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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 18.06.2009
Aktenzeichen: 3 Sa 414/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG, MTV, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 72a
BetrVG § 37 Abs. 2
BetrVG § 37 Abs. 4
BetrVG § 38
BetrVG § 38 Abs. 3
BetrVG § 78 S. 2
BetrVG § 78 Abs. 2
MTV § 2 B
BGB § 611
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 414/08

Verkündet am 18.06.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 18.06.2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 02.10.2008 - 2 Ca 522 e/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt unter Berufung auf seine Freistellung als Betriebsratsvorsitzender Vergütungsdifferenzen für September 2007 bis Juni 2008 und die Gutschrift von Arbeitsstunden auf seinem Arbeitszeitkonto.

Die Beklagte stellt Wellpappe her. Der Kläger ist bei ihr seit dem 25.04.1978 tätig. Er war von 1990 bis 1994 Betriebsrats-Ersatzmitglied, ist seit 1994 ordentliches Betriebsratsmitglied, seit 1996 Betriebsratsvorsitzender und seit 2002 freigestellt nach § 38 BetrVG.

Ursprünglich arbeitete der Kläger als gewerblicher Arbeitnehmer an einer Wellpappenanlage (WPA), die die Kostenstelle 4150 hat. Dort wurde schon immer im Schichtbetrieb gearbeitet.

Zum Betrieb der Wellpappenanlage gehört auch die Leimküche. Dort wird nicht im Schichtbetrieb gearbeitet.

Im April 1999 - der Kläger war zwischenzeitlich Betriebsratsvorsitzender - schied in der Leimküche ein Arbeitnehmer aus Altersgründen aus. Der Kläger wurde sein Nachfolger. Seither arbeitete er nicht mehr im Schichtbetrieb - letztendlich bis zu seiner Freistellung in 2002 -. Die Kostenstelle 4150 blieb dem Kläger zugeordnet. Unter anderem dadurch nahm er weiter an der Prämie, die die Beklagte für die Tätigkeit an der WPA-Anlage zahlte, teil.

Die Beklagte vergütete den Kläger ursprünglich auf Stundenlohnbasis. Seit dem 01.06.1999 wurde er nach Lohngruppe 7 B bezahlt. Zusätzlich zum Tariflohn zahlte die Beklagte die WPA-Prämie. Ob und ggf. wie lange der Kläger nach seiner Arbeitsaufnahme in der Leimküche noch unabhängig von der tatsächlich geleisteten Arbeit durchschnittlich anfallende Zulagen (Nacht-, Schicht- und Überstundenzulagen) erhielt, ist streitig.

Der tarifliche Stundenlohn betrug unmittelbar vor der Freistellung des Klägers ab Juni 2001 EUR 12,85 brutto, ab dem 01.05.2002 EUR 13,29 brutto. Die Beklagte zahlte dem Kläger in den Monaten Januar bis einschließlich Juni 2002 effektiv durchschnittlich 15,13 EUR brutto pro Stunde (Anlage 1 - Bl. 51 d. A.). Ausgehend von einer maßgeblichen 35-Stunden-Woche erhielt der Kläger daher durchschnittlich 2.299,95 EUR brutto monatlich.

Aus Anlass der Freistellung des Klägers schlossen die Parteien mit Wirkung ab 01. Juli 2002 einen ergänzenden Nachtrag zum Arbeitsvertrag (Anlage K 1 - Bl. 5 d. A.). Vereinbart wurde danach ein fester Monatslohn von 2.400,00 EUR brutto, der sich wie folgt zusammensetzt:

 "Lohngruppe 7B (152 Std. x 13,29) Euro 2.020,00
Übertarifliche Zulage (152 x 0,66) Euro 100,32
Prämie (152 x 1,84) Euro 279,68
Gesamtbrutto pro Monat Euro 2.400,00"

Diese Ergänzung zum Arbeitsvertrag haben beide Parteien unterschrieben. Im Juli 2003 und Juni 2004 kam es zu Tariflohnerhöhungen. Sie wurden im Betrieb der Beklagten, soweit zulässig, ganz oder teilweise auf eventuelle übertarifliche Zulagen angerechnet. Seit Juni 2004 zahlt die Beklagte aufgrund dieser Anrechnungen an den Kläger nur noch eine übertarifliche Zulage in Höhe von 0,09 Euro pro Stunde. Ab September 2007 begehrt der Kläger mit der vorliegenden Klage für den Zeitraum September 2007 bis Juni 2008 die Auszahlung der vollen, angerechneten, übertariflichen Zulage von insgesamt 0,66 Euro, die er jeweils unter Beachtung der Ausschlussfristen rechtzeitig außergerichtlich geltend gemacht hat. Unter Berücksichtigung der jeweils individuell nach realen Arbeitstagen gezahlten Bruttomonatsvergütung ergibt sich für die 10 streitigen Monate rechnerisch richtig die begehrte Vergütungsdifferenz von insgesamt 1.073,33 EUR brutto. Diese hat der Kläger im vorliegenden Rechtstreit eingeklagt.

Nach § 2 B des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben Arbeitnehmer, die im Schichtbetrieb arbeiten, unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Freischicht pro Halbjahr. Der Kläger will insoweit gleichbehandelt werden und begehrt ebenfalls eine entsprechende Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto.

Er hat zur Begründung vorgetragen, ohne die Betriebsratstätigkeit würde er nach wie vor an der WPA-Anlage Schichtarbeit verrichten und dafür u.a. Schichtzulagen erhalten. Diese seien nur wegen seiner Betriebsratstätigkeit zunächst durch den Arbeitsplatzwechsel in die Leimküche und dann durch die vollständige Freistellung entfallen. Er dürfe aber nicht wegen seiner Funktion als Betriebsratsmitglied benachteiligt werden, so dass die Beklagte die Schichtzulagen ohne jegliche Anrechnung in Form der übertariflichen Zulage in Höhe von 0,66 EUR brutto je Arbeitsstunde an ihn zahlen müsse.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, die Beklagte habe die laut Arbeitsvertragsergänzung gewährte übertarifliche Zulage zulässig bei Tariflohnerhöhungen angerechnet. Die Zulage stehe in keinem Verhältnis zu zuvor gezahlten Schichtzulagen, zumal der Kläger unstreitig schon seit 1999 (Arbeitsbeginn in der Leimküche) keine Schichtarbeit mehr geleistet habe. Die Beklagte habe dem Kläger die ihm davor gezahlte effektive Durchschnittsvergütung von 15,13 EUR brutto/Stunde gewährt und nicht angetastet. Die weitere übertarifliche Zulage sei kein Ausgleich für weitere effektiv geleistete Lohnbestandteile und daher anrechenbar. Das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 37 Abs. 2, 78 S. 2 BetrVG sei in Bezug auf etwaige Schichtarbeit nicht substantiiert dargelegt. Deshalb scheitere auch das geltend gemachte Begehren auf Aufstockung des Arbeitszeitkontos. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 02.10.2008 verwiesen.

Gegen diese dem Kläger am 28.10.2008 zugestellte Entscheidung hat er am 25.11.2008 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 27.01.2009 am 26.01.2008 begründet wurde.

Der Kläger ergänzt und wiederholt im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er behauptet, er habe bis April 2002 trotz seiner Tätigkeit in der Leimküche Schicht-, Nacht- und Überstundenzuschläge erhalten. Die übertarifliche Zulage sei ihm gewährt worden als Ausgleich für an ihn vor dem Arbeitsplatzwechsel in die Leimküche gewährte Schichtzulagen. In der Arbeitsvertragsergänzung sei der Anspruch auf 0,66 EUR/Stunde nur falsch als "übertarifliche" Zulage bezeichnet worden. Das ergebe sich auch aus den von der Beklagten zur Akte gereichten handschriftlichen Notizen des Geschäftsführers S. vom 02.07.2002 (Anlage 1, Bl. 51 d. A.) und den dortigen Berechnungen: "Monatslohn = 2.299,55 EUR + W. + U." (Anlage 1, Bl. 51 d. A.9.). Mit + W. + U seien Wechselschichtzulage und Überstundenzuschläge gemeint gewesen. Im Übrigen sei er nur auf Drängen der Beklagten in die Leimküche gewechselt, um ohne Beeinträchtigung betrieblicher Belange die Betriebsratstätigkeit verrichten zu können. Das müsse berücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 02.10.2008 im Wege der Berufung aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass die Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt wird, an den Kläger und Berufungskläger Vergütungsdifferenzen für die Monate September 2007 bis Juni 2008 in Höhe von insgesamt 1.073,33 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz der EZB aus 572,16 EUR brutto ab Rechtshängigkeit der Klageschrift vom 20.03.2008 sowie aus 1.073,33 EUR brutto ab Rechtshängigkeit der Klagerweiterung zu zahlen sowie im Weiteren die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers und Berufungsklägers per Stand 30.06.2008 27,75 Stunden gutzuschreiben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Dem Kläger seien nur bis Oktober 1999 etwaige Schicht-, Nacht-und Überstundenzuschläge gezahlt worden und auch nur dann, wenn sie real angefallen seien. Die im Juli 2002 vereinbarte übertarifliche Zulage beruhe auf einer pauschalen rückwirkenden freiwilligen Erhöhung der Vergütung des Klägers ohne inhaltliche Bezugspunkte. Deshalb sei sie auch einvernehmlich als übertarifliche Zulage bezeichnet worden und anrechenbar. Die Kürzel "W + U" in den handschriftlichen Notizen des Geschäftsführers stünden für Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld. Es habe keine Absprache zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer S. gegeben, dass die übertarifliche Zulage ein Pauschalausgleich für entgangene Schichtzuschläge sein solle.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.

II. In der Sache konnte die Berufung jedoch keinen Erfolg haben.

Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Zahlungsklage abgewiesen und dabei insbesondere darauf abgestellt, dass die Anrechnung der Tariflohnerhöhungen zulässig war, weil die Zulage in keinem Verhältnis zu zuvor gezahlten Schichtzulagen stünden. Aus dem gleichen Grunde scheitere auch das geltend gemachte Begehren auf Aufstockung des Arbeitszeitkontos. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Lediglich ergänzend wird Folgendes ausgeführt:

1. Die Beklagte war befugt, die Tariflohnerhöhungen im Jahre 2003 und 2004 auf die arbeitsvertraglich vereinbarte übertarifliche Zulage von 0,66 EUR brutto/Arbeitsstunde anzurechnen, so dass diese übertarifliche Zulage seither auf 0,09 EUR brutto/Arbeitsstunde dauerhaft abgeschmolzen wurde. Ein Anspruch auf Auszahlung restlicher, der "übertariflichen Zulage" zuzuordnender Vergütungsbeträge - in welcher Höhe auch immer - steht dem Kläger nicht zu.

2. Grundsätzlich ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Arbeitgeber berechtigt, übertarifliche Zulagen im Falle einer Tariflohnerhöhung auf den Tariflohn anzurechnen, es sei denn, dass die Parteien etwas anderes vereinbart haben. Der Arbeitnehmer ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, aus denen sich die Anrechnungsfreiheit und damit die Aufstockung des Tariflohnes ergeben sollen. Im Regelfall findet nach der Rechtsprechung eine Anrechnung übertariflicher Zulagen auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt statt. Im Übrigen ist durch Auslegung der Umstände zu ermitteln, ob Anrechenbarkeit besteht oder Aufstockung des neuen Tariflohnes um die übertarifliche Zulage vereinbart ist und zu erfolgen hat.

3. Die Parteien haben die hier streitige Zulage in der Ergänzungsvereinbarung vom 15. Juli 2002 ausdrücklich als "übertarifliche Zulage" bezeichnet. Eine ausdrückliche Vereinbarung der Nichtanrechenbarkeit wurde nicht getroffen. Weitergehende besondere Umstände, aus denen sich bei dem oder trotz des gewählten Wortlautes der Ergänzungsvereinbarung ergeben soll, dass die übertarifliche Zulage vereinbarungsgemäß ein anrechnungsfester Entgeltbestandteil sein sollte, sind vom darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht substantiiert vorgetragen worden.

a) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Existenz etwaiger besonderer Umstände ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Ergänzungsvereinbarung, mithin der 15. Juli 2002. Das Vorbringen des Klägers, bei Abschluss der Ergänzungsvereinbarung vom 15.07.2002 sei mit dem Geschäftsführer der Beklagten Herrn S. besprochen worden, die übertarifliche Zulage werde ihm als Ausgleich für die ihm vor dem Arbeitsplatzwechsel in die Leimküche gewährten Schichtzulagen gezahlt, ist von Beklagtenseite ausdrücklich bestritten worden. Insoweit fehlt nicht nur ein diesbezügliches rechtlich zulässiges Beweisangebot des Klägers. Es fehlt auch jegliches substantiierende Vorbringen zu näheren Umständen und zum Gesprächsverlauf im Zusammenhang mit dem Zustandekommen der Ergänzungsvereinbarung vom 15.07.2002. Der Kläger hat jedoch ohne nähere Darstellung eines etwaigen Gesprächsverlaufs etc. nur schlicht die Behauptung aufgestellt, der ausdrücklich als übertarifliche Zulage bezeichnete Vergütungsbestandteil sei tatsächlich der Durchschnitt in der Vergangenheit gezahlter Schichtzulagen und nur falsch bezeichnet. Diese Behauptung ist einer etwaigen Beweisführung nicht zugänglich.

b) Diese Behauptung liegt auch nicht nahe. Substantiiertes Vorbringen wäre umso erforderlicher gewesen, als der Wechsel in die Leimküche, der zu einem unvergüteten Wegfall etwaiger Schicht-, Nacht- und Überstundenzuschläge geführt haben soll, bereits 1999 erfolgte, die Vereinbarung über eine außertarifliche Zulage aber erst drei Jahre später, Mitte 2002 erfolgte. Gerade auch deshalb hätte es näherer Darlegungen des Klägers bedurft, vor welchem tatsächlichen Hintergrund und mit welchen konkreten Berechnungen man drei Jahre nach dem Arbeitsplatzwechsel in die Leimküche Auswirkungen dieses Wechsels tatsächlich in die Ergänzungsvereinbarung vom 15.07.2002 mit einbezogen haben soll.

c) Das Vorbringen des Klägers, der handschriftliche Zusatz der internen Berechnung eines festen Monatslohns "+ W + U." bedeute "+ Wechselschichtzulagen + Überstundenzulagen" stellt ebenfalls nur eine schlichte Behauptung dar. Abgesehen davon, dass die Abkürzung von "Überstundenzuschläge" ein "Ü" und kein "U" wäre, hat die Beklagte plausibel erläutert, das "W" stehe für Weihnachtsgeld und das "U" stehe für Urlaubsgeld.

d) Zudem ergibt sich aus dieser Vergütungsberechnung der Beklagten vom 02.07.2002, dass die Beklagte die Höhe der tatsächlich an den Kläger in den ersten sechs Monaten des Jahres 2002 gezahlten Vergütung zugrunde gelegt hat. Sie hat hieraus - korrekt - einen effektiven, tatsächlich gezahlten durchschnittlichen Gesamtstundenlohn von 15,13 EUR brutto je Stunde errechnet. In dieser Durchschnittsvergütung sind bereits alle an den Kläger in den ersten sechs Monaten des Jahres 2002 gezahlten Vergütungsbestandteile enthalten. Die Richtigkeit der Behauptung des Klägers unterstellt, er habe bis einschließlich April 2002 Schicht-, Nacht- und Überstundenzuschläge erhalten, bedeutet das dann aber auch, dass in dem festgeschriebenen Durchschnittsstundenlohn von 15,13 EUR brutto die in der Vergangenheit gezahlten Schicht-, Nacht- und Überstundenzuschläge enthalten und damit auf Dauer anrechnungsfrei zugunsten des Klägers festgeschrieben worden sind.

e) Etwas anderes hat der Kläger weder substantiiert bestritten noch dargelegt. Die Beklagte hat die Vergütungsbeträge, die sie der Durchschnittslohnberechnung Anfang Juli 2002 zugrunde gelegt hat, in der Anlage 1 (Bl. 51 d. A.) im Einzelnen aufgeschlüsselt und offen gelegt. Der Kläger hat die dort aufgeführten monatlichen Lohnbeträge weder bestritten, geschweige denn durch Vorlage anderslautender Lohnabrechnungen bezüglich ihrer Richtigkeit widerlegt. Er hat auch nicht konkret vorgetragen, wie hoch die Schicht-, Nacht- und Überstundenzuschläge, die an ihn im ersten Halbjahr 2002- oder gar davor - gezahlt worden sein sollen, denn tatsächlich gewesen sein sollen. Hierzu wäre er jedoch ggf. verpflichtet gewesen, um sein Vorbringen zu substantiieren. Das wäre dem Kläger auch durchaus möglich gewesen. Die Lohnabrechnungen liegen ihm vor, wie er in der Berufungsverhandlung durch Hinweis auf einen mitgebrachten Ordner voller Lohnabrechnungen dokumentiert hat. Insoweit wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, ggf. durch Vorlage solcher Lohabrechnungen seine Behauptungen, der übertarifliche Vergütungsbestandteil in Höhe von insgesamt 100,32 EUR brutto entspreche dem Durchschnitt der vor Juli 2002 erhaltenen Schicht-, Nacht- und Überstundenzuschläge, vorzurechnen, zu substantiieren und zu belegen. Das ist jedoch nicht geschehen.

Damit ist der Kläger bezüglich der pauschal behaupteten Existenz von besonderen Umständen, aus denen sich entgegen des eindeutigen Wortlautes der arbeitsvertraglichen Ergänzungsvereinbarung ergeben soll, dass die als übertarifliche Zulage bezeichnete Zahlung tatsächlich Schicht-, Nacht- und Überstundenzuschläge sein sollte, darlegungs- und beweisfällig geblieben. Die übertarifliche Zulage ist damit anrechenbar.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Beibehaltung und Auszahlung einer Zulage in Höhe von 0,66 EUR brutto je Stunde aus §§ 38 Abs. 3, 37 Abs. 2 und 4 BetrVG, i. V. m. § 611 BGB.

a) Zwar hat das freigestellte Betriebsratsmitglied grundsätzlich Anspruch auf das Arbeitsentgelt, dass es erhalten hätte, wenn es nicht freigestellt worden wäre, sondern weiter seine berufliche Tätigkeit ausgeübt hätte. Insoweit gilt für die Frage der Fortzahlung des Arbeitsentgelts an freigestellte Betriebsratsmitglieder im Grundsatz nichts anderes als bei lediglich vorübergehend von der Arbeit befreiten Betriebsratsmitgliedern. Zu beachten ist allerdings, dass sich durch die Freistellung die Aufgaben des Betriebsratsmitglieds und nicht selten auch der Ort seiner Tätigkeit ändern. Da die freigestellten Betriebsratsmitglieder nicht in den Arbeitsprozess eingegliedert sind, bereitet allerdings die Feststellung ihres individuellen Lohnes oft Schwierigkeiten. Das gilt insbesondere für solche freigestellten Betriebsratsmitglieder, die im Leistungslohn gestanden haben. Da wegen der Freistellung die persönliche Arbeitsleistung als Bezugspunkt ausscheidet, auf der anderen Seite die Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Freistellung insbesondere auch in finanzieller Hinsicht nicht benachteiligt werden dürfen, ist ihr Arbeitsentgelt nach demjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung zu bemessen. Der Anspruch des freigestellten Betriebsratsmitgliedes umfasst alle Entgeltbestandteile, die den vergleichbaren Arbeitnehmern zufließen und die auch das freigestellte Betriebsratsmitglied erhalten hätte, wäre es nicht freigestellt. Zu denken ist hier insbesondere an Mehrarbeitszulagen, Überstundenzuschläge, Nachtarbeitszuschläge oder Sozialzulagen. Da das freigestellte Betriebsratsmitglied durch die Freistellung keinen finanziellen Nachteil erleiden soll, hat es auch dann Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge, wenn zwar die vergleichbaren Arbeitnehmer Mehrarbeit leisten, im Rahmen der Betriebsratstätigkeit Mehrarbeit jedoch nicht mehr anfällt (vergl. Fitting, Komm. zum BetrVG, Rzn. 85 - 88 zu § 38 BetrVG m. w. N.).

b) Auch diese Vorschriften ergeben keine Anspruchsgrundlage für das Klagbegehren des Klägers. Das freigestellte Betriebsratsmitglied trägt zunächst einmal die Darlegungs- und Beweislast für einen Anspruch auf im Rahmen der Betriebsratstätigkeit nicht mehr anfallende Schicht-, Sonntags- und Mehrarbeitszuschläge. Das gilt jedenfalls insoweit, als es wenigstens Mindereinnahmen wegen Betriebsratstätigkeit darlegen muss.

Wie bereits oben ausgeführt, hat der Kläger bereits nicht dargelegt, ob Schicht-, Nacht- und Überstundenzuschläge an der WPA im Juli 2002 den Betrag von 0,66 EUR brutto je Stunde ausgemacht hätten. Der Kläger hätte insoweit die maßgeblichen Lohnabrechnungen, die ihm vorlagen, auswerten und darlegen müssen. Es ist jedoch nicht ansatzweise feststellbar oder ersichtlich, dass der Kläger entweder bis einschließlich Juni 2002 oder aber zumindest bis zum Beginn der Tätigkeit in der Leimküche im April 1999 effektiv Zulagen in Höhe des Betrages der "übertariflichen Zulage" gemäß Ergänzungsvereinbarung vom 15.07.2007 erhalten hat.

c) Ebenso hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass seine Herausnahme aus der Schichtarbeit im April 1999 ausschließlich zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Betriebsratstätigkeit erforderlich gewesen ist und dass ihm hierdurch Nachteile bei der Vergütung entstanden sind. Die Darlegung der konkreten Hintergründe für die Versetzung in die Leimküche und der tatsächlichen Existenz einer Benachteiligung in Form von Verdiensteinbußen durch den Kläger ist aber mindestens erforderlich, um sodann im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast ggf. von der Beklagten als Arbeitgeberin widerlegendes Vorbringen mit Beweisantritt verlangen zu können. Hierauf ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil bereits im Einzelnen eingegangen. Darauf sei verwiesen.

d) Entgegenhalten lassen muss sich der Kläger auch, dass er sich erstmals mit Schreiben vom 17.10.2007, mithin mehr als achteinhalb Jahre nach seiner Umsetzung in die Leimküche ohne Schichtarbeit und noch über fünf Jahre nach seiner Freistellung und nach dem Abschluss der Ergänzungsvereinbarung vom 15.07.2002 darauf beruft, ihm stünden Zulagen zu, die ihm infolge der Versetzung in die Leimküche entgangen seien. Er hat aber nicht dargelegt, ob dieses tatsächlich der Fall ist und in welcher Größenordnung Zuschläge tatsächlich zu beanspruchen wären, Arbeitskollegen an der WPA heute erhalten, er hingegen nicht. Auch die ausschließliche Ursächlichkeit der Betriebsratsarbeit für den Wechsel in die Leimküche hat er nur behauptet.

4. Aus den gleichen Erwägungen scheitert auch ein etwaiger Anspruch des Klägers aus § 78 Abs. 2 BetrVG.

Gleiches gilt für den geltend gemachten Anspruch auf Berichtigung des Arbeitszeitkontos.

5. Nach alledem war das Zahlungsbegehren unbegründet. Die Klage ist daher zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

Ende der Entscheidung

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