Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 01.10.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 182/09
Rechtsgebiete: ArbGG, MTV, BetrVG, BGB, KSchG, TVG


Vorschriften:

ArbGG § 72 a
MTV § 5 Abs. 1
BetrVG § 5
BetrVG § 77
BetrVG § 77 Abs. 3
BetrVG § 77 Abs. 4
BGB § 134
BGB § 138
BGB § 307
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB § 307 Abs. 2
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1
KSchG § 2
TVG § 4 Abs. 1 Satz 1
TVG § 4 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 182/09

Verkündet am 01.10.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 01.10.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 25.02.2009 - 1 Ca 373 d/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zur Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit. Der Kläger arbeitete bei der Beklagten beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin in der Zeit vom 01.09.1994 bis zum 31.08.2007 als Betriebselektriker. Auf das Arbeitsverhältnis fand ehemals der Manteltarifvertrag zwischen der C... N... AG und der Gewerkschaft N... vom 06.04.2000 Anwendung. Gemäß § 5 Abs. 1 MTV betrug die wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden. Der Tarifvertrag befand sich seit dem 01.01.2005 in der Nachwirkung. Der Kläger ist kein Mitglied der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft.

Unter dem 13.06.2006 schlossen die Betriebsleitung der Beklagten und der dortige Betriebsrat eine sogenannte Regelungsabrede, in der es u.a. heißt:

"1. Abweichend von § 5 Ziff. 1 des sich in der Nachwirkung befindlichen Manteltarifvertrages (Anerkennungstarifvertrag) für die N... N.F... AG vom 06.04.2000 beträgt die regelmäßige, wöchentliche Arbeitszeit für alle gewerblichen Arbeitnehmer/innen im Sinne des § 5 BetrVG sowie alle Angestellte einschließlich der AT Angestellten ab dem 01.07.2006 42 Stunden/Woche.

3.1 Das Entgelt bleibt für Monatslöhner und Gehaltsempfänger unverändert. Für Stundenlöhner sind mit dem Stundenlohn ab dem 01.07.2006 wöchentlich 4 Mehrarbeitsstunden mit abgegolten. Der durchschnittliche monatliche Grundlohn der o.g. Mitarbeiter bleibt damit unverändert.

6. Die Betriebsleitung der V.F... H... AG, Betrieb Bad B...,

verpflichtet sich vorbehaltlich der Sonderregelung unter Ziffer 3.2 bis zum 30.06.2008 dieser Regelungsabrede kein Outsourcing oder eine weitere Fremdvergabe von Abteilungen über den Status quo hinaus ohne Zustimmung des Gemeinschaftsbetriebsrats vorzunehmen. Gleiches gilt für betriebsbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit der Neuregelung der wöchentlichen Arbeitszeiten. Die Ziffer 6 dieser Regelungsabrede stellt eine Vereinbarung im Sinne des § 19 Abs. 3 des sich in der Nachwirkung befindlichen Manteltarifvertrages (Anerkennungstarifvertrag) für die N... N.F... AG vom 06.04.2000 dar. Diese Verpflichtung gilt für alle Abteilungen, deren Mitarbeiter geschlossen die Regelungen dieser Regelungsabrede einzelvertraglich annehmen.

7. Diese Regelungsabrede bedarf der Umsetzung durch entsprechende individuelle Vereinbarung mit den Mitarbeitern. Dieser Punkt gilt nicht für die Abteilungen und Arbeitsbereiche, die unter Punkt 3.2 fallen."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Regelungsabrede wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 6, 7 d.A.).

Der Kläger unterzeichnete eine entsprechende Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag. Darin heißt es:

" In Abweichung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages vereinbaren die Parteien mit Wirkung zum 01.07.2006 die individualvertragliche Geltung der Regelungsabrede zwischen der V.F... H... AG und dem Betriebsrat zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Beschäftigungssicherung vom 13.06.2006. Aufgrund der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 42 Stunden pro Woche sind mit dem Stundenlohn ab dem 01.07.2006 wöchentliche 4 Mehrarbeitsstunden mit abgegolten."

Der Kläger begehrt für die Zeit vom September 2006 bis August 2007 die Vergütung der von ihm über die Arbeitszeit von 38 Stunden pro Woche hinaus geleisteten Stunden in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 2.245, 38 EUR brutto.

Der Kläger hat gemeint, die Regelungsabrede sei nichtig, weil sie gegen höherrangiges Tarifrecht und gegen den Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG verstoße. Da die Zusatzvereinbarung auf eine nichtige Regelung Bezug nehme, gehe sie auch ins Leere. Die vorformulierte Vertragsbedingung sei auch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, denn es handele sich um eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sei. Geleistete Arbeit sei selbstverständlich zu bezahlen. Unangemessen sei es auch gewesen, zwecks Schlechterstellung der Arbeitnehmer Regelungsabrede und vertragliche Einheitsregelung so zu kombinieren, dass der Schutz des Tarifvorbehaltes des § 77 Abs. 3 umgangen werde. Die Beklagte habe gegenüber den Arbeitnehmern den Eindruck erweckt, es existiere eine (betriebliche) Norm.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.245,38 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die individualrechtliche Abrede unterliege grundsätzlich nicht dem Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG. Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 BGB sei ausgeschlossen. Die geleistete Arbeit werde vergütet. Zutreffend sei lediglich, dass die Arbeitszeit pro Einheit nach Abschluss der Zusatzvereinbarung niedriger vergütet werde. Dem habe der Kläger ausdrücklich zugestimmt. Er habe seine angeblichen Ansprüche aber nicht wirksam geltend gemacht, da dies unter der ausdrücklichen Bedingung erfolgt sei, dass sich die Rechtslage ändere oder die Regelungsabrede aufgehoben werde. Eine bedingte Geltendmachung sei nicht zulässig und die Bedingungen seien zudem nicht eingetreten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die einzelvertragliche Zusatzvereinbarung sei wirksam. Sie verstoße nicht gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 betreffe nicht Regelungsabreden und vertragliche Einheitsregelungen. Die Zusatzvereinbarung sei auch nicht gemäß § 307 BGB unwirksam. Eine Inhaltskontrolle nach dieser Vorschrift sei nicht möglich, da es sich um eine Abrede über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung und des dafür zu zahlenden Entgelts handele.

Der Kläger hat gegen das ihm am 04.05.2009 zugestellte Urteil am 19.05.2009 Berufung eingelegt und diese am 06.07.2009 mit Fax- und 08.07.2009 mit Originalschriftsatz begründet.

Der Kläger meint, das Arbeitsgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, die Parteien hätten mit der Zusatzvereinbarung eine Individualvereinbarung über Hauptleistungspflichten geschlossen, die nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliege. Das Arbeitsgericht habe dabei nicht berücksichtigt, dass von einer freien Verhandlung über Hauptleistungspflichten keine Rede sein könne. Die Beklagte habe nicht einzeln mit jedem Arbeitnehmer verhandelt, sondern diesen ein nicht verhandeltes vorformuliertes Ergebnis zur Unterschrift vorgelegt. Dies sei Missbrauch unternehmerischer Macht ohne adäquates Gegengewicht. Anstatt mit der zuständigen Gewerkschaft zu verhandeln und erst die Ergebnisse solcher Verhandlungen abzuwarten und umzusetzen, habe sich die Beklagte an den für diese Verhandlungen nicht zuständigen und schwächeren Betriebsrat gewandt. Druck werde auch über Ziffer 6 der Regelungsabrede auf die Arbeitnehmer ausgeübt, denn dort heiße es, Outsourcing und Fremdvergabe seien nur für die Abteilungen ausgeschlossen, die "geschlossen" die Regelung dieser Regelungsabrede einzelvertraglich akzeptierten. Zudem werde auch der Tarifvorbehalt objektiv funktionswidrig umgangen. Die Beklagte habe eine betriebliche Einheitsregelung durchgesetzt, die im Widerspruch zum Tarifvorbehalt des § 77 III BetrVG stehe. Statt eine Lösung auf der Ebene von Einzelverträgen zu versuchen, habe die Beklagte von vornherein eine kollektiv-rechtliche Lösung angestrebt, sei aber vor der Gewerkschaftsmacht ausgewichen und habe den Betriebsrat mit der Drohung von Outsourcing und Fremdvergabe unter Druck gesetzt. Den Arbeitnehmern sei auf diese Weise eine kollektiv-rechtliche Legitimation vorgetäuscht worden. Zudem umgehe die Beklagte den von § 2 KSchG gewährleisteten Änderungsschutz. Sie habe den Arbeitnehmern objektiv funktionswidrig die Möglichkeit genommen, die Schlechterstellung bei den Hauptleistungspflichten im Rahmen einer Änderungsschutzklage arbeitsgerichtlich überprüfen zu lassen. Zudem fehle der von der Beklagten gewählten Gestaltung auch der Grundsatz der Rechtsquellenklarkeit.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 25.02.2009 - 1 Ca 373 d/08 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.245,38 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag unter Verteidigung der angegriffenen Entscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen.

Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine abändernde Entscheidung. Die vom Kläger mit der Beklagten abgeschlossene Zusatzvereinbarung ist wirksam. Der Kläger hat deshalb keinen Anspruch auf Vergütung der von ihm geltend gemachten weiteren 156,2 Stunden zuzüglich Mehrarbeitszuschlag. Eine Unwirksamkeit der einzelvertraglichen Vereinbarung ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar.

1. Unabhängig davon, dass sich der Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Abschlusses der Zusatzvereinbarung in der Nachwirkung befand, galt dieser Tarifvertrag zu keinem Zeitpunkt zwischen dem Kläger und der Beklagten gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend. Mit anderen Worten: Auch bereits vor Eintritt der Nachwirkung hätte die Beklagte mit dem Kläger einzelvertraglich zu seinen Lasten vom Tarifvertrag abweichende Regelungen vereinbaren können. Denn wegen der fehlenden Tarifbindung des Klägers waren die Vertragsparteien frei, unabhängig von dem Inhalt des Tarifvertrages abweichende Regelungen zu treffen. Weil der Tarifvertrag überhaupt nur Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Gegenstand des Arbeitsverhältnisses des Klägers geworden ist, so konnte auch jederzeit zu Lasten des Klägers eine einzelvertragliche abweichende Regelung vereinbart werden. Den unmittelbaren und zwingenden Schutz des Tarifvertrages kann nur derjenige Arbeitnehmer für sich in Anspruch nehmen, der Mitglied der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft ist. Dies trifft auf den Kläger nicht zu und bereits aus diesem Grund ist seine Klage abzuweisen.

2. Die einzelvertragliche Vereinbarung ist im Übrigen auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Nach dieser Vorschrift können Arbeitsentgelte und sonstige Bedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Diese Vorschrift erfasst nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 20.04.1999 - 1 ABR 72/98 -, zitiert nach juris, Rnr. 78 ff.; BAG, Beschluss vom 21.01.2003 - 1 ABR 9/02 -, zitiert nach juris, Rnr. 48) nur Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 77 Abs. 4 BetrVG. Die Vorschrift will eine auf den gleichen Gegenstand wie den von Tarifnormen gerichtete betriebliche Normsetzung verhindern. Zweck der Vorschrift ist es also, eine Konkurrenz zur tariflichen Normsetzung auf der betrieblichen Ebene auszuschließen. Eine solche Konkurrenz existiert aber nicht zur Regelungsabrede. Denn anders als Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, die insoweit konkurrieren können, weil sie unmittelbar und zwingend gelten, können Regelungsabreden mangels normativer Wirkung die Arbeitsverhältnisse nicht unmittelbar gestalten (BAG, Beschluss vom 20.04.1999 - 1 ABR 72/98 -, zitiert nach juris, Rnr. 82; BAG, Beschluss vom 21.01.2003 - 1 ABR 9/02 -, zitiert nach juris, Rnr. 48). § 77 Abs. 3 will also nicht solche betrieblichen Vereinbarungen unterbinden, denen nicht die gleiche (normative) Wirkungsweise wie dem Tarifvertrag zukommt.

Das Bundesarbeitsgericht hat deshalb ausdrücklich betont, dass die Sperrwirkung eines Tarifvertrages deshalb individualrechtlichen Absprachen und bloßen Regelungsabreden der Parteien, die gerade nicht normativ auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses wirken, nicht entgegensteht (BAG, Beschluss vom 21.01.2003 - 1 ABR 9/02 -, zitiert nach juris, Rnr. 48).

Aber selbst wenn man - so hat das Bundesarbeitsgericht betont - mit § 77 As. 3 BetrVG auch Regelungsabreden erfassen würde, so hätte dies kaum praktische Bedeutung. Denn wie das Bundesarbeitsgericht bereits im Beschluss vom 20.04.1999 (-1 ABR 72/98 -, zitiert nach juris, Rnr. 82) ausgeführt hat, könnte die Annahme der Sperrwirkung aus § 77 Abs. 3 BetrVG auch für Regelungsabreden nur zur Unwirksamkeit einer Regelungsabrede im Verhältnis zu den Betriebsparteien führen, die aber die zur Umsetzung getroffenen Einheitsverträge nicht berühren. Denn - so das Bundesarbeitsgericht - die vertragliche Einheitsregelung, welche hier die betriebliche Konkurrenz zum Tarifvertrag bewirkt, liegt außerhalb der Reichweite des § 77 Abs. 3 BetrVG (BAG, Beschluss vom 20.04.1999 - 1 ABR 72/98 -, zitiert nach juris, Rnr. 82). Mit anderen Worten: Unabhängig von der Konkurrenzsituation und der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG gegenüber Regelungen, die der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat trifft, bleiben vertragliche Einheitsregelungen davon in ihrer Wirksamkeit unberührt. Entscheidend ist insoweit allein, dass die vertragliche Einheitsregelung nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG verstößt, also die unmittelbare und zwingende Wirkung des Tarifvertrages nicht verletzt. Davon kann hier aber keine Rede sein, da zum einen der Kläger überhaupt nicht Mitglied der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft ist und darüberhinaus sich der Tarifvertrag in der Nachwirkung befindet, weshalb gemäß § 4 Abs. 5 TVG abweichende und auch den Arbeitnehmer nachteilige Regelungen einzelvertraglich getroffen werden dürfen.

3. Der Kläger argumentiert in seiner Berufungsbegründung im Wesentlichen damit, die Vereinbarung sei deshalb unwirksam, weil es keine freie Verhandlung einzelner Verträge gegeben habe, die Beklagte ihre unternehmerische Macht ohne adäquates Gegengewicht genutzt habe und objektiv den Tarifvorbehalt umgehe. Der von dem Kläger insoweit beschriebene Befund, der dahin geht, über die Regelungsabrede sei auf den einzelnen Arbeitnehmer ein Druck ausgeübt worden und bei ihm könne der Eindruck entstanden sein, es handele sich um eine bereits existierende ihn verpflichtende betriebliche Norm aus der Regelungsabrede, mag sogar zutreffen. Dies ändert aber nichts an der Wirksamkeit der einzelvertraglichen Regelung. Es ist überhaupt keine Vorschrift erkennbar, aufgrund derer unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes sich die Unwirksamkeit der einzelvertraglichen Regelung ergeben könnte. Der Kläger kann sich insoweit weder auf § 134 BGB noch auf § 138 BGB berufen. Die Individualvereinbarung verstößt weder gegen ein gesetzliches Verbot noch ist sie sittenwidrig. Die Beklagte hat den Gestaltungsspielraum genutzt, der ihr gegenüber nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern beziehungsweise in der Nachwirkung eines Tarifvertrages zusteht. Sie ist den Weg gegangen, der im Übrigen ganz einhellig in der Literatur und Rechtsprechung als der zulässige angesehen wird, wenn es darum geht, in der Nachwirkungsphase eines Tarifvertrages abweichende Regelungen zu treffen. Hinzuweisen ist insoweit zunächst auf die Kommentierung von Kreutz zu § 77 GK-BetrVG (8. Auflage), wo es unter Randnummer 134 heißt:" Unberührt bleibt die Individualautonomie. In dem von § 4 Abs. 3 (Günstigkeitsprinzip) und Abs. 5 (Nachwirkung) TVG abgesteckten Rahmen sind vom Tarifvertrag beziehungsweise von der tarifüblichen Regelung abweichende Regelungen von Arbeitsbedingungen sowohl durch Einzelvertrag als auch in Gestalt sogenannter allgemeiner Arbeitsbedingungen durch einzelvertragliche Einheitsregelung, Gesamtzusage oder betriebliche Übung zulässig. Absatz 3 gestaltet allein das Verhältnis der sogenannten Gesamtvereinbarungen im Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung zueinander, zielt aber nicht auf eine Einengung des Gebrauchs individualrechtlicher Regelungsinstrumente. Daher kommt auch eine analoge Anwendung von § 77 Abs. 3 auf sogenannte allgemeine Arbeitsbedingungen nicht in Betracht."

Dem ist nichts hinzuzufügen, denn es steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Genau diesen Weg, der von Literatur und Rechtsprechung akzeptiert ist, ist die Beklagte gegangen.

4. Das Berufungsgericht verkennt im Übrigen nicht, dass natürlich aufgrund der abgeschlossenen Regelungsabrede und der Vereinbarung in Ziffer 6, wonach der besondere Schutz nur für die Abteilungen gilt, die geschlossen die einzelvertraglichen Regelungen unterschreiben, ein gewisser Druck auf die einzelnen Arbeitnehmer ausgeübt wird. Dies ist aber im Rahmen der Nachwirkung beziehungsweise bei fehlender Tarifbindung eines Arbeitnehmers nicht zu beanstanden. Denn durch solche Regelungsabsprachen zwischen den Betriebsparteien und deren einzelvertragliche Umsetzung wird die Normsetzungsprärogative der Tarifvertragsparteien nicht faktisch ausgehöhlt. Denn der Tarifvertrag gilt zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht normativ. Es kann also keine Rede davon sein, dass die Regelungsabrede auf ein rechtswidrigeres Ziel gerichtet ist, nämlich Unterwanderung der originären Normsetzungszuständigkeit der Tarifvertragsparteien. Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 5 TVG und in § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, dass dort einzelvertraglich vom Tarifvertrag abweichende Regelungen - auch ungünstigere - getroffen werden dürfen.

5. Die Vereinbarungen sind auch nicht - wie der Kläger meint - wegen fehlender Rechtsquellenklarheit unwirksam. Die Rechtsquellen sind völlig eindeutig. Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat eine Regelungsabrede getroffen, diese ist einzelvertraglich umgesetzt worden. Dies mag für den Kläger als juristischen Laien im Einzelfall mit den daraus folgenden Konsequenzen nicht immer nachvollziehbar sein. Dies hat aber weniger mit fehlender Klarheit der Rechtsquellen als mit der Komplexität der rechtlichen Fragestellungen zu tun, die aber nicht dazu führen kann, dass die Rechtsquellen unklar werden. Diese bleiben völlig eindeutig. Das Arbeitsverhältnis wurde gestaltet durch die Zusatzvereinbarung.

6. Die Vereinbarung verstößt auch nicht gegen § 307 BGB. Zutreffend hat insoweit das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass es um eine Regelung der Hauptleistungspflicht geht. Leistungsbeschreibungen und Entgeltregelungen unterliegen nicht der Inhaltskontrolle. Es geht nicht um die Abweichung vom Grundsatz, dass Arbeit auch bezahlt werden muss. Vielmehr geht es lediglich darum, mit welchem Stundensatz die zu leistenden 42 Stunden vergütet werden. Der Kläger hat nicht lediglich vier Stunden umsonst gearbeitet, sondern zu einem nunmehr reduzierten Stundensatz.

7. Die Individualvereinbarung umgeht auch nicht unzulässig den von § 2 KSchG gewährleisteten Änderungskündigungsschutz. Zum einen hat der Kläger - wie dieses Verfahren zeigt - auch die Möglichkeit, die Änderungsvereinbarung auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu lassen. Zum anderen besteht auch überhaupt nicht die Gefahr der Umgehung des Kündigungsschutzes, denn die Arbeitsvertragsparteien sind bei fehlender Tarifbindung des Arbeitnehmers beziehungsweise im Zeitraum der Nachwirkung frei darin, die Arbeitsentgelte neu zu verhandeln. Dafür gibt es keinen Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, in einer solchen Situation immer den Weg der Änderungskündigung zu gehen. Ist ein Arbeitnehmer mit den vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Änderungen einverstanden und unterzeichnet er einen Änderungsvertrag, so bleibt dieser wirksam. Eine Grenze für die Entgeltvereinbarung kann allenfalls § 138 BGB sein, von dessen Verletzung hier aber überhaupt keine Rede sein kann.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen. Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die vom Kläger angesprochenen Fragen sind sämtlichst durch die hier zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen geklärt.

Ende der Entscheidung

Zurück