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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 463/06
Rechtsgebiete: MTV, TVG


Vorschriften:

MTV der P... AG vom 24.9.2005 § 1
MTV der P... AG vom 24.9.2005 § 12
MTV der P... AG vom 24.9.2005 § 24
MTV der P... AG vom 24.9.2005 § 27
TVG § 4 Abs. 3
1. Das Inkrafttreten des Manteltarifvertrages der P... AG vom 24.9.2005 hängt nicht vom Abschluss entsprechender neuer Arbeitsverträge ab.

2. Zu den Eingruppierungsvoraussetzungen der Vergütungsgruppe X - gewerbliche Arbeitnehmer - der Anlage B zum MTV -Ergotherapeutin-

3. Beim Günstigkeitsvergleich zwischen arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Leistungen ist ein so genannter Sachgruppenvergleich vorzunehmen, bei dem die Teilkomplexe miteinander zu vergleichen sind, die in einem inneren Zusammenhang stehen und von der gleichen Gegenleistung abhängen. Sonderzuwendungen, die unter Rückzahlungsvorbehalt stehen, hängen angesichts der zusätzlich verlangten Betriebstreue von einer anderen Gegenleistung ab, als allgemeine Lohnansprüche. Das schließt bereits einen Gesamtvergleich der Summe aller Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsvertrag im Vergleich zu tarifvertraglichen Ansprüchen aus.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 463/06

Verkündet am 28.03.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 28.03.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 21.06.2006 - 4 Ca 146 b/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Sonderzahlungen aus dem Arbeitsvertrag sowie um die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Vergütung und Eingruppierung nach einem Firmen - Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 hat.

Die Klägerin ist 1955 geboren und verheiratet und hat drei unterhaltspflichtige Kinder. Sie ist seit dem 15.01.2004 in der nunmehr von der Beklagten betriebenen Residenz ... in ... als Ergotherapeutin tätig. Sie legte ihr Staatsexamen im August 2003 ab. Die Klägerin arbeitete in Vollzeit. Sie erhielt zuletzt ein festes Grundgehalt von 1840,64 EUR brutto zuzüglich Nacht-, Sonn- und Zeitzuschläge. Im September 2005 zahlte ihr die Beklagte wegen Arbeitsunfähigkeit insgesamt nur 1533,88 EUR brutto.

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.

Die Beklagte, die diesen Betrieb mit Wirkung ab 01.04.2000 übernommen hatte, schloss mit der Klägerin einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Nach dessen Anlage 1 ist eine Sonderzuwendung in Höhe von 100 % des Septembergehaltes des laufenden Jahres zu beanspruchen, soweit das Arbeitsverhältnis ab 01.01. des laufenden Jahres bestand und am 31.03. des Folgejahres fortbesteht. Nach dessen Anlage 2 besteht zudem ein Anspruch auf Urlaubsgeld in Höhe von 500,00 DM (=255,65 EUR) bei Vollzeitbeschäftigung, fällig am 01.07. des laufenden Jahres (Anlage K 1 - Bl. 17 d. A.).

Die Beklagte betreibt in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Alten- und Pflegeheime. Die P... AG schloss mit Datum vom 24.09.2004 mit der Gewerkschaft ver.di einen Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV). Dort heißt es unter anderem wie folgt:

§ 1 Geltungsbereich:

1. ...

2. Dieser Tarifvertrag gilt persönlich für Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis stehen und Mitglied der vertragsschließenden Gewerkschaft sind. Mit Inkrafttreten des Tarifvertrages werden entsprechende Arbeitsverträge abgeschlossen. ...

§ 12 Eingruppierung:

1. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlage B). Der Arbeitnehmer erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in die er eingruppiert ist.

2. Der Arbeitnehmer ist in die Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.

...

§ 24 Besitzstandswahrung:

1. Soweit sich aus der Anwendung dieses Tarifvertrages und diesen ergänzenden und ersetzenden Tarifverträgen ein niedrigeres Gesamteinkommen als nach den für den jeweiligen Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages oder anderer Regelungen ergibt, gelten folgende Regelungen:

a) Bei denjenigen Arbeitnehmern, die am 30.09.2004 schon bei P... beschäftigt waren und deren Stufung nach Berufsjahren bzw. Lebensalter erfolgte, bleibt diese Stufung so lange bestehen, bis er die Anspruchsvoraussetzungen dieses Tarifvertrages zur Höherstufung erfüllt.

b) Arbeitnehmer, deren bisherige Vergütung in Form eines Festbetrages höher ist als die, die sie nach den jeweils gültigen Regelungen dieses Tarifvertrages bekommen würden, erhalten den Differenzbetrag als persönliche Zulage.

§ 27 Inkrafttreten, Laufzeit:

1. Dieser Tarifvertrag tritt mit Wirkung vom 01.10.2004 in Kraft.

2. Die §§ 10, 12, 12a, 12b, 12c, 13, 16a, 19 und 20 treten mit Wirkung vom 01.01.2005 in Kraft.

Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die entsprechenden, für den einzelnen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten dieses Tarifvertrages geltenden einzelvertraglichen und tarifvertraglichen Regelungen in Kraft.

Die Eingruppierung von Ergotherapeuten ergibt sich aus Anlage B zum Manteltarifvertrag vom 24. September 2004 "Sozialarbeiter/Sozialpädagogen". Hiernach sind Beschäftigungstherapeuten (heute Ergotherapeuten genannt) mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit nach sechsmonatiger Berufsausübung nach erlangter staatlicher Anerkennung in die Vergütungsgruppe VI b (Fallgruppe 2) eingruppiert.

Die Tarifvertragsparteien schlossen zudem am 24.09.2004 einen Vergütungstarifvertrag Nr. 1 zum MTV, der am 01.01.2005 in Kraft trat. Er regelt Grundvergütungen, Ortszuschläge, Stundenvergütungen und eine allgemeine Zulage. Der ebenfalls am 24.09.2004 abgeschlossene Tarifvertrag über eine Zuwendung ist ab dem 01.10.2004 gültig und sieht vor, dass der Arbeitnehmer unter den in § 2 VTV genannten Anspruchsvoraussetzungen eine Zuwendung in Höhe von 82 % der Septembervergütung des laufenden Jahres erhält, zahlbar in 12 gleichen monatlichen Beträgen für jeden vollen Beschäftigungsmonat. Beginn der Zahlung ist jeweils der November des Kalenderjahres. Eine Urlaubsgeldzahlung ist nach den tariflichen Regelungen nicht vorgesehen.

Die Beklagte zahlte der Klägerin 2005 kein Urlaubsgeld. Sie gruppierte die Klägerin auch nicht nach dem MTV/VTV ein und zahlte ihr folglich auch nicht das Tarifgehalt, da zwischen der Beklagten und ver.di Uneinigkeit über die Auslegung der Tarifverträge besteht. Die Beklagte zahlt der Klägerin nach wie vor die einzelvertraglich vereinbarte Grundvergütung.

Die arbeitsvertraglich vereinbarte Zuwendung zahlte die Beklagte ebenfalls im November 2005 an die Klägerin nicht. Stattdessen erhielt die Klägerin im November und Dezember 2005 ausweislich der Verdienstabrechnungen jeweils eine Zahlung in Höhe von 125,78 EUR (insgesamt 251,56 EUR) mit der Bezeichnung "Sonderzuwendung 1/2".

Die Klägerin hat mit ihrer Klage Zahlung eines Urlaubsgeldes für 2005 in Höhe von 255,65 EUR brutto verlangt. Weiter hat sie eine Zuwendung nach Anlage 1 des Arbeitsvertrages in Höhe von 1533,88 EUR abzüglich gezahlter 251,56 EUR gefordert, so dass sich ein Differenzbetrag von 1282,32 EUR ergibt. Ferner hat die Klägerin bezogen auf den Zeitraum 01.01.2005 - 31.12.2005 für 12 Monate die Zahlung der Differenz zwischen der ihr nach dem MTV/VTV zustehenden tariflichen Vergütung und der ihr tatsächlich gezahlten arbeitsvertraglich vereinbarten monatlichen Grundvergütung beansprucht. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die Klageschrift und das angefochtene Urteil verwiesen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin suche sich jeweils die für sie günstigste Regelung aus den arbeitsvertraglichen und den tarifvertraglichen Regelungen heraus. Hingegen sei ein kollektiver Günstigkeitsvergleich vorzunehmen, demzufolge die bisher an die Klägerin gezahlte Vergütung einschließlich der Sonderzahlung ergebe, dass die tarifvertraglichen Leistungen insgesamt günstiger für die Klägerin seien und daher auch kein Anspruch auf arbeitsvertraglich vereinbarte Sonderzuwendungen bestehe. Einzugruppieren in den Tarifvertrag sei sie aber nicht. Insoweit gelte noch der Arbeitsvertrag.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umgang entsprochen.

Gegen dieses am 26.09.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet.

Sie ergänzt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie trägt vor, das Arbeitsgericht habe übersehen, dass die Klägerin sich nicht auf den Tarifvertrag berufen könne. Der MTV finde auf das Arbeitsverhältnis noch keine Anwendung, da gemäß § 1 Ziff. 2 S. 2 MTV mit Inkrafttreten des Tarifvertrages entsprechende Arbeitsverträge abgeschlossen werden sollten, was noch nicht geschehen sei. Die abzuschließenden Arbeitsverträge seien Wirksamkeitsvoraussetzungen für das Inkrafttreten des MTV. Da zwischen den Tarifvertragsparteien noch keine Einigung über die Fassung der abzuschließenden Arbeitsverträge erzielt werden konnte, habe der Tarifvertrag noch nicht in Kraft treten können. Ansprüche hieraus könnten derzeit nicht geltend gemacht werden. Ungeachtet dessen habe die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen, dass sie einen Anspruch auf Vergütung als Ergotherapeutin habe. Die Klägerin habe weder vorgetragen, welche konkreten Tätigkeiten sie überhaupt ausübe, noch mit welchem zeitlichen Umfang. Die Tätigkeit der Klägerin lasse sich nicht bereits aus dem Arbeitsvertrag der Parteien herleiten. Die Klägerin suche sich, indem sie die Sonderzuwendungen aus dem Arbeitsvertrag und gleichzeitig die Eingruppierung aus dem MTV/VTV begehre, jeweils die "Rosinen" aus den jeweiligen Regelungen heraus. Insoweit sei jedoch ein kollektiver Günstigkeitsvergleich anzustellen. Der Tarifvertrag sei insgesamt günstiger, so dass ein Anspruch auf Sonderzuwendung entfalle. Die Anlagen 1 und 2 des Arbeitsvertrages, die Ansprüche auf Sonderzuwendungen regeln, seien durch den Manteltarifvertrag abgelöst worden. Hinsichtlich der Zahlung des Urlaubsgeldes und der Zuwendung für das Jahr 2005 sei ein Sachgruppenvergleich anzustellen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 21.06.2006 - 4 Ca 146 b/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass noch keine neuen Arbeitsverträge abgeschlossen worden seien. Die Ansprüche nach dem Tarifvertrag seien dennoch begründet und fällig. Die Tarifverträge seien aufgrund unmittelbarer Geltung anzuwenden. Der Anspruch auf Eingruppierung in die maßgebliche Vergütungsgruppe sei bereits erstinstanzlich schlüssig dargelegt und substantiiert vorgetragen. Die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit sei unstreitig. Die Berechnung der Differenzvergütung ebenso.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin ist in den Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 mit Wirkung ab 1. Januar 2005 einzugruppieren. Sie ist der Vergütungsgruppe VI b, Anlage B, Sozialarbeiter/ Sozialpädagogen, mit Wirkung ab 1. Januar 2005 zuzuordnen. Sie hat insoweit monatlich einen um 388,97 EUR brutto höheren Vergütungsanspruch. Die Beklagte ist zudem ungeachtet der Existenz des MTV/VTV verpflichtet, der Klägerin das arbeitsvertraglich vereinbarte Urlaubsgeld sowie die arbeitsvertraglich vereinbarte Sonderzuwendung weiter zu zahlen. Im Einzelnen:

1.

Entgegen der Auffassung der Beklagten richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem MTV vom 24.09.2004. Beide Parteien sind tarifgebunden. Damit gelten die Rechtsnormen der betreffenden Tarifverträge, soweit sie den Inhalt des Arbeitsverhältnisses regeln, gemäß § 4 TVG zwischen beiden Parteien unmittelbar und zwingend. Der MTV vom 24.9.2004 gilt - soweit vorliegend von Bedeutung - seit dem 1.1.2005.

a)

Gemäß § 27 Ziff. 2 MTV treten die Bestimmungen der §§ 10 (Zuschläge), 12 (Eingruppierung), 12 a (Bestandteile der Vergütung), 12 b (Grundvergütung), 12 c (Ortszuschlag), 13 (Vergütung) und 16 a (Zulagen) mit Wirkung vom 01.01.2005 in Kraft. Wenn dort weiter - deklaratorisch - geregelt ist, dass bis zu diesem Zeitpunkt die entsprechenden für den einzelnen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten dieses Tarifvertrages geltenden einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelungen in Kraft bleiben, so ist das der deutliche Hinweis darauf, dass nur bis zu diesem Zeitpunkt die bisherigen Regelungen gelten. Dem steht auch nicht etwa entgegen, dass sich gemäß der Schlussbestimmung des § 26 a MTV die Tarifvertragsparteien einig waren, dass bei Auslegungsschwierigkeiten zwischen ihnen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung verhandelt werden muss. Auch wenn zwischenzeitlich Bestimmungen des Manteltarifvertrages von den tarifvertragsschließenden Parteien unterschiedlich ausgelegt werden und Nachverhandlungen erfolglos abgebrochen und nicht abgeschlossen sind, steht das der Anwendung des MTV nicht entgegen. Vielmehr hat, solange Nachverhandlungen nicht zu einer Klarstellung oder Korrektur des Tarifwortlauts geführt haben, dessen Auslegung und Anwendung durch die Gerichte für Arbeitssachen nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regelungen zu erfolgen (LAG Berlin vom 26.07.2006 - 4 Sa 514/06; 4 Sa 1071/06 - mit Rechtsprechungsnachweisen; LAG Schleswig-Holstein vom 27.02.2007 - 2 Sa 462/06; LAG Schleswig-Holstein vom 21.03.2007 - 4 Sa 468/06).

b)

Für die Auffassung der Beklagten, dass die tarifvertraglichen Regelungen angesichts der beabsichtigten bundesweiten Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Einrichtungen erst mit (Neu-) Abschluss eines Arbeitsvertrages zur Anwendung kommen sollen, findet sich im Manteltarifvertrag keine Stütze. Dort heißt es in § 1 Ziff. 2 ausdrücklich: "Mit Inkrafttreten des Tarifvertrages werden entsprechende Arbeitsverträge abgeschlossen". Damit wird - nur - eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation begründet. Hätte der (Neu-) Abschluss eines Arbeitsvertrages Vorraussetzung für die Anwendung des MTV vom 24.09.2004 sein sollen, hätte es in § 1 Ziff. 2 MTV heißen müssen: "Mit (Neu-) Abschluss eines jeweiligen Arbeitsvertrages tritt der Tarifvertrag in Kraft." Diese Formulierung haben die Tarifvertragsparteien jedoch gerade nicht gewählt.

c)

§ 1 Ziff. 2 MTV kann zudem nicht losgelöst von § 27 Ziff. 1 und 2 MTV betrachtet werden. § 27 Ziff. 2 MTV regelt ausdrücklich, dass die §§ 10, 12, 12a, 12 b, 12 c, 13, 16 a, 19 und 20 MTV mit Wirkung vom 01.01.2005 in Kraft treten. Insoweit handelt es sich um eine klare, deutliche Aussage der Tarifvertragsparteien, die aufgrund des eindeutigen Wortlauts keiner anderen Auslegung zugänglich ist.

2.

Aufgrund der Anwendbarkeit der MTV/VTV hat die Klägerin auch Anspruch auf Eingruppierung und entsprechende Vergütung nach dem VTV mit Wirkung ab 01.01.2005. Der diesbezügliche Feststellungsantrag der Klägerin zu 5 ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

a)

Der Feststellungsantrag ist zulässig. Die Klägerin begehrt mit ihm die Klärung, in welche Vergütungsgruppe sie einzugruppieren ist. Ein Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass mit einer solchen Eingruppierungsfeststellungsklage die grundlegenden Vergütungsansprüche im Rahmen des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft geklärt werden können. Der Klägerin geht es darum, mit dem Feststellungsantrag festgestellt zu wissen, in welche Vergütungsgruppe sie ab Inkrafttreten des MTV einzugruppieren ist. Damit ist das Feststellungsinteresse zu bejahen.

b)

Der Feststellungsantrag ist begründet. Die Klägerin ist mit Wirkung ab 1. Januar 2005 unter Berücksichtigung der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit in Vergütungsgruppe VI b und dort Fallgruppe 2 des Manteltarifvertrages vom 24.09.2004, Anlage B, Sozialarbeiter/ Sozialpädagogen eingruppiert.

Danach sind Beschäftigungstherapeuten mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit nach sechsmonatiger Berufsausübung nach erlangter staatlicher Anerkennung der Vergütungsgruppe VI b zuzuordnen.

Die Klägerin ist examinierte Ergotherapeutin. Die frühere Bezeichnung für Ergotherapeutin war Beschäftigungstherapeutin. Unstreitig hat es insoweit nur eine schlichte Änderung der förmlichen Bezeichnung, aber keine Änderung der Ausbildung und/ oder der Tätigkeitsbereiche gegeben. Die Klägerin hat im August 2003 ihr Staatsexamen als Ergotherapeutin abgelegt. Sie ist seit dem 15.1.2004 bei der Beklagten als Ergotherapeutin tätig. Sie übt diese arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit bei der Beklagten seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses aus. Die Klägerin begehrt die Eingruppierung ab dem 1.1.2005. Zu diesem Zeitpunkt hat sie bereits 11 1/2 Monate für die Beklagte als examinierte Ergotherapeutin gearbeitet. Damit erfüllt die Klägerin die tariflichen Voraussetzungen für die Eingruppierung in Vergütungsgruppe VI b der Anlage B, Sozialarbeiter/ Sozialpädagogen zum MTV und ist in diese Vergütungsgruppe einzugruppieren. Diese Eingruppierung besteht ab 01.01.2005. Das hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt.

3.

Aufgrund der Eingruppierung der Klägerin in Vergütungsgruppe VI b des MTV vom 24.09.2004 war auch der entsprechend dem Klagantrag zu 3. im Urteilstenor zu Ziff. 3 ausgeurteilte noch offene Differenzvergütungsbetrag für das Jahr 2005 zu bestätigen.

Die Einstufung erfolgt gemäß § 12 b MTV nach den Beschäftigungsjahren, wobei nach je 2 Beschäftigungsjahren die nächst höhere Stufe der Vergütungsgruppe erreicht wird. Die Klägerin ist seit dem 15.01.2004 bei der Beklagten tätig, hatte daher am 1.1.2005 erst die Stufe 1 der Grundvergütung, die so genannte Anfangsvergütung erreicht. Bei einer Eingruppierung in Vergütungsgruppe VI b MTV ist gem. § 12 c MTV ein Ortszuschlag nach Tarifklasse II zu zahlen. Da die Klägerin verheiratet und zudem unstreitig gegenüber drei Kindern unterhaltspflichtig ist, hat sie Anspruch auf einen Ortszuschlag gemäß § 12 c, Stufe 5 MTV. Zudem besteht der Anspruch auf eine allgemeine Zulage.

Es ergibt sich mithin folgende Berechnung des der Klägerin für das Jahr 2005 zustehenden monatlichen Gehalts nach Vergütungsgruppe X bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden:

 Grundgehalt (38,5 Stunden Vollzeit)1275,43 EUR
Ortszuschlag Stufe 3846,74 EUR
allgemeine Zulage107,44 EUR
Summe (38,5 Stunden)2229,61 EUR
abzüglich gezahltes Gehalt 1840,64 EUR
monatlicher Differenzbetrag 388,97 EUR brutto
Zeitraum 01.01. - 31.12.2005 4667,64 EUR brutto

Diese Höhe entspricht dem ausgeurteilten Betrag. Das Urteil war daher auch insoweit zu bestätigen.

4.

Die Klägerin hat weiterhin gegenüber der Beklagten noch einen Anspruch auf Zahlung des ausgeurteilten anteiligen Urlaubsgeldes für das Jahr 2005 in Höhe von 255,65 EUR brutto sowie der restlichen Sonderzuwendung in Höhe von 1282,32 EUR brutto. Dieser Anspruch beruht auf den Anlagen 1 und 2 ihres Arbeitsvertrages. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen vorab auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil verwiesen. Lediglich ergänzend wird folgendes ausgeführt:

Die Klägerin kann sich trotz des Inkrafttretens des MTV, des VTV sowie des Tarifvertrages über eine Zuwendung jeweils vom 24.09.2004 auf die insoweit günstigeren Regelungen im Arbeitsvertrag berufen. Maßgeblich hierfür ist § 4 Abs. 3 TVG. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für den Günstigkeitsvergleich nicht auf die Gesamtbeträge abzustellen, die sich aus der Summe aller Vergütungsansprüche aus den drei genannten Tarifverträgen ergeben.

a)

Beim Günstigkeitsvergleich ist ein so genannter Sachgruppenvergleich vorzunehmen. Dabei sind die in einem inneren Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen zu vergleichen. Beim Vergleich von unterschiedlichen Leistungen kommt es darauf an, ob diese funktional äquivalent sind. Ist dies nicht der Fall, ist ein Günstigkeitsvergleich grundsätzlich nicht möglich. Ein Günstigkeitsvergleich scheidet deshalb regelmäßig auch dann aus, wenn die zu vergleichenden Leistungen mit unterschiedlichen Gegenleistungen verbunden sind (BAG vom 30.03.2004 - 1 AZR 85/03; BAG vom 27.01.2004 - 1 AZR 148/03 - jeweils zitiert nach JURIS).

b)

Vorliegend stehen sich hinsichtlich des von der Beklagten zugrunde gelegten Gesamtbetrages keine funktional gleichwertigen Leistungen gegenüber. Entscheidungserheblich ist auch nicht der von der Beklagten angeführte "kollektive Günstigkeitsvergleich". Entscheidungserheblich ist die individuelle Günstigkeit. Der Tarifvertrag wendet der Klägerin als Arbeitnehmerin ein Individualrecht zu. Er soll insoweit nicht die Belegschaft als ganzes schützen, sondern dem einzelnen Arbeitnehmer Ansprüche gewähren. Folglich ist ein individueller Günstigkeitsvergleich zwischen dem Arbeitsvertrag und dem Tarifvertrag bezogen auf den jeweiligen Arbeitnehmer anzustellen. Wendet der Tarifvertrag dem Arbeitnehmer ein Individualrecht zu, so kann sich eine andere Abmachung dann durchsetzen, wenn sie eine für den Arbeitnehmer günstigere Rechtsfolge auslöst (Löwisch/Rieble, 2. Aufl., Rd.-Ziff. 291 zu § 4 TVG). Dies ist dann vor allem der Individualvertrag. In diesen kann nicht eingegriffen werden, nur weil die abweichende Abmachung für die Belegschaft insgesamt günstiger ist (Löwisch/Rieble a. a. O.). Würde man sich bei dem Günstigkeitsvergleich auf die Gesamtheit aller Arbeitsbedingungen beziehen, wäre ein rationales objektivierbares Günstigkeitsurteil nicht mehr möglich (Löwisch/Rieble a. a. O., Rd.-Ziff. 300 zu § 4 TVG). Denn dann müsste man ihn konsequent nicht nur auf die Geldansprüche, sondern auch auf die weiteren Rahmenbedingungen, wie Kündigungsfristen und Urlaub erstrecken. Damit wäre aber ein nachvollziehbares objektives Günstigkeitsurteil nicht mehr möglich.

c)

Aber selbst wenn man den Günstigkeitsvergleich nur auf die eigentlichen Entgeltansprüche beschränken würde, so wäre es unzulässig, insoweit einen Gesamtvergleich vorzunehmen. Vielmehr ist für das Günstigkeitsurteil im Einzelfall einzugrenzen, welche Regelungen im Arbeitsvertrag und welche Regelungen im Tarifvertrag in einem sachlichen Zusammenhang stehen und miteinander verglichen werden können. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Arbeitsvertrag und Tarifvertrag sind die sachlichen entsprechenden Regelungen miteinander zu vergleichen. Maßgebend ist vor allem, ob die Bestimmungen denselben Gegenstand betreffen, hilfsweise die Verkehrsanschauung. So gehören Dauer des Urlaubs, Länge der Arbeitszeit und Höhe des Urlaubsgelds zusammen, ebenso tariflicher Grundlohn und tarifliche Lohnzuschläge (BAG vom 23.05.1984 - 4 AZR 129/82 - zitiert nach JURIS).

d)

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze erweist sich die mit der einzelvertraglichen Regelung zu vergleichende tarifliche Vereinbarung nicht für die Klägerin als günstiger. Deshalb verdrängt sie auch die arbeitsvertragliche Regelung nicht. Für die zu bildenden Sachgruppen ist abzustellen auf die einzelvertraglichen Sonderzahlungen, Urlaub, Urlaubsgeld und Zuwendung im Verhältnis zu den jeweiligen gleichwertigen tariflichen Leistungen. Bei dem Sachgruppenvergleich ist nicht mehr zu differenzieren zwischen Urlaubsgeld und Sonderzuwendung, sondern beide sind als Einmalzahlungen einheitlich zu betrachten. Wegen des Charakters der Einmalzahlung bilden sie zusammen eine Sachgruppe. Dies bedeutet, dass sich das einzelvertragliche Volumen auf 100 % des Septembergehaltes und ein pauschales Urlaubsgeld von 500,00 DM bzw. 255,65 EUR bei Vollzeitbeschäftigung, bzw. anteilig bei Teilzeitbeschäftigung erstreckt. Der einzelvertragliche Anspruch ist insoweit in dieser Sachgruppe für die Klägerin günstiger, als der tarifvertragliche Anspruch auf Einmalzahlungen, der sich beschränkt auf eine Zuwendung in Höhe von 82 % der dem Arbeitnehmer für den Monat September zustehenden Vergütung. Die arbeitsvertragliche Regelung ist zweifelsfrei insoweit als günstigere Regelung im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG anzusehen, mit der Folge, dass sie weiterhin besteht. Sie wird nicht ersatzlos durch den Tarifvertrag abgelöst.

e)

Dass kein Gesamtvergleich aller Entgeltansprüche vorgenommen werden darf, ergibt sich im Übrigen auch aus der Regelung zur Besitzstandwahrung in § 24 MTV und aus der hierzu vereinbarten Protokollnotiz. Dort heißt es ausdrücklich, dass als Bestandteile des monatlichen Gesamteinkommens die Grundvergütung, der Ortszuschlag und die allgemeine Zulage bei der Besitzstandswahrungsberechnung heranzuziehen sind. Einmalzahlungen, die bei der Berechnung des jeweiligen "Gesamteinkommens" zu berücksichtigen wären, sind ausdrücklich nicht erwähnt worden. Angesichts der in der Protokollnotiz vorgenommenen Definition des Gesamteinkommens dürfen sie daher nicht in den Gesamtvergleich mit einbezogen werden.

f)

Ungeachtet dessen können die Sonderzuwendungen auch deshalb nicht in einen "Gesamtgünstigkeitsvergleich" einbezogen werden, weil sie sowohl arbeitsvertraglich, als auch tarifvertraglich für den Fall des Ausscheidens bis zu einem bestimmten Stichtag des Folgejahres unter Rückzahlungsvorbehalt stehen, die Vergütungsansprüche aber bedingungslos erworben werden. Damit sind die Lohnansprüche und die Sonderzuwendungsansprüche von unterschiedlichen Gegenleistungen abhängig. Die Lohnansprüche hängen ausschließlich von der Erbringung der Arbeitsleistung ab, die Sonderzuwendungsansprüche verlangen zudem eine bestimmte Betriebstreue. Damit scheidet bereits die Möglichkeit der Bildung einer so genannten Sachgruppe und die Vergleichbarkeit der Gesamtbezüge mangels gleichwertiger Leistungen aus.

g)

Die Beklagte schuldet daher weiterhin - trotz Abschluss des Sonderzuwendungstarifvertrages - auch für das Jahr 2005 die arbeitsvertraglich vereinbarte Sonderzuwendung sowie das arbeitsvertraglich vereinbarte Urlaubsgeld. Beide Zahlbeträge sind seitens der Klägerin rechnerisch richtig und korrekt und unter Anrechnung der im November und Dezember 2005 erbrachten anteiligen Zahlungen berechnet worden. Insoweit war das erstinstanzliche Urteil auch bezüglich Ziff. 1 und Ziff. 2 des Tenors zu bestätigen.

5.

Aus den genannten Gründen war das Zahlungs- und Feststellungsbegehren der Klägerin begründet. Das erstinstanzliche Urteil war daher aufrecht zu erhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 97 ZPO.

Die Vorraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen in diesem Rechtstreit nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

Ende der Entscheidung

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