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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 4 Sa 420/07
Rechtsgebiete: TVG, BGB
Vorschriften:
TVG § 3 Abs. 3 | |
TVG § 4 Abs. 5 | |
BGB § 133 | |
BGB § 157 |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 4 Sa 420/07
Verkündet am 21.02.2008
In dem Rechtsstreit
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 21.02.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 20.09.2007 - 3 Ca 965 b/07 - werden zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits (beide Rechtszüge).
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten in der Berufung noch darüber, ob die Beklagte nach § 6 des Tarifvertrages zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des Landes B. (nachfolgend: TV Lohn / West) dem Kläger wegen seiner Zuordnung zum Hamburger Sonderlohngebiet 0,04 EUR mehr pro Stunde zahlen muss und ob ihm jedenfalls der Tariflohn des TV Lohn / West kraft tariflicher Nachwirkung zusteht.
Der 19.. geborene Kläger trat 1994 als Maurer in die Dienste der Beklagten ein. Er ist seit vielen Jahren Mitglied der IG B.. Die Beklagte betreibt mit Sitz in S. ein Bauunternehmen mit rund 140 Arbeitnehmern. Sie ist Mitglied im Norddeutschen Baugewerbeverband e. V.. Seit Januar 2006 besteht jedoch nur noch Mitgliedschaft "ohne Tarifbindung". Mit ihrem Sitz in S. gehört die Beklagte zum Sonderlohngebiet Hamburg.
Am 4. Juli 2002 schlossen die bundesweit handelnden Tarifvertragsparteien den TV Lohn / West ab, mit dem auch neue Lohnstrukturen eingeführt wurden. Für den Kläger als Spezialbaufacharbeiter war seither maßgeblich die neue Lohngruppe 4 des TV Lohn / West.
Seit über 60 Jahren vereinbarten die Landes- beziehungsweise Bezirksorganisationen der bauwirtschaftlichen Tarifvertragsparteien in Hamburg für das dortige Verbandsgebiet Bezirkslohntarifverträge (Lohntabellen). Anlass der Erstellung dieser Bezirkslohntarifverträge war zumeist der Abschluss eines Tarifvertrages der zentralen Tarifvertragsparteien auf Bundesebene.
Der letzte Bezirkslohntarifvertrag (Lohntabelle) für Hamburg wurde am 1. April 2001 geschlossen. Der ihm zugrunde liegende bundesweit geltende Lohntarifvertrag wurde zum 31. März 2002 gekündigt. Seither befindet sich die Bezirkslohntabelle des Baugewerbes Hamburg in der Nachwirkung. Ein neuer Bezirkslohntarifvertrag ist nicht mehr abgeschlossen worden.
In den vergangenen 30 Jahren lag der Hamburger Spezialbaufacharbeitertariflohn wechselnd zwischen 0,08 DM (= 0,04 Euro) und 0,09 DM (= 0,05 Euro) über dem Spezialbaufacharbeiterlohn des TV Lohn / West. Zuletzt betrug der Lohnabstand 0,04 EUR mehr pro Stunde.
Ungeachtet des Fehlens tariflicher Bezirkslohntarifverträge ab dem Jahre 2002 zahlte die Beklagte ihren Arbeitnehmern einen Lohn, der die bisherigen Besonderheiten des Sonderlohngebietes Hamburg berücksichtigte und der 0,04 EUR über dem entsprechenden Lohn des TV Lohn / West lag.
Am 23. Juni 2005 informierte die Beklagte den Betriebsrat darüber, dass sich die wirtschaftliche Lage sehr verschlechtert habe und in den letzten Jahren Verluste in Höhe von 2. Mio. EUR entstanden seien. Sie beabsichtige deshalb, zum Juli die Hälfte der Belegschaft zu kündigen und zum Jahresende die Firma ganz zu schließen. Eine andere Lösung sei es, sofern die gesamte Belegschaft bereit sei, zum tariflichen Mindestlohn zu arbeiten. Der Betriebsrat solle die Kollegen auf den Baustellen darüber informieren. Ferner teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass sie "in Zukunft nicht mehr im Arbeitgeberverband" sein werde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sitzungsprotokolls und der Teilnehmer an dieser Sitzung wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 100 - 101 d.A.).
Am 12. Juli 2005 unterzeichnete der Kläger eine Änderung seines Arbeitsvertrages mit der Maßgabe, dass er sich bereit erklärte, ab 1. September 2005 mit einem Mindestlohn ML II von zurzeit 12,47 EUR, einem Verzicht auf das 13. Monatseinkommen und einer bezahlten längeren Arbeitszeit (Freitag um drei Stunden) zu sonst unveränderten Bedingungen für die Beklagte weiter tätig zu sein.
In der Einleitung zu dieser Vereinbarung heißt es:
"Arbeitsvertrags Änderung
Auf Grund der wirtschaftlichen Situation in unserem Betrieb sind wir an den Betriebsrat herangetreten, um über mögliche Veränderungen innerhalb der Lohn- und Kostenstrukturen unserer Firma zu sprechen. Ziel der diversen Gespräche war es, die Lohn- und Lohnnebenkosten zu senken, um unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Hamburger Markt zu erhalten. Bei dieser Maßnahme sind wir auf Ihr Verständnis und Ihre Mithilfe angewiesen. Um den Fortbestand der Firma und insbesondere Ihren Arbeitsplatz zu gewährleisten, bieten wir Ihnen diese einvernehmliche Arbeitsvertrags Änderung an."
Die Beklagte zahlt dem Kläger seither auf der Grundlage dieser Vereinbarung einen Lohn von 12,47 EUR brutto pro Stunde im Zeitlohn und 11,78 EUR brutto pro Stunde im Akkordlohn.
Am 29. Juli 2005 vereinbarten die bundesweit handelnden Tarifvertragsparteien einen geänderten TV Lohn / West. Gemäß § 11 trat dieser Tarifvertrag am 1. September 2005 in Kraft und war kündbar mit einer Frist von zwei Monaten zum Monatsende, erstmals zum 31. März 2007. Seit April 2006 beträgt der Gesamttariflohn der Lohngruppe IV nach dem TV Lohn / West 14,56 EUR/Stunde beziehungsweise bei Akkord 13,75 EUR/Stunde.
In § 6 des TV Lohn / West vom 29. Juli 2005 heißt es zum Sonderlohngebiet Hamburg Folgendes:
"Im Sonderlohngebiet Hamburg ist sicherzustellen, dass die Lohnabstände, die sich aus dem bisherigen Regelungen in den zentralen Lohntarifverträgen für das Sonderlohngebiet Hamburg ergeben haben, erhalten bleiben."
Mit Schreiben vom 17. Januar 2006 teilte der Norddeutsche Baugewerbeverband der Beklagten unter Bezug auf deren Schreiben vom 13. Januar 2006 mit, der Vorstand des Verbandes habe mit sofortiger Wirkung die Mitgliedschaft der Beklagten ohne Tarifbindung bestätigt.
Die IG Bau kündigte mit Schreiben vom 22. Januar 2007 den TV Lohn / West unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31. März 2007.
Der Kläger begehrt von der Beklagten für die Monate April 2007 bis Juni 2007 Zahlung eines um 0,04 EUR über dem Lohn der Lohngruppe IV des TV Lohn / West liegenden Lohnes.
Wegen der diesbezüglich in erster Instanz streitigen Rechtsauffassungen und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger für die Monate April bis Juni 2007 den tariflichen Lohn der Lohngruppe IV des TV Lohn / West zu zahlen. Der Kläger habe darauf kraft Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG auch über den 31. März 2007 hinaus Anspruch. Die Vertragsänderung vom 12. Juli 2007 sei keine Abmachung im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien bei Unterzeichnung dieser Erklärung den rechtsgeschäftlichen Willen gehabt hätten, eine zunächst für die völlig unbekannte normative Laufzeit des Tarifvertrages unwirksame, nach dessen Kündigung jedoch wirksam werdende Erklärung zu vereinbaren. Anspruch auf einen um 0,04 EUR höheren Lohn (Sonderlohngebiet Hamburg) habe der Kläger wiederum nicht. Die "Lohntabelle Hamburg" befinde sich seit dem 1. April 2002 in der Nachwirkung. Die Verzichtserklärung vom 12. Juli 2005 stelle eine andere Abmachung gemäß § 4 Abs. 5 TVG dar.
Der Kläger hat gegen das ihm am 4. Oktober 2007 zugestellte Urteil am 30. Oktober 2007 Berufung eingelegt und diese am 15. November 2007 begründet. Die Beklagte hat gegen das ihr am 8. Oktober 2007 zugestellte Urteil am 7. November 2007 Berufung eingelegt und diese am 7. Dezember 2007 begründet.
Der Kläger ergänzt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er meint, sein Anspruch auf weitere 0,04 EUR pro Stunde ergebe sich ungeachtet des Fehlens einer tarifvertraglichen Lohntabelle für das Sonderlohngebiet Hamburg im streitgegenständlichen Zeitraum direkt aus § 6 TV Lohn / West. Der Wortlaut des § 6 TV Lohn / West sei so zu verstehen, dass mit dieser Vorschrift automatisch der Abstand zwischen den für das gesamte Bundesgebiet nach diesem Tarifvertrag gültigen Stundenlöhnen und den Stundenlöhnen des Sonderlohngebietes Hamburg entsprechend den bisherigen Abständen bewirkt werde. § 6 TV Lohn / West stelle eine eigene anspruchsbegründende Norm dar und benötige keine weitere Konkretisierung in anderen Tarifverträgen. Die Löhne im Sonderlohngebiet Hamburg würden nach dieser Vorschrift automatisch entsprechend ihrem bisherigen Abstand angepasst und erhöht. § 6 TV Lohn / West entspreche auch dem Bestimmtheitsgrundsatz. Wegen der festgelegten Bundeslöhne und der ebenfalls bestimmten Lohnabstände für die einzelnen Lohngruppen sei es problemlos möglich, den entsprechenden Lohn für das Sonderlohngebiet Hamburg zu errechnen. Auch werde aus § 6 TV Lohn / West deutlich, dass Normadressat der einzelne Arbeitnehmer beziehungsweise Arbeitgeber sei. Hätten die Tarifvertragsparteien etwas anderes gewollt, dann hätten sie, wie in § 9 TV Lohn / West geschehen, die Landes- beziehungsweise Bezirksorganisationen der Tarifvertragsparteien als Normadressaten benannt. Die §§ 9, 10 TV Lohn / West hätten wegen der speziellen Vorschrift in § 6 TV Lohn / West für das Sonderlohngebiet Hamburg keine Bedeutung. Die §§ 9, 10 TV Lohn / West bezögen sich ausschließlichen auf solche Bezirkslohntarifverträge / -tabellen, in denen Sonderlöhne und Sonderlohngruppen enthalten und geregelt seien. Diese Sonderlöhne und Sonderlohngruppen beträfen die Löhne, die für bestimmte Berufsgruppen außerhalb der Bundeslohntabellen geregelt seien. Darum gehe es bei § 6 TV Lohn / West nicht, denn dort seien eigene Lohngruppen nicht eingeführt. Die Vorschrift diene einzig und allein dazu, bestehende Lohngruppen im Vergleich zu Bundeslöhnen zu vereinbaren. Zwischen den Tarifvertragsparteien habe Einigkeit bestanden, dass die Höhe des Lohnabstandes nicht verhandelbar sei. Letztlich spreche auch die Systematik des Tarifvertrages für seine - klägerische - Auffassung. Wäre § 6 TV Lohn / West lediglich als Aufforderung an die regionalen Tarifvertragsparteien zu verstehen, dann hätte diese Vorschrift ihren Platz zwischen den §§ 9, 10 TV Lohn / West finden müssen. Er habe deshalb Anspruch auf weitere 20,86 EUR brutto, wobei die Forderung der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig ist.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 20.09.2007 - 3 Ca 965 b/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 20,86 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit für die Zeit von April 2007 bis Juni 2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt weiterhin,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 20.09.2007 - 3 Ca 965 b/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt folgende Rechtsauffassung: Aufgrund der Verzichtserklärung vom 12. Juli 2005 habe der Kläger keinen Anspruch mehr auf die von ihm begehrten weiteren 0,04 EUR pro Stunde. Aus § 6 TV Lohn / West folge kein diesbezüglicher unmittelbarer Anspruch. § 6 TV Lohn / West sei lediglich eine Sicherstellungsverpflichtung, deren Umsetzung nur durch Bezirkstarifverträge erfolgen könne. Normadressaten dieser Verpflichtung seien die Tarifvertragsparteien, nicht die Arbeitnehmer. §§ 9, 10 TV Lohn / West stellten lediglich eine Verpflichtung für die Tarifvertragsparteien dar, unverzüglich Bezirkstarifverträge zu schließen und dabei auch § 6 TV Lohn / West einzuhalten. Zudem könne angesichts des wechselnden Abstandes nicht von einem regelmäßigen Stundenlohnabstand zwischen dem TV Lohn / West und dem Sonderlohngebiet Hamburg in Höhe von generell 0,04 EUR pro Stunde ausgegangen werden.
Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, die Vereinbarung vom 12. Juli 2007 sei eine Abmachung im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG mit der Folge, dass damit ab 31. März 2007 die Nachwirkung des TV Lohn / West vom 29. Juli 2005 beseitigt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lebten einzelvertragliche Regelungen, die vor Beendigung des Tarifvertrages verdrängt worden seien, wieder in der Nachwirkungsphase auf. Bei Abschluss der Arbeitsvertragsänderung habe sie keine Kenntnis von der Mitgliedschaft des Klägers in der IG B. gehabt. Auch sei der TV Lohn / West von vornherein kündbar gewesen, so dass dessen Laufzeit gerade nicht völlig ungewiss gewesen sei. Überdies spreche der Sinn und Zweck der Nachwirkungslehre in dem hier zu beurteilenden Fall nicht gegen ein Aufleben der Arbeitsvertragsänderung vom 12. Juli 2005. Das Arbeitsverhältnis werde durch die Regelungen des allgemeinverbindlichen BRTV - Bau und des ebenfalls allgemeinverbindlichen Mindestlohntarifvertrages bestimmt. Ein inhaltsleerer Zustand sei mithin nicht zu befürchten gewesen.
Der Kläger verteidigt insoweit die erstinstanzliche Entscheidung und vertritt die Auffassung, die Vereinbarung vom 12. Juli 2005 sei nicht auf die Beseitigung der Nachwirkung gerichtet gewesen. Die Vereinbarung vom 12. Juli 2005 sei wegen Verstoßes gegen das Tarifvertragsgesetz nichtig und könne folglich später nicht wieder aufleben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind zulässig. Sie sind statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache haben sie beide jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Klage des Klägers abgewiesen, soweit er wegen seiner Zuordnung zum Hamburger Sonderlohngebiet 0,04 EUR mehr begehrt. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte aber auch zutreffend verurteilt, an den Kläger den Lohn der Lohngruppe 4 des TV Lohn / West vom 29. Juli 2005 zu zahlen. Die Nachwirkung dieses Tarifvertrages ab 1. April 2007 wird nicht beseitigt durch die Vereinbarung vom 12. Juli 2007. Dazu im Einzelnen:
I.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf einen um 0,04 EUR über dem "Bundeslohn" liegenden Lohn.
1. Der Kläger hat mit der von ihm unterzeichneten Vereinbarung vom 12. Juli 2005 wirksam darauf verzichtet, dass die Beklagte ihm auch über den 1. April 2007 hinaus einen solchen Hamburger Lohn zahlt. Insoweit war der Verzicht wirksam, weil die Beklagte ab 1. September 2005 nicht mehr gemäß § 3 Abs. 1 beziehungsweise 3 Abs. 3 TVG verpflichtet war, ihm einen um 0,04 EUR höheren Lohn zu zahlen. Die letzte zwischen den Hamburger Tarifvertragsparteien vereinbarte Lohntabelle befindet sich seit dem 1. April 2002 in der Nachwirkung, weshalb gemäß § 4 Abs. 5 TVG die Vertragspartien bezogen auf die 0,04 EUR mehr eine andere Abmachung - hier Vereinbarung vom 12. Juli 2005 - treffen konnten. Soweit die Beklagte im Nachwirkungszeitraum jeweils einen orientiert an dem "Bundeslohn" um 0,04 EUR höheren Lohn zahlte, steht dies der Wirksamkeit der Vereinbarung vom 12. Juli 2005 nicht entgegen. Denn insoweit handelte es sich nicht um eine tarifvertragliche Verpflichtung.
2. Die Arbeitsvertragsänderung vom 12. Juli 2005 verletzt § 6 TV Lohn / West vom 29. Juli 2005 nicht. Auch unter Beachtung dieser Vorschrift missachtet die Vertragsänderung vom 12. Juli 2005 bezogen auf die streitgegenständlichen 0,04 EUR / Stunde kein Tarifrecht. Denn der TV Lohn / West enthält in seinem § 6 keinen unmittelbaren Anspruch des im Sonderlohngebiet Hamburg arbeitenden Klägers auf Zahlung der begehrten weiteren 0,04 EUR / Stunde. Bei § 6 TV Lohn / West handelt es sich nicht um eine Inhaltsnorm. Diese Vorschrift stellt lediglich eine zwischen den Tarifvertragsparteien schuldrechtlich wirkende Tarifvertragsregelung dar. Die Auslegung dieses Tarifvertrages ergibt nichts anderes. Dazu hat bereits die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (3 Ca 329 b/06) im Urteil vom 12. Februar 2007 ausgeführt:
2.
"a) Nach den allgemeinen für Tarifverträge anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen ist auszugehen vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG vom 12.11.2002 - 1 AZR 632/01; BAG vom 22.03.2005 - 1 AZR 3/04; BAG vom 22.11.2005 - 1 AZR 458/04 - jeweils zitiert nach JURIS).
b)
Der Wortlaut des § 6 TV Lohn/West enthält keine Regelung, die für das Sonderlohngebiet Hamburg und dort die Lohngruppe 4 einen Stundenlohn von 14,82 EUR bzw. 14,00 EUR im Akkord festschreibt. Dort heißt es lediglich, dass im Sonderlohngebiet Hamburg sicherzustellen ist, dass die Lohnabstände, die sich aus den bisherigen Regelungen in den zentralen Lohntarifverträgen für das Sonderlohngebiet Hamburg ergeben haben, erhalten bleiben. Ein bestimmter Lohnabstand, den im Sonderlohngebiet Hamburg beschäftigte Arbeitnehmer allgemein zu beanspruchen haben, wird - anders als in § 3 Abs. 2 TV Lohn/West - in § 6 TV Lohn/West nicht festgelegt.
c)
Sinn und Zweck des § 6 TV Lohn/West ist es vielmehr, den regionalen, traditionell auf Landes- bzw. Bezirksebene verhandelnden Tarifvertragsparteien Verhandlungsvorgaben für die von ihnen in Umsetzung des Bundestarifvertrages zu führenden Tarifverhandlungen zu machen. Traditionell fanden im bauwirtschaftlichen Bereich seit Jahrzehnten zunächst ausschließlich, später jeweils im Nachgang zu bundesweit zentralen Tarifverhandlungen quasi in Ausführung der Bundestarifverträge ergänzende regionale Tarifverhandlungen statt, in denen die Landes- bzw. Bezirksorganisationen die regionalen Besonderheiten speziell berücksichtigten und ihnen Rechnung trugen. Das geschah im Bereich des Bezirkslohntarifvertrages (Lohntabelle) für Hamburg u. a. regelmäßig mit der Festlegung eines höheren tariflichen Stundenlohnes für dieses Sonderlohngebiet. Vor diesem traditionellen Hintergrund kann § 6 TV Lohn/West nur dahingehend verstanden werden, dass an die Bezirksorganisationen ein diesbezüglicher Verhandlungsauftrag "Besitzstandswahrung" der im Sonderlohngebiet Hamburg beschäftigten Arbeitnehmer festgeschrieben werden sollte. Mehr als ein solcher Verhandlungsauftrag kann dem § 6 TV Lohn/West nicht entnommen werden.
d)
Hätten die Bundestarifvertragsparteien einen unmittelbaren Zahlungsanspruch der im Sonderlohngebiet Hamburg tätigen Arbeitnehmer für das Sonderlohngebiet Hamburg im Wege der Aufstellung einer Inhaltsnorm festschreiben wollen, hätten sie § 6 anders formulieren müssen und auch anders formuliert. Dort, wo unmittelbare Anspruchsgrundlagen für Arbeitnehmer aufgestellt wurden, haben die Tarifvertragsparteien im TV Lohn/West Formulierungen gewählt, wie " ...beträgt der Ecklohn...EUR" (§ 2 Abs. 1und Abs. 2); "gelten nachstehende Löhne.."(§ 2 Abs. 7,8); " erhält der Arbeitnehmer ..."(§ 2 Abs. 3, § 3 Abs. 1 und Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 7 Abs. 1 und Abs. 2); "wird der Lohn festgelegt auf....."(§ 4 Abs. 2); "haben Anspruch auf...."( § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 4). Demgegenüber haben die Tarifvertragsparteien aber in § 6 TV Lohn/West lediglich normiert, dass "sicherzustellen ist, dass die Lohnabstände ... erhalten bleiben". Insoweit ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien hier gezielt unterschiedliche Formulierungen gewählt haben, weil den Tarifregelungen unterschiedliche Wirkung gegeben werden sollte.
e) Allein die Formulierung "sicherstellen" macht zudem deutlich, dass es sich insoweit um einen Verhandlungsauftrag an die nachfolgenden Bezirkslohntarifvertragsparteien des Sonderlohngebietes Hamburg handelt. Das Wort "sicherstellen" verlangt naturgemäß ein Handeln. Ohne eine solche Aktivität, ein solches Handeln, kann nichts sichergestellt werden.
f) Auch aus dem Gesamtzusammenhang und der Systematik des TV Lohn/West ergibt sich, dass § 6 lediglich als schuldrechtliche Bestimmung eingeordnet werden kann.
Insoweit ist zunächst auf § 3 Abs. 2 TV Lohn/West hinzuweisen. Dort ist ausdrücklich ein Sonderlohnanspruch für bestimmte Arbeitnehmer in einem bestimmten Baubereich in einer bestimmten Höhe normiert. Dort heißt es: "Im Sonderlohngebiet Hamburg erhalten Arbeitnehmer in Fertigbaubetrieben einen jeweils um 0,04 EUR erhöhten Tarifstundenlohn bzw. Gesamttarifstundenlohn". Diese Formulierung haben die Tarifvertragsparteien in § 6 TV Lohn/West jedoch für die sonstigen, nicht in Fertigbaubetrieben tätigen Arbeitnehmer des Sonderlohngebietes Hamburg gerade nicht gewählt. Sie haben insoweit nur eine abgeschwächte Vorgabe für einen Verhandlungsauftrag an die Bezirkslohntarifvertragsparteien gemacht, nämlich sicherzustellen, dass die Lohnabstände - in welcher ausgestalteten Höhe auch immer - erhalten bleiben.
g) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus der Anordnung des TV Lohn/West, insbesondere der Tatsache, dass § 6 TV Lohn/West nicht unmittelbar vor §§ 9 und 10 des TV Lohn/West steht. Letztere legen zweifelsfrei eine Verpflichtung der Landes- bzw. Bezirksorganisationen der Tarifvertragsparteien fest, unverzüglich die Lohntarifverträge (Lohntabellen) ihres Gesetzes nach Maßgabe dieses Tarifvertrages zu erstellen. Aus ihnen ergibt sich - was spätestens nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.01.2006 (4 AZR 552/04) nicht weiter zu vertiefen sein dürfte - eine Verpflichtung zur Führung von regionalen Tarifverhandlungen mit eigenständigem Gestaltungsspielraum. Das setzt voraus, dass in dem Sonderlohngebiet selbst gestaltende Regelungen über die Vergütung getroffen werden und nicht nur der Inhalt des TV Lohn/West für das Sonderlohngebiet neu dokumentiert wird. Auch bezüglich der §§ 9 und 10 des TV Lohn/West besteht kein Zweifel, dass sich diese Tarifregelungen an die Tarifvertragsparteien wenden, mithin schuldrechtlicher Natur sind. Auch § 6 TV Lohn/West gewährt den regionalen Tarifvertragsparteien diesen erwähnten Gestaltungsspielraum. Vor diesem inhaltlichen Hintergrund kann aus dem Standort des § 6 TV Lohn/West und der fehlenden unmittelbaren gestalterischen Nähe zu §§ 9 und 10 des TV Lohn/West nicht geschlussfolgert werden, es handele sich entgegen Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck um eine Norm, die unmittelbare Ansprüche der Arbeitnehmer habe begründen sollen."
Dem schließt sich die erkennende Berufungskammer vollständig an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen darauf ausdrücklich Bezug.
II.
Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat ab 1. April 2007 kraft Nachwirkung weiterhin Anspruch auf den tariflichen Lohn der Lohngruppe 4 des TV Lohn / West vom 29. Juli 2005. Die Vereinbarung vom 12. Juli 2005 ist keine andere Abmachung gemäß § 4 Abs. 5 TVG.
1. Aufgrund der Kündigung des TV Lohn / West vom 29. Juli 2005 durch die IG Bau zum 31. März 2007 entfiel für die Beklagte die Tarifgebundenheit gemäß § 3 Abs. 3 TVG mit Ablauf des 31. März 2007. Gemäß § 4 Abs. 5 TVG trat damit ab 1. April 2007 die Nachwirkung dieses Tarifvertrages ein. Die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG schließt sich auch bei einem Verbandsaustritt an das Ende der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG an (BAG, Urteil v. 23.2.2005 - 4 AZR 186/04 -, zit. nach JURIS). Kraft Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
2. Der Wortlaut von § 4 Abs. 5 TVG mit dem Tatbestandsmerkmal "ersetzen" legt nahe, dass die andere, die Nachwirkung beendende Abmachung nach Ablauf des Tarifvertrages getroffen werden muss (ErfK-Franzen, 8. Auflage, § 4 TVG, Rd.-Nr. 64). Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass ungünstigere frühere einzelvertragliche Vereinbarungen, die während der Vollwirksamkeit des Tarifvertrages nach § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 3 nicht gelten konnten, mit Ablauf des Tarifvertrages nicht automatisch wieder aufleben und das Arbeitsverhältnis grundsätzlich im Nachwirkungszeitraum auch nicht abweichend vom abgelaufenen Tarifvertrag regeln (Däubler/Bepler, TVG, 2. Auflage, § 4 Rd.-Nr. 908). Allerdings ist das Tatbestandsmerkmal "ersetzen" nicht in einem strengen zeitlichen Sinn zu verstehen, sondern funktional (ErfK-Franzen, 8. Auflage, § 4 TVG, Rd.-Nr. 64).
Es genügt daher, wenn die "andere Abmachung" im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG im Hinblick auf die Nachwirkung vereinbart wird.
Nach der Rechtsprechung des 4. und des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts folgt deshalb aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 TVG nicht zwingend, dass eine ablösende Abmachung nicht auch schon im Voraus getroffen werden kann, wenn es ihr darum geht, den Nachwirkungszeitraum abweichend zu regeln, auch wenn es dadurch nicht dazu kommt, dass ein Tarifvertrag nach seinem Ablauf überhaupt nachwirkt im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG. Nach Auffassung beider Senate erfasst die Tarifautonomie auch grundsätzlich Verträge, die erst in der Zukunft Wirkung entfalten sollen. Dies müsse auch für eine Vereinbarung gelten, die auf die Ablösung einer Nachwirkung des Tarifvertrages gerichtet sei. Maßgebend sei insoweit, dass die Vereinbarung dahin ausgelegt werden könne, dass sie - zumindest: auch - die Nachwirkung des beendeten Tarifvertrages beseitigen soll (BAG, Urteil v. 20.4.2005 - 4 AZR 288/04 -; BAG, Urteil vom 17.1.2006 - 9 AZR 41/05 -, zit. nach JURIS).
3. Eine Auslegung der Vereinbarung vom 12. Juli 2005 ergibt nicht, dass sie zumindest auch darauf gerichtet ist, die Nachwirkung des beendeten Tarifvertrages zu beseitigen. Die Auslegung hat gemäß §§ 133, 157 BGB zu erfolgen. Trotz des in § 133 BGB enthaltenden Verbots der Buchstabeninterpretation hat die Auslegung vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Nach der Ermittlung des Wortsinnes sind in einem zweiten Auslegungsschritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Als auslegungsrelevante Begleitumstände kommen vor allem in Betracht die Entstehungsgeschichte der Vereinbarung, die Äußerungen der Parteien über den Inhalt des Rechtsgeschäfts, die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck. Geboten ist eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung (Palandt BGB, § 133 Rd.Nr. 14 - 18).
Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze lässt sich der Vereinbarung vom 12. Juli 2005 nicht entnehmen, dass sie darauf gerichtet war, die Nachwirkung eines beendeten Tarifvertrages beseitigen zu wollen.
a. Die Arbeitsvertragsänderung vom 12. Juli 2005 selbst enthält keinen Hinweis darauf, dass die beabsichtigte Lohnsenkung jedenfalls spätestens mit Beginn des Nachwirkungszeitraumes des TV Lohn / West vom 29. Juli 2005 Wirksamkeit entfalten sollte. Vielmehr haben die Vertragsparteien geregelt, dass die Änderungen bereits mit dem 1. September 2005 in Kraft treten sollten. Der Wortlaut der Arbeitsvertragsänderung enthält keine Hinweise - weder ausdrücklich noch konkludent - dass es den Parteien auch um die Beseitigung einer etwa möglichen Nachwirkung eines Tarifvertrages ging.
b. Auch die außerhalb des Wortlautes liegenden Begleitumstände lassen nicht den Schluss zu, dass es den Parteien um die Beseitigung der Nachwirkung eines Tarifvertrages ging.
Der Tarifvertrag, dessen Nachwirkung ab 1. April 2007 hier streitig ist, wurde von den Tarifvertragsparteien erst am 29. Juli 2005 abgeschlossen und trat zum 1. September 2005 in Kraft. Das heißt, die Arbeitsvertragsänderung vom 12. Juli 2005 wurde geschlossen zu einem Zeitpunkt, als der neue Tarifvertrag noch nicht einmal vereinbart war. Zwar ist es sicherlich denkbar, dass im Vorgriff auf das absehbare Tarifende bereits eine andere Abmachung getroffen werden kann. In Betracht kommt das insbesondere, wenn der Arbeitgeber nur noch nach § 3 Abs. 3 TVG tarifgebunden ist und das Auslaufen des Tarifvertrages zu einem bestimmten Zeitpunkt feststeht (vgl. Löwes/Rieble, TVG, 2. Auflage, § 4 Rd.-Nr. 401).
Zu einem solchen Zeitpunkt wurde die Arbeitsvertragsänderung jedoch nicht abgeschlossen. Vielmehr stand am 12. Juli 2005 noch nicht einmal der Inhalt des neuen zu erwartenden Tarifvertrages, dessen Laufzeit und dessen Kündigungsmöglichkeit fest. Angesichts dieser Unsicherheiten zum 12. Juli 2005 verbietet es sich, die Willenserklärungen mit der Maßgabe auszulegen, sie seien auch auf die Beseitigung der Nachwirkung gerichtet.
c. Dagegen spricht insbesondere folgende weitere Überlegung: Ausweislich des Protokolls vom 23. Juni 2005 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sei werde in Zukunft nicht mehr im Arbeitgeberverband sein. Sie bat den Betriebsrat darum, die Belegschaft darüber und über die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten zu unterrichten. Diese Äußerung der Beklagten konnte von der Belegschaft nur dahin zu verstehen sein, sie - Arbeitgeberin - fühle sich wegen ihrer fehlenden zukünftigen Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband nicht mehr an zukünftige Tarifverträge gebunden.
Mit anderen Worten: Aufgrund dieser Äußerung der Arbeitgeberin durften die Arbeitnehmer davon ausgehen, die Tarifbindung für zukünftige Tarifverträge entfalle und folglich seien auch Regelungen unterhalb des tariflichen Niveaus bis zur Grenze des tariflichen Mindestlohnes zulässig. Diese Äußerung der Arbeitgeberin war gewissermaßen Geschäftsgrundlage für die Entscheidung der Arbeitnehmer, die Vereinbarung vom 12. Juli 2005 zu unterzeichnen. Es ging ihnen also gerade nicht darum, eine irgendwie irgendwann entstehende Nachbindung des Tarifvertrages zu beseitigen, sondern sie durften aufgrund der Erklärung der Beklagten davon ausgehen, mangels zukünftiger Tarifbindung gelte überhaupt kein zukünftiger Tarifvertrag mehr.
Angesichts dieser Umstände verbietet es sich daher, die Vereinbarung vom 12. Juli 2005 zu verstehen als eine andere Abmachung im Sinne von 4 Abs. 5 TVG. Da die Arbeitnehmer aufgrund der Erklärung der Arbeitgeberin davon ausgehen durften, es gelte zukünftig überhaupt keine Tarifbindung, stellte sich auch nicht die Frage der Nachwirkung eines zukünftigen Tarifvertrages, die gegebenenfalls hätte bereits im Vorwege beseitigt werden sollen.
d. Auch die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck führen nicht zu dem von der Beklagten gewünschten Auslegungsergebnis.
Die wirtschaftliche Situation stellte sich für die Beklagte im Jahre 2005 als desolat dar. Anlass und Motiv für die Vereinbarung vom 12. Juli 2005 war daher auf Seiten der Arbeitnehmer, ihren Beitrag zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten zu leisten. Es ging ihnen also nicht darum, für einen etwaigen späteren Zeitraum mit Eintritt der Nachwirkung Regelungen zu treffen, sondern wegen der aktuell schlechten wirtschaftlichen Situation bereits im Jahre 2005. Ob die wirtschaftliche Situation auch knapp 2 Jahre später noch so sein würde, war für die Arbeitnehmer und den Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht absehbar. Es bestand für ihn daher auch kein Anlass, zum Erhalt seines Arbeitsplatzes so frühzeitig wegen einer erst Jahre später wegfallenden Tarifbindung der Beklagten auf dann erst nachwirkende Tarifrechte zu verzichten. Denn die wirtschaftliche Situation hätte sich im Jahre 2007 schon für die Beklagte ganz anders darstellen können, weshalb dann für die Arbeitnehmer auch keine Veranlassung bestanden hätte, eine der Nachwirkung entgegenstehende andere Abmachung zu treffen.
e. Weiterhin trägt auch nicht das Argument der Beklagten, der Kläger habe durch Unterzeichnung der Vereinbarung vom 12. Juli 2005 quasi als "Minus" eine andere Abmachung jedenfalls für die Zeit ab Eintritt der Nachwirkung (1. April 2007) getroffen. Die Beklagte argumentiert dahin, wenn der Kläger schon auf Rechte ab dem 1. September 2005 verzichtet habe, dann sei es naheliegend, dass er dies erst recht ab dem 1. April 2007 getan hätte, weil es sich insoweit um eine mildere Maßnahme gehandelt habe. Diese Argumentation verbietet sich aus zwei Gründen: Erstens ist zu beachten, dass der Kläger die Vereinbarung unterschrieb vor dem Hintergrund der Erklärung der Beklagten, sie sei zukünftig nicht mehr im Arbeitgeberverband. Dies war für ihn Geschäftsgrundlage. Hätte er gewusst, dass es der Beklagten nicht gelingt, noch vor dem 29. Juli 2005 aus dem Arbeitgeberverband auszutreten, so hätte er möglicherweise diese Vereinbarung nicht unterschrieben. Zweitens war der Zeitpunkt der Nachwirkung am 12. Juli 2005 völlig ungewiss. Zwar mag es üblich sein, dass die Tarifverträge im Regelfall zum März des Jahres gekündigt werden. Es ist aber keineswegs unüblich, dass im Lohn- und Gehaltsbereich Tarifverträge mit einjähriger oder mehrjähriger Laufzeit abgeschlossen werden. Folglich war zum 12. Juli 2005 der Zeitpunkt der Nachwirkung völlig ungewiss. Die Nachwirkung hätte bereits im Jahre 2006, aber auch erst im Jahre 2007 oder möglicherweise auch erst im Jahre 2008 eintreten können. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits am 12. Juli 2005 auf einen völlig ungewissen Zeitpunkt hin die Nachwirkung durch eine andere Abmachung ersetzen wollte. Warum sollte er zum Erhalt seines Arbeitsplatzes schon so frühzeitig wegen einer Jahre später wegfallenden Tarifbindung der Beklagten auf dann erst nachwirkende Tarifrechte verzichten?
Demnach wirkt der TV Lohn / West vom 29. Juli 2005 auf das Arbeitsverhältnis nach. Dem Kläger stehen folglich auch nach Wegfall der Tarifbindung über den 31. März 2007 hinaus die Ansprüche aus dem TV Lohn / West vom 29. Juli 2005 zu.
Nach alledem waren die Berufungen beider Parteien mit der Kostenfolge des § 97 zurückzuweisen, wobei die Beklagte wegen des geringfügigen Unterliegens des Klägers die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Die Revision wird für den Kläger wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung und für die Beklagte wegen Divergenz zu dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 24.1.2008 - 1 Sa 416/07 - zugelassen.
Ende der Entscheidung
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