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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 24.11.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 294/05
Rechtsgebiete: MTV, BGB, ZPO


Vorschriften:

MTV § 3
MTV § 4
MTV § 4 Abs. 2 Satz 4
MTV § 4 Abs. 3
MTV § 4 Abs. 6
MTV § 4 Ziff. 6
MTV § 10
MTV § 10 Abs. 1 a)
MTV § 10 Abs. 2
BGB § 288 Abs. 1
ZPO § 308 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 294/05

Verkündet am 24. November 2005

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht .... als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter .... und die ehrenamtliche Richterin ....

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 8. April 2005 - 1 Ca 1741/04 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 205,14 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 2. Dezember 2004 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge). Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung eines von der Beklagten für Streiktage gekürzten tariflichen Urlaubsgeldes.

Der Kläger ist als Redakteur bei der Beklagten tätig. Beide Parteien sind tarifgebunden. Der Kläger nahm am 12. Dezember 2003, 12. Januar 2004, 29. Januar 2004, 30. Januar 2004, 2. Februar 2004, 3. Februar 2004, 5. Februar 2004, 16. Februar 2004, 19. Februar 2004 und 20. Februar 2004 an einem rechtmäßigen Streik teil.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen vom 25. April 2004 (im Folgenden: MTV) Anwendung, der rückwirkend zum 1. Januar 2003 in Kraft trat.

In § 4 dieses Tarifvertrages heißt es zur Jahresleistung:

"Die Redakteure/Redakteurinnen haben Anspruch auf eine spätestens am 31. Dezember eines jeden Jahres fällige tarifliche Jahresleistung unter folgenden Voraussetzungen:

1. Die Redakteure/Redakteurinnen erhalten eine tarifliche Jahresleistung in Höhe von 95% des jeweiligen zum Fälligkeitszeitpunkt gültigen tariflichen Monatsgehaltes. Für Ressortleiter/Ressortleiterinnen von selbstständigen Zeitungen mit verkauften Auflagen über 30.000 Exemplare sowie Chefs/ Chefinnen vom Dienst, stellvertretende Chefredakteure/Chefredakteurinnen und Chefredakteure/Chefredakteurinnen gilt § 2 Ziffer VI des Gehaltstarifvertrags für Redakteure/Redakteurinnen an Tageszeitungen vom 1. August 1997 entsprechend.

2. Anspruch auf die volle Jahresleistung hat derjenige/diejenige Redakteur/Redakteurin, dessen/deren Anstellungsverhältnis für das ganze laufende Fälligkeitsjahr bestand. Im Falle des Eintritts und/oder Ausscheidens im Laufe des Fälligkeitsjahres erhält der Redakteur/die Redakteurin für jeden vollen Kalendermonat des Bestehens des Anstellungsverhältnisses ein Zwölftel der Jahresleistung. Angefangene Monate werden als volle Monate gewertet, wenn die Betriebszugehörigkeit 15 Kalendertage übersteigt. Absatz 2 Satz 3 gilt nicht bei Kündigung durch den Verlag aus wichtigem Grund. In den Fällen des Ausscheidens wird die Auszahlung der Jahresleistung fällig mit dem Tage der Beendigung des Anstellungsverhältnisses.

3. Für Zeiten unbezahlter Arbeitsbefreiung wird die Jahresleistung entsprechend gekürzt.

4. Die tarifliche Jahresleistung bleibt bei der Berechnung aller tariflichen und gesetzlichen Durchschnittsentgelte und in sonstigen Fällen, in denen Ansprüche irgendwelcher Art von der Höhe des Arbeitsentgeltes abhängig sind, außer Ansatz.

5. Teilzeitbeschäftigte erhalten eine anteilige Jahresleistung nach dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur tariflichen Arbeitszeit (§ 7 Ziff. 1 Satz 1).

6. Während des Fälligkeitsjahres aufgrund vom Arbeitgeber festgelegter oder vereinbarter Regelung bereits gezahlter oder noch zu zahlende Sondervergütungen, wie z. B. Jahresabschlussvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld und ähnliches können auf diese tarifliche Jahresleistung angerechnet werden. Das bedeutet, dass jedoch mindestens der aufgrund dieser tariflichen Vereinbarung für das jeweilige Jahr vorgesehene Betrag gezahlt werden muss. Durch diese tarifvertragliche Regelung über Jahresleistungen entstehen bis zu deren Höhe keine Doppelansprüche. Andererseits werden von dieser tariflichen Regelung Jahresleistungen aufgrund betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarung nicht berührt, soweit sie in ihrer Höhe die tariflichen Jahresleistungen übersteigen."

In § 10 dieses Tarifvertrages vereinbarten die Tarifvertragsparteien zum Urlaubsgeld Folgendes:

"1. a) Redakteure/Redakteurinnen erhalten ein Urlaubsgeld. Es beträgt für das volle Urlaubsjahr 80 Prozent eines Monatsgehalts (§ 3), unabhängig von der Dauer des Jahresurlaubs.

b) Wer im Laufe des Kalenderjahres eintritt oder ausscheidet, erhält für jeden Monat Verlagszugehörigkeit im Kalenderjahr ein Zwölftel des Urlaubsgeldes.

2. Das Urlaubsgeld wird berechnet:

a) bei Redakteuren/Redakteurinnen vom Bruttogehalt einschließlich übertariflicher Zulagen und Leistungszulagen (Effektivgehalt).

b) bei Volontären/Volontärinnen vom effektiven Monatsentgelt.

c) Maßgebend ist das Gehalt im letzten Monat vor Urlaubsantritt.

3. Gratifikationen und sonstige über das Effektivgehalt hinausgehende Zahlungen (Spesenpauschalen usw.) bleiben bei der Berechnung des Urlaubsgeldes außer Ansatz.

4. Das Urlaubsgeld ist vor Urlaubsantritt fällig; es wird in einer Summe ausgezahlt. Bei Urlaubsteilung ist der Zeitpunkt der Auszahlung zwischen Verlag und Redakteur/Redakteurinnen zu vereinbaren."

Zum Abschluss dieses Tarifvertrages vom 25. Februar 2004 vereinbarten die Tarifvertragsparteien eine Maßregelungsklausel, die u. a. folgende Regelung enthält:

"c) Soweit Ansprüche oder Anwartschaften von der ununterbrochen Beschäftigung oder Betriebszugehörigkeit abhängen oder davon, dass das Arbeitsverhältnis nicht geruht hat, gelten die Beschäftigungsdauer oder Betriebszugehörigkeit durch die Arbeitskampfmaßnahmen als nicht unterbrochen, das Arbeitsverhältnis als nicht ruhend."

Die Beklagte hat das tarifliche Urlaubsgeld des Klägers anteilig um den Betrag von 205,14 EUR brutto gekürzt im Hinblick auf die Streikteilnahme des Klägers.

Die Parteien streiten darum, ob es sich bei dem tariflichen Urlaubsgeld um eine allein arbeitsleistungsbezogene Zuwendung handelt; weiterhin um die Frage, ob die Maßregelungsklausel der Kürzung des Urlaubsgeldes entgegensteht.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 205,14 EUR brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, bei dem tariflichen Urlaubsgeld handele es sich um eine Entgeltregelung ohne Zukunftsbezogenheit. Aus dem Vergleich mit § 4 MTV ergebe sich im Umkehrschluss, dass das Urlaubsgeld gem. § 10 MTV keine Gratifikation mit Zukunftsbezogenheit darstelle, da unterstellt werden könne, dass die Tarifvertragsparteien ansonsten ähnliche Regelungen vereinbart hätten wie für die Jahresleistung in § 4 MTV. Die tarifliche Maßregelungsklausel stehe der Kürzung des Urlaubsgeldes auch nicht entgegen. Da es sich bei dem Urlaubsgeld um eine Entgeltleistung handele, könne diese Klausel nicht dazu führen, dass dieses dennoch auch für die Streiktage bezahlt werden müsse. Mit derselben Argumentation könne bei einer derartigen Auslegung auch der normale entgangene Lohn gefordert werden. Dass dies von den Tarifvertragsparteien beabsichtigt gewesen sei, sei nicht ersichtlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihm am 2. Juni 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Juni 2005 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist bis 2. September 2005 - am 17. August 2005 begründet.

Der Kläger meint:

Bei dem Urlaubsgeld handele es sich nicht um eine allein arbeitsleistungsbezogene Zuwendung. Der Vergleich mit § 4 MTV trage nicht. Selbst wenn es sich bei der Jahresleistung des § 4 MTV um eine Gratifikationsregelung handeln sollte, schließe diese nicht aus, dass dies auch für das Urlaubsgeld nach § 10 MTV zutreffe. Das Arbeitsgericht habe sich insoweit mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11. April 2000 - 9 AZR 225/99 - nicht auseinandergesetzt. Der Sachverhalt sei vergleichbar. Zudem verkenne das Arbeitsgericht den Sinngehalt der Maßregelungsklausel. Es sei ausdrücklich geregelt, dass das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf Arbeitskampfmaßnahmen als nicht ruhend gelte.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 8. April 2005 - 1 Ca 1741/04 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 205,14 EUR brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und meint: Die Bezeichnung als Urlaubsgeld spreche weder für Entgelt- noch für Gratifikationscharakter. Ein wesentlicher Hinweis für den Entgeltcharakter habe die Regelung bezüglich des Eintritts- und Austrittsjahres. Solche pro rata temporis-Zahlung spreche für Arbeitsentgelt. Auch der Umstand, dass in § 4 Abs. 6 MTV für die Jahresleistung eine Anrechnung auf Jahresabschlussvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien etc. vorgesehen sei, für das Urlaubsgeld jedoch nicht, spreche dafür, dass es sich bei der Jahresleistung um ein Gratifikation handele, nicht jedoch beim Urlaubsgeld. Das Urlaubsgeld werde auch an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft, die Hinweis auf die Honorierung von Betriebstreue sein könnten. Im Übrigen sei die hier zu beurteilende Regelung in § 4 auch nicht vergleichbar mit jener, mit der sich das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 11. April 2000 - 9 AZR 225/99 - auseinander zu setzen hatte.

Wegen der weiterhin von den Parteien geäußerten Rechtsauffassungen wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Berufung gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Nach ihrer Zulassung durch das Arbeitsgericht ist sie statthaft und von dem Kläger auch frist- und formgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie auch Erfolg. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte war nicht berechtigt, das tarifliche Urlaubsgeld des Klägers um die Tage seiner Streikteilnahme zu kürzen. Die vom Arbeitsgericht zur Begründung der Entscheidung angeführten Argumente sind zweifelsohne beachtlich. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sprechen jedoch die besseren Argumente dafür, eine Kürzungsbefugnis hinsichtlich des Urlaubsgeldes zu verneinen.

1.

Gem. § 10 Abs. 1 a) MTV erhalten Redakteure ein Urlaubsgeld, das für das volle Urlaubsjahr 80% eines Monatsgehalts unabhängig von der Dauer des Jahresurlaubs beträgt. Wer im Laufe des Kalenderjahres eintritt oder ausscheidet, erhält für jeden Monat Verlagszugehörigkeit im Kalenderjahr ein Zwölftel des Urlaubsgeldes. Der Kläger wies für das gesamte Kalenderjahr die nach dem Wortlaut notwendige Verlagszugehörigkeit auf. Der Umstand, dass er an einzelnen Tagen an einem Streik teilnahm, unterbrach seine Verlagszugehörigkeit nicht. Denn die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik führt nicht zur Beendigung oder Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses; vielmehr ruhen lediglich die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. nur BAG, Urt. v. 3. August 1999 - 1 AZR 735/98 -).

2.

Die Teilnahme des Klägers am Streik an den einzelnen Tagen begründet keine Berechtigung der Beklagten, das Urlaubsgeld anteilig um diese Streiktage zu kürzen. Solche Berechtigung wäre nur dann anzunehmen, wenn es sich bei dem Urlaubsgeld um eine so genannte arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung, so genanntes Entgelt im engeren Sinne, handeln würde. Daran fehlt es jedoch. Das tarifliche Urlaubsgeld gem. § 10 MTV hat nicht ausschließlich die Entlohnung erbrachter Arbeitsleistung zum Gegenstand. Vielmehr stellt der Tarifvertrag für den Anspruch auf das Urlaubsgeld allein auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ab und hat den Zweck, nicht nur tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung zu vergüten, sondern dem Redakteur anlässlich seines Erholungsurlaubs eine weitere Sozialleistung zur Verfügung zu stellen.

a.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu unterscheiden sind Sonderzuwendungen, die ausschließlich Entgelt für geleistete Arbeit darstellen (Sonderzuwendungen mit reinem Entgeltcharakter oder arbeitsleistungsbezogene Zuwendungen), Sonderzuwendungen, die ausschließlich Betriebstreue belohnen und Sonderzuwendungen, die sowohl Entgelt für geleistete Arbeit sein sollen als auch zusätzlich Betriebstreue belohnen (Sonderzahlungen mit Mischcharakter). Für die Qualifikation einer Sonderzahlung ist damit entscheidend, aus welchem Motiv heraus sie gezahlt und welcher Zweck mit ihr verfolgt wird. Die der Sonderzahlung beigelegte Zweckbestimmung ergibt sich wiederum nicht vorrangig aus der Bezeichnung der Leistung, sondern insbesondere aus den Voraussetzungen, von deren Erfüllung diese Leistung in der Zusage abhängig gemacht wird (BAG, Urt. v. 24. Oktober 1990 - 6 AZR 156/89 -).

b.

Bei dem tariflichen Urlaubsgeld gem. § 10 MTV handelt es sich nicht um eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung. Eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung oder Sonderzuwendung mit reinem Entgeltcharakter ist ein Vergütungsbestandteil, der in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung eingebunden ist und keine darüber hinausgehenden Zwecke verfolgt. Diese Sonderzahlungen werden als Vergütungsbestandteile in den Abrechnungsmonaten verdient, aber aufgespart und erst am vereinbarten Fälligkeitstermin ausbezahlt. Derartige Entgelte können nicht an weitere rechtliche oder tatsächliche Voraussetzungen als das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und die aufgrund gesetzlicher, tarifvertraglicher oder sonstiger Regelungen bestehende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Vergütungszahlung geknüpft werden (Weinrich/Weinrich, Gratifikationen, Anwesenheits- und Treueprämien, Tantiemen, 4. Aufl., S. 42 f.).

aa.

Der Begriff Urlaubsgeld gibt noch keinen Aufschluss darüber, ob es sich um eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung oder um eine sonstige Gratifikation handelt. Zwar hat der 10. Senat im Urteil vom 14. August 1996 - 10 AZR 70/96 - ausgeführt, wenn es sich bei einem zugesagtem Urlaubsgeld um eine Gratifikation handele, dann sei auch der in der Bezeichnung als "Urlaubsgeld" zum Ausdruck gekommene Zweck der Sonderzahlung zu berücksichtigen. Denn ein Urlaubsgeld werde gezahlt, um zu den anlässlich des Urlaubs entstehenden Mehraufwendungen des Arbeitnehmers beizutragen. Der 9. Senat hat demgegenüber im Urteil vom 18. März 1997 - 9 AZR 84/96 - ausgeführt, jedenfalls bei der Auslegung allgemeiner Anstellungsbedingungen könne dem 10. Senat nicht gefolgt werden, sofern dieser in Auslegung eines nicht typischen Arbeitsvertrages aus der Verwendung des Begriffs "Urlaubsgeld" geschlossen habe, der mit dieser Bezeichnung verbundene Zweck schließe den Anspruch aus, wenn der Arbeitnehmer sich im Erholungsurlaub befinde und ihm deshalb kein Urlaub gewährt werden könne. Bereits diese beiden Entscheidungen machen deutlich, dass der Begriff "Urlaubsgeld" keine entscheidende Bedeutung dafür haben kann, welchen Charakter im Sinne obiger Begrifflichkeit das Urlaubsgeld hat. Entscheidend kommt es vielmehr auf Motiv und Zweck der Zahlung an, die wiederum bestimmt werden durch die Anspruchsvoraussetzungen.

bb.

Der Beklagten ist zunächst zuzugeben, dass die Regelung in § 10 1b) MTV dafür sprechen könnte, dass es sich bei dem Urlaubsgeld um eine arbeitsleistungsbezogene Zuwendung handelt. Nach dieser Vorschrift erhält derjenige, der im Laufe des Kalenderjahres eintritt oder ausscheidet, für jeden Monat Verlagszugehörigkeit im Kalenderjahr ein Zwölftel des Urlaubsgeldes. Der 6. Senat hat im Urteil vom 24. Oktober 1990 - 6 AZR 156/89 - bei einer vergleichbaren Regelung ausgeführt, die anteilige Zahlung im Eintritts- und Austrittsjahr erhelle den Charakter als zusätzliche und monatlich verdiente Vergütungsleistung. Auch die Literatur sieht in solchen Regelungen hinsichtlich des Eintritts- bzw. Austrittjahres einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür, dass eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung vorliegen könnte (Sowka, NZA 1993, S. 783; Tofall, ZTR 1997, S. 449; Gaul, BB 1994, S. 497).

Für den Charakter des tariflichen Urlaubsgeldes als Entgelt im engeren Sinne könnte weiterhin sprechen der Umstand, dass die Zahlung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig ist. Auch insoweit ist der Beklagten zuzugeben, dass es in der tariflichen Regelung in § 10 an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass es den Tarifvertragsparteien um die Belohnung oder Förderung der Betriebstreue ging. Es gibt weder eine Wartezeitregelung noch eine Stichtagsregelung noch eine Rückzahlungsklausel. Weiterhin ist zu beachten, dass sich die Höhe des tariflichen Urlaubsgelds gem. § 10 Abs. 2 MTV richtet nach dem Effektivgehalt des Redakteurs. Auch dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Tarifvertragsparteien eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung vereinbaren wollten. Schließlich könnte auch das Fehlen einer § 4 Ziff. 6 MTV entsprechenden Regelung beim Urlaubsgeld ein Hinweis darauf sein, dass es sich beim tariflichen Urlaubsgeld möglicherweise anders als bei der Jahresleistung nach § 4 um eine lediglich arbeitsleistungsbezogene Zahlung handelt. Schließlich könnte für die Auffassung der Beklagten auch die Auslegungsregel sprechen, wonach im Zweifel davon auszugehen ist, dass lediglich eine zusätzliche Vergütung für die geleistete Arbeit innerhalb des Bezugszeitraumes bezweckt wird. Diese Auslegungsregel ist immer dann anzuwenden, wenn der der Sonderleistung zugrunde liegende Zweck nicht oder nicht eindeutig ermittelt werden kann (BAG, Urt. v. 24. Oktober 1990 - 6 AZR 341/89 -).

cc.

Gewichtigere Gründe sprechen jedoch dafür, dass es sich bei dem tariflichen Urlaubsgeld nicht um eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung handelt.

(1.)

Zunächst ist zu beachten, dass die Eintritts- und Austrittsklausel in § 10 1b) MTV abstellt auf die Verlagszugehörigkeit und nicht auf tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung bzw. einen bestehenden Entgeltanspruch des Redakteurs. Insoweit vermag diese Regelung nach Auffassung des Berufungsgerichts keineswegs die Argumentation stützen, sie sei ein Hinweis auf eine beabsichtigte Vereinbarung eines Entgelts im engeren Sinne. Wenn lediglich auf die Verlagszugehörigkeit abgestellt wird, so kann dies auch nur als Hinweis darauf verstanden werden, dass Voraussetzung das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist. Das bloße Bestehen eines Arbeitsverhältnisses genügt jedoch nicht für die Annahme, es handele sich bei der Sonderzuwendung um Entgelt im engeren Sinne (Gaul, BB 1994, S. 496). Wenn der Anspruch auf eine Jahressonderzahlung aber allein vom rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig ist, dann ist diese Sonderzahlung auch für Zeiten zu gewähren, in denen das Arbeitsverhältnisses wegen eines Arbeitskampfes geruht hat (BAG, Urt. v. 20. Dezember 1995 - 10 AZR 742/94 -). Weiterhin ist zu beachten, dass auch nach Entscheidung des 9. Senats (Urt. v. 11. April 2000 - 9 AZR 225/99 -), die Vereinbarung von Regelungen hinsichtlich des Eintritts- und Austrittjahres bei der Gewährung von Urlaubsgeld bzw. eines 13. Monatsgehaltes als Auslegungskriterium zurücktreten kann. Auch bei der dort vom 9. Senat zu prüfenden tariflichen Regelung hinsichtlich des 13. Gehaltes gab es eine Vereinbarung hinsichtlich des Eintritts- und Austrittszeitpunktes. Der 9. Senat hat dieser Vereinbarung für die dortige Beurteilung des Urlaubsgeldes als so genannte Sozialleistung und der Ablehnung als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung keine Bedeutung beigemessen.

(2.)

Entscheidend ist für das Berufungsgericht ein Vergleich zwischen dem Urlaubsgeld gem. § 10 MTV und der Jahresleistung gem. § 4 MTV. Beide Sonderzuwendungen haben identische Anspruchsvoraussetzungen. Sie stellen beide auf dem Bestand des Anstellungsverhältnisses bzw. auf die Verlagszugehörigkeit ab und sehen Regelungen für den Fall des Eintritts und / oder Ausscheidens im Laufe des Kalenderjahres vor. Weitere Anspruchsvoraussetzungen haben beide Zuwendungen nicht. Insbesondere entfällt die Jahresleistung gem. § 4 MTV nicht im Falle einer fristlosen Kündigung des Redakteurs. Hätten die Tarifvertragsparteien eine solche Regelung getroffen, so wäre dies in der Tat ein gewichtiges Argument für die Annahme, dass es sich bei § 4 um eine Gratifikation handelt, die auch die Betriebstreue honorieren soll. Eine solche Regelung fehlt jedoch. § 4 Abs. 2 Satz 4 MTV regelt lediglich, dass Abs. 2 Satz 3 nicht gilt bei der Kündigung durch den Verlag aus wichtigem Grund. Bei einer fristlosen Kündigung entfällt daher nicht der Anspruch auf die Jahresleistung insgesamt, sondern es wird lediglich der Monat, in dem die fristlose Kündigung wirksam wird, bei der Zwölftelung nicht berücksichtigt, und zwar selbst dann nicht, wenn die Kündigung erst nach dem 15. Kalendertag zugegangen ist. Darin erschöpft sich der Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 Satz 4 MTV. Diese nur auf dem Verlust von einem Zwölftel der Jahresleistung reduzierte Rechtsfolge rechtfertigt es nach Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht, von wesentlich anderen Anspruchsvoraussetzungen bei § 4 MTV im Verhältnis zu § 10 MTV auszugehen. Es bleibt daher festzustellen, dass die Anspruchsvoraussetzungen beider Sonderzuwendungen im Wesentlichen gleich sind. Wenn dann aber die Tarifvertragsparteien in § 4 Abs. 3 MTV hinsichtlich der Jahresleistung eine ausdrückliche Regelung mit Kürzungsbefugnis für Zeiten unbezahlter Arbeitsbefreiung treffen, eine solche Regelung in § 10 MTV hinsichtlich des Urlaubsgeldes jedoch unterbleibt, so ist dies für das Berufungsgericht der entscheidende Hinweis darauf, dass die Tarifvertragsparteien das Urlaubsgeld jedenfalls nicht für Zeiten fehlender Vergütungspflicht des Arbeitgebers kürzen wollten. Hätten sie dies beabsichtigt, so hätten sie dies sicherlich wie in § 4 Abs. 3 MTV entsprechend in § 10 MTV geregelt.

Auch die Regelung in § 4 Abs. 6 MTV führt zu keinem anderen Ergebnis. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob es tatsächlich zwingend ist bzw. unterstellt werden darf, dass aus dem Anrechnungstatbestand, der sich auf Jahresabschlussvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien etc. bezieht, auf den Rechtscharakter der tariflichen Jahresleistung geschlossen werden darf. Denn selbst wenn dies zutreffend wäre, bedeutet das für die rechtliche Einordnung des Urlaubsgeldes überhaupt nichts. Denn das Fehlen eines Anrechnungstatbestandes beim Urlaubsgeld muss nicht bedeuten, dass es sich beim Urlaubsgeld anders als bei der Jahresleistung um ein Entgelt im engeren Sinne handelt. Die Tarifvertragsparteien mögen ihre Gründe dafür gehabt haben, beim Urlaubsgeld eine entsprechende Anrechnung nicht vorzunehmen. Allein das Fehlen einer solchen Regelung führt aber nicht zu der Annahme, dass es sich zwingend beim Urlaubsgeld um eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung handeln muss.

(3.)

Auch der Standort der Regelung zum tariflichen Urlaubsgeld spricht gegen die Annahme einer arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung. Während die Jahresleistung in § 4 noch im engen Zusammenhang zu der Regelung in § 3 MTV hinsichtlich der Bezüge steht, befindet sich der Standort des zusätzlichen Urlaubsgeldes nach der tariflichen Regelung hinsichtlich der Urlaubsdauer und vor einem Hinweis auf die Altersversorgung, die in einem gesonderten Vertrag geregelt wird. Dies ist für das Berufungsgericht Hinweis dafür, dass es sich bei dem Urlaubsgeld um eine nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfende Leistung handelt, die mit dem vom 9. Senat im Urteil vom 11. April 2000 - 9 AZR 225/99 -) bezeichneten Begriff der "Sozialleistung" erfasst werden kann. Zwar knüpft die Höhe des Urlaubsgeldes an das Effektivgehalt des Redakteurs an. Entscheidend ist aber der enge Zusammenhang mit der Regelung zu den Urlaubsansprüchen. So wie es für den Urlaubsanspruch nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt, so bestehen für das Berufungsgericht auch in § 10 MTV keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien darüber hinaus weitere Voraussetzungen für die Zahlung des Urlaubsgeldes aufstellen wollten.

Nach alledem ist die Klage begründet.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Obwohl der Kläger Bruttozinsen hätte begehren können (BAG, GS vom 7. März 2001), war wegen § 308 Abs. 1 ZPO nach der klägerischen Antragstellung der Zinsausspruch auf den Nettobetrag zu beschränken. Zweifel hinsichtlich der Bestimmtheit bzw. Vollstreckbarkeit bestehen nicht. Die Bestimmung des Nettobetrages aus dem Bruttobetrag mag schwierig sein, sie ist jedoch möglich. Im Übrigen ist unschädlich, dass nicht "5 Prozentpunkte" beantragt wurden, sondern "5% Zinsen...". Der Antrag ist mit dem ausgeurteilten Tenor auslegungsfähig.

Nach alledem ist die Berufung begründet und der Klage stattzugeben.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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