmen der Zumutbarkeit alles zu tun, um die gesetzliche Verpflichtung zu erfüllen, einem schwerbehinderten Menschen eine behindertengerechte Beschäftigung zu ermöglichen. b)

Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht darauf zurückziehen, sie habe angesichts des Wortlauts der ärztlichen Bescheinigung keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt, eine dort attestierte dauernde Unfähigkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Busfahrer zu hinterfragen. Zunächst ist festzuhalten, dass die ärztliche Bescheinigung vom 01.04.2003 eine diesbezügliche absolute Äußerung nicht enthält. Dort heißt es lediglich "die Ausübung der Tätigkeit als Busfahrer wird allerdings nicht möglich sein". Dort heißt es nicht: "Die Ausübung der Tätigkeit als Busfahrer ist nicht mehr möglich". Dort heißt es auch nicht: "Jeglicher Einsatz als Busfahrer ist nicht mehr möglich". Die ärztliche Bescheinigung ist nicht so absolut formuliert, wie sie die Beklagte verstanden wissen will. Abgesehen davon enthält die Bescheinigung keinerlei Aussage dazu, ob die Ausübung einer schwerpunktmäßig anderen Tätigkeit mit gelegentlichem Busfahren ebenfalls "nicht möglich sein wird" oder gar "nicht möglich ist". Allein vor diesem attestierten Hintergrund gab es hinreichend Anhaltspunkte für die Beklagte, im Rahmen der ihr obliegenden gesteigerten Fürsorgepflicht nunmehr die Initiative zur ergreifen und die beim Kläger verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch den Betriebsärztlichen Dienst oder einen sonstigen Mediziner abschließend feststellen zu lassen. Das hat sie versäumt.

c)

Abgesehen davon war letztendlich der Wortlaut der ärztlichen Bescheinigung vom 01.04.2003 nicht maßgeblich für die Haltung der Beklagten. Ausweislich ihres Schreibens vom 10.04.2003 nimmt sie nämlich Bezug auf eine Mitteilung ihrerseits vom 04.02.2003, mit der sie dem Kläger bereits - noch ohne Vorliegen der ärztlichen Bescheinigung - mitgeteilt hatte, keinen anderweitigen dauerhaften Arbeitsplatz zu haben, auf dem der Kläger beschäftigt werden könne. Hieraus wird deutlich, dass die Beklagte seit Beginn der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung um die behindertengerechte Beschäftigung des Klägers ihre gesteigerte Fürsorgepflicht und die damit verbundenen Obliegenheiten unterschätzt hat.

4)

Es bleibt daher festzuhalten, dass die Beklagte mithin verpflichtet gewesen wäre, eigene Maßnahmen zur Feststellung der verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Klägers in die Wege zu leiten und dabei gleichzeitig ihre Verpflichtung aus § 81 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB IX zu erfüllen. Sie trägt angesichts der ihr kraft Gesetzes obliegenden gesteigerten Fürsorge- und damit auch Handlungspflicht die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich auch bei ordnungsgemäßer Ausübung der Erkundigungs-/Feststellungspflicht keine Einsatzmöglichkeit für den Kläger mit Wirkung ab 15.04.2003 ergeben hätte. Insoweit ist die von ihr vertretene Ansicht, der Kläger hätte im April 2003 darlegen und beweisen müssen, wie er einsetzbar war und dass er ggf. nur vorübergehend nicht als Busfahrer einsetzbar gewesen sein soll, unzutreffend.

a)

Die sich aus § 81 Abs. 4 SGB IX ergebende gesteigerte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wird nicht erst dann und auch nicht erst dadurch ausgelöst, dass der Arbeitnehmer zuvor einer etwaigen gesteigerten Mitwirkungspflicht seinerseits Rechnung getragen hat. Eine diesbezügliche gesteigerte Mitwirkungspflicht des schwerbehinderten Menschen ist § 81 SGB IX nicht zu entnehmen. Der Arbeitgeber trägt, soweit er sich, ohne seiner Feststellungspflicht nachgekommen zu sein, auf das Fehlen einer behindertengerechten Einsatzmöglichkeit beruft, die Darlegungs- und Beweislast über den Umfang der real beim Schwerbehinderten verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten und die sich daraus ergebenden Auswirkungen für eine behindertengerechte Beschäftigung sowie ggf. deren Unzumutbarkeit und Nichterfüllbarkeit.

b)

Die Beklagte ist vorliegend bereits insoweit darlegungs- und beweisfällig, als nicht mehr feststellbar ist, welche körperlichen und geistigen Fähigkeiten zum Zeitpunkt der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers im April 2003 real existierten und wie sich dieses auf eine behindertengerechte Beschäftigungsmöglichkeit konkret auswirkte. Die noch nicht einmal an die Beklagte, sondern an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichtete ärztliche Bescheinigung ist, wie bereits erwähnt, zu unklar. Das betriebsärztliche Gutachten vom September 2003, das im Rahmen des sodann beim Integrationsamt eingeleiteten Verfahrens zur Erteilung der Zustimmung zur Kündigung eingeholt wurde, bescheinigt dem Kläger uneingeschränkte Leistungsfähigkeit; die uneingeschränkte Möglichkeit zur Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit als Busfahrer sowie die uneingeschränkte Möglichkeit der Ausübung seiner Tätigkeit als Fahrscheinprüfer. Weder aus dem ausführlichen medizinischen Gutachten vom 19.09.2003, noch aus dem Sachvortrag der Beklagten ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass im April 2003 diese uneingeschränkte Einsatzmöglichkeit des Klägers objektiv nicht vorgelegen hat. Das Gutachten enthält keinerlei Hinweise darauf, dass das im September 2003 festgestellte Ergebnis sich erst im Laufe der letzten Monate entwickelt hat und dass sich ggf. im April 2003 eine andere sozialmedizinische Leistungsbeurteilung ergeben hätte. Mit Ausnahme der herauszulesenden gewissen, allein durch Zeitablauf naturgemäßen, zeitlichen Stabilisierung des Gesundheitszustandes des Klägers enthält das Gutachten keinerlei Feststellungen oder Hinweise über einen speziellen Heilungsverlauf, der zwischen April 2003 und September 2003 eingetreten ist. Es enthält nichts, dass auf einen speziellen subjektiven Leidensdruck des Klägers hinweist, den der Arzt beispielsweise objektiv nur nicht bestätigen konnte. Der Gutachter hat das - medizinisch - per 19.9.2003 bestätigt, was ihm der Kläger Ende August/ Anfang September 2003 geschildert hat. Der Kläger hatte rückschauend auf den Zeitpunkt der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit Beschwerdefreiheit seit 4 Monaten angegeben. Auch die Beklagte trägt nichts dazu vor, dass objektiv auch im Falle der Einholung der von ihr geforderten Feststellungen zur Abklärung der beim Kläger im April 2003 verbliebenen, vorhandenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten noch von einer anderen medizinischen Leistungsbeurteilung hätte ausgegangen werden müssen, als im September 2003. Mithin ist die Beklagte insoweit darlegungs- und beweisfällig. Anhand der vorliegenden Fakten ist nicht auszuschließen, dass der Kläger ab 15.04.2003 objektiv fähig und in der Lage war, die Tätigkeit als Fahrscheinprüfer, sogar mit Busfahrereinsätzen, möglicherweise sogar seine vertraglich geschuldete Tätigkeit als Busfahrer uneingeschränkt auszuüben.

5)

Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt würde, dass im April 2003 noch eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers zu verzeichnen war, die keine schwerpunktmäßige Tätigkeit des Klägers als Busfahrer erlaubte, ergibt sich nichts anderes. Insoweit wäre es der Beklagten, wie zutreffend vom Arbeitsgericht festgestellt wurde, zumutbar gewesen, den Kläger z. B. als Fahrscheinprüfer behindertengerecht zu beschäftigen. Diese Tätigkeit war dem Kläger objektiv möglich. Das die Beklagte dieses nicht wusste, liegt an ihren auf einem Verstoß gegen die gesteigerte Fürsorgepflicht beruhenden mangelnden Feststellungen. Der Kläger hat jedoch stets eine Tätigkeit als Fahrscheinprüfer - ungeachtet des Gespräches vom 14.04.2003 - angeboten. Er hat dargelegt, dass damit letztendlich nicht mehr, aber auch nicht weniger gemeint war, als das Angebot, die Tätigkeit als Fahrscheinprüfer so zu erbringen, wie sie auch, andere als Fahrscheinprüfer eingesetzte Arbeitskollegen erbringen müssen. Er hat betont, dass der Beklagten damit klar war und klar sein musste, dass bei ihm die Möglichkeit und die Bereitschaft bestand, mindestens im Notfall auch als Busfahrer den Dienst auszuüben, soweit dieses nicht vermeidbar sein würde. Etwas anderes ist jedenfalls selbst nach dem Vorbringen der Beklagten zwischen den Parteien nicht erörtert worden. Es ging vielmehr auch unter Einschaltung des Betriebsrates zwischen ihnen überwiegend darum, der Beklagten Möglichkeiten aufzuzeigen, dass selbst dieser "Notfall" nicht eintreten müsse, sodass einer behindertengerechten Beschäftigung des Klägers nichts entgegenstehe. Bereits vor diesem Hintergrund wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger als Fahrscheinprüfer - mindestens wie jeden anderen von ihr beschäftigten Fahrscheinprüfer - einzusetzen, mithin ggf. von ihm im Falle der konkreten Erforderlichkeit auch die Ausübung einer Busfahrertätigkeit zu verlangen und ggf. die Reaktion des Klägers abzuwarten. Das hat sie nicht gemacht.

6)

Es ist nicht ersichtlich, dass objektiv keine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger als Fahrscheinprüfer im Rahmen des Leistungsumfanges, den auch die anderen Fahrscheinprüfer zu erbringen hatten, bestand oder nicht organisierbar war. Soweit sich die Beklagte in der Berufungsbegründung pauschal darauf zurückzieht, es sei kein freier Arbeitsplatz als Fahrscheinprüfer vorhanden gewesen, ist dieses vorliegend unbeachtlich.

a)

Der Arbeitgeber muss versuchen, den Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine behindertengerechte Beschäftigung ggf. auch durch Umorganisation zur erfüllen. Insoweit kann der Arbeitgeber auch verpflichtet sein, durch Umorganisation einen behindertengerechten Arbeitsplatz zu schaffen, an dem der vertragliche Beschäftigungsanspruch erfüllt werden kann (dazu BAG v. 29.01.1997 - 2 AZR 9/96 = AP Nr. 32 zu § 1 KSchG 1969, Krankheit; LAG Niedersachen v. 01.07.2003 - 13 Sa 1853/02 - zit. nach Juris).

b)

Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Beklagte auch in der Vergangenheit unstreitig für andere Arbeitnehmer eine Umorganisation zur Überbrückung bestimmter Zeiten vorgenommen hat. In diesem Zusammenhang kann die Beklagte auch nicht damit gehört werden, sie sei davon ausgegangen, es handele sich um einen Dauerzustand. Abgesehen davon, dass sie die Frage des "Dauerzustandes" hätte abklären lassen müssen, wäre sie vorliegend verpflichtet gewesen, die behindertengerechte Beschäftigung des Klägers im Sinne des § 81 Abs. 4 SGB IX jedenfalls vorübergehend bis zur Herbeiführung der formalen Voraussetzungen für die Möglichkeit des Ausspruches einer fristgemäßen Kündigung zu schaffen und mindestens damit ihrer gesteigerten Fürsorgepflicht genüge zu tun.

Der Arbeitgeber eines schwerbehinderten Menschen wird seiner gesteigerten Fürsorgepflicht aus § 81 Abs. 4 SGB IX nur dann gerecht, wenn er zumindest ernsthaft und konstruktiv überprüft, ob und wie er (im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit) ggf. auch durch eine Umorganisation zumindest vorübergehend solange eine behindertengerechte Beschäftigung ermöglichen kann, bis das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Integrationsamtes aus Gründen der Behinderung ordnungsgemäß beendet werden kann.

Diese Vorgehensweise wäre der Beklagten in jedem Fall vorliegend zumutbar gewesen, ungeachtet der Verletzung ihrer Feststellungspflichten bzgl. der verbleibenden Leistungsfähigkeit. Ebenso, wie sie sich selbst zugemutet hat, den Entzug des Führerscheins eines Busfahrers über etliche Monate durch Einsatz dieser Person ausschließlich als Fahrscheinprüfer zu überbrücken, wäre es ihr vorliegend aufgrund der gesteigerten Fürsorgepflicht zumutbar gewesen, den Kläger mindestens bis zur fristgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Fahrscheinprüfer - ohne Einsatzmöglichkeit als Busfahrer - einzusetzen. Dass ihr dieses objektiv aus organisatorischen Gründen nicht möglich war, z. B. weil sie schon alle Arbeitsplätze als Fahrerscheinprüfer mit speziellen, leidgeprüften Arbeitnehmern besetzt hat, ist nicht ersichtlich. Insoweit fehlt jeglicher diesbezüglicher Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten.

c)

Mithin bleibt festzuhalten: Die Beklagte hat ihre gesteigerte Fürsorgepflicht verletzt. Sie ist sowohl ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Förderung des dem Schwerbehindertenschutz unterliegenden Klägers nicht nachgekommen, als auch nicht ihren Pflichten zur Feststellung der verbliebenen Leistungsfähigkeit des Klägers im Sinne des § 81 Abs. 4 SGB IX. Sie hätte den Kläger nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht einfach ohne Zahlung von Vergütung nach Hause schicken dürfen. Der Beklagten wäre nach den Gegebenheiten ihres Betriebes ein Einsatz des Klägers unter Berücksichtigung seiner objektiven Leistungsfähigkeit sowohl als Busfahrer, zumindest aber als Fahrscheinprüfer möglich und zumutbar gewesen. In jedem Fall wäre sie aufgrund der gesteigerten Fürsorgepflicht vorliegend verpflichtet gewesen, zumindest bis zu der von ihr angestrebten Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine vorübergehende Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger als Fahrscheinprüfer zu organisieren, da sie derartige Überbrückungsmaßnahmen in der Vergangenheit für andere Arbeitnehmer auch vorgenommen hat.

Dadurch dass die Beklagte gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und den Kläger nicht beschäftigt hat, ist diesem vom 15.4.2003 bis zum 15.10.2003 keine Vergütung gezahlt worden. Ihm ist insoweit ein Schaden entstanden.

6)

Auch die für das Bestehen eines Schadensersatzanspruches erforderliche Verantwortlichkeit des Schuldners im Sinne des § 276 BGB ist erfüllt. Die Beklagte hat die ihr obliegende gesteigerte Fürsorgepflicht schuldhaft im Sinne des § 276 BGB verletzt. Fahrlässigkeit ist insoweit ausreichend. Die Handlungspflichten ergeben sich aus dem Gesetz. Die Rechtsprechung zur gesteigerten Fürsorgepflicht und zur Aufklärungspflicht existiert seit Jahren. Wie bereits erwähnt, ist die ärztliche Stellungnahme vom 01.04.2003 keineswegs absolut formuliert. Der Beklagten ist zudem vorzuwerfen, dass sie selbst nach ihrem eigenen Vorbringen zu keinem Zeitpunkt den Kläger damit konfrontiert hat, eine für sie rechtsverbindliche und abschließende Erklärung abzugeben, ob er eine Busfahrertätigkeit auch im Notfall nicht ausüben könne und wolle. Nichts hätte näher gelegen, als sich vom Kläger, der in Kenntnis der Gepflogenheiten einer Tätigkeit als Fahrscheinprüfer diese Tätigkeit verlangt hatte, wenigstens bescheinigen zu lassen, dass er auch künftig bereit und in der Lage sei, den von Fahrscheinprüfern üblicherweise geschuldeten Anteil an Busfahrertätigkeiten zu übernehmen. Die Beklagte hat anscheinend den Kläger noch nicht einmal danach gezielt gefragt, ob er eine diesbezügliche - max. 50%ige - Tätigkeit als Busfahrer auch bei einem schwerpunktmäßigen Einsatz als Fahrscheinprüfer ausüben könne. Nur dann, wenn sie im Zusammenhang mit der Erörterung der Einsatzmöglichkeiten des Klägers eine diesbezügliche Frage gestellt hätte und der Kläger sinngemäß geantwortet hätte "ich mache alles, aber auf keinen Fall Busfahrertätigkeiten" wäre im vorliegenden Fall möglicherweise eine fahrlässige Verletzung der gesteigerten Fürsorgepflicht der Beklagten zu verneinen. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfaltspflicht verletzt.

Angesichts der bereits seit Februar 2003 geführten Auseinandersetzung um eine behindertengerechte Beschäftigung des Klägers unter Einschaltung seines Anwalts sowie des Betriebsrates hätte die Beklagte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen, dass sie mehr zu tun hat, als jegliche nicht mit der Tätigkeit eines Busfahrers identische Beschäftigung des Klägers abzulehnen, um ihr nach § 81 SGB X obliegenden Pflichten zu erfüllen.

7)

Mithin ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Kläger hat infolge der Nichtbeschäftigung durch die Beklagte keinen Arbeitsverdienst erzielt. Wäre er vertragsgemäß beschäftigt worden, hätte er den Verdienst eines Führerscheinprüfers, mindestens jedoch den geringeren Verdienst eines Busfahrers erzielt. Insoweit handelt es sich rechnerisch richtig ermittelt und unbestritten um den eingeklagten Betrag in Höhe von 15.218,52 € brutto. Hiervon in Abzug zu bringen war das für den streitbefangenen Zeitraum erhaltene Arbeitslosengeld. Das ist rechnerisch korrekt errechnet und erstinstanzlich zutreffend ausgeurteilt worden.

8)

Nach alledem war die Zahlungsklage begründet. Der Klage ist zu Recht stattgegeben worden, sodass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, sodass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

Ende der Entscheidung

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