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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 361/07
Rechtsgebiete: ArbGG, GewO


Vorschriften:

ArbGG § 72 a
ArbGG § 91 Abs. 1
GewO § 106
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 361/07

Verkündet am 07.11.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 07.11.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 08.08.2007 (4 Ca 901 d/07) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Berechtigung einer Abmahnung.

Der Kläger trat aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 6,7 d.A.) am 18. Februar 1988 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen. Das Arbeitsverhältnis ging am 01. Juli 2003 auf die Beklagte über. Die Beklagte ist ein Zeitarbeitsunternehmen. Auf das Arbeitsverhältnis findet seit dem 01. April 2004 das iGZ-/DGB-Tarifwerk Anwendung.

Der Kläger arbeitete in der Vergangenheit ganz überwiegend in Früh- beziehungsweise Normalschicht. Davon abweichend war er beispielsweise in der Zeit vom 05.04. bis 07.04.2004 bei der Firma U.-KG von 14 bis 22 Uhr tätig, in der Zeit vom 22.08. bis 26.08.2005 von 15 bis 23 Uhr und am 26.08.2005 von 12 bis 17 Uhr. Im Jahre 2006 setzte die Beklagte ihn insgesamt 15-mal in der Spätschicht bei ihrem Kunden, der Firma FMA U. ein.

Nach Beendigung einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erhielt der Kläger von der Beklagten die Anweisung, sich am 19. März 2007 bei dem Kunden FMA U. in F. zur Arbeit einzufinden, und zwar in der Zeit von 12 bis 21:30 Uhr. Die Firma FMA U. hatte dazu ausdrücklich den Kläger für die Spätschicht angefordert. Auch vor seiner Erkrankung war er langjährig für die Beklagte bei der Firma FMA U. tätig gewesen.

Der Kläger lehnte gegenüber dem anweisenden Mitarbeiter der Beklagten diesen Einsatz ab und begründete dies damit, dass er seit 1988 bei der Beklagten ausschließlich in Früh-/ Normalschicht gearbeitet habe, weshalb er nicht verpflichtet sei, die angeordnete Spätschicht abzuleisten. Der Kläger nahm am 19. März 2007 nicht die zugewiesene Tätigkeit auf. Die Firma FMA U. deckte ihren Personalbedarf über eine andere Zeitarbeitsfirma.

Die Beklagte erteilte deshalb dem Kläger die streitgegenständliche Abmahnung vom 19. März 2007. Wegen der in erster Instanz vertretenen streitigen Behauptungen und Rechtsauffassungen und der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zwar verpflichtet gewesen, die Spätschicht zu leisten, ein Grund für die Verweigerung habe nicht bestanden. Das Direktionsrecht habe sich insoweit auch nicht auf Früh- oder Normalschicht konkretisiert. Allerdings verletze die ausgesprochene Abmahnung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Parteien habe der Kläger bislang nur ausnahmsweise Spätschicht erbracht. Ob diese Spätschicht mit ihm vom Entleiherbetrieb abgesprochen oder die Anforderung über die Beklagte abgewickelt worden sei, könne dahin stehen. Jedenfalls sei durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger die rechtsirrige Auffassung vertreten habe, zur Ableistung von Spätschicht nur verpflichtet zu sein, wenn dies mit ihm vorher abgestimmt werde. Irrtümlich sei der Kläger deshalb davon ausgegangen, aufgrund der bisherigen fast überwiegend zugewiesenen Früh- und Normalschichten zur Ableistung einer Spätschicht nicht verpflichtet gewesen zu sein. Angesichts des annähernd 20 Jahre störungsfrei bestehenden Arbeitsverhältnisses und des durchaus nachvollziehbaren Irrtums erscheine die Abmahnung deshalb als unverhältnismäßig.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 24. August 2007 zugestellte Urteil am 29. August 2007 Berufung eingelegt und diese am 04. September 2007 begründet.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Abmahnung verletze nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Entscheidend sei lediglich, ob der abgemahnte erhobene Vorwurf objektiv gerechtfertigt sei. Auf die subjektive Vorwerfbarkeit komme es nicht an. Sie habe auch nicht lediglich eine Bagatelle abgemahnt, sondern die Verletzung der Hauptleistungspflicht. Es müsse ihr als Gläubigerin des Vertragsverhältnisses gestattet sein, dem Kläger diese Pflichtwidrigkeit durch eine Abmahnung deutlich zu machen. Die Ausgangslage für den Ausspruch der Abmahnung sei gewesen, dass der Kläger sich bewusst und vorsätzlich geweigert habe, der ihm obliegenden Hauptpflicht nachzukommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 08.08.2007 (4 Ca. 901 d/07) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und führt weiterhin aus, die Beklagte habe bei ihrem Vortrag die Gesamtumstände des Einzelfalles nicht genügend berücksichtigt. Insbesondere die Dauer des Arbeitsverhältnisses von mehreren Jahrzehnten finde nicht die angemessene Berücksichtigung. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei die Beklagte gehalten gewesen, zunächst ein ermahnendes Gespräch zu führen. Sie hätte erkennen müssen, dass die erteilte Abmahnung nicht zu einer Lösung des strittigen Punktes beitragen werde. Die Abmahnung sei daher nicht geeignet. Zudem habe die Beklagte es in der Vergangenheit versäumt, die Arbeitsschichten konkret und schriftlich niederzulegen, so dass er sich überhaupt nicht darauf habe einstellen können. Zumindest sei es rechtlich für eine Abmahnung erforderlich, dass es dem "Abgemahnten" zuvor möglich gewesen sei, den Sachverhalt, der ihm als Pflichtverstoß zur Last gelegt werde, vorher bestimmt zu erfassen. Ihm - Kläger - sei mangels einer genauen schriftlichen Einweisung nicht bewusst gewesen, dass er durch sein Verhalten eine Abmahnung auslöse.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Die dem Kläger erteilte Abmahnung vom 19. März 2007 ist nicht rechtswidrig. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Kläger verpflichtet war, die Spätschicht abzuleisten, sich insbesondere das Direktionsrecht nicht auf das Abverlangen nur noch von Normal- bzw. Frühschicht konkretisiert habe. Das Berufungsgericht folgt jedoch nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die streitgegenständliche Abmahnung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzte. Dazu im Einzelnen:

1. Der Kläger war verpflichtet, am 19. März 2007 die ihm zugewiesene Spätschicht zu leisten. Ein Grund zur Verweigerung dieser Schicht bestand für den Kläger nicht. Das Berufungsgericht nimmt insoweit ausdrücklich Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angegriffenen Urteil. Lediglich ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:

Gemäß § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. § 106 GewO regelt damit für alle Arbeitsverhältnisse einheitlich das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Grundsätzlich wird die Arbeitszeit wie die übrigen Arbeitsbedingungen auch durch den Arbeitsvertrag bestimmt. Wenn die Parteien keine ausdrücklichen Vereinbarungen über deren Dauer und Lage getroffen haben, ist im Zweifel anzunehmen, dass sie die betriebliche Arbeitszeit vereinbaren wollten. Soweit nichts anderes geregelt ist, kann der Arbeitgeber grundsätzlich einseitig die wöchentliche Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilen, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Pausen festlegen (Schaub-Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 45 Rn. 49). Dabei hat der Arbeitgeber die Grenzen des billigen Ermessens zu berücksichtigen. Diese sind gewahrt, wenn er bei der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung nicht nur eigene, sondern auch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt. Auf schutzwürdige familiäre Belange des Arbeitnehmers hat er Rücksicht zu nehmen, soweit einer vom Arbeitnehmer gewünschten Verteilung der Arbeitszeit nicht betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. Betriebliche Belange und die im Einzelfall vorliegenden persönlichen beziehungsweise familiären Interessen des Arbeitnehmers sind abzuwägen (Schaub-Linck a.a.O., § 45 Rn. 68).

Der schriftliche Arbeitsvertrag, auf den sich der Kläger in der Berufungsverhandlung bezog, enthält keine Regelung über die Lage der Arbeitszeit. Es ist dort nicht geregelt, dass der Kläger beispielsweise nur in Früh-/Normalschicht arbeiten muss. Da es keine konkrete arbeitsvertragliche Regelung gibt, richtet sich die Lage der Arbeitszeit nach der betrieblichen Arbeitszeit. Diese wiederum wird bestimmt durch die Regelung des anwendbaren iGZ-/DGB-Tarifwerks, wonach sich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nach den im jeweiligen Entleiherbetrieb gültigen Regelungen beziehungsweise Anforderungen des Entleihers richten. Folglich war der Kläger verpflichtet, am 19. März 2007 die Spätschicht im Entleiherbetrieb zu leisten. Es is nicht erkennbar, dass der Kläger insoweit willkürlich oder schikanös durch die Beklagte behandelt wurde. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass er ausdrücklich von der langjährigen Kunden der Beklagten für diese Spätschicht angefordert wurde. Zu berücksichtigten ist weiterhin, dass der Kläger in der Vergangenheit auch in erheblichen Umfang bei der Firma U. eingesetzt wurde. Wenn sie ihn dann am 19. März 2007 für die Spätschicht anforderte, so bedeutet dies, dass die Firma Wert auf seine Arbeit legte und auch ein betriebliches Bedürfnis für seinen Einsatz in der Spätschicht bestand.

Der Kläger hat keine beachtenswerten persönlichen oder familiären Interessen vorgetragen, aufgrund derer die Ausübung des Direktionsrechts seitens der Beklagten möglicherweise die Grenze billigen Ermessens verletzen könnte. Der Kläger hat sich anlässlich der Anordnung der Spätschicht gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten dahin eingelassen, seine Arbeitszeit habe sich auf die Frühschicht/Normalschicht konkretisiert, zur Leistung von Spätschicht sei er nicht verpflichtet. Er hat also gerade keine konkreten persönlichen oder familiären Gründe vorgetragen, sondern sich allein auf ein Prinzip berufen. Es ist deshalb nicht erkennbar, dass die Grenze des billigen Ermessens überschritten wurde.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat sich seine Arbeitspflicht auch nicht konkretisiert auf die Früh-/beziehungsweise Normalschicht. Dies hat das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt. Denn die Befugnis, kraft Direktionsrechts Ort und Zeit der Arbeitsleistung einseitig festzulegen, ist noch nicht dadurch eingeschränkt, dass der Arbeitgeber über längere Zeit von seinem Direktionsrecht keinen Gebrauch macht (Schaub-Linck, a.a.O., § 45 Rn. 29 a). Zum einen ist zunächst zu beachten, dass der Kläger nicht ausnahmslos nur in Früh- beziehungsweise Normalschicht arbeitete. Unstreitig war er im Jahre 2006 15-mal bei dem Kunden FMA U. in der Spätschicht eingesetzt. Zum anderen trat aber auch deshalb keine Konkretisierung ein, weil spätestens mit der Anwendung des Tarifvertrages der Kläger damit rechnen musste, flexibel nach den Bedingungen des Entleiherbetriebes eingesetzt zu werden.

2. Die Abmahnung verletzt auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Berufungsgericht teilt nicht die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach die Abmahnung deshalb unverhältnismäßig sei, weil der Kläger irrtümlich davon ausging, zur Ableistung der Spätschicht nicht verpflichtet zu sein.

a. Bei Abmahnungen im Arbeitsverhältnis ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Danach ist die Ausübung eines einseitigen Bestimmungsrechts unzulässig, wenn sie der Gegenseite unverhältnismäßig große Nachteile zufügt und andere weniger schwerwiegende Maßnahmen möglich gewesen wären, die den Interessen des Berechtigten ebenso Rechnung getragen hätten und ihm zumindest zumutbar gewesen wären. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird als Übermaßverbot zur Vermeidung schwerwiegender Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Rechtsverstößen verstanden. Bei der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung zunächst selbst zu entscheiden, ob er ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers missbilligen will und ob er deswegen eine mündliche oder schriftliche Abmahnung erteilen will. Eine Abmahnung ist aber nicht allein deshalb unzulässig, weil der Arbeitgeber auch über den erhobeneren Vorwurf hinweg sehen könnte, weil etwa dem Arbeitnehmer ein bewusster Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten fern lag (BAG, Urteil v. 31.8.1994 - 7 AZR 893/93 -, zit. n. Juris, Rn. 36).

Mit der Abmahnung übt der Arbeitgeber sein arbeitsvertragliches Gläubigerrecht aus. Der Arbeitnehmer wird als Schuldner der Arbeitsleistung auf seine vertraglichen Pflichten hingewiesen und auf deren Verletzung aufmerksam gemacht. Zugleich wird er für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten aufgefordert. Für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung werden individualrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt (BAG, Urteil v. 31.8.1994 - 7 AZR 893/93 -, zit. n. Juris, Rn. 27). Für die Frage, ob eine Abmahnung zu Recht erfolgt ist, kommt es auf die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Arbeitnehmers im Sinne eines Verschuldens nicht an. Entscheidend ist allein, ob der Vorwurf objektiv gerechtfertigt ist (BAG, Urteil v. 31.8.1994, - 7 AZR 893/93 -, Rn. 31; LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 04.12.2006, - 15 Sa 81/06 -, zit. n. Juris, Rn. 19).

Die Abmahnung ist daher im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf einen Verstoß gegen das Übermaßverbot und auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen. In einer so eingeschränkten Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dementsprechend allein maßgeblich, ob ein offensichtliches Missverhältnis von Sachverhalt und Abmahnung besteht. Es ist zu prüfen, ob ein verständiger Arbeitgeber den Pflichtverstoß im Wiederholungsfall ernsthaft für kündigungsrechtlich erheblich halten dürfte. Eine Abmahnung ist mithin dann unverhältnismäßig, wenn der Arbeitgeber "Lächerlichkeit und Banalitäten" abmahnt und damit gleichsam mit "Kanonen auf Spatzen" schießt (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 11.05.2004, - 5 Sa 170 c/02 -, zit. n. Juris, Rn. 43).

b. Unter Berücksichtigung dieses anzulegenden Prüfungsmaßstabes erweist sich die Abmahnung nicht als unverhältnismäßig.

aa. Dass der Kläger möglicherweise rechtsirrig davon ausging, zur Ableistung der Spätschicht nicht verpflichtet zu sein, steht der Verhältnismäßigkeit der Abmahnung nicht entgegen. Auch für das Berufungsgericht ist es ebenso wie für das Arbeitsgericht durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger tatsächlich rechtsirrig diese Auffassung vertrat, weshalb er möglicherweise nicht bewusst die Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzte. Entscheidend ist aber, dass es für die Berechtigung der Abmahnung nicht auf die subjektive Vorwerfbarkeit im Sinne einer bewussten Pflichtverletzung ankommt, sondern lediglich darauf, ob der Arbeitnehmer durch sein Verhalten oder Unterlassen objektiv eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzte. Dass objektiv insoweit eine Pflichtverletzung vorlag, ergibt sich aus den Ausführungen zu 1. oben.

bb. Es handelt sich desweiteren auch nicht um einen geringfügigen Rechtsverstoß, bei dem der Arbeitgeber möglicherweise unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von einer Abmahnung absehen müsste. Hätte sich beispielsweise der Kläger lediglich einige Minuten verspätet, so würde sich eine diesbezügliche Abmahnung möglicherweise angesichts des seit 20 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnisses als unverhältnismäßig erweisen. Hier geht es jedoch nicht um einen geringfügigen Rechtsverstoß oder eine Bagatelle, sondern um die Nichtbeachtung der dem Kläger obliegenden Hauptleistungspflicht. Der Kläger war zur Ableistung der Spätschicht verpflichtet und hat dies insgesamt abgelehnt. Damit hat er jedenfalls objektiv die Leistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis schwerwiegend verletzt, weshalb es keinesfalls das Übermaßverbot verletzt, wenn der Arbeitgeber dies zum Anlass nimmt, insoweit eine Abmahnung auszusprechen. Es ist nämlich zu beachten, dass der Arbeitgeber durch die Abmahnung sein arbeitsvertragliches Gläubigerrecht ausübt. Gerade weil der Kläger rechtsirrig der Auffassung war, zur Ableistung der Spätschicht nicht verpflichtet zu sein, war es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zum Zwecke der Ausräumung dieses Irrtums ihn deutlich im Wege einer Abmahnung darauf hinwies, auch zur Ableistung von Arbeitszeiten außerhalb der Früh-/Normalschicht im Rahmen der Voraussetzungen des § 106 GewO verpflichtet zu sein. Hätte sie von der Abmahnung abgesehen und lediglich eine Ermahnung ausgesprochen oder ein klärendes Gespräch geführt, so wäre sehr zweifelhaft, ob dem Kläger mit der gebotenen Deutlichkeit klar geworden wäre, dass er auch zu Zeiten außerhalb der Früh- und Spätschicht arbeiten muss. Gerade die ausgesprochene Abmahnung und die sich anschließende juristische Klärung waren geeignet, den Kläger insoweit auf seine arbeitsvertraglichen Pflichten hinzuweisen. Angesichts der starren Haltung des Klägers wären eine Ermahnung und ein klärendes Gespräch möglicherweise nicht erfolgreich gewesen. Die Beklagte musste sich auf diese Mittel deshalb auch nicht beschränken.

Nach alledem ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ArbGG. Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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