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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 30.10.2008
Aktenzeichen: 4 Sa 280/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte


Vorschriften:

TV-Ärzte § 16
Die Tätigkeitszeit eines Arztes im Praktikum ist weder nach § 16 Abs. 2 S. 1 HS. 2 TV-Ärzte (Länder) noch nach § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte (Länder) zu berücksichtigen.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 280/08

Verkündet am 30.10.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 30.10.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...als Vorsitzenden und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin und d. ehrenamtliche Richterin ...als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.05.2008 - öD 4 Ca 1345 b/08 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die richtige Eingruppierung und dabei darüber, ob die Tätigkeitszeit als Arzt im Praktikum bei der Stufenzuordnung im Bereich TV-Ärzte zu berücksichtigen ist.

Der Kläger schloss unter dem 14. Juli 2003 mit dem beklagten Land, welches seinerzeit Trägerin des rechtlich noch unselbständigen ...klinikums Schleswig-Holstein war, einen Ausbildungsvertrag für Ärzte im Praktikum, und zwar beginnend ab dem 1. August 2003. In § 2 dieses Ausbildungsvertrages vereinbarten die Parteien, dass sich das Ausbildungsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Ärzte/Ärztinnen im Praktikum vom 10. April 1987 richte. Zu diesem Ausbildungsvertrag vereinbarten die Vertragsparteien unter dem 26. Mai 2003 als Nebenabrede die Zuweisung der Stufe D für die vom Kläger als Arzt im Praktikum zu leistenden Bereitschaftsdienste in der Klinik für Anästhesiologie. Der Kläger verrichtete während seiner Dienstzeit als Arzt im Praktikum ganztätige Einsätze in der Anästhesieabteilung des ...klinikums mit unmittelbarer Patientenversorgung. Ferner nahm er am Nacht- und Bereitschaftsdienst teil. Das beklagte Land setzte ihn während seiner Tätigkeit als Arzt im Praktikum wie einen voll approbierten Assistenzarzt ein.

Nach Erlangung der Approbation beschäftigte das beklagte Land den Kläger im ...klinikum Schleswig-Holstein als Arzt weiter, und zwar auf der Grundlage verschiedener befristeter Arbeitsverträge.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-Ärzte Anwendung, und zwar wegen des bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Vertrages für das ...klinikum Schleswig-Holstein (Beschäftigungspakt) ab 1. Januar 2008.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2008 teilte das ...klinikum Schleswig-Holstein dem Kläger mit, das Arbeitsverhältnis sei auf Grundlage des TVÜ-Ärzte auf den TV-Ärzte überzuleiten, er sei ab 1. Januar 2008 in die Entgeltgruppe Ä 1/Stufe 4 des TV-Ärzte eingruppiert.

Die Parteien streiten darüber, ob diese Eingruppierung zutreffend ist oder ob das beklagte Land verpflichtet ist, wegen anzurechnender Tätigkeitszeiten als Arzt im Praktikum bereits ab 1. Januar 2008 Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 1/Stufe 5 des TV-Ärzte zu zahlen. Wegen der insoweit in erster Instanz vertretenden Rechtsansichten der Parteien und der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, unter Anwendung der Grundsätze der Tarifauslegung lasse sich dem § 16 Abs. 2 TV-Ärzte nicht entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien auch die Berücksichtigung der Ausbildungszeiten des Arztes im Praktikum bei der Stufenzuordnung vereinbart hätten. Wegen der Begründung wird Bezug genommen auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Der Kläger hat gegen das ihm am 10. Juli 2008 zugestellte Urteil am 6. August 2008 Berufung eingelegt und diese am 4. September 2008 begründet.

Der Kläger meint:

Es sei im höchsten Grade zweifelhaft, dass der Arzt im Praktikum für die Dauer der AiP-Zeit kein Arzt im Sinne des Medizinalrechts nach der Bundesärzteordnung sei. § 10 Abs. 6 BÄO a. F. bestimme, dass der Arzt im Praktikum alle Rechte und Pflichten eines Arztes habe. Gemäß § 34 b ÄAppO a. F. sei dem Arzt im Praktikum ausreichend Gelegenheit zu geben, ärztliche Tätigkeiten auszuüben und ärztliche Erfahrungen zu sammeln. Zudem erhalte der Arzt im Praktikum eine vorübergehende Berufserlaubnis. Die Rechte und Pflichten des Arztes im Praktikum seien explizit denen eines voll approbierten Arztes gleichgestellt. Die Vorschriften der BÄO a. F. und der ÄAppO a. F. unterschieden im Hinblick auf die auszuübende ärztliche Tätigkeit gerade nicht zwischen einer Vollapprobation und einer Berufserlaubnis. Vor diesem Hintergrund lasse sich unter Zugrundelegung des Begriffs "Arzt im medizinalrechtlichen Sinne" eine Bewertung der Tätigkeit eines Arztes im Praktikum als ärztliche Tätigkeit im Sinne von § 16 Abs. 2 S.1 1. HS TV-Ärzte vornehmen.

Ein Rückgriff auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Arzt im Praktikum sei unzutreffend. Die Rechtsprechung habe sich auf tarifvertragliche Vorschriften bezogen, die anders als der § 16 Abs. 2 TV-Ärzte nicht die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit betroffen hätten.

Das Arbeitsgericht habe den Begriff der Vorzeiten des § 16 Abs. 2 S.1 1. HS TV-Ärzte in keiner Weise gewürdigt. Als Vorzeiten gemäß § 16 Abs. 2 S.1 1. HS TV-Ärzte könnten nur Zeiten ärztlicher Tätigkeit vor der Approbation gemeint sein.

Unter Berücksichtigung dieses Begriffes der "Vorzeiten" sei der Terminus "ärztliche Tätigkeit" in § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte nicht als Tätigkeit eines Arztes im medizinalrechtlichen Sinne zu verstehen. Denn anderenfalls ergebe die Regelung des § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte keinen Sinn. Dort gehe es um Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit und deren Anrechnung als Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit. Würde man den Begriff der "ärztlichen Tätigkeit" im Sinne des § 16 Abs. 2 S.1 1. HS TV-Ärzte gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum BAT auslegen, so wäre die Vorschrift des § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte sinnwidrig und verfüge über keinen Anwendungsbereich. Denn eine Tätigkeit als Arzt im medizinalrechtlichen Sinne könne niemals als nichtärztliche Tätigkeit im Sinne des § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte qualifiziert werden. Damit § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte einen Bedeutungsgehalt aufweisen könne, müsse der Terminus "ärztliche Tätigkeit" im Sinne des § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte untechnisch und damit nicht im Sinne der zu den Fallgruppen 7 und 13 der Anlage 1a BAT ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verstanden werden. Verstehe man "Vorzeiten" im Sinne des § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte als Vorzeiten vor der Approbation des Arztes und "ärztliche Tätigkeit" im Sinne dieser Vorschrift als untechnischen Annex zu dem Begriff der Vorzeiten, so komme dem § 16 Abs. 2 S. 1 2. HS TV-Ärzte und auch dem Satz 2 der Vorschrift ein Sinn-und Bedeutungsgehalt zu: Die "Zeiten einschlägiger Berufserfahrung" im Sinne des § 16 Abs. 2 S. 1 2. HS TV-Ärzte seien dann als einschlägige Berufserfahrung im Sinne der tatbestandsmäßigen Tätigkeiten der Entgeltgruppen des § 12 TV-Ärzte zu verstehen. Da der Kläger vorliegend in die Entgeltgruppe Ä 1 eingruppiert sei, betreffe dies die Tätigkeit des Arztes.

Weiter sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Tätigkeit als Arzt im Praktikum nicht um eine klassische Ausbildungstätigkeit handele. Dies werde schon daran deutlich, dass der Arzt im Praktikum nach der AiP-Zeit keine weitere Prüfung mehr habe ablegen müssen, sondern schlicht die Approbation beantragte und ihm diese in aller Regel auch erteilt worden sei. Es handele sich somit bei der AiP-Zeit um eine Zeit der Einarbeitung in den ärztlichen Beruf, während der zwangsläufig einschlägige Berufserfahrung gesammelt werde.

Aus § 19 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte/VKA folge nichts für die Auslegung des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.05.2008 (öD 4 Ca 1345 b/08) festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihm ab 1. Januar 2008 Entgelt nach der Entgeltgruppe Ä 1, Stufe 5, des TV-Ärzte (Länder) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die beginnend mit dem 31.01.2008 jeweils monatlich fälligen Bruttodifferenzbeträge zwischen den Zahlungen gemäß Entgeltgruppe Ä 1, Stufe 4, und Ä 1, Stufe 5, des TV-Ärzte seit 19.05.2008 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der Kläger verstehe § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte als Überschrift des gesamten Absatzes 2. Dem könne nicht gefolgt werden. § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte beziehe sich nur auf § 16 Abs. 2 S.1 2. HS TV-Ärzte, wie sich aus dem Doppelpunkt der Zusammenfassung in einem Satz ergebe. Entgegen der Auffassung des Klägers meine Satz 1 ärztliche Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber, Satz 2 nichtärztliche Tätigkeiten zum Beispiel als Psychologe, Apotheker oder Physiker. Eine solche Auslegung werde dem Wortsinn (ärztlich - nichtärztlich) gerecht. Des weiteren würden Zeiten bei einem vorherigen Arbeitgeber vom Wortlaut "Vorzeiten" erfasst. Der Kläger habe als AiP auch keine ärztliche Tätigkeit im Sinne des Tarifrechts ausgeübt. Dies sei nur die Tätigkeit eines Arztes nach erlangter Approbation. Von einer solchen Auslegung der ärztlichen Tätigkeit seien auch die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des TV-Ärzte ausgegangen. Die Gewerkschaft habe in Kenntnis dieser Sachlage versucht, eine Gleichstellung der Tätigkeit des AiP mit ärztlicher Tätigkeit zu erreichen. Sie habe sich insoweit nicht durchsetzen können. Aus diesem Grunde könne § 16 Abs. 2 TV-Ärzte nicht so verstanden werden, dass damit auch die Tätigkeit des Arztes im Praktikum erfasst werde.

Für eine solche Auslegung streite letztendlich auch die Regelung des § 19 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte/VKA. Dort werde ausdrücklich eine Tätigkeit als AiP einer ärztlichen Tätigkeit gleichgestellt. Im Umkehrschluss sei dies beim TV-Ärzte nicht der Fall, da der TV-Ärzte keine vergleichbare Regelung enthalte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf den Inhalt der dortigen Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Die Tätigkeit des Klägers als Arzt im Praktikum ist nicht bei der Stufenzuordnung gemäß § 16 Abs. 2 TV-Ärzte (Länder) zu berücksichtigen. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden.

1. Die Tätigkeitszeit des Klägers als Arzt im Praktikum ist nicht gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 2. HS TV-Ärzte (Länder) als förderliche Zeit zu berücksichtigen. Dies ergibt eine Auslegung dieser Vorschrift.

a. Die Auslegung eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Es ist also zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen und bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in der Tarifnorm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist weiterhin auf den tariflichen Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck der Tarifnorm. Lassen Auslegungskriterien kein zweifelsfreies Ergebnis zu, dann kann auch die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, die praktische Tarifübung und die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse berücksichtigt werden.

b. § 16 Abs. 2 S. 1 1. und 2. HS TV-Ärzte regeln für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit, dass bei der Stufenzuordnung Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten zu berücksichtigen sind. Auszulegen sind daher die Begriffe "Vorzeiten", "ärztliche Tätigkeit" und "einschlägige Berufserfahrung".

aa. Wie bereits der Bundesangestelltentarifvertrag enthält auch der TV-Ärzte (Länder) selbst keine Regelung darüber, was unter "ärztlicher Tätigkeit" zu verstehen ist und wer Arzt im Sinne des Tarifvertrages ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat für die Eingruppierung nach dem BAT bisher entschieden, dass ärztliche Tätigkeiten nur Tätigkeiten sind, die der Arzt als Arzt im Sinne der BÄrzteO ausüben darf. Die Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin" darf nur führen, wer als Arzt oder Ärztin approbiert oder zur Ausübung des ärztlichen Berufs befugt ist (§ 2a BAO).

Den Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte war die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Begriff des Arztes und der ärztlichen Tätigkeit in den Regelungen des Bundesangestelltentarifvertrages bekannt. Da die Tarifvertragsparteien insoweit keine neue ausdrückliche Regelung getroffen habe, ist auch für den TV-Ärzte (Länder) von dem Begriff des Arztes im Sinne des inländischen Medizinalrechtes auszugehen. Demnach ist folglich ärztliche Tätigkeit nur jene Tätigkeit, die der Arzt im Besitz der Vollapprobation leistet.

Der Hinweis des Klägers auf die Regelungen des § 10 Abs. 4 BÄO a. F. und § 10 Abs. 6 BÄO a. F. führt zu keiner anderen Beurteilung. Dies gilt auch angesichts des Umstandes, dass der Arzt im Praktikum nach Ende der Praktikumszeit keine Prüfung mehr ablegen musste. Die Tätigkeit des Arztes im Praktikum war Teil seiner Ausbildung. Seine Ausbildung endete erst mit Ablauf dieser Zeit und mit Erlangung der Approbation. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Arzt im Praktikum möglicherweise nahezu identische Tätigkeiten eines späteren Assistenzarztes auszuüben hatte. In § 34 b der Approbationsordnung a. F. war ausdrücklich geregelt, dass der Arzt im Praktikum im Hinblick auf das genannte Ausbildungsziel unter Aufsicht von Ärztinnen und Ärzten ärztlich tätig wird. Aus der Formulierung "ärztlich tätig" in § 34 b der Approbationsordnung a. F. lässt sich aber nicht ableiten, dass damit eine ärztliche Tätigkeit im Sinne des Tarifrechts zu verstehen ist. Dafür bleibt aus den oben dargelegten Gründen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einschlägig, weil die Tarifvertragsparteien in Kenntnis dieser Rechtsprechung dafür abweichend im TV-Ärzte (Länder) keine andere Regelung getroffen haben.

Folglich geht auch der Hinweis des Klägers auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. November 2006 (4 AZR 624/05 -, zit. nach JURIS) fehl. Zwar führt das Bundesarbeitsgericht dort (Rn. 33, zit. nach JURIS) aus, dass auch dem AiP ärztliche Tätigkeiten übertragen werden. Es heißt dort aber gleichzeitig, dass dies mit den sich aus der ÄAppO für die AiP-Ausbildung ergebenden Vorgaben geschieht. Es ist daher festzuhalten, dass selbstverständlich die Tätigkeiten eines AiP auch ärztliche Tätigkeiten im umgangssprachlichen Sinne sind. Entscheidend ist aber, dass das Bundesarbeitsgericht zum Bundesangestelltentarifvertrag ärztliche Tätigkeiten im medizinalrechtlichen Sinne verstanden hat. Hätten die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte eine andere Regelung gewollt, so hätten sie diese in Kenntnis der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erkennbar treffen müssen.

Die Tätigkeit eines Arztes im Praktikum ist deshalb keine "ärztliche Tätigkeit" gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte.

bb. Auch der Begriff "Vorzeiten" ist nicht im Sinne des Klägers zu verstehen. Aus ihm folgt nicht durch Verknüpfung mit dem Begriff "ärztliche Tätigkeit", dass es sich dabei um die Tätigkeit des Arztes im Praktikum handelt. Zutreffend weist das beklagte Land darauf hin, dass der Rechtsbegriff der "Vorzeiten" eine zeitliche Dimension hat. § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte und damit auch der Begriff der "Vorzeiten" ist im Zusammenhang mit § 5 S. 3 TVÜ-Ärzte zu lesen. Gemäß § 5 S. 1 TVÜ-Ärzte werden die Ärzte derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV-Ärzte) geordnet, die diese erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. Für die Stufenfindung bei der Überleitung sollen gemäß § 5 S. 2 TVÜ-Ärzte die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber zählen. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung wiederum soll gemäß § 5 S. 3 TVÜ-Ärzte der § 16 Abs. 2 TV-Ärzte gelten.

Sieht man folglich § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte bei der Auslegung des Begriffes Vorzeiten im Zusammenhang mit § 5 S. 3 TVÜ-Ärzte, so wird damit deutlich, dass mit Vorzeiten jene ärztlichen Tätigkeiten gemeint sind, die der Arzt zuvor außerhalb von Universitätskliniken - also außerhalb des Anwendungsbereiches des TV-Ärzte - erbracht hat. Dass diese Vorzeiten gemeint sind, ergibt ein Vergleich mit § 5 S. 2 TVÜ-Ärzte, weil dort die Stufenfindung bezüglich der Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber geregelt wird.

Mit einem solchen Verständnis des Begriffes "Vorzeiten" ist dann auch wiederum der Begriff der "einschlägigen Berufserfahrung" im zweiten Halbsatz des § 16 Abs. 1 S. 1 TV-Ärzte auszulegen. Wenn auf Berufserfahrung abgestellt wird, so ist damit zunächst festzuhalten, dass es sich um Erfahrung in einem Beruf handeln muss. Während einer Ausbildung kann aber für den noch nicht erreichten Beruf keine Erfahrung gesammelt werden. Denn einen Beruf hat man erst dann erlangt, wenn man die Ausbildung abgeschlossen hat. Einschlägige Berufserfahrung ist folglich eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechenden Tätigkeit. Dabei muss es sich aber um einschlägige ärztliche Tätigkeit handeln, also um jene Tätigkeit, die ein Arzt nach erlangter Approbation erbringt.

Nach alledem ergibt das durch Auslegung erlangte Ergebnis der Tarifbegriffe "Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit" und "einschlägiger Berufserfahrung", dass die Tätigkeit des Arztes im Praktikum nicht dazu zählt.

c. Entgegen der Auffassung des Klägers wird mit einem solchen Verständnis der tariflichen Begriffe auch die Regelung des § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärtze (Länder) nicht in weiten Teilen inhaltsleer. Vielmehr finden sowohl § 16 Abs. 1 S. 1 2. HS TV-Ärzte als auch § 16 Abs. 1 S. 2 TV-Ärzte sinnvolle Anwendungsbereiche. § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte regelt in seinem 2. Halbsatz die Frage, unter welchen Voraussetzungen Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit zu berücksichtigen sind. Dies sind die Tätigkeiten aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis als Arzt, also jene Tätigkeiten, die der Arzt als ärztliche Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber erbracht hat, der nicht unter den Tarifvertrag des TV-Ärzte (Länder) fiel.

Bei einem solchen Verständnis des § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte verbleibt auch noch ein Anwendungsbereich für § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte. Nach dieser Vorschrift können Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit berücksichtigt werden. Die Tarifvertragsparteien haben ausgehend vom Wortlaut abgestellt auf Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit. Der Begriff der Berufserfahrung setzt zunächst eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus. Diese Berufserfahrung wiederum muss sich auf eine nichtärztliche Tätigkeit beziehen, also gerade auf eine Tätigkeit, die nicht von einem approbierten Arzt geleistet wird. Die Tarifvertragsparteien wollten mit dieser Regelung die Möglichkeit eröffnen, dass der Arbeitgeber im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens prüft, nichtärztliche Tätigkeiten wie jene eines Biochemikers, Pharmazeuten, Physikers, Psychologen oder Apothekers zu berücksichtigen, weil diese möglicherweise arztverwandt sind und nützliche Kenntnisse und Erfahrungen für die Tätigkeit als Arzt oder Ärztin an einer Universitätsklinik mit sich bringen können. Es geht also gerade um Tätigkeiten außerhalb der ärztlichen Tätigkeit, die auf der Grundlage einer abgeschlossenen allgemein anerkannten Berufsausbildung erbracht werden und die förderlich sein können für die spätere Tätigkeit als Ärztin oder Arzt. In jedem Fall setzt die nichtärztliche Tätigkeit gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte die Ausübung eines Berufes voraus. Im Gegensatz dazu ist die Tätigkeit als AiP keine berufliche Tätigkeit im Sinne des Tarifbegriffs "Berufserfahrung", sondern noch Ausbildung, wie auch die Begriffswahl "Arzt im Praktikum" zeigt. Während der Ausbildungszeit sammelt der Lernende noch keine "Berufserfahrung", sondern bereitet sich auf einen Beruf vor (LAG München, Urteil v. 22.04.2008 - 7 Sa 18/08 -, zit. nach JURIS, Rn. 48).

Eine solche Auslegung des § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte macht deutlich, dass die Regelungen des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte nicht leerlaufen, sondern sinnvoll nebeneinander bestehen können. Bei diesem Verständnis des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte ist allerdings einzuräumen, dass die Gliederung des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte nicht gelungen ist. Denn mit diesem Verständnis bezieht sich der § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte nach dem Doppelpunkt nur auf den zweiten Halbsatz, jedoch nicht auf den Satz 2. Der Satz 2 hätte daher eigentlich getrennt von dem Einleitungssatz des § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte formuliert werden müssen. Diese Erkenntnis zwingt jedoch nicht zu einem anderen Tarifverständnis. Denn schon der Wortlaut des § 16 Abs. 2 S. 1 1. HS TV-Ärzte mit der Formulierung "ärztlicher Tätigkeit" macht deutlich, dass sich die dortige Regelung nicht beziehen kann auf § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte, weil dort gerade von "nichtärztlicher Tätigkeit" gesprochen wird. Der Regelungsgehalt ist verschieden. Im Übrigen ist auch ein Verständnis möglich, dass sich der 1. Halbsatz vor dem Doppelpunkt nur auf den 2. Halbsatz nach dem Doppelpunkt bezieht, jedoch nicht auf den weiteren durch einen Punkt vom Satz 1 getrennten Satz 2.

d. Auch die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages spricht für dies gewonnene Verständnis des § 16 Abs. 1 S. 2 TV-Ärzte. In den Tarifvertragsverhandlungen zwischen dem Marburger Bund und der TDL war die Anrechnung der AiP-Zeiten ein streitiger Verhandlungspunkt. Der Marburger Bund hat anders als im TV-Ärzte/VkA (§ 19 Abs. 2 S. 1 und 2) keine Regelung durchsetzen können, wonach eine Tätigkeit als Ärztin/Arzt im Praktikum als ärztliche Tätigkeit gilt. Aus der Formulierung "gilt" als ärztliche Tätigkeit kann geschlossen werden, dass die dortigen Tarifvertragsparteien, also auch der Marburger Bund, davon ausgegangen sind, dass die AiP-Zeit grundsätzlich gerade keine ärztliche Zeit ist, sondern lediglich als solche gilt und fingiert wird. Da es dem Marburger Bund nicht gelungen ist, auch im TV-Ärzte in § 16 Abs. 2 eine solche Fiktion zu vereinbaren, fehlt jeder Ansatzpunkt dafür, dass die Tarifvertragsparteien die AiP-Zeit dennoch als anrechnungsfähige Zeit vereinbaren wollten.

e. Soweit sich der Kläger im Übrigen darauf bezieht, dass die AiP-Zeit im Rahmen der Weiterbildungsordnungen berücksichtigt wird, kann dies nicht als überzeugendes Argument für eine zwingende Berücksichtigung der AiP-Zeit bei der Stufenzuordnung des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte herangezogen werden. Die Frage, ob und in welchem Umfang nach den Weiterbildungsverordnungen verschiedene Tätigkeiten und damit auch jene des Arztes im Praktikum auf die Facharztausbildung angerechnet werden, ist für das tarifliche Verständnis der ärztlichen Tätigkeit unerheblich. Insoweit ist das Tarifrecht von dem berufsständischen Kammerrecht zu trennen. Die Tarifvertragsparteien sind an bestimmte Regelungen und Begrifflichkeiten des Kammerrechts nicht gebunden.

Der Kläger kann daher nach alledem seinen Anspruch nicht auf § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte stützen.

2. Die Tätigkeit als Arzt im Praktikum kann auch nicht als Zeit von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte berücksichtigt werden. Dies ergibt sich bereits aus dem oben dargelegten unterschiedlichen Anwendungsbereich beider Regelungen des § 16 Abs. 2 TV-Ärzte. § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte setzt Berufserfahrung voraus, also einen Berufsabschluss. Die Zeit des Arztes im Praktikum ist jedoch keine Zeit der Berufserfahrung, sondern eine solche der Ausbildung. Auch handelt es sich nicht um nichtärztliche Tätigkeit, sondern um ärztliche Tätigkeit im umgangssprachlichen Sinne, jedoch nicht um eine berücksichtigungsfähige ärztliche Tätigkeit im tarifrechtlichen Sinne. Mit anderen Worten: Ärztliche Tätigkeit im umgangssprachlichen Sinne, die nicht als ärztliche Tätigkeit im tariflichen Sinne von § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte erfasst wird, also die Tätigkeit des Arztes im Praktikum, kann nicht von § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte als Auffangtatbestand erfasst werden. Dies widerspricht aus den oben dargelegten Gründen bereits dem Wortlaut der Berufserfahrung. Zudem ist nichtärztliche Tätigkeit auch nicht eine "vorärztliche" Tätigkeit (so aber LAG Düsseldorf, Urteil v. 16.04.2008 - 12 Sa 2237/07 -, zit. nach JURIS, Rn. 14). Die Tätigkeit eines Arztes im Praktikum wird nicht deshalb zur nichtärztlichen Tätigkeit, weil sie wegen ihres Ausbildungscharakters noch nicht den Tarifbegriff der ärztlichen Tätigkeit erfüllt. Sie bleibt umgangssprachlich dem Bereich der ärztlichen Tätigkeit zugeordnet, allerdings noch im Ausbildungsstadium. Damit wird sie aber nicht zur nichtärztlichen Tätigkeit, die andere Berufe außerhalb der ärztlichen Tätigkeit erfasst.

3. Auch das Verfassungsrecht gebietet nicht eine Auslegung des § 16 Abs. 2 S. 1 beziehungsweise des § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte dahin, dass die AiP-Zeiten bei der Stufenordnung berücksichtigt werden müssen. Der Kläger mag es als ungerecht finden, dass diese Zeiten bei der Stufenzuordnung keine Anwendung finden, obwohl er während seiner Tätigkeit als Arzt im Praktikum nach seiner Einschätzung wie ein Assistenzarzt gearbeitet hat und eingesetzt wurde. Entscheidend bleibt, dass die Tarifvertragsparteien sich nicht darauf verständigt haben, im Bereich des TV-Ärzte (Länder) die Tätigkeit des Arztes im Praktikum zu berücksichtigen. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aus Artikel 3 Abs. 1 GG folgt daraus nicht. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Tarifvertragsparteien Zeiten nach Abschluss einer Ausbildung anders bewerten als Zeiten vor Abschluss der Ausbildung, und zwar unabhängig davon, ob möglicherweise die Tätigkeit in der letzten Phase der Ausbildung identisch oder nahezu identisch ist mit jener nach Abschluss der Ausbildung. Insoweit liegen unterschiedliche Sachverhalte vor. Das Ende der Ausbildung, also beim Arzt die Erlangung der Approbation, ist ein sachlicher Grund, um Tätigkeiten mit Approbation anders zu beurteilen als Ausbildungstätigkeiten vor Erlangung der Approbation. Eine Überprüfung, ob die Tarifvertragsparteien auch die jeweils gerechteste oder zweckmäßigste Regelung getroffen haben, steht den Gerichten für Arbeitssachen nicht zu (vgl. dazu Rambach/Feldmann, ZTR 2008, Seite 86).

Nach alledem ist die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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