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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 4 Ta 147/07
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 5
BGB § 187
BGB § 188
1. Zur Kündigungsschutzklage unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe

2. Zur Hinweispflicht des Arbeitsgerichts

3. Zum Verschulden des Prozessbevollmächtigten beim Antrag auf nachträglich Zulassung.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 4 Ta 147/07

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 24.05.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzender

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 1. Februar 2007 - 1 Ca 2240 a/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4.625,07 Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Die Parteien streiten um die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.

Der Kläger trat am 3. Juli 2000 in die Dienste der Beklagten ein. Seither beschäftigte sie ihn als Mitarbeiter im Rotationsystem in K. mit zuletzt monatlich durchschnittlich 1.541,69 Euro brutto.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgerecht betriebsbedingt zum 31. Januar 2007 und bot ihm gleichzeitig eine Weiterbeschäftigung zu ansonsten unveränderten Konditionen in Berlin ab 1. Februar 2007 an. Die Beklagte übergab ihm dieses Kündigungsschreiben anlässlich einer Mitarbeiterversammlung am 30. Oktober 2006.

Mit Schreiben vom 9. November 2006 zeigte die Rechtsanwältin Dr. R.-H. gegenüber der Beklagten an, den Kläger zu vertreten. Sie teilte mit, dass der Kläger das Angebot nicht unter Vorbehalt annehme und die Kündigung für sozial ungerechtfertigt halte.

Am Samstag, 18. November 2006, warf die Prozessbevollmächtigte des Klägers einen mit "Klage und Antrag auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses - Antrag auf Prozesskostenhilfe beziehungsweise Anwaltsbeiordnung gemäß § 11 a ArbGG" überschriebenen und von ihr unterzeichneten Schriftsatz in den Nachtbriefkasten des Arbeitsgerichts Kiel ein. Mit diesem Schriftsatz hat sie beantragt, die Klage nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe beziehungsweise erfolgter Beiordnung zuzustellen.

Die Sache wurde dem Vorsitzenden der erkennenden Kammer des Arbeitsgerichts am Dienstag, 21. November 2006, vorgelegt. Er verfügte darauf wie folgt:

"... wird die Antragsstellervertreterin darauf hingewiesen, dass die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrages nicht fristwahrend im Sinne von §§ 4, 7 KSchG ist. Für den Fall, dass die 3-Wochen-Frist nicht eingehalten ist, kann mangels Erfolgsaussicht keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden."

Das Arbeitsgericht hat diese Verfügung der Klägervertreterin per Fax am 21. November 2006 zugestellt. Mit Schriftsatz vom gleichen Tage, beim Arbeitsgericht ebenfalls am 21. November 2006 eingegangen, stellte die Klägervertreterin klar, dass die Klage unbedingt, mithin unabhängig von der Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe, erhoben werde. Ferner führt sie in diesem Schriftsatz aus, dass die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage mit dem Schriftsatz vom 21. November 2006 gewahrt sei. Wörtlich heißt es in diesem Schriftsatz:

"Für die Berechnung der Frist gelten die §§ 187, 193 BGB. Der Tag, an welchem die Kündigung nach § 130 BGB zugegangen ist, hier der 30.10.2006 (Tag der persönlichen Aushändigung) wird nicht mitgerechnet, § 187 BGB. Die Frist endet nach § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf des gleichen Wochentages der folgenden Woche. Die Frist begann demnach am Dienstag, dem 31. Oktober 2006, zu laufen und endet folglich am heutigen Dienstag, dem 21.11.2006."

Im Gütetermin am 7. Dezember 2006 hat der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Arbeitsgerichts nach Erörterung des gesamten Sach- und Streitverhältnisses folgenden Beschluss verkündet:

"1. Dem Kläger wird aufgegeben, unter Einhaltung der 3-Wochen-Frist weiterhin vorzutragen. Aus Sicht des Gerichtes ist § 288 Abs.2 BGB allein dahingehend zu verstehen, dass bei einer nach Wochen bemessenen Frist der Fristablauf am gleichen Wochentage des Ereignisses erfolgt. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Kommentierung im Palandt § 188 Rn. 2. Insofern dürfte die Kündigung gemäß §§ 4, 7 KSchG rechtswirksam sein. Ferner wird darauf hingewiesen, dass bislang eine Anspruchsgrundlage für einen Abfindungsantrag nicht erkennbar ist. Alleine das Angebot an einem anderen Ort zu arbeiten, führt nicht zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung. Im Übrigen setzt ein solcher Antrag eine rechtsunwirksame Kündigung voraus, was angesichts des Fristablaufs nicht der Fall sein dürfte. Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen gegeben, mit der Auflage den Schriftsatz der Gegenseite vorab per Fax zuzustellen.

2. ..."

Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2006, beim Arbeitsgericht zugegangen am 12. Dezember 2006, stellte die Klägervertreterin klar, dass auch sie nun dieser Auffassung folge und beantragte gleichzeitig, die Änderungskündigungsschutzklage gemäß § 5 Abs. 1 KSchG nachträglich zuzulassen.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien wird auf den darstellenden Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag als unzulässig verworfen mit der Begründung, er sei nicht innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gestellt worden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den ihm am 14. Februar 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 15. Februar 2007 sofortige Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet:

Er habe die Versäumung der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht verschuldet. Er sei berechtigterweise bis zum Gütetermin am 7. Dezember 2006 davon ausgegangen, dass die durch Schriftsatz vom 21. November 2006 nachträglich unbedingt erhobene Klage fristwahrend im Sinne von § 4 KSchG gewesen sei. Einerseits sei die Verfügung des Arbeitsgerichts vom 21. November 2006 nicht eindeutig. Durch die Formulierung "für den Fall, dass die 3-Wochen-Frist nicht eingehalten ist, kann mangels Erfolgsaussicht keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden", habe das Arbeitsgericht offen gelassen, ob die Klagefrist zu diesem Zeitpunkt noch eingehalten werden konnte oder nicht. Zum anderen sei das Arbeitsgericht in seiner Verfügung und Terminsladung vom 22. November 2006 der von ihm im Schriftsatz vom 21. November 2006 vertretenen Auffassung, die nachträglich unbedingt erhobene Klage sei fristwahrend vorgenommen, nicht ausdrücklich entgegengetreten. Daher habe er davon ausgehen dürfen, dass auch das Arbeitsgericht von der Wahrung der Klagefrist ausging. Hätte das Gericht die Auffassung vertreten, dass durch seinen Schriftsatz vom 21. November 2006 eine fristgerechte Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht erfolgt sei, hätte es zur Wahrung seiner Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO ihn in der Verfügung und Terminsladung vom 22. November 2006 oder durch gesonderte Mitteilung ausdrücklich darauf hinweisen müssen.

Zudem habe das Arbeitsgericht bereits durch die Terminierung des Gütetermins mittelbar signalisiert, dass es von der Wahrung der 3-Wochen-Frist ausgehe, denn die Anberaumung eines Gütetermins sei sonst nicht sinnvoll zu erklären. Auch habe das Arbeitsgericht in dem Gütetermin vom 7. Dezember 2006 durch die ihm eingeräumten Fristen zum Ausdruck gebracht, dass es für die Berechnung der 2-Wochen-Frist zur Stellung des Antrags gemäß § 5 KSchG auf den Tag des Gütetermins abstelle.

Ferner habe das Arbeitsgericht ihn mit der Verfügung vom 21. November 2006 zu spät über die Versäumung der 3-Wochen-Frist informiert. Da seine Prozessbevollmächtigte die Kündigungsschutzklage bereits am Samstag, 18. November 2006, in den Nachtbriefkasten des Arbeitsgerichts eingeworfen habe, habe die Klage dem Gericht am 20. November 2006 bereits vorgelegen. Das Gericht sei daher zur Wahrung seiner Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO verpflichtet gewesen, ihn bereits am 20. November 2006 und damit noch innerhalb der 3-Wochen-Frist über die Gefahr einer möglichen Fristversäumung zu unterrichten. Alternativ hätte das Arbeitsgericht bereits am 20. November 2006 über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden können und damit die Fristversäumung gänzlich abwenden. Jedenfalls liege ein Versäumnis des Arbeitsgerichts vor, dass nicht zu seinen Lasten gehe. Zudem sei zu beachten, dass dem Arbeitsgericht aus verschiedenen anderen Prozessen bekannt sei, dass die Mitarbeiter der Beklagten alle am 30. November 2006 die Kündigung erhalten hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird Bezug genommen auf den Inhalt der Schriftsätze vom 15. Februar 2007 und vom 16. April 2007.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 78 ArbGG, §§ 567, 569 ZPO). Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Kündigungsschutzklage des Klägers nicht nachträglich zugelassen. Das Beschwerdegericht nimmt ausdrücklich zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss vom 1. Februar 2007 und im Nichtabhilfebeschluss vom 22. März 2007. Die Argumente der sofortigen Beschwerde sind nicht geeignet, eine Abänderung des angegriffenen Beschlusses zu begründen und die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Das Arbeitsgericht hat keine Hinweispflichten verletzt. Allein die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat schuldhaft in Verkennung gesetzlicher Vorschriften die Ursache für die Versäumung der Frist gemäß § 4 Satz 1 KSchG und § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gesetzt. Ihr Versuch im Beschwerdeverfahren, ihr eigenes Fehlverhalten auf das Arbeitsgericht abzuwälzen, muss scheitern.

1. Der Antrag ist unzulässig. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist er nur innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Der am 12. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht eingegangene Schriftsatz vom 8. Dezember 2007 mit dem Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist außerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gestellt worden.

a. § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG knüpft für den Fristbeginn an die Behebung des Hindernisses für die rechtzeitige Klageerhebung an. Was Hindernis im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG bedeutet, ist § 5 Abs. 1 KSchG zu entnehmen. Die Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG beginnt daher spätestens mit der Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses für die Klagerhebung. Sie kann aber schon vorher beginnen, wenn die Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses bei Aufbieten zumutbarer Sorgfalt hätte erlangt werden können, also die fortbestehende Unkenntnis nicht mehr unverschuldet ist (KR-Friedrich, § 5 KSchG, Rn. 104 a und 110 ff m.w.N.). Die Frist des § 5 Abs. 3 KSchG beginnt daher, wenn die unvertretende Partei weiß oder bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Klage verspätet ist und sie nachträgliche Zulassung beantragen muss und dies an eine entsprechende Antragsfrist gebunden ist. Hat der Arbeitnehmer jedoch - wie hier - eine Prozessbevollmächtigte, so ist ihm deren Kenntnis oder verschuldete Unkenntnis zuzurechnen. Unabhängig von der streitigen Frage, inwieweit § 85 Abs. 2 ZPO im Rahmen des § 5 KSchG ansonsten Anwendung findet, ist nach herrschender und zutreffender Auffassung jedenfalls bei der Versäumung der Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG eine solche Zurechnung geboten, weil es sich insoweit um eine dem § 234 ZPO entsprechende prozessuale Frist handelt (Sächsisches LAG, Beschluss v. 5. Oktober 2000, LAGE § 5 KSchG Nr. 101; LAG Köln, Beschluss v. 08.11.1994, LAGE § 5 KSchG Nr. 70; LAG Hamm, Beschluss v. 24. September 1997, LAGE § 5 KSchG Nr. 31). Für die Behebung des Hindernisses ist deshalb darauf abzustellen, wann die Prozessbevollmächtigte des Klägers Kenntnis von der Versäumung der Klagfrist hatte oder hätte haben können. Die 2-Wochen-Frist läuft daher bereits dann, wenn die Prozessbevollmächtigte bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Klage verspätet eingereicht wurde.

b. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze erfolgte der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht fristgerecht. Das Hindernis zur Erhebung einer rechtzeitigen Kündigungsschutzklage ist bereits durch die Verfügung des Arbeitsgerichts vom 21. November 2006 weggefallen. Die Frist zur Stellung des Antrags auf nachträgliche Zulassung begann gemäß § 187 Abs. 1 BGB am Mittwoch, 22. November 2006, um 00.00 Uhr und lief gemäß § 188 Abs. 2 BGB bis Dienstag, 5. Dezember 2006, um 24.00 Uhr. Die Klägervertreterin hätte bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt bereits durch die Verfügung des Arbeitsgerichts vom 21. November 2006 erkennen können, dass die Kündigungsschutzklage nicht fristgerecht erhoben ist.

Das Arbeitsgericht hat ihr in der Verfügung vom 21. November 2006 den insoweit eindeutigen Hinweis erteilt, dass die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags nicht fristwahrend im Sinne der §§ 4, 7 KSchG ist. Die Klägervertreterin wusste beziehungsweise hätte bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt am 21. November 2006 erkennen können und auch müssen, dass die durch den Prozesskostenhilfeantrag bedingt erhobene Kündigungsschutzklage nicht fristwahrend im Sinne der §§ 4,7 KSchG war. Dass sie den Hinweis des Arbeitsgerichts auch so verstanden hat, zeigt ihr eigener Schriftsatz vom 21. November 2006, in dem sie auf die richterliche Verfügung mitteilte, die Kündigungsschutzklage werde nun unbedingt unabhängig von der Bewilligung des gestellten Prozesskostenhilfeantrages erhoben.

Das die Klägervertreterin aufgrund der rechtsfehlerhaften Anwendung der §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB noch am 21. November 2006 zunächst davon ausging, die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage laufe bis einschließlich 21. November 2006, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies stellt allein einen Rechtsfehler der Klägervertreterin dar, den sich der Kläger über § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Die Vorschriften der §§ 187 ff BGB sind eindeutig. Es muss von jedem Rechtsvertreter erwartet werden, dass er die Anwendung dieser einfachen Fristen beherrscht.

Insoweit kann sich die Klägervertreterin auch nicht auf die Verfügung vom 21. November 2006 berufen, in der das Arbeitsgericht formuliert hat, dass für den Fall der Nichteinhaltung der 3-Wochen-Frist mangels Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden könne. Selbst wenn diese Formulierung nicht eindeutig gewesen sein sollte, hätte die Verfügung vom 21. November 2006 jedenfalls Anlass geben müssen, die Frage der Wahrung der 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG zu überprüfen. Unterlässt die Klägervertreterin jedoch eine derartige Überprüfung, so handelt sie auf eigene Gefahr und kann sich später nicht darauf berufen, dass sie den Umstand der verspäteten Klagerhebung nicht früher hätte erkennen können. Zudem durfte sich das Arbeitsgericht, noch bevor der Gegenseite rechtliches Gehör gewährt worden war, hinsichtlich der Wahrung der Klagefrist nicht endgültig festlegen. Schon aus diesem Grund ist die Formulierung des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden.

c. Entgegen der Ansicht des Klägers war das Arbeitsgericht auch nicht verpflichtet, ihn in der Verfügung und Terminsladung vom 22. November 2006 ausdrücklich auf die verstrichene Frist des § 4 KSchG hinzuweisen. Das Arbeitsgericht ist insoweit bereits mit seiner Verfügung vom 21. November 2006 seiner Hinweispflicht nachgekommen. Zudem betrifft die Vorschrift des § 139 ZPO insoweit nach zutreffender Feststellung des Arbeitsgerichts allein die Strukturierung des Verfahrens. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, einer Partei Rechtsrat zu erteilen beziehungsweise ihre Geschäfte zu betreiben. Vielmehr gehört es zur Sorgfalt des vom Mandanten bezahlten Prozessbevollmächtigten, die Klagfrist in eigener Verantwortung zu prüfen. Zudem sind - wie bereits ausgeführt - sowohl der Wortlaut der §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB als auch die Kommentierung zu dem betreffenden Vorschriften so eindeutig, dass schon aus diesen Grund ein ausdrücklicher Hinweis nicht erforderlich war. Es handelt sich folglich nicht um einen Fall der Amtspflichtverletzung des Arbeitsgerichts, sondern gegebenenfalls um einen Fall des Anwaltsregresses.

Darüber hinaus war ein Hinweis auf die versäumte Frist des § 4 KSchG schon deshalb nicht erforderlich, weil ein solcher Hinweis nach zutreffender Darstellung des Arbeitsgerichts für den Kläger ohnehin nutzlos gewesen wäre. Vorliegend ist kein Fall des § 5 KSchG gegeben. Diese Vorschrift setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer an der verspäteten Klagerhebung kein Verschulden trifft. Dies ist hier nicht der Fall. Die Klägervertreterin hat die Versäumung der Klagfrist zu vertreten. Sowohl die fehlerhafte Fristberechnung nach den §§ 187, 188 BGB als auch die Unkenntnis von der Rechtsproblematik "Wahrung der 3-Wochen-Frist gemäß § 4 KSchG durch bedingte Klagerhebung" hätte die Klägervertreterin bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt vermeiden können. Die Fristberechnung nach den §§ 187, 188 BGB ist eindeutig. Auch die Unkenntnis hinsichtlich der Erfordernisses einer unbedingten Klagerhebung zur Fristwahrung des § 4 KSchG stellt ein Verschulden der Klägervertreterin dar, weil sie sich über die Rechtslage hätte informieren können und müssen. Dem Kläger ist dieses Verschulden über § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

d. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Arbeitsgericht auch nicht bereits durch die Terminierung des Gütetermins mittelbar signalisiert, dass es von der Wahrung der 3-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage ausgehe. Es ist nach zutreffender Darstellung des Arbeitsgerichts Aufgabe des Gerichts, nach Eingang der Klage Gütetermin zu bestimmen. Dies gilt auch für eine unbegründete Klage und folgt aus dem Grundsatz der Mündlichkeit gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 128 Abs. 1 ZPO. Daher können allein aus der Terminierung eines Gütetermins keine Rückschlüsse auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Klage gezogen werden, zumal wesentlicher Inhalt eines Gütetermins auch die Erörterung einer gütlichen Einigung ist, die auch bei einer unzulässigen oder deutlich unbegründeten Klage nicht auszuschließen ist.

e. Entgegen der Ansicht des Klägers ist für die Berechnung der Frist des Antrags nach § 5 Abs.1 KSchG auch nicht auf den Tag der Güteverhandlung - 7. Dezember 2006 - abzustellen. Unabhängig von der Frage, wem das Arbeitsgericht welche Frist gesetzt und welchen Sinn und Zweck die Fristen gehabt haben, hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass eine Handlung des Gerichts nach Ablauf der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG das Verfahren nicht nachträglich wieder in Stand vor Ablauf der Frist setzen kann. Die Frist zur Antragstellung lief bereits am 5. Dezember 2006 um 24.00 Uhr ab. Eine mögliche Fristgewährung am 7. Dezember 2006 kann daher das Verstreichen der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG mit Ablauf des 5. Dezember 2006 nicht ausräumen.

f. Auch der Vorwurf des Klägers nicht haltbar, das Arbeitsgericht habe mit der Verfügung vom 21. November 2006 zu spät über die Versäumung der 3-Wochen-Frist informiert und damit einen Antrag nach § 5 KSchG überhaupt erst erforderlich gemacht.

Die Kündigungsschutzklage ist dem Vorsitzenden der erkennenden Kammer des Arbeitsgerichts am 21. November 2006 vorgelegt worden. Dieser hat die Klägervertreterin noch am selben Tag per Telefax darauf hingewiesen, dass die Stellung des Prozesskostenhilfeantrages nicht fristwahrend im Sinne der §§ 4, 7 KSchG sei. Dieses Verhalten ist nicht zu beanstanden. Selbst wenn - wie der Kläger vorträgt - die Geschäftsstelle des Arbeitgerichts die Klage dem Vorsitzenden bereits am 20. November 2006 hätte vorlegen können, ist daraus keine Amtspflichtverletzung des Arbeitsgerichts herzuleiten. Die Verpflichtung aus § 139 ZPO geht nicht soweit, dass das Gericht eine Partei darauf hinweisen muss, dass diese gegebenenfalls noch am selben Tag eine unbedingte Klage erheben muss. Eine Prüfungspflicht trifft vielmehr diejenige Partei, die sich gegen die Kündigung wehren will. Darüber hinaus ist die Fristversäumung in erster Linie auf die unzutreffende Berechnung der Klagefrist durch die Klägervertreterin zurückzuführen. Dies wird aus dem Schriftsatz vom 21. November 2006 deutlich, in dem sie immer noch davon ausging, dass die Kündigungsschutzklage noch bis zum Ablauf des 21. November 2006 fristwahrend erhoben werden könne.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Argumentation des Klägers, dem Arbeitsgericht sei durch Parallelverfahren bekannt gewesen, dass alle von der Kündigungswelle betroffenen Mitarbeiter ihre Kündigung am 30. November 2006 erhalten hätten. Dem Arbeitsgericht sei daher bekannt gewesen, dass die Klagfrist auch für den Kläger am 20. November 2006 ablief, weshalb es gehalten gewesen sei, bereits am 20. November 2006 zu reagieren. Diese Argumentation trägt nicht. Zum einen kann aus Parallelverfahren nicht darauf ausgeschlossen werden, dass dem Arbeitsgericht auch in diesem Prozess bekannt war, dass dem Kläger die Kündigung bereits am 30. Oktober 2006 zugegangen war. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, würde dies nicht eine Amtspflichtverletzung des Arbeitsgerichts begründen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, dafür zu sorgen, dass Klagen rechtzeitig erhoben werden. Dies ist allein Verpflichtung des Klägers beziehungsweise der von ihm bezahlten Anwältin.

g. Auch die Argumentation des Klägers, das Arbeitsgericht sei gehalten gewesen, noch vor Ablauf der Klagefrist über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden, trägt nicht. Zum einen gibt es überhaupt keine Verpflichtung, taggleich mit Eingang des Antrages diesen auch zu bescheiden. Zum anderen ist zu beachten, dass gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor der Bewilligung der Prozesskostenhilfe dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, wenn dies nicht aus besonderen Gründen unzweckmäßig erscheint. Die besonderen Gründe sind nicht erkennbar, weshalb das Arbeitsgericht gehindert war, bereits am Tag des Eingangs des Prozesskostenhilfeantrages diesen zu bescheiden.

2. Schließlich wäre der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage auch unbegründet. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Kläger nicht mit der Begründung gehört werden, er habe von der Fristversäumung der §§ 4, 7 KSchG keine Kenntnis gehabt. Denn seine Prozessbevollmächtigte hat die Fristversäumnis zu vertreten. Weder die fehlerhafte Anwendung der §§ 187, 188 BGB noch die Unkenntnis von der Rechtsproblematik "Wahrung der 3-Wochen-Frist gemäß § 4 KSchG durch bedingte Klagerhebung" stellen einen Fall der unverschuldeten Fristversäumnis des § 5 KSchG dar. Die Argumentation der Prozessbevollmächtigten des Klägers, es könne arbeitsgerichtlichen Prozessnormen nicht entnommen werden, dass Kündigungsschutzklage nicht unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben werden dürfe, trägt nicht. Bereits der Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG ist eindeutig, denn er verlangt Klagerhebung innerhalb der 3-Wochen-Frist. Dies bedeutet unbedingte Klagerhebung. Wenn dann eine Prozessbevollmächtigte - wie hier jene des Klägers - nicht unbedingt, sondern bedingt abhängig von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe Klage erhebt, so gehört es zur anwaltlichen Sorgfaltspflicht, sich zunächst darüber zu informieren, ob eine solche bedingte Klagerhebung möglich ist. Bereits eine einfache Recherche bei Juris mit den Stichworten Prozesskostenhilfe und § 4 KSchG hätte der Prozessbevollmächtigten des Klägers Aufschluss darüber gegeben, dass nach ganz überwiegender Auffassung der Landesarbeitsgerichte eine solche bedingte Klagerhebung nicht möglich ist. Es sei insoweit nur verwiesen auf die Beschlüsse des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 23. Dezember 2005 - 3 Ta 362/05 -, des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 12.07.2004 - 2 Ta 113/04 - und des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 23. Oktober 2003 - 7 Ta 174/03 -, des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11. März 1996 - 10 Ta 22/96 -. Wenn im Übrigen das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Beschluss vom 7. August 2002 - 10 Ta 242/02 - die Auffassung vertreten hat, die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrages mit der gleichzeitigen Einreichung des Entwurfs der Klageschrift und der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen wahre rückwirkend die Frist des § 4 KSchG, sofern unverzüglich nach positiver oder negativer rechtskräftiger Entscheidung über das Prozesskostengesuch die Klage zugestellt werde, so führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Zur anwaltlicher Sorgfalt gehört es, sich insoweit nicht angesichts der oben zitierten Beschlüsse der anderen Landesarbeitsgerichte, insbesondere des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, auf diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen zu stützen.

Im Übrigen hätte die Prozessbevollmächtigte des Klägers durch Lektüre des Standardkommentars zum Kündigungsrecht (Becker, Etzel u.a., KR, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 7. Auflage) unter § 5 KSchG mit dem Stichwort Prozesskostenhilfe in der Rn. 28 erkennen können, dass die nachträgliche Zulassung wegen verspäteter Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht zu gewähren ist, da es beim Arbeitsgericht keine Prozesskostenvorschusspflicht gibt. (KR-Friedrich, § 5 KSchG, Rn. 28)

Folglich ist die mögliche Mittellosigkeit des Klägers kein Hinderungsgrund für die Klagerhebung, aufgrund dessen angenommen werden könnte, er sei unverschuldet daran gehindert gewesen, rechtzeitig Klage zu erheben. Denn der Kläger eines Kündigungsschutzverfahrens kann die Kündigungsschutzklage völlig kostenfrei mit Hilfe der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts ohne Gebührenvorschuss erheben. Will er sich sodann der Hilfe eines Rechtsanwalts bedienen, kann er nach Klagerhebung den Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen und die Entscheidung hierüber abwarten. Wird der Antrag abgelehnt, so entsteht im Falle der Klagrücknahme vor streitiger Verhandlung keine Gebühr. Das dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO anzurechnende Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten liegt dann darin, dass diese ihn nicht zur persönlichen Klagerhebung geraten hat. (So auch Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss v. 23.12.2005 - 3 Ta 362/05 -; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 12.07.2004 - 2 Ta 113/04 -)

Nach alledem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Der Beschwerdewert war nach dem Wert der Hauptsache festzusetzen, da ihr Ausgang vom vorliegenden Verfahren abhängt.

Gegen diesen Beschluss ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Auch nach der Änderung des Beschwerderechts ab 1. Januar 2002 ist eine Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht nicht zulässig (BAG, Beschluss v. 20.08.2002, APNr 14 zu § 5 KSchG 1969; RFK-Kiel § 5 KSchG Rn. 430). Folglich stellt sich auch nicht für das Beschwerdegericht die Frage nach der Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Ende der Entscheidung

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