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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 20.07.2007
Aktenzeichen: 3 TaBVGa 1/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 111
BetrVG § 113
1. Es spricht sehr viel dafür, dass ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Betriebsänderungen nicht bereits vom Grundsatz her ausgeschlossen ist, da sich allein aus der in § 113 BetrVG enthaltenen Sanktionsmöglichkeit zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer kein hinreichender Schutz des Rechtes des Betriebsrats auf Unterrichtung und Beratung ergibt.

2. Die Information eines Arbeitgebers im Intranet über die Bejahung des grundsätzlichen Bestehens eines Abfindungsanspruches bei Ausspruch einer Eigenkündigung von Arbeitnehmern, die im Falle des Verbleibens im Betrieb von einer geplanten Betriebsänderung betroffen wären, stellt noch keine Durchführung einer Betriebsänderung in Form eines Personalabbaus im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG dar. Das gilt auch dann, wenn diese Informationspolitik des Arbeitgebers dazu führt, dass eine große Zahl von potentiell betroffenen Arbeitnehmern daraufhin ihr Arbeitsverhältnis selbst beendet.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 3 TaBVGa 1/07

Verkündet am 20.07.2007

Im Beschlussverfahren

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 20.07.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht .. als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter .. als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter .. als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 29.06.2007 - 4 BVGa 23 c/07 - abgeändert:

Die Anträge des Betriebsrats werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens um Unterlassungsansprüche des Betriebsrats im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsänderung.

Antragsteller ist der bei der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat. Er besteht aus 19 Mitgliedern. Die Antragsgegnerin gehört zu den führenden forschenden Arzneimittelherstellern in Deutschland und beschäftigt rund 2300 Mitarbeiter, davon in Schleswig-Holstein am Standort W. ca. 2000 Mitarbeiter, von denen ca. 1200 Mitarbeiter im Bereich des Außendienstes tätig sind. Der Außendienst ist in mehrere Bereiche untergliedert. Einer davon ist der Bereich "Primary Care".

Am 26.04.2007 erhielt der antragstellende Betriebsrat erste Informationen über eine geplante Betriebsänderung betreffend den Bereich Primary Care. Die dort gegenwärtig bestehenden acht Außendienstlinien sollen auf insgesamt nur noch fünf Außendienstlinien und die gegenwärtigen 80 Außendienstregionen auf insgesamt 40 Regionen mit geändertem Zuschnitt reduziert werden. Das soll zu einem voraussichtlichen Wegfall von mindestens 400 Arbeitsplätzen, vorwiegend von Außendienstmitarbeitern (ADM) in diesem Bereich führen. Anfang Mai führte der Betriebsrat daraufhin eine Betriebsversammlung durch, auf der die Belegschaft über die wesentlichen Grundzüge der Umstrukturierungsmaßnahmen und der beabsichtigten Massenentlassungen informiert wurde.

Die Beteiligten befinden sich nach wie vor noch in den Verhandlungen über das "Ob" und das "Wie" der Betriebsänderung.

Mit Datum vom 25.05.2007 stellte die Antragsgegnerin mit einem ISMO Management Info unter der Überschrift "Fragen- und Antworten-Liste Teil 2" u. a. folgende Informationen in ihr Intranet ein:

"1. Erhalte ich als Primary Care ADM eine Abfindung, wenn ich bereits jetzt freiwillig kündige?

Grundsätzlich ja. Nach der gültigen Rechtsprechung fallen auch diejenigen Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen, unter einen - auch erst später mit dem Betriebsrat vereinbarten - Sozialplan, sofern die Eigenkündigung unmittelbar durch die vom Arbeitgeber geplante Umstrukturierung veranlasst ist.

Wie bekannt, sehen die Planungen der Geschäftsleitung eine Reduktion um 400 ADM Positionen im Bereich Primary Care vor. Dem entsprechend möchte die Geschäftsleitung auf diesem Weg noch einmal bestätigen, dass jeder aus dem Bereich Primary Care, der bereits jetzt - z.B. aufgrund eines attraktiven Angebotes eines anderen Arbeitgebers - sein Arbeitsverhältnis zu A.Z. selbst kündigt und damit das Unternehmen freiwillig verlässt, eine Abfindung nach dem künftigen Sozialplan erhalten wird.

2. Besteht die Gefahr, dass eine freiwillige Kündigung zu einer geringeren Abfindung führt?

Eine Schlechterstellung gegenüber Mitarbeitern, die erst nach Verhandlungsabschluss ausscheiden, wird selbstverständlich nicht erfolgen.

Der von der Geschäftsleitung dem Betriebsrat vorgelegte Sozialplanentwurf sieht im Übrigen neben den grundsätzlichen Kriterien für Abfindungszahlungen folgendes vor: Betroffene, die das Unternehmen vor Ablauf ihrer an sich gültigen Kündigungsfrist verlassen, erhalten die hierdurch dem Unternehmen ersparten Gehälter anteilig auf die Abfindung aufgeschlagen.

Für weitere Details wenden Sie sich bitte an den für Sie zuständigen Ansprechpartner aus HR.

3. Welche Abfindungsregeln gelten für alle anderen Positionen (nicht Primary Care ADMs), soweit Mitarbeiter das Unternehmen freiwillig verlassen?

Die Planung der Geschäftsleitung sieht einen Abbau nur auf der Ebene ADM und FLSM aus dem Bereich Primary Care vor. Aus diesem Grund können nach Auffassung der Geschäftsleitung nur Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus diesen Positionen für den Fall, dass sie freiwillig das Unternehmen verlassen wollen, eine Abfindung aus dem künftigen Sozialplan beanspruchen. Hinsichtlich der FLSM bestehen hierbei jedoch ggf. gewisse Einschränkungen.

Im Übrigen gelten die vorstehend erläuterten Abfindungsregeln natürlich auch für betroffene Innendienstfunktionen.

Bitte kontaktieren Sie bei Fragen hierzu den für Sie zuständigen Ansprechpartner aus HR."

(...)"

Die Antragsgegnerin hat nach vorheriger Kontaktaufnahme mit anderen Pharma-Firmen sowie nach Rücksprache mit dem Betriebsrat im Intranet eine Stellenbörse eingerichtet, in der den Mitarbeitern rund 400 offene Stellen benannt werden.

Nach dem 25. Mai 2007 gingen bei der Antragsgegnerin bis zum erstinstanzlichen Verhandlungstermin mindestens 15 Eigenkündigungen von Mitarbeitern ein; nach dem Vorbringen des Betriebsrates waren dieses fast doppelt so viele. Bis zur Entscheidung in der Beschwerdeinstanz haben bereits ca. 40 Außendienstmitarbeiter sowie 5 Produktmanager des Bereiches Primary Care ihre Arbeitsverhältnisse gekündigt. Unter Anerkennung der Veranlassung der jeweiligen Eigenkündigung durch die am 26.04.2007 bekanntgegebenen geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen bestätigte die Antragsgegnerin insoweit jeweils die Anwendung des noch zu verhandelnden Sozialplans mit den sich daraus ergebenden Zahlungsansprüchen (vergl. Anlage A 7 - Bl. 18 - 21 d. A.).

Mit der Vorgehensweise der Antragsgegnerin ist der Betriebsrat nicht einverstanden. Er ist der Ansicht, die Eigenkündigungen auslösende Intranetpräsentation der Arbeitgeberin vom 25.05.2007 stelle bereits die Durchführung der beabsichtigten Betriebsänderung dar. Dieses habe sie bis zum Abschluss bzw. endgültigen Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen zu unterlassen.

Der Betriebsrat hat beantragt:

1. Die Antragsgegnerin hat es zu unterlassen, vor dem Abschluss eines Interessenausgleichs oder dem endgültigen Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen die geplante Betriebsänderung durchzuführen, insbesondere ADM aus dem Bereich Primary Care durch ISMO Management Info Ziff. 1 - 3 vom 25.05.2007 dazu zu veranlassen, ihr Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung zu beenden mit der Maßgabe, dass dem ADM Ansprüche aus dem noch zu verhandelnden Sozialplan zustehen.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die ISMO Management Info Ziff. 1 - 3 vom 25.05.2007 aus ihrer Intranetpräsentation zu entfernen.

3. Der Antragsgegnerin wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von EUR 250.000,00 ersatzweise eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin Mark Fladrich, festgesetzt wird.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zu 1. - 3. zurückzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur zeitweiligen Verhinderung der Durchführung einer Betriebsänderung bestehe bereits dem Grunde nach nicht. Jedenfalls handele es sich bei der Präsentation vom 25.05.2007 lediglich um eine Information der Mitarbeiter aufgrund von entsprechend aufgetauchten Fragen.

Mit Beschluss vom 29.06.2007 hat das Arbeitsgericht den Anträgen des Betriebsrats stattgegeben. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, einem Betriebsrat stehe ein eigenständiger Anspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Zustandekommen oder endgültigen Scheitern eines Interessenausgleichs grundsätzlich zu. Durch die Präsentation der Antragsgegnerin und die daraufhin erfolgten Eigenkündigungen setze sie die geplante Betriebsänderung, die noch Gegenstand der Verhandlungen sei, bereits teilweise um.

Gegen den der Arbeitgeberin am 03.07.2007 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 29.06.2007, auf dessen Gründe ergänzend bezug genommen wird, legte die Antragsgegnerin am 04.07.2007 Beschwerde ein, die sogleich begründet wurde.

Ihres Erachtens ist der Antrag des Betriebsrats nach wie vor zu unbestimmt. Im Übrigen bestehe ein Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung einer Betriebsänderung bereits grundsätzlich nicht. Jedenfalls handele es sich bei den ins Intranet gestellten Infos vom 25.05.2007 noch nicht um eine Durchführung der geplanten Betriebsänderung. Dort werde lediglich die gültige Rechtsprechung des BAG bekanntgegeben und bestätigt. Ausdrückliche Anreize, wie z. B. eine Art "Frühbucherrabatt" habe sie jedoch gerade nicht geschaffen. Das ISMO-Management-Info vom 25. Mai 2007 habe lediglich die Zielsetzung, ständig an sie herangetragene Fragen zu beantworten und insoweit größtmögliche Rechtssicherheit zu geben. Im Übrigen sei die Ursächlichkeit dieses Infos für den Ausspruch der Eigenkündigungen höchst fraglich.

Die Beteiligte zu 2. beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn, Az. 4 BV Ga 23 c/07, vom 29. Juni 2007 aufzuheben und die Anträge zu 1. - 3. zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Er hält den angefochtenen Beschluss sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Ziel der Ziffern 1. - 3. des ISMO-Management-Infos vom 25.05.2007 sei es gerade, die Arbeitnehmer aus dem Bereich Primary Care zu motivieren, ihre Arbeitsverhältnisse selbst zu kündigen. Damit schaffe die Beteiligte zu 2 Fakten für die von ihr geplante Betriebsänderung, der Umstrukturierung des Bereiches Primary Care. Gerade aus diesem Bereich würde nunmehr noch während der Interessenausgleichsverhandlungen ein großer Teil von Mitarbeitern ausscheiden und damit diesen Bereich ausdünnen, während er als Betriebsrat im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen das Erfordernis der kompletten Schließung einer Produktlinie im Bereich Primary Care hinterfrage, vor allem aber die soziale Auswahl nicht nur auf den Bereich Primary Care beschränken wolle. Durch die Eigenkündigungen und die insoweit von der Beteiligten zu 2. vor Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen geschaffenen Anreize würden bereits nachhaltige, die Betriebsänderung einleitende Fakten geschaffen. Dadurch würden seine Verhandlungspositionen unterlaufen. Die Beteiligte zu 1. setze daher bereits jetzt die geplanten, aber noch zu verhandelnden Personalabbaumaßnahmen um.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin/Beteiligten zu 2. ist zulässig und auch begründet.

A)

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und sofort begründet worden.

B)

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Das Arbeitsgericht hat den Unterlassungsanträgen des Betriebsrates im Ergebnis zu Unrecht stattgegeben.

1.

Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin waren die vom Betriebsrat in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge weder zu beanstanden, noch wurden im Zusammenhang mit der Antragsumformulierung Rechte der Beteiligten zu 2 unzulässig beschränkt.

a)

Der zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2007 gestellte Antrag zu 1 ist hinreichend bestimmt. Das Wort "insbesondere" befindet sich nicht mehr in diesem Antrag. Ebenso ist dem Antrag zu entnehmen, um welche geplante Betriebsänderung Interessenausgleichsverhandlungen geführt werden, deren Beeinträchtigung die Antragsgegnerin unterlassen soll. Der Antrag zu 1 benennt insoweit ausdrücklich den Bereich "Primary Care" und in diesem Zusammenhang den betroffenen Mitarbeiterkreis, nämlich die Außendienstmitarbeiter (ADM).

b)

Im Zusammenhang mit der Umformulierung der Anträge und der anschließenden Entscheidung durch das Arbeitsgericht sind auch keine Rechte der Antragsgegnerin beschnitten worden. Der Betriebsrat hat insoweit die Anträge zu 1 und 2 in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2007 nur sachdienlich konkretisiert. Das ist nicht als Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO zu werten. Selbst wenn jedoch von einer Klagänderung ausgegangen würde, wäre diese jedenfalls sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO gewesen.

2.

Entgegen der Rechtsauffassung dürfte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht bereits mit der Begründung abzuweisen sein, dass dem Betriebsrat grundsätzlich kein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zusteht, auch wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 111 BetrVG verletzt.

Ob der Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung einen durchsetzbaren Unterlassungsanspruch hat, wenn der Arbeitgeber während der Verhandlungen über den Interessenausgleich Maßnahmen, die ein Teil des Verhandlungsgegenstandes sind, bereits realisieren will, ist in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur seit Jahrzehnten streitig. Während einerseits vertreten wird, dass ein Verfügungsanspruch des Betriebsrats auf Unterlassung einer Betriebsänderung nicht besteht (LAG Düsseldorf vom 19.11.1996 - NZA-RR 1997, 297 und vom 14.12.2005 - 12 TaBV 60/05 - zitiert nach JURIS; LAG Hamm vom 01.04.1997 - NZA-RR 1997, 343; LAG München vom 24.09.2003 - NZA-RR 2004, 536 und vom 28.06.2005 - 5 TaBV 46/05 - zitiert nach JURIS; LAG Köln vom 30.04.2004 - NZA-RR 2005, 199 und vom 30.03.2006 - 2 Ta 145/06 - zitiert nach JURIS; LAG Sachsen-Anhalt vom 30.11.2004 - 11 TaBV 18/94 - zitiert nach JURIS; LAG Schleswig-Holstein vom 13.01.1992 - LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 11; Richardi/Annuß BetrVG, 10. Aufl., § 111 Rd.-Ziff. 166 f.; Erfurter Kommentar-Kania, 7. Aufl., § 111 Rd.-Ziff. 24 m. w. N.), steht die Gegenmeinung auf dem Standpunkt, dass dem Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Zustandekommen oder endgültigen Scheitern eines Interessenausgleichs zusteht, der auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann (LAG Hamburg vom 13.11.1981 - DB 1982, 1522 und vom 26.06.1997 - NZA-RR 1997, 296 sowie vom 27.06.1997 = LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 15; LAG Frankfurt vom 21.09.1982 - DB 1983, 613; LAG Hamm vom 23.03.1984 - AUR 1984, 54 und zuletzt vom 6.02.2007 - 10 TaBV-Ga 3/07 m. w. N. - zitiert nach JURIS; LAG Berlin vom 07.09.1995 - NZA 1996, 1284; LAG Thüringen vom 26.09.2000 - LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 17; Däubler-Kittner/Klebe, Komm. zum BetrVG 10. Aufl. Rd.-Ziff. 23 zu §§ 112, 112 a; Heither, Festschrift für Däubler, 1999, S. 338; Matthes, RdA 1999, 178; Pflüger, DB 1998, 2062; Kohte, Schulze-Doll, JURIS PR-ArbR 14/2006 - Anm. 3).

Es spricht sehr viel dafür, dass ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Betriebsänderungen nicht bereits vom Grundsatz her ausgeschlossen ist, da sich allein aus der in § 113 BetrVG enthaltenen Sanktionsmöglichkeit zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer kein hinreichender Schutz des Rechtes des Betriebsrats auf Unterrichtung und Beratung ergibt. Von Bedeutung dürfte insoweit auch sein, dass Art. 8 der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 (Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft) effektive Konsultationen der Arbeitnehmervertreter vor grundlegenden Änderungen der Beschäftigungssituation verlangt. Die Umsetzungsfrist dieser Richtlinie ist seit dem 23.03.2005 abgelaufen, so dass es mangels entsprechender deutscher Gesetzgebung nunmehr Sache der Arbeitsgerichte ist, ein Unterlassungsbegehren des Betriebsrats mittels richtlinienkonformer Auslegung zu bescheiden (vgl. Kohte, Schulze-Doll a. a. O.).

Die abschließende Beantwortung dieser Frage kann jedoch vorliegend dahingestellt bleiben.

3.

Ein Unterlassungsanspruch kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beteiligte zu 2 im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Ziff. 1 - 3 des ISMO-Management-Infos vom 25. Mai 2007 noch nicht mit der von ihr geplanten Betriebsänderung begonnen hat.

a)

Der Unternehmer beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft (vgl. BAG vom 30.05.2006 - 1 AZR 25/05; BAG vom 22.11. 2005 - 1 AZR 407/04; BAG vom 23.9.2003 - 1 AZR 576/02 m. w. N., jeweils zitiert nach JURIS). Abzustellen ist darauf, ob der Arbeitgeber während der Verhandlungen rechtsgeschäftliche Handlungen vornimmt, die das Ob und das Wie der Betriebsänderung vorwegnehmen (BAG vom 4.12.2002, 10 AZR 16/02 Rz. 25 m.w.N; BAG vom 20.11.2001 - 1 AZR 97/01 - jeweils zitiert nach Juris).

Als Betriebsänderung im Sinne des § 111 S. 1 BetrVG gilt unter anderem eine Einschränkung des Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen (§ 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG). Auch ein Personalabbau kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Betriebseinschränkung im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG darstellen. Das setzt voraus, dass eine relevante Anzahl von Arbeitnehmern betroffen ist. Maßgebend sind die Zahlen des § 17 Abs. 1 KSchG (vgl. BAG vom 28.03.2006 - 1 ABR 5/05 - zitiert nach JURIS, m. w. N.).

b)

Die Durchführung einer Betriebsänderung in Form des Personalabbaus beginnt daher, wenn der Unternehmer durch rechtsgeschäftliche Handlungen unumkehrbare Maßnahmen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen in relevanter Anzahl ergreift und damit vollendete, unumkehrbare Tatsachen schafft. Es mag sein, dass insoweit - abweichend vom BAG - nicht auf eine absolute Unumkehrbarkeit abgestellt werden kann. Das gilt insbesondere dann, wenn für die noch zu verhandelnden Planungen der vom Arbeitgeber beabsichtigten Betriebsänderung durch das zwischenzeitliche Handeln des Arbeitgebers real derart nachhaltige, manifestierende Fakten geschaffen werden, dass der Verhandlungsspielraum des Betriebsrats über das "Ob" und das "Wie" der Betriebsänderung objektiv erheblich und nachhaltig Weichen stellend beeinflusst wird. Bei einer derartigen Fallkonstellation dürfte unter Umständen der Ansatz des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich der geforderten Unumkehrbarkeit des Arbeitgeberhandelns angesichts der minimalen realen Möglichkeiten eines Betriebsrates, dieses Fakten schaffende Handeln rückgängig/ umkehrbar machen zu können, überprüfenswert sein.

Ungeachtet dessen kann vorliegend der Beginn einer Betriebsänderung jedoch noch nicht bejaht werden.

c)

Die Information eines Arbeitgebers im Intranet über die Bejahung des grundsätzlichen Bestehens eines Abfindungsanspruches bei Ausspruch einer Eigenkündigung von Arbeitnehmern, die im Falle des Verbleibens im Betrieb von einer geplanten Betriebsänderung betroffen wären, stellt noch keine Durchführung einer Betriebsänderung in Form eines Personalabbaus im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG dar. Das gilt auch dann, wenn diese Informationspolitik des Arbeitgebers dazu führt, dass eine große Zahl von potentiell betroffenen Arbeitnehmern daraufhin ihr Arbeitsverhältnis selbst beendet. Die bloße Information der Belegschaft durch den Arbeitgeber über etwaige finanzielle Rechtsfolgen einer auf betriebsändernde Planungen zurückzuführenden Eigenkündigung des Arbeitnehmers ist noch kein Personalabbau im Sinne der Einschränkung des Betriebes nach § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG.

aa)

Personalabbau ist gleichzusetzen mit Entlassungen. Unter Entlassungen sind - wie der Betriebsrat zutreffend ausführt - nicht nur Kündigungen zu verstehen. Gemeint ist das tatsächliche Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb. Die Entlassung muss daher nicht auf einer Kündigung durch den Arbeitgeber beruhen. Entlassen ist ein Arbeitnehmer, wenn sein Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers tatsächlich beendet wird. Die Entlassung kann daher auch in einem Aufhebungsvertrag oder einer vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigung des Arbeitnehmers liegen (Fitting, 23. Aufl., Rd.-Ziffn. 21 und 22 zu § 113 BetrVG m. w. N.).

bb)

Um in diesem Kontext die Vorwegnahme einer Betriebsänderung durch Schaffung vollendeter Tatsachen bejahen zu können, ist für die Annahme der Durchführung einer Betriebsänderung durch Personalabbau jedoch erforderlich ein aktives, zielgerichtetes, von unplanbaren Faktoren weitgehend freies, unbeeinflusstes, konkret kalkulierbares einseitiges Handelns des Arbeitgebers, das zur Herbeiführung von Arbeitgeberkündigungen, Eigenkündigungen oder Aufhebungsverträgen in einer für den Betrieb relevanten Anzahl iSd. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG von Arbeitnehmern führt. Dieses Handeln, bzw. der Erfolg dieses Handelns darf nicht abhängig sein von für den Arbeitgeber in jeder Hinsicht unplanbaren Entscheidungsprozessen der angesprochenen Arbeitnehmerkreise; vom Handeln der Adressaten. Das diesbezügliche Handeln des Arbeitgebers muss vielmehr - wie bereits dargelegt - im Hinblick auf die geplante Betriebsänderung schon rechtsgeschäftlichen Charakter haben, um überhaupt das Ob und Wie der noch laufenden Interessenausgleichsverhandlungen vorwegnehmen zu können. Hierzu reicht auf keinen Fall aus, dass sich der Arbeitgeber nur im Vorfeld jeglichen rechtsgeschäftlichen Handelns bewegt; er noch nicht einmal ein konkretes Angebot zum Abschluss eines Vertrages macht; sein Handeln allenfalls geeignet ist, die freiwillige Entscheidungsfindung potenziell betroffener Arbeitnehmer zu Gunsten eines vorzeitigen freiwilligen Ausscheidens zu stimulieren.

d)

Die "Erklärungen" der Arbeitgerberin in dem ISMO Management-Info vom 25.5.2007 selbst schaffen noch keinerlei Fakten, erst recht keine unumkehrbaren Fakten.

Sämtliche Mitarbeiter des Betriebes, die Zugang zum Intranet und damit zum streitbefangenen ISMO-Management-Info vom 25. Mai 2007 haben, bleiben auch nach Kenntnisnahme dieses Infos zunächst einmal weiterhin Mitglied des Betriebes und des Betriebsbereiches, zu dem der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat Interessenausgleich- und Sozialplanverhandlungen führt.

Das Ausscheiden von Mitarbeitern durch Eigenkündigung während laufender Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen wäre auch nicht unumkehrbar im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Sollte der Betriebsrat den Arbeitgeber im Rahmen der Verhandlungen dazu bewegen können, von der geplanten Betriebsänderung Abstand zu nehmen, könnten die durch Eigenkündigung ausgeschiedenen Arbeitnehmer durch Neueinstellungen anderer Außendienstmitarbeiter ersetzt werden.

Es ist zudem nicht feststellbar, ob diese Informationen die Eigenkündigungen veranlasst haben, oder schon die Informationen des Betriebsrates über die geplante Betriebsänderung auf der Betriebsversammlung Anfang Mai 2007.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Antragsgegnerin mit ihrem ISMO-Management-Info vom 25. Mai 2007 die Mitarbeiter hinsichtlich der Ziffern 1 - 3 nur darüber informiert hat, welche Regelungen sie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung (vgl. nur BAG vom 15.5.2007 - 1 AZR 370/06) in die Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen eingeführt hat bzw. einführen will. Der Kerngehalt der Aussage in Ziff. 1 - 3 des ISMO-Management-Infos vom 25.05.2007 befindet sich bereits in dem Sozialplanentwurf, den die Arbeitgeberin dem Betriebsrat bei Beginn der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen übermittelt hat Die Beteiligte zu 2 hatte als Arbeitgeberin von Anfang an vorgeschlagen, die Arbeitnehmer, die aus Anlass der Betriebsänderung eine Eigenkündigung aussprechen, in den Genuss der Sozialplanabfindung kommen zu lassen; im Falle der Eigenkündigung nicht auf die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfristen zu bestehen und die Abfindung insoweit ggf. um ersparte Gehälter zu erhöhen (vgl. § 2, § 3 und § 7 Ziff. 7.1. des Sozialplanentwurfs vom 26.04.2007). Warum soll sie die Belegschaft über den Inhalt ihrer Verhandlungspositionen nicht informieren dürfen? Auch das kann nicht bereits als Beginn der Durchführung einer Betriebsänderung angesehen werden. Gleiches muss gelten, wenn der Arbeitgeber ergänzend und klarstellend zur Reduzierung der Verunsicherung der Arbeitnehmer zusagt, die Arbeitnehmer, die sich bereits im Zeitraum zwischen der ersten Bekanntgabe von Planungen einer Betriebsänderung und dem Abschluss der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen zum Ausscheiden entschieden haben, nicht anders behandeln zu wollen, als die Arbeitnehmer, die nach Unterzeichnung eines Interessenausgleichs sowie eines Sozialplans ausscheiden.

Über die schlichte Information im Intranet hinaus ist die Arbeitgeberin nicht mittels unumkehrbarer Handlungen zur Herbeiführung einer Betriebseinschränkung aktiv geworden. Sie ist weder gezielt an Mitarbeiter herangetreten, noch hat sie durch materielle Anreize versucht, Entscheidungsfindungsprozesse der Arbeitnehmer zu beschleunigen.

Allein die Information des Arbeitgebers im Betrieb über die geplante Betriebsänderung und über etwaige rechtliche und finanzielle Folgen für Arbeitnehmer, die es vorziehen, sich angesichts des ungewissen künftigen Schicksals ihres Arbeitsvertrages schnellstmöglich auf dem Arbeitsmarkt umzuschauen, schafft aber noch keine Fakten für einen Personalabbau mit zahlenmäßiger Relevanz im Sinne des § 17 KSchG. Die Information als solche hat keine Fakten geschafft, sondern ggf. nur den Ent-scheidungsfindungsprozess der potentiell Betroffenen durch Schaffung von mehr Rechtssicherheit beschleunigt. Die Inhalte der gegebenen Information waren situationsgeschuldet. Sie sind im Arbeitsleben sogar häufig Gegenstand eines nur vorsorglichen, freiwilligen Sozialplans (vgl. nur BAG vom 15.5.2007 - 1 AZR 370/06, zitiert nach JURIS).

Eine solche Informationspolitik des Arbeitgebers stellt keine Maßnahme dar, durch die bereits mit der einseitigen Durchführung der Betriebsänderung durch Schaffung nachhaltiger Fakten begonnen wird.

4.

Aus den genannten Gründen war vorliegend ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zu verneinen. Der Arbeitgeber hat noch nicht mit der Durchführung der geplanten, noch zu verhandelnden Betriebsänderung begonnen. Auf das Vorliegen eines Verfügungsgrundes kommt es daher nicht mehr an.

Daher hat das Arbeitsgericht der Antragsgegnerin zu Unrecht aufgegeben, vor Abschluss des Interessenausgleichs oder dem endgültigen Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen Ziffern 1 - 3 des ISMO-Management-Infos vom 25.5.2007 aus dem Intranet zu entfernen und derartige Infos zu unterlassen. Der Beschluss war daher abzuändern. Die Anträge des Betriebsrats waren zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt (§ 92 Abs. 1 S. 3 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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