Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 03.03.2009
Aktenzeichen: 3 Ta 37/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 139
ZPO § 278 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 3 Ta 37/09

03.03.2009

Betr.: Prozesskostenhilfe-Vergleichsmehrwert

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 03.03.2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 09.02.2009 - Az. 1 Ca 2081 d/08 - abgeändert:

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erstreckt sich auch auf die im Vergleich vom 15.01.2009 mit geregelten Ansprüche mit einem Mehrwert von 2.000,00 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat am 18.12.2008 Kündigungsschutzklage erhoben mit dem Begehren, über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 28.11.2008 zu entscheiden. Gleichzeitig wurde die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst diversen Anlagen eingereicht. In der Klageschrift hatte der Vertreter der Klägerin bereits ausgeführt, dass der Klägerin am Tage des Ausspruchs der Kündigung ein notarielles Schuldanerkenntnis über 12.000,-- € abverlangt worden sei, welches von ihr angefochten wurde. Das Schuldanerkenntnis wurde in Fotokopie zur Akte gereicht.

Im Termin zur Güteverhandlung vom 15.01.2009 wurde ausweislich zu Protokoll gegebener Erklärungen die Sach- und Rechtslage um den Kündigungssachverhalt ausführlich erörtert. Der Vorsitzende wies sodann mit entsprechender Protokollerklärung darauf hin, dass er materiell dem Prozesskostenhilfegesuch entsprechen werde, jedoch noch Auflagen zur Prüfung der wirtschaftlichen Lage erfolgen. Sodann schlossen die Parteien einen prozessbeendenden Vergleich, in dessen Ziff. 3. sich die Klägerin verpflichtete, an die Beklagte 10.000,-- € Schadensersatz, zahlbar in monatlichen Raten, zu zahlen. Mit Verfügung vom 26.01.2009 setzte der Vorsitzende der Klägerin eine Frist zur Nachreichung im Einzelnen benannter Nachweise. Diese wurden innerhalb der gesetzten Frist zur Akte gereicht, verbunden mit der Bitte, nunmehr über Prozesskostenhilfe zu entscheiden sowie den Streitwert festzusetzen und dabei von einem Vergleichsmehrwert von 2.000,-- € auszugehen. Mit Beschluss vom 09.02.2009 setzte das Gericht den Streitwert und den Vergleichswert antragsgemäß fest. Gleichzeitig bewilligte es der Klägerin Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug für die Anträge vom 18.12.2008 unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Nach Zustellung des Beschlusses am 12.02.2009 legte dieser am 20.02.2009 gegen den Prozesskostenhilfebeschluss sofortige Beschwerde ein mit dem Begehren, der Klägerin auch für den Vergleichsmehrwert Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 23.02.2008 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und dies damit begründet, dass ein ausdrücklicher Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf die im Vergleich mit geregelten Ansprüche erforderlich ist, aber nicht gestellt wurde.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) und in der Sache auch begründet. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war auch auf den im Vergleich vom 15.01.2009 über den Klagantrag hinaus mit geregelten Schadensersatzansprüch zu erstrecken. Insoweit ist unter Berücksichtigung des Einzelfalles von einer stillschweigenden Antragserweiterung auszugehen.

1. Es ist richtig, dass grundsätzlich von der PKH-Bewilligung nur der im Zeitpunkt der Stellung des Antrages geltend gemachte Streitgegenstand erfasst wird. Spätere Klageerweiterungen sowie die Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche in einem gerichtlichen Vergleich werden regelmäßig nur dann erfasst, wenn eine entsprechende Erweiterung des PKH-Antrages und eine entsprechende Erweiterung der PKH-Bewilligung erfolgt sind. Grundsätzlich ist daher eine insoweit ausdrückliche PKH-Beantragung und PKH-Bewilligung auch für diese zusätzlichen Ansprüche nicht entbehrlich. Das entspricht der herrschenden Meinung und auch der ständigen Rechtsprechung des LAG Schleswig-Holstein (vgl. LAG Schleswig-Holstein vom 28.02.2008 - 1 Ta 284/07 -; LAG Rheinland-Pfalz vom 10.08.2007 - 9 Ta 187/07 - m.w.N.; LAG Hamm vom 31.08.2007 - 6 Ta 402/07 - zitiert nach Juris).

2. Ausnahmsweise kann jedoch von einem vor Vergleichsabschluss stillschweigend gestellten, wirksamen Antrag der hilfsbedürftigen Partei auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf die nicht ausdrücklich vom Antrag erfassten, im Vergleich mit geregelten Ansprüche auszugehen sein (Kalthoener/Büttner, Wrobel-Sachse, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 511 m.w.N). Hierbei sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.

Auch das vom Arbeitsgericht in dem Nichtabhilfebeschluss zitierte LAG Hamm (6 Ta 402/07) geht im Übrigen in seiner Entscheidungsbegründung davon aus, dass ein in zeitlichem Zusammenhang mit einer Klage gestellter Prozesskostenhilfeantrag sich denknotwendig nur auf die dort "angesprochenen" Streitgegenstände beziehen kann, nicht aber auf zu diesem Zeitpunkt "noch nicht bekannte" Streitgegenstände. Diesen Aussagegehalt hat das Arbeitsgericht ebenso außer Acht gelassen, wie die konkrete Einzelfallbetrachtung.

3. Ein solcher Ausnahmefall liegt vorliegend vor. Auch wenn nicht vom ausdrücklichen Antrag der Klägerin erfasst, war von vornherein das notarielle Schuldanerkenntnis über einen Zahlbetrag von 12.000,-- € Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte es bereits in der Klageschrift erwähnt und auch als Anlage zur Klage in Fotokopie zur Akte gereicht. Dieser Streitgegenstand war daher von Anfang an bekannt und angesprochen. Das Gericht geht davon aus, dass die Wirksamkeit des angefochtenen Schuldanerkenntnisses vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch mit Rücksicht auf die Belange der Staats- bzw. Landeskasse zunächst einmal nicht zum Gegenstand eines Antrages, aber der Erörterungen gemacht wurden. Zu berücksichtigen ist vorliegend weiter, dass ausweislich des Protokolls der Güteverhandlung vom 15.01.2009 der Kammervorsitzende unmittelbar vor Vergleichsabschluss nach der ausführlichen Erörterung und den abgegebenen Protokollerklärungen ausdrücklich darauf hingewiesen hat, er bejahe - ungeachtet der wirtschaftlichen Lage - die für das Prozesskostenhilfegesuch erforderlichen Erfolgsaussichten. Das kann vom Empfängerhorizont nur dahingehend verstanden werden, dass dieser Hinweis bzgl. einer Prozesskostenhilfebewilligung sich auf den Antrag und die sonstigen erörterten Streitgegenstände bezog. Sollte die Erklärung anders verstanden werden, hätte es eines rechtlichen Hinweises des Vorsitzenden gem. § 139 ZPO bedurft.

Unmittelbar nach der Erklärung des Kammervorsitzenden wurde auch der erörterte, aber noch nicht mit einem förmlichen Antrag rechtshängige Schadensersatzposten des notariellen Schuldanerkenntnisses in Ziff. 3. des Vergleiches mitgeregelt. Nach Abschluss dieses gerichtlichen Vergleiches hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dann in Erfüllung der gerichtlichen Auflage vom 26.01.2009 die erbetenen Unterlagen eingereicht, und gleichzeitig gebeten, über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden und für den Vergleich einen Mehrwert von 2.000,00 EUR wegen der Reduzierung des Schadensersatzbetrages festzusetzen. Auch diese einheitliche Handlung ist zu berücksichtigen und auszulegen. Der Kammervorsitzende hat dann mit Rückwirkung auf einen Zeitpunkt vor Abschluss dieses Vergleiches für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt, noch dazu für "die Anträge" vom 18.12.2008, obgleich mit Schriftsatz vom 18.12.2008 nur ein Antrag formuliert wurde.

Bei dieser Einzelfallgestaltung ist davon auszugehen, dass der Regelfall des Erfordernisses einer ausdrücklichen Beantragung von PKH-Bewilligung für die im Vergleich mit geregelten Gegenstände hier nicht vorliegt. Vielmehr musste der Vorsitzende von einer stillschweigenden Antragserweiterung bzgl. des PKH-Antrages auch bezogen auf den Schadensersatzanspruch ausgehen, den er in seinem vor Vergleichsschluss zu Protokoll gegebenen Hinweis, materiell werde er dem Prozesskostenhilfegesuch entsprechen, nach den Erfordernissen des § 114 ZPO mit geprüft hat. Daher war unter Berücksichtigung des tatsächlichen Sachverhaltes ausnahmsweise die - nachträgliche - Prozesskostenhilfebewilligung auch auf die im Vergleich mit geregelten Ansprüche zu erstrecken.

Der vorliegende Sachverhalt ist im Übrigen nicht vergleichbar mit dem, der der im Nichtabhilfebeschluss zitierten Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein 1 Ta 284/07 zu Grunde lag. Dort war nur ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO protokolliert worden.

Aus den genannten Gründen war der Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss abzuändern.

Einer Kostenentscheidung über die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens bedurfte es nicht (vgl. Zöller/Philippi, Rz. 39 zu § 127 ZPO). Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht.

Ende der Entscheidung

Zurück