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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 10.09.2008
Aktenzeichen: 3 TaBV 26/08
Rechtsgebiete: BetrVG, SGB IX


Vorschriften:

BetrVG § 32
BetrVG § 28
BetrVG § 74 Abs. 1
SGB IX § 95 Abs. 4
SGB IX § 95 Abs. 5
1. Weder aus dem Betriebsverfassungsgesetz noch aus dem Sozialgesetzbuch IX ergibt sich ein Anspruch der Schwerbehindertenvertretung, an allen Gesprächen, die zwischen Betriebsrat/ Betriebsratsmitgliedern und Arbeitgeberseite geführt werden, beratend teilzunehmen.

2. Die Schwerbehindertenvertretung soll dort beraten, wo in entscheidungsfähigen Gremien eine Willensbildung und/oder eine Information zum Zwecke der vertrauensvollen Zusammenarbeit dieser Gremien erfolgen.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 3 TaBV 26/08

Verkündet am 10.09.2008

Im Beschlussverfahren

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 10.09.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 17.04.2008 - 1 BV 7c/08 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Freistellungsanspruches des Schwerbehindertenvertreters für die Teilnahme an in 14-tägigem Rhythmus stattfindenden Gesprächen zweier Betriebsratsmitglieder mit zwei Arbeitgebervertretern im Rahmen von sogenannten "Standardterminen".

Der Antragsteller ist Schwerbehindertenvertreter bei der Beteiligten zu 2. In der Vergangenheit war er bis zur den letzten Betriebsratswahlen gleichzeitig Betriebsratsvorsitzender.

Die Beteiligte zu 2 beschäftigt rund 220 Arbeitnehmer, davon ca. 12 Schwerbehinderte. In ihrem Betrieb ist ein Betriebsrat mit neun Mitgliedern gebildet.

Mit Datum vom 01.03.2006 hat der Betriebsrat der Beteiligten zu 2, damals noch unter dem Vorsitz des hiesigen Antragstellers, mit der Beteiligten zu 2 eine Vereinbarung unter anderem über betriebliche Kommunikations- und Regelungsebenen geschlossen (Anlage A 1 - Bl. 4 ff. d. A.). In ihr wurde unter Ziffer 1 die Durchführung sogenannter "Standardtermine" geregelt. Es wurde festgelegt, dass sie 14-tägig donnerstags von 8.00 Uhr bis 9.00 Uhr (jetzt 8.00 Uhr bis 10.00 Uhr) stattfinden; an ihr zwei Arbeitnehmer- und zwei Arbeitgebervertreter teilnehmen und dort Tagesordnungspunkte auf Zuruf sowie das Regelthema "Belegung Ist/Soll, Personal, Einstellungsplanung" besprochen werden soll (Bl. 5 d. A.).

Ziffer 2 dieser Vereinbarung regelt das Monatsgespräch nach § 74 Abs. 1 BetrVG. Insoweit wurde festgelegt, dass solche Gespräche am letzten Donnerstag im Monat um 15.00 Uhr durchgeführt werden; Geschäftsführung, Personalabteilung und Betriebsrat teilnehmen sowie die Tagesordnung thematisch vorab festzulegen und jeweils montags vor der Sitzung zuzuleiten ist (Bl. 5 d. A.).

Der Antragsteller nimmt als Schwerbehindertenvertretung an allen Ausschusssitzungen im Betrieb teil. Ebenso an den Monatsgesprächen. Er möchte zusätzlich an den "Standardgesprächen" teilnehmen, um vollständig informiert zu sein und die Interessen der Schwerbehinderten wahrnehmen zu können. Für eine derartige Teilnahme hat er mit Schreiben vom 31.10.2007 bei der Beteiligten zu 2 Freistellung beantragt. Das hat die Antragsgegnerin abgelehnt. Daraufhin hat der Antragsteller letztendlich mit Schriftsatz vom 06.02.2008 das vorliegende Beschlussverfahren auf Freistellung gemäß § 96 Abs. 4 SGB IX für die Teilnahme an den Standardterminen eingeleitet.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, ein Freistellungsanspruch bestehe nicht, da sich für die Schwerbehindertenvertretung weder ein Teilnahmerecht aus § 95 Abs. 4 SGB IX noch aus § 95 Abs. 5 SGB IX und auch keines aus § 32 BetrVG ergebe. Dieser "Standardtermin" stelle keine Ausschusssitzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes/Sozialgesetzbuches dar und sei auch kein Monatsgespräch im Sinne des § 74 Abs. 1 BetrVG. Weitere Teilnahmerechte an anderen Gesprächen habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen und auch nicht gewollt.

Hinsichtlich der Einzelheiten sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den erstinstanzlichen Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 17.04.2008 - 1 BV 7 c/08 - verwiesen. Gegen diese dem Antragsteller am 19.05.2008 zugestellte Entscheidung legte er am 16.06.2008 Beschwerde ein, die am 16.07.2008 per Fax/17.07.2008 im Original begründet wurde.

Er trägt im Wesentlichen vor, das Arbeitsgericht habe schon die allgemeinen Auslegungsregeln nicht beachtet und sei unter anderem deshalb zu einem falschen Ergebnis gekommen. Die Begriffe "Sitzungen", "Ausschuss des Betriebsrats" seien ebenso wie der "Besprechungs"-Begriff in § 74 BetrVG weit auszulegen. Die Schwerbehindertenvertretung habe ein Recht, an allen Gesprächen, die zwischen Betriebsrat/Betriebsratsmitgliedern und Arbeitgeberseite geführt werden, teilzunehmen. Mit der Neuregelung des SGB IX sei der Aufgabenbereich der Schwerbehindertenvertretung enorm ausgeweitet worden. Dem habe der Gesetzgeber unter anderem durch Ausweitung der Teilnahmerechte auf alle möglichen Gremien und Gespräche Rechnung getragen. Auslöser sei die BAG-Entscheidung aus dem Jahre 1984 gewesen. Mit der Normierung der Hinzuziehung der Schwerbehindertenvertretung zu Besprechungen nach § 74 Abs. 1 BetrVG sei dem Schwerbehindertenvertreter ein Teilnahmerecht an Gesprächen grundsätzlich aller Gremien und Gesprächsebenen eingeräumt worden. Wäre es nur auf die Teilnahme an den Monatsgesprächen beschränkt, könnten das Informationsrecht und das Informationsbedürfnis der Schwerbehindertenvertretungen durch Verträge zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, in denen regelmäßige Besprechungen zwischen beiden festgelegt sind, unterlaufen werden.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Kiel vom 17.04.2008, 1 BV 7 c/08, der Antragsgegnerin aufzugeben, den Antragsteller als Schwerbehindertenvertreter für die Teilnahme an den sogenannten Standardterminen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat jeweils 14-tägig donnerstags in der Zeit von 8.00 Uhr bis 10.00 Uhr vom Dienst freizustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht das Bestehen eines Teilnahmerechtes der Schwerbehindertenvertretung an den sogenannten "Standardterminen", und damit das Bestehen eines Freistellungsanspruches gemäß § 96 Abs. 4 SGB IX verneint. Das ist mit ausführlicher, überzeugender Begründung geschehen. Dem folgt das Beschwerdegericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird vorab auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Lediglich ergänzend und auch auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend wird folgendes ausgeführt:

1. Das Recht zur beratenden Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung an Sitzungen des Betriebsrats und Gesprächen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist in § 95 Abs. 4 und Abs. 5 SGB IX i. V. m. §§ 32, 74 Abs. 1 BetrVG gesetzlich geregelt. Vorläufer der Vorschriften des § 95 Abs. 4 SGB IX und des § 95 Abs. 5 SGB IX waren bereits die Vorschriften des § 25 Abs. 4 und des § 25 Abs. 5 Schwerbehindertengesetz in der Fassung vom 26. August 1986 (BGBl I, S. 1, 421). Damit ist entgegen der Ansicht des Antragstellers der streitbefangene Aufgabenbereich der Schwerbehindertenvertretung nicht erst mit der Neuregelung des SGB IX ausgeweitet worden. Die allgemeine Erweiterung der Mitwirkungsrechte der Schwerbehindertenvertretung im Sozialgesetzbuch IX hat damit nichts zu tun. Das Recht zur beratenden Teilnahme auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene ist seit August 1986 gesetzlich unverändert geblieben und hat 2001 insoweit keine Neuerungen und damit auch keine Erweiterungen erfahren.

2. Die Schwerbehindertenvertretung hat keinen Anspruch auf Teilnahme/Hinzuziehung zu lediglich informellen, vorbereitenden, vorklärenden Gesprächen. Derartige Gespräche werden vom Recht zur Teilnahme an Betriebsratssitzungen und Ausschusssitzungen des Betriebsrats sowie zur Teilnahme an Besprechungen nach § 74 Abs. 1 BetrVG im Sinne der §§ 95 Abs. 4 und Abs. 5 SGB IX, 32 BetrVG nicht erfasst. Dies zeigt die Auslegung dieser Vorschriften.

a) Ein Gesetz auslegen heißt, seinen Wortsinn erforschen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Maßgebend ist der im Gesetzeswortlaut objektivierte Wille des Gesetzgebers. Wird ein Begriff gebraucht, der allgemein in bestimmter Bedeutung angewandt wird, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ihn in diesem Sinne verstanden hat. Ist der Wortsinn nicht eindeutig, so ist der bereits erwähnte objektivierte Wille maßgeblich. Ferner ist der beabsichtigte Zweck der Regelung zu berücksichtigen, sofern und soweit er im Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist zudem auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den Willen des Gesetzgebers liefern kann. Bleiben im Einzelfall noch Zweifel, können die Gerichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Kriterien zurückgreifen, wie etwa die Entstehungsgeschichte und die bisherige Anwendung der Regelung. Zudem ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen (vgl. nur BAG vom 02.03.2004 - 1 AZR 272/03 m. w. N.; Palandt-Heinrichs, Komm. zum BGB, 67. Aufl., Einleitung vor § 1, Rz. 40 - 46 m. w. N.).

b) Ein Recht zur Teilnahme an allen Gesprächen und Sitzungen des Betriebsrats bzw. einzelner Betriebsratsmitglieder mit dem Arbeitgeber und damit auch zur Teilnahme an den "Standardgesprächen" ergibt sich weder aus Wortlaut und Intention des Betriebsverfassungsgesetzes noch aus Wortlaut und Intention des Sozialgesetzbuchs IX.

aa) Die Schwerbehindertenvertretung ist nach § 32 BetrVG berechtigt, an allen Sitzungen des Betriebsrats - nicht nur an solchen, auf denen Fragen der Schwerbehinderung behandelt werden - beratend teilzunehmen. Nach § 95 Abs. 4 SGB IX, der der alten Vorschrift des § 25 Abs. 4 Schwerbehindertengesetz vom 26.08.1986 entspricht, besteht dieses Recht zur Sitzungsteilnahme auch für Sitzungen der Ausschüsse des Betriebsrates. Deshalb kann die Schwerbehindertenvertretung auch an allen Sitzungen des Betriebsausschusses und weiterer Ausschüsse des Betriebsrates nach § 28 BetrVG beratend teilnehmen. Das gilt auch für Sitzungen gemeinsamer Ausschüsse des Betriebsrates und des Arbeitgebers im Sinne von § 28 Abs. 3 BetrVG (vgl. BAG vom 21.04.1993 - 7 ABR 44/92; Fitting, Engels, Schmidt, Trebinger, Linsenmaier, Rz. 17 zu § 32 m. w. N.). Ausschüsse im Sinne des § 95 Abs. 4 SGB IX (vormals § 25 Abs. 4 S. 1 Schwerbehindertengesetz) sind alle Ausschüsse des Betriebsrats oder gemeinsame Ausschüsse von Arbeitgeber und Betriebsrat im Sinne des § 28 Abs. 2 BetrVG (vormals § 28 Abs. 3 BetrVG), soweit ihnen Angelegenheiten zur selbständigen Entscheidung übertragen worden sind. Der Gesetzgeber will/wollte sicherstellen, dass die Schwerbehindertenvertretung an der Willensbildung und Entscheidungsfindung beratend mitwirken kann (BAG vom 21.04.1993 - 7 ABR 44/92 - zitiert nach JURIS). Letzteres ginge ins Leere, wenn sich die Entscheidungsfindung ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nicht mehr im Plenum des Betriebsrats, sondern in Ausschüssen vollzieht, die selbständig als eigenständige Organe der Betriebsverfassung entscheiden dürfen Deshalb wirken sie überall dort beratend mit, wo sich die Willensbildung und Entscheidungsfindung vollzieht (vergl. BAG vom 21.04.1993 - 7 ABR 44/92 - zitiert nach JURIS).

bb) In den 14-tätig stattfindenden Standardgesprächen findet jedoch unstreitig keine selbständige Entscheidungsfindung statt. Eine selbständige Aufgabenerledigung erfolgt dort nicht. Es findet allenfalls eine Vorbereitung von Angelegenheiten statt, um die Ergebnisse in die beschließenden Gremien als solche zu tragen. Die umfassende Entscheidungsfindung erfolgt gegebenenfalls in den Ausschuss- oder Betriebsratssitzungen oder im Anschluss an die mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gremium durchgeführten Monatsgesprächen. Die umfassende Willensbildung und Entscheidungsfindung erfolgt nicht in den Gesprächen einzelner Betriebsratsmitglieder mit dem Arbeitgeber. In den "Standardterminen" werden keine Beschlüsse gefasst. Es handelt sich um keinen "Ausschuss" im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne, weder um einen vorbereitenden Ausschuss ohne Sachentscheidungskompetenz noch um einen klassischen Ausschuss zur selbständigen Erledigung betrieblicher Angelegenheiten. Für die Einrichtung von "Ausschüssen" im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes bedürfte es eines Betriebsratsbeschlusses zur konkreten Aufgabenübertragung - bei deren Willensbildung der Antragssteller als Schwerbehindertenvertreter durch das Recht zur Teilnahme an Betriebsratssitzungen beteiligt wäre. Es bedürfte einer thematischen Festlegung; einer personellen Festlegung sowie einer Festlegung des Umfanges der Entscheidungskompetenzen durch Betriebsratsbeschluss. Das alles ist nach dem "Vertrag" vom 1. März 2006 für den "Standardtermin" nicht vorgesehen und auch nicht existent. Er ist daher keinem "Ausschuss" oder sonstigen betriebsverfassungs-, und schwerbehindertenrechtlich relevanten Gremium gleichzustellen.

cc) Bei dem "Standardtermin" handelt es sich auch nicht um eine "Sitzung des Betriebsrats" im Sinne des § 32 BetrVG/ § 95 Abs. 4 S. 1 SGB IX. Zum Standardtermin wird nicht vom Betriebsratsvorsitzenden eingeladen. Es ist keine Tagesordnung festgelegt. Es tritt nicht der Betriebsrat als Gesamtgremium zusammen, auch nicht der nach § 27 BetrVG gebildete Betriebsausschuss des Betriebsrats. Vielmehr treffen sich Personen von Arbeitgeberseite und Betriebsratsseite außerhalb jeglicher Voraussetzungen der §§ 29 ff. BetrVG und ohne jegliche eigene Entscheidungskompetenz.

dd) Bei dem Standardtermin handelt es sich auch nicht um ein Monatsgespräch im Sinne des § 74 Abs. 1 BetrVG bzw. eine "Besprechung nach § 74 Abs. 1 BetrVG" im Sinne des § 95 Abs. 5 SGB IX. Kennzeichnend für das Monatsgespräch bzw. für Besprechungen im Sinne des § 74 Abs. 1 BetrVG ist nach dem Wortlaut des Gesetzes und dem Verständnis der Rechtsprechung und aller Kommentierungen, dass sich zur Erfüllung der Voraussetzungen derartiger "monatlicher Besprechungen" der Betriebsrat als Vollgremium, daher "alle Betriebsratsmitglieder" mit dem Arbeitgeber trifft, oder aber der Betriebsrat den Betriebsausschuss im Sinne des § 27 BetrVG oder einen anderen Ausschuss im Sinne des § 28 BetrVG mit der Wahrnehmung der Besprechung beauftragt hat (Fitting, Rz. 5 u. 7. zu § 74 BetrVG m. w. N.).

Diese Voraussetzungen erfüllen die Standardgespräche vorliegend zweifelsfrei nicht. Es nehmen nur zwei Betriebsratsmitglieder an ihnen teil; es handelt sich nicht um den Betriebsausschuss und es handelt sich auch nicht um einen anderen Ausschuss.

ee) Es handelt sich auch nicht um eine Arbeitsgruppe im Sinne des § 28 a BetrVG. Auch insoweit fehlt eine Aufgabenübertragung durch den Betriebsrat, vor allen Dingen die Befugnis zur Herbeiführung von Vereinbarungen im Sinne des § 28 a Abs. 2 BetrVG.

ff) Bei dem 14-tägig zwischen zwei Vertretern von Arbeitgeberseite und zwei Betriebsratsmitgliedern stattfindenden "Standardgespräch" handelt es sich um informelle Gespräche "unter acht Augen" zur Vorbereitung und Vorklärung von Sach- und Rechtsfragen; zur Sondierung von Lösungsmöglichkeiten, ggf. auch zur Vorbereitung der Fertigung von Beschlussvorlagen für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats auf dessen Betriebsratssitzungen bzw. Ausschusssitzungen. Teilweise dürften sie auch nur das Monatsgespräch vorbereiten.

gg) Ausgehend vom Sinn und Zweck der gesetzlichen Beratungsrechte der Schwerbehindertenvertretung kommt eine erweiterte Ausdehnung seiner Teilnahmerechte auf derartige informelle Gespräche nicht in Betracht. Wie bereits erwähnt, ist Sinn und Zweck der Regelung des § 95 Abs. 4 und Abs. 5 SGB IX und seines Vorläufers, des § 25 Abs. 4 und Abs. 5 Schwerbehindertengesetz, dass der Gesetzgeber sicherstellen wollte, dass die Schwerbehindertenvertretung durch ihr Recht zur beratenden Teilnahme an den Sitzungen des Betriebsrats sowie den gebildeten Ausschüssen auf dessen Willensbildung und Entscheidungsfindung Einfluss nehmen kann (BAG vom 21.04.1993 - 7 ABR 44/92 zu § 25 Abs. 4 S. 1 Schwerbehindertengesetz, zitiert nach JURIS, Rz. 21). Die Schwerbehindertenvertretung soll dort beratend teilnehmen dürfen, wo der Betriebsrat über seine gesetzlichen Aufgaben berät und beschließt. Das geschieht grundsätzlich in Betriebsratssitzungen oder Sitzungen von Ausschüssen, denen der Betriebsrat Aufgaben "zur selbständigen Entscheidung" übertragen hat. Die Schwerbehindertenvertretung soll dort beratend teilnehmen, wo sich die Entscheidungsfindung des Betriebsrats vollzieht (vgl. BAG a. a. O., Rz. 23). So ist § 95 Abs. 4 S. 1 SGB IX (vormals § 25 Abs. 4 S. 1 Schwerbehindertengesetz) zu verstehen (BAG a. a. O.). Der Gesetzgeber hat mit seinen ausdrücklichen Festschreibungen gleichzeitig deutlich gemacht, dass die beratende Mitwirkung der Schwerbehindertenvertretung nicht bei allen Einzelaktivitäten, Gesprächen, Handlungen einzelner Betriebsratsmitglieder ansetzen soll. Die Schwerbehindertenvertretung soll dort beraten, wo in entscheidungsfähigen Gremien eine Willensbildung und/oder eine Information zum Zwecke der vertrauensvollen Zusammenarbeit dieser Gremien erfolgen. Auf diesen betriebsverfassungsrechtlichen Ebenen soll sich die Schwerbehindertenvertretung einbringen können.

hh) Dies zeigt auch § 95 Abs. 5 SGB IX (vormals § 25 Abs. 4 S. 1 Schwerbehindertengesetz). Die notwendige Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfordert regelmäßige Kontakte zueinander. Aus diesem Grunde sollen Arbeitgeber und das gesamte Betriebsratsgremium mindestens einmal im Monat zusammentreten, um alle anstehenden Fragen miteinander zu besprechen. Die Monatsbesprechung dient der Zusammenarbeit und dem gegenseitigen Vertrauen. Die Besprechungen haben präventive Funktion. Der Gesetzgeber hat insoweit schon mit der Neufassung des Schwerbehindertengesetzes im August 1986 normiert, dass die Schwerbehindertenvertretung auch das Recht zur beratenden Teilnahme an diesen Besprechungen hat.

ii) Gegen ein Recht der Schwerbehindertenvertretung an allen Besprechungen von Betriebsratsmitgliedern und Arbeitgeberseite spricht auch die Systematik der Mitwirkungsvorschriften. Hätte der Gesetzgeber ein derart weitgehendes Teilnahmerecht der Schwerbehindertenvertretung an allen Besprechungen/Gesprächen des Betriebsrats oder einzelner Betriebsratsmitglieder gewollt, wäre die in § 95 Abs. 5 SGB IX (vormals § 25 Abs. 4 S. 1 Schwerbehindertengesetz), ausdrückliche schriftliche Fixierung "Besprechungen nach § 74 Abs. 1 BetrVG" überflüssig. Der Gesetzeswortlaut enthält ausdrücklich die Formulierung, dass die Teilnahmeberechtigung sich auf Besprechungen "nach § 74 Abs. 1 BetrVG" bezieht. Wäre die Teilnahme an Besprechungen jeder Art gewollt gewesen, hätte der Gesetzgeber dieses gesagt und nicht die Einschränkung für Besprechungen "nach § 74 Abs. 1 BetrVG" hinzugefügt. Hätte der Gesetzgeber ein Teilnahmerecht an allen Gesprächen gewollt, hätte es ausgereicht, dass der Gesetzgeber anstelle der detaillierten Regelungen in § 95 Abs. 4 und Abs. 5 SGB IX geregelt hätte, dass die Schwerbehindertenvertretung das Recht hat, bei allen Aktivitäten des Betriebsrats oder einzelner Betriebsratsmitglieder beratend teilzunehmen. Das ist aber gerade nicht geschehen. Hätte er ein weitergehendes Teilnahmerecht normieren wollen, hätte der Gesetzgeber auch in § 32 BetrVG fixieren müssen, dass die Schwerbehindertenvertretung an allen Aktivitäten des Betriebsrats oder einzelner Betriebsratsmitglieder beratend teilnehmen kann. Auch das ist nicht geschehen. Er hat das Beratungsrecht der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich auf "Sitzungen des Betriebsrats" beschränkt.

jj) Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich bereits einmal Gelegenheit hatte, das Teilnahmerecht auf "Besprechungen aller Art" auszudehnen. Er hat die schon seit 1986 existierende gesetzliche Formulierung des Teilnahmerechtes der Schwerbehindertenvertretung an Besprechungen auch bei der Schaffung des SGB IX im Jahre 2001 unverändert übernommen. Auch deshalb ergibt sich kein Raum, abweichend vom Wortlaut des Gesetzes eine wesentlich weitergehende Auslegung des Teilnahmerechtes vorzunehmen. Hätte der Gesetzgeber eine derart weitgehende Beteiligung gewollt, ist davon auszugehen, dass er dieses spätestens mit der Neuformulierung des SGB IX auch in § 95 Abs. 4 und 5 zum Ausdruck gebracht hätte. Das ist aber gerade nicht der Fall.

kk) Auch aus der Tatsache, dass die Schwerbehindertenvertretung sowohl nach § 95 Abs. 4 S. 2 SGB IX als auch nach § 35 BetrVG das Recht hat, die Aussetzung von Beschlüssen zu beantragen, soweit sie an der Vorbereitung der Beschlussfassung nicht beteiligt worden ist, ergibt sich letztendlich, dass der Gesetzgeber das Recht der Schwerbehindertenvertretung zur beratenden Teilnahme an Sitzungen und Gesprächen auf solche Sitzungen und Gespräche reduzieren wollte, die zu einer Beschlussfassung führen können und bei der möglichst alle zu beteiligenden Personen den - ggf. in Vorgesprächen schon vorbereiteten und vorgeklärten - gleichen Informationsstand haben sollten. Für informelle Gespräche, die am Ende derartiger Gespräche zu keiner Beschlussfassung kommen können, hat der Gesetzgeber der Schwerbehindertenvertretung keine Möglichkeiten eingeräumt, an ihnen teilzunehmen und die vorklärende Entscheidungsfindung auszusetzen, wenn die Schwerbehindertenvertretung nicht in die Vorbereitung einbezogen wurde. Er hat vielmehr ausdrücklich erst bei der auf "Beschlussfassung" hinführenden Willensbildung in betriebsverfassungsrechtlichen Gremien mit entsprechenden Befugnissen angesetzt.

3. Aus den genannten Gründen hat das Arbeitsgericht den Antrag des Schwerbehindertenvertreters auf Freistellung zur Teilnahme an den Standardgesprächen zu Recht zurückgewiesen. Seiner Beschwerde war daher der Erfolg versagt. Sie war deshalb zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 92, 72 ArbGG) liegen nicht vor, so dass sie nicht zuzulassen war.

Ende der Entscheidung

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