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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 3 TaBV 3/09
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 99 Abs. 1
BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1
BetrVG § 99 Abs. 2
BetrVG § 99 Abs. 3
BetrVG § 99 Abs. 3 S. 2
BetrVG § 101
ArbGG § 101 S. 2
ArbGG § 101 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 3 TaBV 3/09

Verkündet am 27.05.2009

Im Beschlussverfahren

hat die 3. Kammer des auf die Anhörung der Beteiligten am 27.05.2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 18.12.2008 - 2 BV 41 d/08 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Aufhebung der Einstellung von vier Arbeitnehmern gemäß § 101 BetrVG.

Die Arbeitgeberin betreibt in H. ein Einrichtungs-Shopping-Center in Form eines Filialunternehmens. Der Antragsteller ist der bei ihr gebildete neunköpfige Betriebsrat.

Unter anderem am 12. und 13. März 2008 hatte die Antragsgegnerin in diversen Zeitungen Stellenanzeigen geschaltet. Ende April erfuhr der Betriebsrat von beabsichtigen Neueinstellungen zusätzlicher Aushilfskräfte und verlangte vorsorglich von der Antragsgegnerin die Einhaltung des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG.

Am Samstag, dem 03.05.2008 stellte der Betriebsrat fest, dass sieben neue Arbeitnehmer in diversen Abteilungen tätig waren, ohne dass ein Verfahren nach § 99 BetrVG betrieben worden ist. Nach entsprechenden Betriebsratsbeschlüssen vom 16.05.2008 und 21.05.2008 wurde mit Datum vom 26.05.2008 das vorliegende Verfahren eingeleitet. Von den sieben betroffenen Arbeitnehmern sind drei zwischenzeitlich ausgeschieden.

Nach dem Gütetermin vom 23.06.2008 beantragte die Arbeitgeberin mit Datum vom 26.06.2008 beim Betriebsrat die Erteilung der Zustimmung zur Einstellung der streitbefangen, bereits beschäftigten Mitarbeiterinnen K., B. und R. sowie des seit dem 01.05.2008 in Vollzeit beschäftigten Mitarbeiters G.. In diesem Zusammenhang überreichte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat im Wesentlichen die Bewerbungen, eingereichte Lebensläufe sowie erstellte Personalstammblätter der vier eingestellten Personen und in Bezug auf Herrn G. den abgeschlossenen Arbeitsvertrag. Der Betriebsrat gab diese Unterlagen an die Arbeitgeberin unter anderem mit dem Vermerk "abgelehnt" "laufendes Verfahren" zurück.

Im Kammertermin vom 09.10.2008 erfolgten lange Erklärungen der Beteiligten zu Protokoll (Bl. 91 ff. d. A.). Hierauf wird verwiesen.

Im Nachgang zum weiteren Kammertermin untersagte das Arbeitsgericht der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 13.12.2008, die Einstellung der Frau K., Frau B., Frau R. sowie des Herrn G. aufrecht zu erhalten. Das geschah unter Androhung eines Zwangsgeldes für jeden Tag und Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von bis zu 250,00 EUR. Das geschah im Wesentlichen mit der Begründung, der Betriebsrat sei unvollständig angehört worden, da ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen anderer Bewerber nicht zugänglich gemacht worden sind. Deshalb sei eine Auswahlüberprüfung seitens des Betriebsrats nicht möglich gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 18.12.2008 verwiesen.

Gegen diese der Arbeitgeberin am 14. Januar 2009 zugestellte Entscheidung legte sie noch am gleichen Tage Beschwerde ein, die nach Fristverlängerung bis zum 14.04.2009 am 09.04.2009 per Fax/14.04.2009 im Original begründet wurde.

Die Beschwerdeführerin trägt im Wesentlichen vor, der Betriebsrat sei ordnungsgemäß und vollständig angehört worden, da es zum Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens Ende Juni 2008 keine anderen Bewerber als die eingestellten Personen gegeben habe. Es sei auch keine interne oder externe Ausschreibung der Stellen erfolgt. Außerdem habe der Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin im Zusammenhang mit dem Anhörungsverfahren nicht innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG geltend gemacht, dass er ergänzende Auskünfte benötige. Deshalb gelte die Zustimmung als erteilt. Im Übrigen gäbe es eine mündliche Absprache, wonach die Arbeitgeberin berechtigt sein sollte, Mitarbeiter ohne Zustimmung des Betriebsrates einzustellen.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 18.12.2008, Az. 2 BV 41 d/08 wird aufgehoben und die Anträge des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Antragsteller/Beschwerdegegner beantragt,

den Antrag der Antragsgegnerin/Beschwerdeführerin unter Aufrechterhaltung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 18.12.2008, Az. 2 BV 41 d/08 zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Er sei unvollständig angehört worden. Hierauf habe er sich nicht ausdrücklich berufen müssen. Die von Arbeitgeberseite behauptete mündliche Regelungsabrede eines Verzichts auf Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG existiere nicht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

A. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist auch begründet worden.

B. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Antragsgegnerin zu Recht untersagt, die Einstellung der vier im Einzelnen im Antrag benannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufrecht zu erhalten. Dem folgt das Beschwerdegericht.

1. Gemäß § 101 ArbGG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme, die ohne seine Zustimmung durchgeführt wurde, aufzuheben. Ohne Zustimmung des Betriebsrates ist eine personelle Maßnahme dann durchgeführt worden, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt hat, keine Zustimmung erteilt oder ersetzt wurde und auch keine Zustimmungsfiktion im Sinne des § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG nach Ablauf der Wochenfrist eingetreten ist.

2. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat auch nicht durch die nachgeschobenen Anhörungen vom 26.06.2008 betreffend die vier Arbeitnehmer ordnungsgemäß im Sinne von § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG unterrichtet, so dass trotz der dürftigen, nicht an den Voraussetzungen des § 99 Abs. 2 BetrVG orientierten Zustimmungsverweigerungen die Zustimmung des Betriebsrates nicht als erteilt gilt.

a) Eine vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung darf nur dann von den Gerichten ersetzt werden oder gilt nur dann gegebenenfalls als erteilt, wenn die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG überhaupt in Gang gesetzt wurde. Das ist nur der Fall, wenn der Arbeitgeber die Anforderungen des § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfüllt hat. Vor jeder Einstellung und Versetzung hat danach der Arbeitgeber den Betriebsrat zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft sowohl über die Person der Beteiligten als auch - unter Vorlage der dazu erforderlichen Unterlagen - die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben (BAG vom 14.12.2004 - 1 ABR 55/03 - zitiert nach juris, Rz. 29 m. w. N.).

Bewerbungsunterlagen im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG sind zunächst alle im Zusammenhang mit der Bewerbung um die betreffende Stelle vom Bewerber selbst eingereichten Unterlagen (BAG a. a. O. - m . w. N.).

Der Arbeitgeber hat die entsprechenden Unterlagen nicht nur bezüglich der von ihm zur Einstellung oder Versetzung schließlich vorgesehenen Bewerber, sondern unverzüglich aller Stellenbewerber - auch der abgelehnten - vorzulegen (BAG a. a. O., Rz. 33 m. w. N.).

b) Hier hat die Arbeitgeberin dem Betriebsrat keinerlei Unterlagen bezüglich aller Stellenbewerber, auch der abgelehnten, vorgelegt. Sie hat über die nicht berücksichtigten Mitarbeiter keinerlei Auskünfte erteilt. Die Unterrichtung des Betriebsrats war schon aus diesem Grunde unvollständig. Falsch ist in diesem Zusammenhang die Ansicht der Arbeitgeberin, es sei bezüglich der Frage, ob Mitbewerber existieren, auf den Zeitpunkt der - nachgeholten - Anhörung vom 26.06.2008 abzustellen. Es ist nicht zulässig, zunächst unter Missachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 99 BetrVG Arbeitnehmer ohne Beteiligung des Betriebsrates einzustellen und dann im Rahmen eines anschließend angestrengten Beschlussverfahrens immanent die Beteiligung des Betriebsrats dergestalt nachzuholen, dass bezüglich etwaiger Bewerber auf den Tag der Einleitung des Nachholungsverfahrens abgestellt wird. Durch eine derartige Betrachtungsweise wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterlaufen. Der Betriebsrat ist in dem Umfang zu unterrichten, in dem er bei ordnungsgemäßer rechtzeitiger Einleitung des Zustimmungsverfahrens vor Einstellung der Arbeitnehmer zu unterrichten gewesen wäre. Der Unterrichtungsumfang richtet sich daher vorliegend zeitlich nach dem Stand der Bewerber Mitte/Ende April.

c) Falsch ist auch die Behauptung der Arbeitgeberin, es sei von ihr keine öffentliche Stellenausschreibung erfolgt. Ausweislich der sich in der Akte befindlichen Unterlagen hat die Arbeitgeberin um den 13. März 2008 mittels einer Anzeige im Pinneberger Tageblatt eine Verkäuferin gesucht (Anlage AG 2, Bl. 42 d. A.). Am 12.03.2008 hat sie eine Verkäuferin mittels Anzeige im Eidelstädter Anzeiger gesucht (Bl. 44 d. A.). Am 12.03.2008 hat sie ein Stellenangebot in "der Tip" für eine Samstagsverkäuferin unterbreitet (Anlage AG 5, Bl. 48 d. A.; Anlage AG 6, Bl. 52 d. A.). Am 5./6. April 2008 hat sie mittels Stellenanzeige im Hamburger Abendblatt eine Verkäuferin gesucht (Anlage AG 7, Bl. 53; Anlage AG 8, Bl. 57 d. A.). Das schriftsätzliche Vorbringen der Arbeitgeberin ist daher nicht wahrheitsgemäß.

3. Die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG ist auch nicht deshalb in Gang gesetzt worden, weil der Betriebsrat es versäumt hätte, die Arbeitgeberin innerhalb der Wochenfrist auf die dargelegten Unvollständigkeiten hinzuweisen.

a) Zwar muss der Betriebsrat den Arbeitgeber unter bestimmten Umständen innerhalb einer Woche um Vervollständigung der erteilten Auskünfte bitten, wenn er diese nicht für ausreichend hält. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitgeber davon ausgehen durfte, er seinerseits habe den Betriebsrat im Sinne von § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG vollständig unterrichtet. "Vollständig" ist diese Unterrichtung nur, wenn der Arbeitgeber zu den in § 99 Abs. 1 BetrVG genannten Aspekten der geplanten Maßnahme jedenfalls unverzichtbare Angaben bereits gemacht hat. Er muss also Auskünfte über die geplante Maßnahme und die Person sämtlicher Beteiligten erteilt haben, Angaben über den zu besetzenden Arbeitsplatz, die vorgesehene Eingruppierung und die Auswirkungen der Maßnahme gemacht und er muss insbesondere die Bewerbungsunterlagen dem Betriebsrat vorgelegt haben. Nur unter dieser Voraussetzung kann dem Betriebsrat deutlich werden, dass der Arbeitgeber der Pflicht des § 99 Abs. 1 BetrVG nachkommen wollte und die Unterrichtung subjektiv als ausreichend und ordnungsgemäß angesehen hat. Nur dann wiederum fordert das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber innerhalb der Wochenfrist, während derer dieser seine Stellungnahme erwartet, Mitteilung macht, wenn er für eine abschließende Erklärung weitere Informationen benötigt (BAG vom 14.12.2004 - 1 ABR 55/03 - zitiert nach juris m. w. N., Rzn. 46 und 47).

b) Dagegen wird die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG nicht dadurch in Lauf gesetzt, dass der Betriebsrat es unterlassen hat, den Arbeitgeber auf offensichtliche Unvollständigkeiten der Unterrichtung hinzuweisen. Das gilt auch dann, wenn der Betriebsrat zum Zustimmungsersuchen in der Sache Stellung nimmt und seine Zustimmung verweigert (BAG a. a. O., Rz. 48).

c) Danach musste hier der Betriebsrat die Arbeitgeberin nicht auf das Fehlen der Bewerbungsunterlagen und die Unvollständigkeit der Auskünfte hinweisen. Die Arbeitgeberin durfte nicht annehmen, sie habe den Betriebsrat vollständig unterrichtet und ihrer Pflicht aus § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG jedenfalls "auf den ersten Blick" genüge getan. Im Zeitpunkt des Zustimmungsersuchens war dem Betriebsrat nicht einmal der Umfang des Bewerberkreises bekannt. So, wie die Arbeitgeberin das Anhörungsverfahren betrieben hat, konnte und sollte der Betriebsrat mit dem nachträglich eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahren nur die bereits getroffene Entscheidung des Arbeitgebers "abnicken". Das widerspricht offensichtlich der gesetzlichen Intention des § 99 Abs. 1 BetrVG. Hierauf musste der Betriebsrat die Arbeitgeberin nicht noch ausdrücklich hinweisen.

4. Aus den genannten Gründen kommt es nicht mehr darauf an, ob der Betriebsrat inhaltlich zutreffende Zustimmungsverweigerungsgründe i. S. d. § 99 Abs. 2 BetrVG vorgebracht hat.

5. Auch das Vorbringen der Arbeitgeberin, es habe eine mündliche Absprache gegeben, wonach sie berechtigt sei, Mitarbeiter ohne Beachtung des Mitbestimmungsverfahrens einzustellen, ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis herbeizuführen. Zum einen ist dieses Vorbringen in jeder Hinsicht unsubstantiiert. Zum anderen ist das Vorbringen streitig. Im Übrigen kann nicht generell wirksam auf gesetzliche Rechte verzichtet werden.

6. Insgesamt war daher der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn zu bestätigen. Der Arbeitgeberin ist zu Recht untersagt worden, die Einstellung der Frau K., Frau B., Frau R. und des Herrn G. aufrecht zu erhalten.

Die Zwangsgeldandrohung folgt aus § 101 S. 2 und 3 ArbGG. Die Arbeitgeberin wird unter Berücksichtigung der Erörterungen in der Verhandlung vor dem Beschwerdegericht eindringlich angehalten, den Zwangsgeldandrohungsbeschluss ernst zu nehmen.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Vorliegend handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Entscheidungserhebliche, noch nicht vom Bundesarbeitsgericht entschiedene Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind vorliegend nicht ersichtlich, so dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 92 Abs. 1 ArbGG nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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